Erfassung des Leseverständnisses anhand des ELFE Tests


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wesentliche Aspekte zum Begriff Leseverständnis

3. Methode

4. Ergebnisse

5. Diskussion

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unter Leseverständnis versteht man eine komplexe Fähigkeit, die sich aus verschiedenen Teilprozessen und Fertigkeiten zusammensetzt (Lenhard & Artelt, 2009). Lenhard und Artelt (2009) definieren hierzu folgende Teilbereiche: „Vorläuferfertigkeiten, hierarchieniedrige Prozesse auf Wort- und Satzebene, satzübergreifendes Lesen und Textverständnis“ (S. 1). Auf der Textebene fügen Lenhard und Artelt (2009) außerdem das schlussfolgernde Denken, sowie die Kohärenzbildung hinzu. Ob es im Endeffekt zu einem Textverstehen kommt, ist nicht nur von den einzelnen Teilbereichen abhängig. Große Bedeutung beim Verstehen von Texten werden variablen Merkmalen wie zum Beispiel Vorwissen, Wortschatz und Metakognition zugesprochen (Lenhard & Artelt, 2009). Dabei ist das Hauptziel des Lesens die Informationsentnahme aus dem Text.

Das Lesen, und in Verbindung dessen die Aneignung von Wissen, stellt in unserer Gesellschaft den Grundbaustein für späteren Erfolg dar. Umso wichtiger scheint die Förderung bzw. die Bekämpfung von Schwächen in den ersten Jahren des Leseerwerbs. Da das Lesen außerdem die Basis für beinah jedes Schulfach stellt, wird der frühen Förderung von Lesekompetenz ein großer Stellenwert zugeschrieben.

Um Förderbedarf rechtzeitig zu erkennen, wurde der ELFE 1-6 Test von Lenhard und Schneider entwickelt. Hierbei liegt der Fokus auf einer frühestmöglichen Diagnostik, um mögliche Schwachstellen rechtzeitig aufzuzeigen und durch spezielle Förderung einzuschreiten. Dieser Test ermittelt die Lesekompetenz auf Basis der Wort-, Satz-, und Textebene.

In der vorliegenden Hausarbeit wird die Diagnose der Lesekompetenz anhand eines Fallbeispiels aufgezeigt. Im Theorieteil dieser Hausarbeit wird auf wesentliche Aspekte zum Thema Leseverständnis eingegangen. Anfangs werden Theorien und Ansätze erläutert und anschließend wird auf die verschiedenen Ebenen des Schriftsprachenerwerbs eingegangen. Desweiteren folgen die Maßnahmen zur Förderung von Lesekompetenz. Der empirische Teil besteht aus einer Testung durch den ELFE 1-6 an einer Schülerin der 5. Klasse (Realschule). Im Zuge dieser Testung kommt es zu einer Ergebnisauswertung und der anschließenden Ergebnisbeurteilung. Die Vor- und Nachteile werden außerdem eruiert sowie ein Ausblick für den späteren Lehramtsberuf aufgezeigt wird.

Die Wichtigkeit von ELFE 1-6 zeigt sich anhand zu später oder nicht vorhandener Diagnostik. Werden Schwierigkeiten beim Lesen zu spät erkannt, kann die Konstruktivität des Unterrichts nicht gewährleistet werden. Während SchülerInnen ohne Leseprobleme weiterhin am Unterricht partizipieren kann es durchaus vorkommen, dass SchülerInnen mit starken Leseproblemen den Unterricht nicht sinnvoll nutzen Somit könnten sich die Probleme auf andere Teilbereiche auswirken.

2. Wesentliche Aspekte zum Begriff Leseverständnis

Die Lesekompetenz hat einen großen Wert in Schule und Gesellschaft. Das Primärziel von Lesen liegt nicht nur im Verstehen und Weiterverwenden von Information, sondern stellt die Basis zur individuellen Weiterentwicklung (Lenhard & Artelt, 2009). Das Lesen ist keine reine Faktenvermittlung. Vielmehr stellt das Lesen von Texten den Transport von Ideen, Wertvorstellungen und Kultur dar (Lenhard & Artelt, 2009).

