Das Königreich Marokko nimmt als politisches Gemeinwesen im arabischen Raum in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Seine geographische Position und seine ethnischen und kulturellen Eigenarten sowie die Spezifika des politischen Systems, das zwischen islamischem Autoritarismus und demokratischer Säkularität westlicher Prägung die Vermittlung sucht, machen Marokko für eine Systemanalyse unter Berücksichtigung eben dieser spezifischen politischen Einflüsse besonders interessant.
Vor allem vor dem Hintergrund der geplanten EU-Assoziierung Marokkos empfiehlt sich die Frage, ob die islamische Wertewelt, die die politische Kultur des arabischen Raumes prägt und bestimmt, mit der europäischen Werteskala soweit zu vereinen ist, daß eine Anbindung Marokkos an Europa sich erfolgreich verwirklichen läßt. Eine derartige Diskussion wird ja schon im Zusammenhang mit dem Ersuchen der Türkei um die Aufnahme in die Europäische Union teils hitzig geführt. Nachdem die demokratische Grundverfassung zum Kern des europäischen Wertekanons zu zählen ist, muß vor allem gefragt werden, inwieweit Marokko als demokratisches Staatswesen zu betrachten ist, in dem elementare Bürgerrechte und politische Rechte gewährleistet sind, oder mit welchen Zeithorizont eine Demokratisierung zu erwarten ist.
Die Demokratie- und Transitionsforschung stellt vielfältige Hilfsmittel zur Untersuchung und Beantwortung dieser Fragen zur Verfügung, die alle mehr oder weniger ihre Schwächen aufweisen (Schmidt, 264-292). Ein grundsätzliches Problem bei Analysen des Demokratisierungsgrades z.B. über Demokratieindices ist darin zu sehen, daß diese vor allem die Strukturebene eines Staatswesens untersuchen, aber weniger die Akteursebene ins Blickfeld nehmen, und den Bereich der Werte und die Eigenheiten des Weltbildes und Selbstverständnisses der untersuchten Gesellschaft kaum beachten. Diese Aspekte sind schwer oder gar nicht zu parametrisieren, und können daher auch nicht in entsprechenden Indices Berücksichtigung finden. Einer der bekanntesten dieser Indices ist beispielsweise der von Freedom House, der auch verschiedene „weiche“ Faktoren miteinbezieht, diese aber recht intuitiv wertet. Wenn Indices auf diese Weise neben der formalen Gestaltung von Institutionen vielleicht auch deren faktische Relevanz abbilden, so sagen sie doch immer noch nichts über die Motive der Teilnehmer am politischen Prozeß aus.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Systemüberblick
- Geographie, Bevölkerung, Sprache und Kultur
- Geschichte
- Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit
- 3. Königtum und Islam in Marokko
- Die Tiefenstruktur politischer Herrschaft im Islam
- Der „Hassanismus“
- 4. Die Chancen der Demokratie in Marokko
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die politische Systematik Marokkos und analysiert das Verhältnis zwischen islamischen Werten, dem monarchischen Herrschaftssystem und den Möglichkeiten einer demokratischen Entwicklung. Der Fokus liegt auf der Frage, inwieweit demokratische Institutionen in Marokko lediglich einen Deckmantel für eine mit dem demokratischen Grundgedanken unvereinbare Herrschaft darstellen.
- Die Rolle des Islam in der Legitimation der monarchischen Macht
- Das Spannungsfeld zwischen traditioneller und moderner Staatsorganisation
- Die Analyse der marokkanischen Verfassung und ihrer praktischen Umsetzung
- Die Herausforderungen der Demokratisierung im Kontext der europäischen Assoziierung
- Die Bewertung des Demokratisierungsgrades anhand von verschiedenen Ansätzen
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und hebt die Besonderheit Marokkos als politisches Gemeinwesen im arabischen Raum hervor. Sie betont die geographische Lage, die kulturellen Eigenarten und das spezifische politische System, das zwischen islamischem Autoritarismus und westlicher demokratischer Säkularität vermittelt. Die zentrale Forschungsfrage ist, ob die islamische Wertewelt mit der europäischen vereinbar ist und ob Marokko als demokratisches Staatswesen betrachtet werden kann. Kritische Anmerkungen zur Demokratie- und Transitionsforschung, insbesondere zu den Schwächen von Demokratieindizes, werden eingebracht, welche die Betrachtung der Akteursebene und der Werte der Gesellschaft vernachlässigen. Die Arbeit stellt die These auf, dass die demokratischen Institutionen in Marokko möglicherweise nur einen Deckmantel für eine mit dem demokratischen Grundgedanken unvereinbare Herrschaft darstellen. Die Rolle des Islam bei der Etablierung und Legitimation der monarchischen Macht wird als zentraler Untersuchungsgegenstand hervorgehoben.
