Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffliche Erläuterungen
2.1 Inklusion
2.2 Bildung in Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention
2.3 Heterogenität
3 Leitbild der Inklusion - eine Voraussetzung für inklusive berufliche Bildung .
4 Inklusion in der beruflichen Bildung - die Rolle als Lehrkraft
5 Ausblick - kritische Auseinandersetzung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
In Deutschland ist seit 2009 die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten. Das bedeutet für das Land, dass es sich dazu verpflichtet hat, die Gesellschaft - explizit auch die berufliche Bildung - so zu gestalten, dass alle Menschen das gleiche Recht haben, Teilhabe dieser Gesellschaft zu sein. Nach Wieland und Burkard der Bertelsmann Stiftung heißt es, dass der Weg zu einem inklusiven Berufsbildungssystem noch ein weiter Weg sei. Dies wird damit begründet, dass den Jugendlichen mit Behinderungen noch viel zu selten der Zugang in das reguläre Ausbildungssystem ermöglicht wird (vgl. Bertelsmann Stiftung 2015).
Um eine Gleichberechtigung aller Individuen in der Gesellschaft zu ermöglichen und ihnen die Chancen zu geben, bedarf es Veränderungen auf vielen Ebenen und vor allem ein Einsatz aller daran Beteiligten. Denn nur nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ kann das wichtige und zentrale Thema Inklusion in der Gesellschaft und im (Berufs)Schulsystem aufgegriffen werden. Eine wesentliche Ebene um den Weg für die inklusive berufliche Bildung stärker zu machen ist die Herausforderung(en) an die vorhandenen, aber auch angehenden Lehrkräfte in Deutschland. Aus diesem Grund wird sich diese schriftliche wissenschaftliche Arbeit mit der Fragestellung „Inklusion in der beruflichen Bildung - Herausforderungen für Gesellschaft und Lehrer*innen“ näher befassen.
Zu Beginn dieser Arbeit werden die Begriffe „Inklusion“, „Bildung“ und „Heterogenität“ näher erläutert und in Zusammenhang mit der beruflichen Bildung gebracht, wobei sich der Begriff „Bildung“ auf die UN-Behindertenrechtskonvention bezieht. Daran anknüpfend wird das Leitbild der Inklusion nach Kersten Reich näher beleuchtet, welches einen starken Einfluss auf die inklusive berufliche Bildung nimmt.
Aufbauend darauf werden dann die Herausforderung(en) bzw. die Rolle der Lehrkraft in der inklusiven beruflichen Bildung beschrieben.
Abschließend wird dann im Ausblick kurz der Inhalt dieser wissenschaftlichen Arbeit aufgegriffen und dabei wird eine kritische Auseinandersetzung zum Thema Inklusion in der beruflichen Bildung erfolgen.
2 Begriffliche Erläuterungen
2.1 Inklusion
Inklusion (lateinisch „incluso“: „Enthaltensein“) bedeutet im Allgemeinen, dass alle Menschen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Das bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen sich nicht mehr integrieren müssen und sich an die Umwelt anpassen, sondern, dass diese von vornherein so ausgestattet ist, dass alle Menschen gleichberechtigt leben können - egal wie unterschiedlich sie sind (vgl. Biewer 2009, 126). In den Vordergrund rücken bei der Inklusion also eindeutig Bestrebungen hin zu einer „Theorie der Vielfalt“ und weg von der „Zwei-Gruppen-Theorie“. (vgl. Schmidt, Dworschak 2011). Das Ideal der Inklusion ist, dass nicht mehr die beiden Kategorien behindert und nichtbehindert zentrale Aspekte sind, sondern dass jedes Kind mit all‘ seinen individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Besonderheiten zur Vielfalt einer Gruppe dazugehört (vgl. ebd.).