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, kann die Fähigkeit des Lesens in verschiedene Bereiche unterteilt werden. Zu anfangs muss erwähnt werden, dass Faktoren wie zum Beispiel Wortschatz, Vorwissen oder die Leistung des Arbeitsgedächtnisses nicht spezifisch für das Lesen sind und in anderen Verstehensleistungen auch vorkommen (Lenhard & Artelt, 2009). Im Fokus stehen hierarchieniedrige Prozesse, die individuell unterschiedliche Komponenten beinhalten und grundlegend für das Lesen sind (Lenhard & Artelt, 2009). Hierarchieniedrige Prozesse sind zum Beispiel „Verarbeitungsprozesse der Wortidentifikation“ (Rühl, S. 7). Theorien und Ansätze zum Thema Lesekompetenz unterscheiden sich daher, ob sie hierarchieniedrige und/oder hierarchiehöhere Prozesse in den Vordergrund stellen. Ein Beispiel für hierarchiehöhere Prozesse stellt die Erreichung von „globaler Kohärenz“ dar (Rühl S. 8). Beispielhaft für Theorien zur Lesekompetenz sind die Theorie der verbalen Effizienz von Perfetti (1985, 1989, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009), eine modulare Theorie des Lesens von Fodor (1983, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009), der „Simple View of Reading“ Ansatz (Gough, Hoover & Peterson, 1996, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009), schematheoretische, sowie interaktionistische Ansätze (z.B. Dijk & Kintsch, 1983, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009). Lenhard und Artelt (2009) zeigen auf, dass die wichtigen Teilfähigkeiten hinsichtlich der Automatisierung bzw. der bewussten Steuerung, sowie der Veränderbarkeit und der Zugänglichkeit für Fördermaßnahmen unterschieden werden können. Um die vielschichtigen Forschungsergebnisse besser interpretieren zu können, gehen Lenhard und Artelt (2009) im Laufe ihrer Forschung auf die Vorläuferfertigkeiten des Schriftsprachenerwerbs ein. Die Argumentation wird mit den Prozessen auf Wort-, Satz- und Textebene fortgeführt und mit leserseitigen Merkmalen, Strategiegebrauch und Wortschatz ergänzt.

Der Begriff Vorläuferfähigkeiten umfasst verschiedene Fähigkeiten, die von Lenhard und Artelt (2009) als phonologische Informationsverarbeitung beschrieben werden. Unter phonologischer Informationsverarbeitung versteht man „phonologische Operationen im Arbeitsgedächtnis, phonologische Operationen im Zugriff auf das semantische Lexikon und die phonologische Bewusstheit“ (Lenhard & Artelt, S. 3). Der wichtigste Teilbereich – die phonologische Bewusstheit – weißt das bewusste Erkennen von Sprachstruktur auf und zeigt die Eignung, die Sprache in kleinere Bestandteile wie Silben oder Phoneme (Laute) zu zerlegen. Die phonologische Bewusstheit bildet dabei einen wesentlichen Faktor für das Leseverständnis im Laufe des Leseerwerbs in der Grundschule. Die gerade erwähnten Bereiche der phonologischen Informationsverarbeitung gelten als Fähigkeiten,Wissen über die „lautliche Struktur“ der Sprache zu erlangen (Lenhard & Artelt, S. 3). Diese erwähnten Teilbereiche der phonologischen Informationsverarbeitung sind laut Lenhard und Artelt (2009) für Aufnahme, Verarbeitung, Abruf und Speicherung von Informationen verantwortlich.

Um den Schriftsprachenerwerb besser zu verstehen und deutlich zu machen, wird dieser in verschiedene Ebenen eingeteilt. Beginnend bei einzelnen Buchstaben und Einzellauten werden nach und nach einzelne Wörter erlesen. Schließlich folgen größere Gruppen wie z.B. Sätze und ganze Texte. Zentral stehen erst einmal die Fähigkeit des Erlesens (Rekodieren) und des Erkennens ganzer Wörter (Dekodieren) im Vordergrund. Hierbei befinden wir uns auf der Wortebene des Leseverstehens. Laut Lenhard und Artelt (2009) schafft der Leser den Sprung auf die Satzebene, wenn er in der Lage ist die Interpretation der Wortbedeutung auf der Grundlage des Kontexts zu leisten. Auf der Satzebene ist die Entschlüsselung der Syntax (Satzaufbau in Form von verschiedenen Satzbausteinen) ein wichtiger Schlüsselfaktor. Textverständnis liegt im Endeffekt jedoch nur vor, wenn der Leser den Bezug zwischen einzelnen Sätzen schafft und diese in einem Situationsmodell zusammenfasst. Als Situationsmodell wird eine durch Kombination mit Vorwissen entstandene Repräsentation eines Textes genannt. Im Zuge dieses Situationsmodells spielen metakognitive Fähigkeiten und Vorwissen eine zentrale Rolle (Lenhard & Artelt, 2009).

