Die objektive Hermeneutik und "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling


Ausarbeitung, 2016

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Das Reisetagebuch – eine kurze Inhaltsangabe

2. Objektive Hermeneutik
2.1. Hape Kerkeling und Anne – die ersten Begegnungen
2.2. Hape Kerkeling und Anne – die Pilgerherberge
2.3. Kerkelings und Annes gemeinsame Wanderung
2.4. Das Ende des Jakobsweges

3. Fazit

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Rahmen des Seminars „Rekonstruktion von Bildungsprozessen anhand von Selbstzeugnissen“ entsteht hiermit im Folgenden eine Modulprüfung in Form einer Hausarbeit. Deren Grundlage bietet Hape Kerkelings Reisetagebuch „Ich bin dann mal weg“ aus dem Jahr 2015, in dem er seine Erlebnisse und Erfahrungen schildert, die ihn auf seinem Jakobsweg geprägt haben. Im Laufe dieser Arbeit wird mit Hilfe der „objektiven Hermeneutik“ (Bohnsack 2003, S. 69) die Forschungsfrage zu klären versucht, inwiefern sich die zwischenmenschliche Beziehung Hape Kerkelings zu seiner Pilgerbekanntschaft Anne während seiner Reise verändert hat. Die theoretische Forschungsarbeit wird mit einem Fazit abgerundet.

1.1. Das Reisetagebuch – eine kurze Inhaltsangabe

Hape Kerkeling – ein sehr bekannter deutscher Schauspieler und Komiker – begibt sich für einen Zeitraum von eineinhalb Monaten auf den Jakobsweg. In seinem Reisetagebuch beschreibt er in teils amüsanter und erfrischender, teils in sehr beeindruckender und wirkungsvoller Weise seine persönlichen Erfahrungen, die er während seiner Pilgerreise gemacht hat (vgl. Kerkeling 2015, Klappentext). Sowohl zwischenmenschliche Begegnungen der verschiedensten Arten als auch Höhen und Tiefen, die er durchlaufen ist, werden in seinem Werk detailliert erläutert.

2. Objektive Hermeneutik

Bevor einzelne Textpassagen, die die Interaktion zwischen Kerkeling und Anne beschreiben, herausgearbeitet werden, erfolgt erst einmal eine kurze Erklärung dessen, was unter der objektiven Hermeneutik zu verstehen ist und wie dieses Verfahren dazu verhelfen kann, Situationen inhaltlich zu erfassen und zu interpretieren.

Die objektive Hermeneutik gliedert sich in zwei große Bereiche; zum einen in die „gedankenexperimentelle Kontextvariation“ (Bohnsack 2003, S. 73) und zum anderen in die „sequenzanalytische Verfahrensweise“ (Bohnsack 2003, S. 73).

Bei der gedankenexperimentellen Kontextvariation wird versucht, das Gesagte/Geschriebene im Hinblick auf die kontextuelle Situation, in der diese Worte gesagt/geschrieben wurden, zu verstehen. Äußerung und Kontext werden somit nicht als zwei voneinander getrennte Teile gesehen, sondern zusammenhängend betrachtet (vgl. Bohnsack 2003, S. 73).

Danach folgt die „Kontrastierung“ (Bohnsack 2003, S. 73), bei der gedanklich alle möglichen Kontexte in Betracht gezogen werden, in denen diese Aussage hätte fallen können.

Die Vermutungen werden dann mit Hilfe der „sequenzanalytischen Verfahrensweise“ (Bohnsack 2003, S. 74) gedeutet, indem der tatsächliche Kontext des Geschehens beleuchtet wird und gleichzeitig mehrere alternative Möglichkeiten der getätigten Äußerung bzw. der Erwiderung gesucht werden (vgl. Bohnsack 2003, S. 74). Somit kann interpretativ überprüft werden, ob und wenn ja, inwiefern sich die Wirkung und womöglich auch die Intention der Aussagen verändern und den realen Kontext beeinflussen. Zu beachten ist an dieser Stelle, dass sich die Interpretation erst einmal nur auf die aktuelle Sequenz beziehen darf und eventuell vorhandenes Vorwissen über die wahren Umstände unberücksichtigt bleiben muss, um Fehlinterpretationen oder Voreingenommenheit weitgehend zu vermeiden. Auf den Kontext in seiner Gesamtheit darf jedoch zum späteren Zeitpunkt zurückgegriffen werden, wenn Bezüge zu einzelnen Sequenzen hergestellt werden sollen (vgl. Bohnsack 2003, S. 74).