Inklusion in Bezug auf die berufliche Bildung bedeutet, dass alle Menschen ihre individuellen Potenziale entfalten können und sowohl einen gleichberechtigten als auch einen barrierefreien Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung erwerben können. Das bedeutet für die inklusive berufliche Bildung, dass Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungsangebote ausgehend von den jeweiligen individuellen Bedürfnissen zu gestalten sind und sowohl in berufsbildungspolitischen Entscheidungen als auch bei der Konzeptionierung von Bildungsgängen zu berücksichtigen sind. Aspekte wie die strukturelle Gegebenheiten, gesellschaftliche und berufliche Anforderungen bilden bei der Inklusion in der beruflichen Bildung eine wichtige Rahmensetzung. Eine wichtige Voraussetzung um Chancengleichheit erreichen zu können, umfasst es den Zugang, den Verlauf und den Abschluss eines (Aus-) Bildungsganges sowie die Gestaltung der Übergänge zwischen den Systemen zu ermöglichen (vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) 2015).
Ziel der beruflichen Bildung ist vor allem die berufliche Handlungsfähigkeit herzustellen und auszubauen und diese vorzubereiten und ihren Erhalt sicherzustellen. Des Weiteren ist es wichtig, inklusive Bildungsstrukturen in allen Handlungsfeldern der beruflichen Bildung herzustellen sowie die gesetzlichen Grundlagen entsprechend inklusiv auszubauen. Zudem gilt es auch, diese weiterzuentwickeln und hierfür förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen. Entscheidend dafür ist es, mögliche Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken (vgl. ebd.).
2.2 Bildung in Bezug auf die UN-Behindertenrechtskonvention
Bildung ist ein kontrovers diskutiertes Thema in der Gesellschaft. Trotz allem, ist Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die überwiegend in öffentlichen Einrichtungen stattfindet, jedoch aber selbstbestimmt ist. Bildung bestimmt maßgeblich über individuelle Lebenschancen. In der heutigen Gesellschaft wird sie als Bürger- und sogar als Menschenrecht verstanden. Bildung zählt auch zu einem wesentlichen Faktor für wirtschaftliche Entwicklung und für soziale Integration. Bildung ist zunächst jedoch auf Erziehung angewiesen. Nur durch Erziehung gelingt es einem Menschen, dass Wissen über die Orientierung innerhalb der Kultur, in die er hineingeboren wird, zu erwerben. Bildung kann als das umfassendere Phänomen angesehen werden, welches das bewusste und begründete Entscheiden in der jeweiligen Gesellschaft, der jeweiligen Kultur darstellt und überhaupt ermöglicht und somit die Eigentätigkeit der Kinder eine wesentliche Rolle spielt. Zudem umfasst Bildung sowohl den aktiven Erwerb von Wissen, die Fähigkeit dieses Wissen mit bereits vorhandenem Wissen zu verknüpfen sowie es in verschiedenen Handlungskontexten anzuwenden, als auch kulturelle und lebenspraktische Fähigkeiten, soziale und personale Kompetenzen. Bildung kann sowohl im schulischen Kontext als auch im außerschulischen Kontext stattfinden (vgl. Grundmann 2011, S.73ff).
Der Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention „erkennt das Recht behinderter Menschen auf Bildung an“ (UN-Behindertenrechtskonvention 2009). Die Regelung wiederholt und bekräftigt die Regelungen des Artikels 13 des UN-Sozialpakts1, der Artikel 28 und 29 der UN-Kinderrechtskonvention2 sowie des Artikels 26 der Allgemeinen Erklärungen der Menschenrechte3 (vgl. UN-Behindertenrechtskonvention 2009).