2. Systemüberblick: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Geographie, Bevölkerung und Wirtschaft Marokkos. Es beschreibt die geographische Lage im Maghreb, die kulturelle Einbettung in der arabischen Welt und die gleichzeitig gepflegte maghrebinische und afrikanische Identität. Das hohe Bevölkerungswachstum und die damit verbundenen Herausforderungen für das Bildungswesen und die Beschäftigung werden thematisiert, ebenso wie die hohe Emigrationsrate nach Frankreich. Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung, die überwiegend berberischer Herkunft ist, wird erläutert, sowie der Versuch der französischen Kolonialmacht, einen Keil zwischen Berber und Araber zu treiben, der jedoch gescheitert ist. Die wirtschaftliche Entwicklung und die damit verbundene politische Relevanz werden im Kontext der Bevölkerungsexplosion und der Arbeitslosigkeit diskutiert.
Schlüsselwörter
Marokko, Islam, Demokratie, Monarchie, Hassanismus, Demokratisierung, Autoritarismus, Säkularität, EU-Assoziierung, Legitimation, Herrschaft, Verfassung, Berber, Arabisierung, Wirtschaftsentwicklung, Bevölkerungswachstum.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Marokkos Politisches System - Ein Überblick
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht das politische System Marokkos und analysiert das komplexe Verhältnis zwischen islamischen Werten, dem monarchischen Herrschaftssystem und den Möglichkeiten einer demokratischen Entwicklung. Ein zentraler Fokus liegt auf der Frage, ob demokratische Institutionen in Marokko nur einen Deckmantel für eine undemokratische Herrschaft bilden.
Welche Themen werden im Einzelnen behandelt?
Die Arbeit behandelt unter anderem die Rolle des Islam in der Legitimation der monarchischen Macht, das Spannungsfeld zwischen traditioneller und moderner Staatsorganisation, die Analyse der marokkanischen Verfassung und ihrer praktischen Umsetzung, die Herausforderungen der Demokratisierung im Kontext der europäischen Assoziierung und die Bewertung des Demokratisierungsgrades anhand verschiedener Ansätze.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, einen Systemüberblick (Geografie, Bevölkerung, Geschichte, Verfassung), ein Kapitel über Königtum und Islam in Marokko (inkl. „Hassanismus“), und ein Kapitel zu den Chancen der Demokratie in Marokko. Jedes Kapitel bietet detaillierte Analysen der jeweiligen Aspekte.
Was wird in der Einleitung behandelt?
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Vereinbarkeit islamischer Werte mit europäischen und der Einordnung Marokkos als demokratisches Staatswesen. Sie beleuchtet die geographische Lage, kulturellen Eigenarten und das spezifische politische System Marokkos und kritisiert Schwächen der gängigen Demokratieindizes.
Was beinhaltet der Systemüberblick?
Der Systemüberblick liefert einen umfassenden Überblick über die Geographie, Bevölkerung, Wirtschaft und Geschichte Marokkos. Er beleuchtet die kulturelle Identität, das Bevölkerungswachstum, die Herausforderungen im Bildungsbereich und die Arbeitsmarktlage, sowie die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung und den Einfluss der französischen Kolonialzeit.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Die Arbeit vertritt die These, dass die demokratischen Institutionen in Marokko möglicherweise nur einen Deckmantel für eine mit dem demokratischen Grundgedanken unvereinbare Herrschaft darstellen. Die Rolle des Islam bei der Etablierung und Legitimation der monarchischen Macht wird als zentraler Untersuchungsgegenstand hervorgehoben.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Marokko, Islam, Demokratie, Monarchie, Hassanismus, Demokratisierung, Autoritarismus, Säkularität, EU-Assoziierung, Legitimation, Herrschaft, Verfassung, Berber, Arabisierung, Wirtschaftsentwicklung, Bevölkerungswachstum.
Für wen ist diese Arbeit gedacht?
Diese Arbeit ist für akademische Zwecke konzipiert und dient der Analyse politischer Themen in Marokko auf strukturierte und professionelle Weise.
- Citation du texte
- Manfred Kipfelsberger (Auteur), 1999, Islam, Staat und Demokratie - Fallstudie Marokko, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41716