2.1. Hape Kerkeling und Anne – die ersten Begegnungen

„Und wen treffe ich während meiner Wanderung“ (Kerkeling 2015, S. 74)? Hierbei handelt es sich erst einmal um eine Frage Kerkelings. Er fragt nach jemandem, den er während seines Fußmarsches erblickt hat und der ihm scheinbar bekannt vorkommt. Da bereits aus der Inhaltsangabe ersichtlich wird, dass Kerkeling den Jakobsweg läuft, bezieht sich seine Aussage auf eben diesen bzw. eine konkrete Etappe des Weges. Das Wort „Wanderung“ kann jedoch auch in vielfacher Weise verstanden werden. Zum einen kann es sich um einen Tagesausflug handeln, der inmitten einer Stadt oder in den Bergen stattfindet. Zum anderen kann es sich ebenso um einen Wanderurlaub handeln, der mehrere Tage oder Wochen beinhaltet. Anstatt diese Aussage als Frage zu formulieren, hätte Kerkeling sie auch als Aussagesatz schreiben können. Alternative Äußerungen könnten an dieser Stelle sein. „Aus der Ferne kommt mir…entgegen“ oder „Während meiner Wanderung treffe ich…“. Da er seine Beobachtung jedoch als Frage formuliert, erhält sie einen gewissen rhetorischen Charakter, der eventuell seine Verwunderung verstärken soll. Womöglich hat er diese Begegnung nicht erwartet. Inwieweit seine Überraschung in Bezug auf die Wahrnehmung der ihm durchaus nicht fremden Person als positiv oder negativ zu verstehen ist, lässt sich anhand dieser neu-tralen zu lesenden Frage nicht eindeutig festmachen.

Zu vermuten ist jedoch, dass er im darauffolgenden Satz näher auf seine unerwartete Bekanntschaft eingehen wird, indem er den Namen der Person nennt. „Die kleine rothaarige Engländerin aus Logrono. Ihr FC-Barcelona-T-Shirt leuchtet einem schon aus einem Kilometer Entfernung entgegen“ (Kerkeling 2015, S. 74) heißt es in den nächsten beiden Sätzen. Kerkeling beschreibt die Person als kleine Frau mit roten Haaren, die gebürtig aus England stammt, die er in Logrono zum ersten Mal getroffen hat und ein Fußballtrikot des Vereins FC-Barcelona trägt. Als alternative Formulierungen sind hier zu nennen: „Es handelt sich um die Engländerin, die ich bereits in Logrono getroffen habe“ oder „Es ist (Name der Person)“. Da der Name der Person nicht genannt wird, kann davon ausgegangen werden, dass Kerkeling diesen nicht zu wissen vermag. Aus diesem Grund beschreibt er die Frau eventuell mit Hilfe ihrer Optik, da diese bis jetzt als einziges Merkmal für ihn bekannt ist. Eventuell empfindet Kerkeling ihr Aussehen auch als extravagant und betont ihr Erscheinungsbild daher bewusst auf diese Art und Weise.

Diese Vermutung liegt nahe, wenn man seine Übertreibung bzgl. ihres Trikots beachtet. Ein T-Shirt kann nicht leuchten und schon gar nicht über eine Entfernung von 1000 Metern. Dass er sie als Engländerin charakterisiert, lässt vermuten, dass er sich entweder bereits mit ihr unterhalten und somit registriert hat, dass sie englischsprachig ist oder dass er ein Gespräch zwischen ihr und einer anderen Person mitbekommen hat und seine Information daraus resultiert. Seine Behauptung basiert bis zu diesem Zeitpunkt auf reinen Vermutungen, was einige Seiten vorher beschrieben wird: „Am Nebentisch sitzt mit kurzgeschorenen roten Haaren und mit einer Nickelbrille eine lustige kleine Pilgerin, die ebenfalls Postkarten schreibt. Die kann nur Engländerin sein bei der knallroten, von Sommersprossen übersäten Haut!“ (Kerkeling 2015, S. 67) heißt es. Aufgrund ihrer Haarfarbe und der sonnenempfindlichen Haut charakterisiert Kerkeling sie als Engländerin. Stattdessen hätte er auch Sätze wie „Bei ihrem hellen Hauttyp gehe ich stark davon aus, dass sie aus einem Land kommt, in dem die Sonne nicht so eine Kraft hat wie hier“ oder „Vermutlich kommt sie aus England, wenn ich mir ihre Haut und Haare so angucke“ sagen können. Die Worte „kann nur“ und das Ausrufezeichen am Ende des Satzes festigen seine Unterstellung jedoch noch einmal explizit. Durch das „nur“ wird eine Art Ausschließlichkeit hervorgerufen, die keinerlei andere Alternativen zulässt.