Die UN-Behindertenrechtskonvention gewährleistet damit ein einbeziehendes (inklusives) Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen. Gleichwohl ist sicherzustellen, dass behinderte Menschen nicht aufgrund einer Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden. Es soll Gleichberechtigung im Bildungssystem herrschen, dass bedeutet, dass der Zugang zu einem einbeziehenden (inklusivem), hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht für alle Menschen ermöglicht werden muss. Zudem soll auch der Zugang zur allgemeinen Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und zu lebenslangem Lernen gleichberechtigt mit anderen garantiert werden. Die UNBehindertenrechtskonvention spricht davon, dass innerhalb des allgemeinen Bildungssystems angemessene Vorkehrungen getroffen werden müssen und, dass die notwendige Unterstützung geleistet wird, um eine erfolgreiche Bildung zu erleichtern und ermöglichen. Des Weiteren muss den behinderten Menschen durch geeignete Maßnahmen den Erwerb lebenspraktischer Fertigkeiten und sozialer Kompetenzen ermöglicht werden. Dazu zählt vor allem, dass durch wirksame individuelle angepasste Unterstützungsmaßnahmen ein Umfeld geschaffen werden muss, das mit dem Ziel der vollständigen Einbeziehung behinderter Menschen die bestmögliche schulische und soziale Entwicklung gestattet wird (vgl. ebd.).
2.3 Heterogenität
Die Bedeutung des Begriffes Heterogenität stammt aus dem Griechischen und bedeutet ins Deutsche übersetzt „Verschiedenheit“, „Andersartigkeit“. Es meint die Verschiedenartigkeit in der Zusammensetzung von Mengen und Gruppen (vgl. Wordbedeutung.info). Im Kontext zur Pädagogik bezeichnet Heterogenität die Unterschiedlichkeit der Schüler*innen innerhalb einer Lerngruppe, wobei sich die Diversität in verschiedenen Merkmalen zeigen kann. Verschiedene Merkmale der Schüler*innen können sich unterscheiden zwischen: Alter, Geschlecht, Interessen, Erwartungen, ethnischer, kultureller, sozialer Herkunft, sozialer Kompetenzen und psychische Entwicklung sowie in Bezug auf ihre kognitive, emotionale und physische Leistungsfähigkeit. Ein Leitgedanke der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft von Heterogenität ist der: „Alle sind verschieden - alle sind gleich“. Damit möchte die Gewerkschaft darauf aufmerksam machen, dass sich die Schüler*innen zwar in den oben bereits genannten Merkmalen unterscheiden können, sie sich aber auch gleichen in ihrem gleichen Anspruch auf optimale Entwicklung und Unterstützung (vgl. Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft). Gemeint ist damit nicht nur das Erkennen und Herausfordern aller Potenziale, sondern auch der Ausgleich, das Abmildern und die Förderung bei Schwächen (vgl. ebd.).
Inklusion hat die Didaktik der heterogenen Lerngruppe entwickelt. Sie ist zum einen dafür da, dass von den Erwachsenen ausgewählte Inhalte wie z.B. die elementaren Kulturtechniken vermittelt werden und zum anderen Freiräume für die Themen und Interessen, die Kinder und Jugendliche an den Tag legen, eröffnet werden (vgl. Hinz 1993; Hinz/Walthes 2009). Damit jeder Lernende einen individuell angemessenen Einstieg in die Aneignung mathematischer oder schriftsprachlicher Kompetenzen findet, werden die verbindlichen Lerngegenstände passend zu den heterogenen Lernausgangslagen zugänglich gemacht (vgl. ebd.).