Lenhard und Artelt nehmen noch einmal genauer Bezug auf die verschiedenen Ebenen. Hierbei werden die Wortebene, die Satzebene und das satzübergreifende Lesen nochmals genauer beschrieben. Beginnend mit der Wortebene, wird das Modell von Frith und Günther (Frith-Günther Modell (Frith, 1986, 1989, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009) erläutert und als „bekanntestes entwicklungspsychologisches Modell des Schriftsprachenerwerbs“ klassifiziert (Lenhard & Artelt, S. 3).

Das Model kann in die logographemische, die alphabetische und die orthografische Stufe eingeteilt werden. Die logographemische Phase kennzeichnet sich durch die Orientierung am Schriftbild und an markanten Merkmalen wie z.B. Firmenlogos (Lenhard & Artelt, 2009). Das Kind orientiert sich lediglich an der groben Gestalt von Buchstaben und lässt die Reihenfolge der Buchstaben außer Acht. Diese Phase findet man grundsätzlich vor dem Schriftsprachenerwerb. Beim Erlesen von Wörtern bedient sich das Kind an Wissen von der Identität der Buchstaben sowie deren Verbindung zu Phonemen. Diese Zuordnung ist Bestandteil der alphabetischen Phase, die vorrangig in der ersten Hälfte des ersten Schuljahres zu finden ist, so Lenhard & Artelt (2009). Das Erlesen von Wörtern erfolgt zusammengefasst über das „buchstabenweise Rekonstruieren der Buchstabenfolgen zu Wörtern“ (Lenhard & Artelt, S. 4). Die orthographische Phase bildet die Kombination der ersten beiden Phasen. Das Augenmerk liegt hierbei nicht mehr auf dem Erlesen einzelner Buchstaben und dem folgenden Zusammensetzen, sondern auf der direkten Erkennung von Wörtern. Die Buchstabenfolge sowie das Vorwissen zur Sprache sind wesentliche Faktoren, die über den Erfolg von Worterkennung entscheiden.

Das semantische Gedächtnis, die Buchstabenfolge sowie die Regelmäßigkeit der Schriftsprachenstruktur tragen dazu bei, dass Wörter direkt erkannt werden und nicht mehr neu erarbeitet werden müssen. Das semantische Gedächtnis umfasst Weltwissen wie zum Beispiel Fakten aus Geschichten und Politik. Trotz größter Resonanz, steht das Frith-Günther Modell immer häufiger in der Kritik (Lenhard & Artelt, 2009). Die Tatsache, dass das Model ursprünglich aus dem englischsprachigen Raum stammt, stellt die Übertragung in das Deutsche in Frage. Laut Klicpera, Schabmann & Gassteiger-Klicpera (2003, zitiert nach Lenhard und Artelt, 2009) steht die orthographische Phase beim deutschen Schriftsprachenerwerb weniger im Vordergrund. Im deutschsprachigen Raum liegt das Augenmerk auf der alphabetischen Phase.