Die Vermutung des extravaganten Äußeren bestätigt sich ebenfalls. „Zum ersten Mal auf der Reise finde ich jemanden wirklich interessant! Die Frau im blau-roten FC-Barcelona-T-Shirt ist spannend und ich würde zu gerne mit der etwa Gleichaltrigen ins Gespräch kommen““ (Kerkeling 2015, S. 67). Kerkeling schreibt, dass diese Frau sein Interesse geweckt habe und er sich daher gerne mit ihr unterhalten würde. Da er noch keine Unterhaltung mit ihr geführt hat, er sie trotzdem interessant findet, kann dieser Eindruck nur ihrer Optik geschuldet sein. Alternativ hätte er auch schreiben können: „Diese Frau ist mir suspekt, so wie die sich hinter ihrer komischen Brille versteckt“ oder „Hoffentlich quatscht die mich bloß nicht an, die will ich nicht näher kennenlernen“. Solche negativ formulierten Aussagen hätten einen vollkommen konträren Blickwinkel auf den Kontext geworfen und den Eindruck Kerkelings in Bezug auf diese Frau deutlich verändert. „Mehrmals grinse ich blöd und breit in ihre Richtung, um meine Bereitschaft für eine freundliche Kontaktaufnahme zu signalisieren“ (Kerkeling 205, S. 67f.). Kerkeling lächelt sie an, um auf sich aufmerksam zu machen. Weitere Möglichkeiten, sein Verhalten zu beschreiben, hätte er durch folgende Formulierungen bieten können: „Ich lächle sie freundlich an, um meine Sympathie ihr gegenüber zu signalisieren“ oder „Ich lächle verlegen und hoffe, dabei nicht rot anzulaufen“. Er verwendet jedoch die Beschreibung des breiten und blöden Grinsens. Verschiedene Interpretationen sind an dieser Stelle möglich. Zum einen ist die Charakterisierung eine vollkommen subjektive Einschätzung seinerseits und gibt keinerlei Aufschluss darüber, wie sein Verhalten bei der Pilgerin selbst angekommen ist. Das Wort „grinsen“ kann als abwertende Form des Lächelns verstanden werden. Wer grinst, schneidet vielmehr eine Grimasse und wird somit nicht ernst genommen. Die fehlende Ernsthaftigkeit unterstreicht Kerkeling zusätzlich mit den Adjektiven „blöd“ und „breit“. Warum er diese Charakterisierung seines Verhaltens vorgenommen hat, kann an dieser Stelle noch nicht beurteilt werden. Vermutlich folgte seitens der Pilgerin daraufhin eine Reaktion, die ihn hat schlussfolgern lassen, dass er eben weniger sympathisch gelächelt als vielmehr eine Grimasse gezogen hat, die keinen großen Anklang bei ihr gefunden zu haben scheint. „Die ersten beide Male schaut sie auch ganz freundlich zurück […]“ (Kerkeling 2015, S. 68).

