Als im November 2011 die Taten der drei Thüringer Neonazis Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bekannt wurden, war das Entsetzen bei den politischen Eliten, der Medien und der Bevölkerung groß. Der selbst ernannte 'Nationalsozialistische Untergrund' (NSU) hatte zwischen 1998 und 2011 neun Menschen türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin kaltblütig erschossen und einem weiteren Polizisten lebensgefährliche Verletzungen zugefügt. Das Trio verübte mindestens zwei Sprengstoffattentate und erbeutete bei diversen Raubüberfällen mindestens 600.000 €.
Sowohl die Sicherheitsbehörden als auch die Medien hatten zwar aufgrund der Tatwaffe einen Zusammenhang zwischen den Morden gesehen, nahmen jedoch die Möglichkeit, dass der Mordserie rassistische Motive zugrunde liegen könnten zu keinem Zeitpunkt ernst. Die Tat erregte jedoch nicht nur Aufsehen, weil man der rechtsextremen Szene über Jahre den für längerfristige rechtsterroristische Aktionen notwendigen Organisationsgrad schlichtweg abgesprochen hat, vielmehr gründete der öffentliche Aufschrei in dem Entsetzen und Unverständnis über die kaltblütige und kalkulierte Natur der Taten.
Genau dieses Unverständnis könnte jedoch darin begründet liegen, dass oftmals gar keine ernsthaften Versuche unternommen werden, die Taten zu verstehen. Um im Folgenden einen seriösen Verständnisversuch zu wagen, müssen deshalb zunächst wertende Einordnungen wie ‚amoralisch‘ ausgeblendet werden. Man muss sich darüber klar werden, dass die Protagonisten vermutlich gerade eine eigene Form der Moral zu verteidigen versuchten. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie sich die Lebenswelt der NSU-Protagonisten so weit verändern konnte, dass sie sich zu den begangenen Taten veranlasst sahen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Entsetzen und Unverständnis
- 2. Politische Radikalisierung
- 2.1 Vorüberlegungen
- 2.2 Die Entstehung von Fremdenfeindlichkeit
- 2.3 Die Radikalisierung eines Kollektivs
- 2.4 Operationalisierung
- 3. Die rechtsextreme Szene in Deutschland
- 3.1 Vom Antikommunismus zum Rassismus - Der Wandel rechtsextremistischer Feindbilder
- 3.2 Fremdenfeindliche Gewalt als probates Mittel
- 3.3 Parteipolitik vs. Kameradschaften – Ein West-Ost-Vergleich
- 4. Die Radikalisierung des Nationalsozialistischen Untergrunds
- 4.1 Die Protagonisten
- 4.2 Das Entstehen des Nationalsozialistischen Untergrunds
- 4.3 Das Leben und Wirken im Untergrund
- 4.4 Die Radikalisierungsdynamiken im und um den Nationalsozialistischen Untergrund
- 5. Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Radikalisierung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und analysiert die Dynamiken, die zu den von ihm begangenen Taten führten. Der Fokus liegt auf dem Verständnis der Entwicklung der Protagonisten innerhalb eines gewaltbereiten rechtsextremen Milieus. Die Arbeit verbindet theoretische Überlegungen zur Radikalisierung mit einer empirischen Analyse der rechtsextremen Szene in Deutschland.
- Entstehung und Entwicklung von Fremdenfeindlichkeit
- Radikalisierungsprozesse innerhalb von Kollektiven
- Die rechtsextreme Szene in Deutschland: Strukturen und Entwicklungen
- Radikalisierung des NSU im Kontext des rechtsextremen Milieus
- Analyse der Lebenswelt und Handlungsmotive der NSU-Protagonisten
Zusammenfassung der Kapitel
1. Entsetzen und Unverständnis: Dieses Kapitel beschreibt die öffentliche Reaktion auf die aufgedeckten Taten des NSU – Entsetzen und Unverständnis über die kaltblütige und kalkulierte Natur der Morde. Es betont die Notwendigkeit, wertfreie Analysen durchzuführen, um die Motive der Täter zu verstehen, ohne deren Handlungen zu rechtfertigen. Die Arbeit selbst wird als Versuch positioniert, den Radikalisierungsprozess der NSU-Protagonisten zu beleuchten.
2. Politische Radikalisierung: Dieses Kapitel klärt zunächst die Begriffe Extremismus und Radikalisierung. Es wird eine soziologische Annäherung auf der Mesoebene gewählt, um die Radikalisierung nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch im Kontext der gesellschaftlichen Entwicklung zu analysieren. Das Kapitel beleuchtet die Entstehung von Fremdenfeindlichkeit und beschreibt allgemein die Dynamiken der Radikalisierung eines Kollektivs, was als Grundlage für die spätere Analyse des NSU dient.