3 Leitbild der Inklusion - eine Voraussetzung für inklusive berufliche Bildung
Im Vordergrund eines inklusiven Leitbildes steht die Wertschätzung aller Menschen in unserer diversen Gesellschaft. Ein Leitbild umfasst alle wichtigen Inhalte und Grundannahmen einer wichtigen Veränderung und Entwicklung. Zum einen geht es dabei um die Interaktionen der Menschen untereinander und zum anderen um die Partizipationschancen, die die Menschen dabei wahrnehmen können (vgl. Reich 2012, S.48). Damit das heutige Schulsystem Veränderungen und Entwicklungen zu einem inklusiven Schulsystem erlangen kann, bietet sich ein Leitbild, dessen Inhalte und Grundannahmen von allen Beteiligten der Gesellschaft umgesetzt und eingehalten werden sollte. Nach Reich gibt es zehn Verpflichtungen und fünf Standards, die die Gestaltung und Umsetzung eines solchen inklusiven Leitbildes verdeutlicht. Diese werden einer große Bedeutung zugeschrieben. Im Folgenden werden diese zehn Verpflichtungen und fünf Standards kurz und aufschlussreich skizziert (vgl. ebd., S.49ff). Zu allererst ist es wichtig, dass die Umsetzung des Leitbildes gewährleistet werden kann. Dies kann nur durch einen verpflichteten Vertrag geschehen, der zu nachprüfbaren Verhaltensweisen und Ergebnissen führt. Zudem gilt es, den Vertrag, in welchem ebenfalls Ziele und Regeln klar formuliert sind, mit allen Beteiligten gemeinsam zu erschließen. Ein weiterer zentraler Aspekt ist der, dass die Lehrenden und Lernenden mit ihrer Heterogenität die Diversität der Gesellschaft widerspiegeln sollen. Dabei kann die Betrachtung der eigenen Entwicklung berücksichtigt werden. Des Weiteren gilt es, die Lehrpläne zu überdenken und dabei die Vielfalt und Diversität des Wissens der Menschen mitzudenken. Die Unerlässlichkeit der Kenntnisse über die Gründe für die Entstehung sowie die Wirkung von Benachteiligung und Diskriminierung ist vorauszusetzen. Die Lehrpläne sollten Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Lernenden Kompetenzen ausbilden, die sie „befähigen, ungerechte Praktiken zu erkennen und sie einzuschätzen und ihnen entgegenzutreten sowie positive menschliche Beziehungen untereinander und gesellschaftlich aufzubauen‘ (ebd., S.51). Ferner ist die Chancengerechtigkeit sicherzustellen, indem vorhandene Barrieren im (Berufs)Schul-, Erziehungs- und Bildungssystem erkannt und aus dem Weg geschaffen werden müssen. Umfassende Hilfen für die Lernenden sollten bereitgestellt werden um eine erfolgreiche Entwicklung neuer Fähigkeiten gewährleisten zu können. Außerdem ist im Zusammenhang der Kompetenz- und Wissenserweiterung die Hilfen in Form von Fortbildung, Coaching und Supervision von Notwendigkeit,
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1 Artikel 13 des UN-Sozialpaktes erkennt ein Recht auf Bildung an, wie es in einigen Landesverfassungen gewährleistet ist. Artikel 13 Abs. 1 legt auch einige bildungspolitische Ziele fest, die sich auf die Einzelpersönlichkeit, die Gesellschaft und die Völkergemeinschaft beziehen. Soweit die bei uns in Landesverfassungen und Schulgesetzen der Bundesländer bildungspolitische Ziele enthalten sind, bleiben sie durch den Pakt unberührt, da sie seine bildungspolitische Ziele ergänzen, nicht aber mit ihnen kollidieren. Artikel 13 Abs. 2 beschreibt die konkreten Ziele, die erreicht werden sollen, um das Recht auf Bildung zu verwirklichen (vgl. UN-Behindertenrechtskonvention 2009).
2 Das Recht das nach Artikel 13 des UN-Sozialpaktes für jedermann gilt, seiner Natur aber für Kinder von besondere Bedeutung ist, wurde in Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention bekräftigt und zum Teil konkretisiert (vgl. ebd.).
3 Die Menschenrechte gehören zu den elementaren, grundlegenden Rechten, ohne die ein geordnetes menschliches Miteinander nicht möglich ist. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ (ebd.).
- Arbeit zitieren
- Jacqueline Ehlert (Autor:in), 2017, Inklusion. eine Herausforderung für Lehrer*innen und die Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416765
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