Kerkeling beschreibt ihren Blick vorerst als sympathisch. Er hätte stellvertretend auch Folgendes wiedergeben können: „Sie schaut mich daraufhin an, als hätte ich sie nicht mehr alle“, „Sie grinst mindestens genauso blöd und breit zurück“ oder „Sie ignoriert mein dämliches Grinsen und schenkt mir keinerlei Beachtung“. Zu diesem Zeitpunkt deutet Kerkeling ihre Reaktion als sehr positiv. Durch die Einschränkung „die ersten beiden Male“ zeichnet sich jedoch ab, dass sie mindestens ein drittes Mal reagiert haben muss und dass diese Reaktion sich von den ersten zwei deutlich unterscheidet. „[…] gibt mir aber mit ihrem dritten alles entscheidenden Blick zu verstehen […]“ (Kerkeling 2015, S. 68) heißt es weiter. Sie reagiert ein drittes Mal sehr unmissverständlich. Mit anderen Worten hätte Kerkeling auch schreiben können: „Der dritte Blick sagte alles“, „Mit ihrem dritten Blick gibt sie mir jedoch unmissverständlich zu verstehen“ oder „Plötzlich steht sie wortlos auf und geht“. Durch seine Formulierung „alles entscheidenden Blick“ wird die Endgültigkeit verstärkt. Ihr Blick lässt laut Kerkelings Aussage keinerlei Interpretationsalternativen zu. Somit kann davon ausgegangen werden, dass die dritte Reaktion weitaus negativer verlaufen ist als es bei den ersten beiden der Fall war, was durch das Wort „aber“ verdeutlicht wird. Es entsteht ein deutlicher Bruch hinsichtlich der Atmosphäre und der Kontaktaufnahme zwischen beiden Personen. „[…], dass sie mein Gegrinse für eine ziemlich blöde Anmache hält, und dreht mir den Rücken zu“ (Kerkeling 2015, S. 68).

Mit dieser Deutung des Blickes endet der Satz. Diese Frau zeigt ihr Unbehagen sehr deutlich und geht auf Distanz. Ihr Verhalten hätte sich genauso gut wie folgt zeigen können: „dass sie kein Interesse an einer Kontaktaufnahme hat, da sie den Kopf senkt“ oder „dass sie lieber weiterhin für sich sein möchte, indem sie mein Lächeln nicht erwidert“. Kerkeling geht an dieser Stelle nicht näher auf den Blick ein, da er diesen nicht genauer beschreibt. Ob die Frau die Stirn in Falten legt, die Augen zusammenkneift oder Ähnliches, bleibt im Verborgenen. Da sie Kerkeling jedoch den Rücken zudreht und sich somit explizit von ihm abwendet, kann dies als deutliches Signal verstanden werden, dass seine Gesellschaft nicht erwünscht ist. Die Körpersprache wird an dieser Stelle letztendlich viel stärker betont als die eigentliche Mimik, die in dem vorherigen Nebensatz zunächst in den Fokus zu rücken schien. Zu vermuten ist, dass Kerkelings Eindruck in Bezug auf diese fremde Dame, die er bis dato als sehr interessant zu finden scheint, nun schlagartig eine Wendung erfahren könnte. Eventuell wirkt sie nun vielmehr arrogant, kühl, unsympathisch oder eigenbrötlerisch. Stattdessen rechtfertigt er jedoch nur sein Verhalten, indem er seine fehlinterpretierte Absicht richtigstellt. „Oh je, da hat wohl jemand etwas in den falschen Hals bekommen. Erotisch, lüstern wollte ich eigentlich nicht rüberkommen!“ (Kerkeling 2015, S. 68) betont er. Kerkeling reflektiert sein Verhalten und meint zu wissen, wie die Unbekannte seine Kontaktaufnahme interpretiert zu haben scheint. Das „Oh je“ beinhaltet ein gewisses Reuegefühl seinerseits. Es war nicht seine Absicht, die Frau zu verschrecken.

Dies lässt darauf schließen, dass er die Schuld vielmehr bei sich sucht und nicht bei ihr, da er ihre Reaktion in keiner Weise negativ auslegt. Die anfängliche Vermutung, die Frau könnte durch ihr plötzliches Abwenden an Sympathie verloren haben, hätte sich nur dann bestätigt, wenn Kerkeling alternativ geschrieben hätte: „Hilfe, ist die aber arrogant“ oder „Freundlichkeit wird heutzutage wohl gleich direkt mit Flirtversuchen verwechselt. So weit ist die Menschheit schon gekommen“. Ein weiterer Beleg dafür, dass die Unbekannte weiterhin Kerkelings Aufmerksamkeit auf sich zieht, wird an späterer Stelle deutlich. „Sie schaut wenig katholisch aus und wirkt auf mich wie eine eigenbrötlerische, aber humorvolle Insektenforscherin“ (Kerkeling 2015, S. 74).