3. Die rechtsextreme Szene in Deutschland: Dieses Kapitel zeichnet die Entwicklung der rechtsextremen Szene nach dem Zweiten Weltkrieg nach. Es untersucht den Wandel rechtsextremistischer Feindbilder vom Antikommunismus zum Rassismus und analysiert die Rolle fremdenfeindlicher Gewalt. Ein Vergleich zwischen parteipolitischem und außerparlamentarischem Rechtsextremismus (Kameradschaften) wird unternommen, wobei die methodischen Herausforderungen bei der Erforschung außerparlamentarischer Strukturen hervorgehoben werden.
4. Die Radikalisierung des Nationalsozialistischen Untergrunds: Dieses Kapitel untersucht die Radikalisierung des NSU, sowohl im Hinblick auf die individuellen Biografien der Protagonisten als auch auf die gruppendynamischen Prozesse. Es verbindet die vorherigen Kapitel, indem es die Entwicklung des NSU im Kontext der rechtsextremen Szene und der allgemein beschriebenen Radikalisierungsprozesse analysiert. Die Schwierigkeiten bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas aufgrund der laufenden juristischen Aufarbeitung werden angesprochen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Radikalisierung des Nationalsozialistischen Untergrunds
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Radikalisierung des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und analysiert die Dynamiken, die zu den von ihm begangenen Taten führten. Der Fokus liegt auf dem Verständnis der Entwicklung der Protagonisten innerhalb eines gewaltbereiten rechtsextremen Milieus. Die Arbeit verbindet theoretische Überlegungen zur Radikalisierung mit einer empirischen Analyse der rechtsextremen Szene in Deutschland.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entstehung und Entwicklung von Fremdenfeindlichkeit, Radikalisierungsprozesse innerhalb von Kollektiven, die rechtsextreme Szene in Deutschland (Strukturen und Entwicklungen), die Radikalisierung des NSU im Kontext des rechtsextremen Milieus und eine Analyse der Lebenswelt und Handlungsmotive der NSU-Protagonisten.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Kapitel 1 beschreibt die öffentliche Reaktion auf die NSU-Taten. Kapitel 2 klärt die Begriffe Extremismus und Radikalisierung und beleuchtet die Entstehung von Fremdenfeindlichkeit und Radikalisierungsprozesse in Kollektiven. Kapitel 3 analysiert die rechtsextreme Szene in Deutschland, ihren Wandel und die Rolle fremdenfeindlicher Gewalt. Kapitel 4 untersucht die Radikalisierung des NSU, sowohl individuell als auch gruppendynamisch. Kapitel 5 bildet ein Fazit.
Was wird in Kapitel 2 ("Politische Radikalisierung") behandelt?
Kapitel 2 definiert Extremismus und Radikalisierung und bietet eine soziologische Annäherung auf der Mesoebene, um die Radikalisierung im gesellschaftlichen Kontext zu analysieren. Es beleuchtet die Entstehung von Fremdenfeindlichkeit und beschreibt die Dynamiken der Radikalisierung eines Kollektivs.
Was wird in Kapitel 3 ("Die rechtsextreme Szene in Deutschland") behandelt?
Kapitel 3 untersucht die Entwicklung der rechtsextremen Szene nach dem Zweiten Weltkrieg, den Wandel rechtsextremistischer Feindbilder (Antikommunismus zu Rassismus) und die Rolle fremdenfeindlicher Gewalt. Es vergleicht parteipolitischen und außerparlamentarischen Rechtsextremismus (Kameradschaften).
Was wird in Kapitel 4 ("Die Radikalisierung des Nationalsozialistischen Untergrunds") behandelt?
Kapitel 4 untersucht die Radikalisierung des NSU, individuell (Biografien der Protagonisten) und gruppendynamisch. Es verbindet die vorherigen Kapitel, indem es die Entwicklung des NSU im Kontext der rechtsextremen Szene und der beschriebenen Radikalisierungsprozesse analysiert. Die Schwierigkeiten der wissenschaftlichen Aufarbeitung werden angesprochen.
Welche Methode wird angewendet?
Die Arbeit verbindet theoretische Überlegungen zur Radikalisierung mit einer empirischen Analyse der rechtsextremen Szene in Deutschland. Die genaue Methodik wird im Text detailliert beschrieben, einschließlich der Herausforderungen bei der Erforschung außerparlamentarischer Strukturen.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die Radikalisierung des NSU zu verstehen und die Dynamiken zu analysieren, die zu seinen Taten führten. Es soll ein Verständnis für die Entwicklung der Protagonisten innerhalb eines gewaltbereiten rechtsextremen Milieus geschaffen werden.
- Citar trabajo
- Felix Heimbach (Autor), 2014, Der Nationalsozialistische Untergrund. Die Radikalisierungsdynamik der 'Zwickauer Zelle' in einem gewaltbereiten Milieu, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/417342