Nach Automatisierung des Leseprozesses kann der Leser zwei Verarbeitungsmechanismen im Sinne der Dual-Route-Theory (Zwei-Wege-Theorie, Coltheart, 1978, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009) anwenden: ein direkter, lexikalischer und ein indirekter, phonologischer Zugang. Diese zwei Theorien müssen hinsichtlich ihrer Eintragung im mentalen Lexikon unterschieden werden. Bei der direkten Variante ist das Wort direkt zugänglich und bezieht sich auf „eine orthographische Kodierung des Schriftbildes“ (Lenhard & Artelt, S. 4). Wenn Wörter jedoch nicht im mentalen Lexikon vorhanden sind, so muss der indirekte, phonologische Zugang gewählt werden. Hierbei wird das Wort über die Graphen-Phonem-Zuordnungsregel (Buchstabe für Buchstabe) erfasst, was die phonologische Rekonstruierung von Buchstaben beinhaltet (Lenhard & Artelt, 2009). Die Wichtigkeit beider Zugänge scheint fundamental, da Leseprobleme aus möglichen Beeinträchtigungen entstehen können. Bei Schwierigkeiten im ersten, direkten Zugang muss jedes Graphem (Schriftzeichen, das zum Beispiel Silben wiedergibt) einzeln rekodiert werden. Diese einzelne Rekodierung zeigt Auswirkungen auf die Automatisierung des Lesens. Beeinträchtigungen im indirekten Zugang weisen auch eine Störung der Leseautomatisierung auf. Hinzukommend sind die Probleme beim Lesen von unregelmäßigen Wörtern. Die Wichtigkeit des Kontexts für den Leseprozess sollte außerdem dargestellt werden. Auf der Worterkennungsebene wird dem Kontext eine wichtige Rolle zugeordnet. Der Kontext hilft zum Beispiel bei der Vermeidung von Leserfehlern.

Mit Abschluss der Wortebene rückt die Satzebene in den Mittelpunkt. Sätze versteht man nicht nur unter der Addition von Wortbedeutungen, sondern viel mehr unter der Kombination von Wortbedeutungen, syntaktischer Struktur und semantischem Gehalt (Bedeutungsgehalt) einzelner Wörter (Lenhard & Artelt, 2009). Als „lokale Kohärenzbildung“ wird von Christmann und Groeben (1999, zitiert nach Lenhard & Artelt, S. 5) eine Verknüpfung von semantischem Gehalt einzelner Wörter mit der Erarbeitung syntaktischer Strukturen verstanden. Anschließend folgt die propositionale Repräsentation. Als propositionale Repräsentation wird der Inhalt eines Satzes verstanden bzw. der Sachverhalt, der durch den Satz vermittelt wird. Wie gerade erwähnt, spielt die Relation zwischen Semantik und Syntax eine wichtige Rolle. Die Uneinigkeit über die genauen Wirkungen dieser Beziehung gipfelt in der Entstehung von zwei gegensätzlichen Erklärungstheorien: die interaktionistische und die autonome Syntaxtheorie. Lenhard und Artelt (2009) weißen darauf hin, dass die interaktionistische Syntaxtheorie passender für die Beschreibung des Leseprozesses von Erwachsenen ist. Die Begründung liefern Lenhard und Artelt (2009) unter Berücksichtigung der Befunde zum sogenannten „Sackgasseneffekt“ (garden path effect, Christmann & Groeben, 1999, zitiert nach Lenhard & Artelt, S. 6). Bei diesem Versuch werden Personen Sätze vorgestellt, deren Syntax zunächst falsch ist. In einem nächsten Schritt muss die Syntax verbessert werden. Die Wichtigkeit von Syntax stellen Martohardjono et. al. (2005, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009) heraus. Martohardjono et. al. (2005) behaupten, dass die syntaktischen Fähigkeiten zum Sprachverstehen beitragen. Lenhard und Artelt (2009) ziehen für die Validierung dieser Aussage eine Untersuchung an mono- und bilingualen Kindern heran, die zeigt, dass Kinder mit gutem Sprachverstehen Syntaxfehler in grammatikalisch komplexen Sätzen einfacher sehen als Kinder mit weniger ausgeprägtem Sprachverstehen (Waltzman & Cairns, 2000, zitiert nach Lenhard & Artelt, 2009). Leistungsschwache Kinder verwenden einfache Syntax, machen vermehrt Fehler und nutzen die Syntax eines Satzes nicht als Hilfestellung zur Worterkennung (Lenhard & Artelt, 2009). Hierbei sollte herausgehoben werden, dass in diesem Alter die Sprachentwicklung nicht abgeschlossen ist. Als Beispiel fügen Lenhard und Artelt (2009) den Umgang mit Konjunktoren an.

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Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Erfassung des Leseverständnisses anhand des ELFE Tests
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Psychologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V417943
ISBN (eBook)
9783668670501
ISBN (Buch)
9783668670518
Dateigröße
582 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ELFE, Leseverständnis, Psychologie
Arbeit zitieren
Christian Roth (Autor:in), 2015, Erfassung des Leseverständnisses anhand des ELFE Tests, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/417943

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