Kerkeling charakterisiert sie einerseits zwar als Einzelgängerin, gleichwohl aber auch als eine Person, mit der man durchaus Spaß haben kann. Er legt den Fokus auf das zweite und somit positivere Kriterium – den Humor. „Sie sieht aus wie eine eigenbrötlerische Spießerin“ oder „Man könnte aufgrund ihres Auftretens vermuten, dass sie zum Lachen in den Keller geht“ hätten als Alternativsätze ebenso von ihm geäußert werden können aufgrund seiner Vorerfahrung während der ersten Begegnung. Da er jedoch weiterhin ein positives Bild von ihr zu haben scheint, kann vermutet werden, dass er ‚nicht locker lässt‘ und einen erneuten Kontaktversuch startet, wenn auch eventuell etwas zurückhaltender und weniger offensiv. „Als ich sie auf dem Weg überhole, grüße ich nur knapp und diesmal nicht zu freundlich“ (Kerkeling 2015, S. 74).

Die Vermutung bestätigt sich; Kerkeling ignoriert sie nicht, sondern macht erneut auf sich aufmerksam, indem er dieses Mal jedoch defensiver vorgeht. Alternativ hätte er die Frau auch ignorieren und schreiben können: „Während ich sie überhole, würdige ich sie keines Blickes, da ich mir keine zweite Abfuhr einhandeln will“ oder „Während meines Überholvorgangs tu ich so, als hätte ich sie nicht erkannt“. Stattdessen achtete er vielmehr auf die Art und Weise, wie er sie zu begrüßen habe, um nicht erneut einen falschen Eindruck zu übermitteln. Seine Freundlichkeit setzt er sehr dosiert ein. Je nachdem wie die Unbekannte die zweite Kontaktaufnahme aufgefasst hat, stehen nun mehrere Möglichkeiten zur Verfügung hinsichtlich ihrer Reaktion. Entweder schenkt sie Kerkeling keinerlei Beachtung oder stellt ihn zur Rede, um eventuellen Missverständnissen sofort vorzubeugen. Eventuell folgt aber auch eine verbindliche Reaktion ihrerseits. „Diesmal gehe ich systematisch vor und schaue so unlüstern, wie es nur eben geht. Ich möchte auf keinen Fall den falschen Eindruck, den sie von mir hat, noch zusätzlich untermauern, falls sie sich überhaupt noch an mich erinnert“ (Kerkeling 2015, S. 74) heißt es weiter. Kerkeling erläutert seine Intention noch einmal verstärkt und rechtfertigt sein Verhalten. Er greift den falschen Eindruck der vorherigen Begegnung erneut auf, was darauf schließen lässt, dass ihm der Vorfall der Fehlinterpretation ihrerseits immer noch sichtlich unangenehm ist. Der Nebensatz „falls sie sich überhaupt noch an mich erinnert“ kann als unterschwellige Hoffnung Kerkelings verstanden werden, dass die Frau den Vorfall mittlerweile vergessen hat oder diesen nicht mehr mit ihm als Person in Verbindung zu bringen vermag aufgrund der vielen anderen Pilger, denen sie tagtäglich auf ihrem Weg begegnet. „Sie grüßt zunächst nett zurück, erkennt mich dann aber wieder und ihre Gesichtszüge entgleiten“ (Kerkeling 2015, S. 74).

Die Frau erwidert seinen Gruß zunächst freundlich, bis sie Kerkeling erkennt und sich ihre Mimik daraufhin schlagartig verändert. Die Vermutung, dass sie Kerkeling ignoriert, trifft nicht zu. Allerdings hat sie ihn während der Begrüßung auch nicht erkannt. Wie sie reagiert hätte, wenn sie ihn sofort hätte einordnen können, kann an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Dass „ihre Gesichtszüge entgleiten“, zeigt jedoch, dass sie sich im Nachhinein durchaus an ihn und auch an die vorherige Begegnung erinnern kann und daher schockiert wirkt. Jedoch greift sie ihre Interpretation des ersten Aufeinandertreffens verbal nicht auf, sondern „starrt stoisch, fast ängstlich geradeaus“ (Kerkeling 2015, S. 74).

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die objektive Hermeneutik und "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
22
Katalognummer
V416973
ISBN (eBook)
9783668665804
ISBN (Buch)
9783668665811
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hermeneutik, hape, kerkeling, qualitative Analyse
Arbeit zitieren
Corinna Diße (Autor:in), 2016, Die objektive Hermeneutik und "Ich bin dann mal weg" von Hape Kerkeling, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/416973

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