Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
2 Einordnung der Population Ecology-Theorie in die Organisationstheorien
3 Wirkungszusammenhänge nach Hannan/ Freeman und weiterentwickelt nach Aldrich/ Pfeffer
3.1 Populationen
3.2 Variation, Selektion, Retention
3.3 Strukturelle Trägheit
4 Kritische Würdigung und Fazit
5 Quellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
Organisationen werden ständig mit folgenden zentralen Umweltmerkmalen konfrontiert: der Unsicherheit und Dynamik sowie der Abhängigkeit von verfügbaren Ressourcen. Es ist eine ständige Herausforderungen sich diesen Bedingungen zu stellen. Durch die sich ändernden Umweltbedingungen gerät das Thema der Organisationsentwicklung in den Fokus. In der Population Ecology-Theorie, deutsch Populationsökologie, wird untersucht, wie und warum sich Organisationen entwickeln. Der Ansatz zieht hierfür Parallelen zur Darwin’schen Evolutionstheorie, welche den Prozess der Auslese bei der Entwicklung biologischer Arten beschreibt.[1] Dahingehend überleben die Populationen, welche sich am besten den Umweltbedingungen anpassen können. Manager von Organisationen suchen nach bewährten Strukturen, welche für Sicherheit im Kampf ums Überleben sorgen. Es steht die Frage im Mittelpunkt, welche Faktoren ausschlaggebend dafür sind, dass bestimmte Organisationen erfolgreicher sind als andere und sich in dem evolutionären Selektionsprozess durchsetzen.
1.2 Zielsetzung
In diesem Assignment soll die Population Ecology-Theorie nach Hannan/ Freeman und in der Weiterentwicklung nach Aldrich/ Pfeffer erläutert werden, um auf Basis dieser den Prozess von Organisationsentwicklungen zu verstehen. Hierzu wird im ersten Schritt diese Theorie in den Theorienpluralismus der Organisationssoziologie zeitlich und thematisch eingeordnet. Danach sollen im Kapitel 3 die wichtigsten Wirkungszusammenhänge der Population, Variation, Selektion, Retention sowie der strukturellen Trägheit erklärt werden. Schließlich erfolgt eine kritische Würdigung der Population Ecolgoy-Theorie und ein Fazit in Kapitel 4. Im Rahmen dieser theoretischen Ausarbeitung wird ein Blick auf die Rolle der Manager bei Organisationsentwicklungen geworfen. Schließlich werden Faktoren und Fähigkeiten genannt, welche die Überlebensfähigkeit von Organisationen erhöhen.
2 Einordnung der Population Ecology-Theorie in die Organisationstheorien
Die Organisationssoziologie ist Teil der speziellen Soziologien und befasst sich mit der Beschreibung, Erklärung und Gestaltung von Organisationen.[2] Das Erkenntnisinteresse liegt darin, Regelhaftigkeiten im Ablauf organisationaler Prozesse aufzudecken, die systematische Erfassung der Struktur von Organisationen und die organisationalen Rahmenbedingungen individuellen Handels zu erkennen. Alle Organisationen, egal wie unterschiedlich, beschäftigen sich mit gleichgelagerten Problemen und Herausforderung. Da Organisationen von verschiedensten Wissenschaftsdisziplinen beleuchtet werden, gibt es einen ausgeprägten Theorienpluralismus. Je nachdem aus welchem Winkel die Organisationen betrachtet werden, werden unterschiedliche Teile der Wirklichkeit analysiert.[3] Nach Scott können hierbei drei verschiedenen Typologien differenziert werden: Rationales System, Natürliches System und Offenes System.[4] Zudem kann die Zeitdimension hinzugezogen werden. Demnach kann, wie die Abbildung 1 auf Seite 3 zeigt, der Population Ecology-Ansatz nach Fassung von Hannan/Freeman in die Kategorie „Offenes System“ eingeordnet werden. Diese analytische Perspektive wurde im Wesentlichen in den 1980er Jahren entwickelt und zählt somit zu den neueren Ansätzen.
Der Population Ecology-Ansatz ähnelt der synthetischen Evolutionstheorie der Biologie, die ursprünglich von Charles Darwin entwickelt wurde. Durch die ständige Weiterentwicklung der Population und weil jedes Individuum einer Selektion unterworfen ist, erhöhen sich die Chancen der an die dynamische Umwelt angepassten Populationen zu überleben, während die Überlebenschancen der „Schwächeren“ sinken.[5] Nach Hannan/ Freeman sollte die in der Organisationsforschung dominante Anpassungsperspektive aufgegeben werden, zugunsten einer Betrachtung von Populationen von Organisation. Dies grenzt den Population Ecology-Ansatz von den zwei organisationstheoretischen Strömungen der Kontingenztheorie, auch situativer Ansatz genannt, als auch der Theorie nach Luhmann ab. „Dies habe den Vorteil, dass man Bedingungen für das Überleben von Organisationen systematisch untersuchen könne und die Bedeutung von Umwelt jenseits der Anpassung an deren Bedingungen ins Blickfeld gerate. Betrachtet man Populationen von Organisationen, so werden Konkurrenz und Selektion als wichtige Prozesse sichtbar.“[6] Die Kernaussage des Population Ecology-Ansatzes lautet, dass Organisationen soziale Gebilde sind, die im Wesentlichen auf Unveränderlichkeit und nicht auf Veränderlichkeit beruhen. Organisatorischer Wandel kommt daher nicht durch bewusste Gestaltung, sondern durch quasi-evolutorische Prozesse der Reproduktion und Selektion zustande.[7] Diese Grundannahme hat Auswirkungen darauf, wie die Rolle der Manager im Unternehmen gesehen wird. Hierauf soll in Kapitel 3.3 sowie 4 weiter eingegangen werden. Die wichtigsten Wirkungszusammenhänge wie Variation, Selektion, Retention und strukturelle Trägheit sowie der Begriff Population werden in Kapitel 3 weiter erläutert.
Tabelle 1: Organisationstheorien im Überblick
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Menez, R., Klassische Ansätze der Organisationssoziologie, o.J., S.7.
3 Wirkungszusammenhänge nach Hannan/ Freeman und weiterentwickelt nach Aldrich/ Pfeffer
3.1 Populationen
Der Population Ecology-Ansatz wurde insbesondere durch die Autoren Hannan/ Freeman geprägt und durch Aldrich/ Pfeffer weiterentwickelt. Der organisationale Wandel beziehungsweise die Entwicklung von Organisationen steht im Mittelpunkt. Auch Luhmann beschreibt den organisationalen Wandel im Rahmen der Systemtheorie als Evolutionsprozess.[8] Allerdings angewandt auf Organisationen und nicht auf Populationen. Der Blickwinkel auf Populationen ist ein wichtiger Wirkungszusammenhang der Theorie nach Hannan/ Freeman. „In diesem Falle unterliegt eine Population von Entscheidungen den evolutionären Prozessen der Variation, Selektion und Restabilisierung“.[9] Populationen sind hierbei Systeme mit einer definierten Beziehung zur Umwelt. In der Praxis können das Branchen sein, welche abgegrenzt werden durch die Geografie, politische Grenzen und das Produktportfolio.[10] Hannan/ Freeman bemessen dem Thema der Analyseneinheiten eine große Wichtigkeit zu.[11] Allerdings ist es nicht leicht, sinnvolle Populationen zu definieren. Es ist das Ziel möglichst homogene Cluster zu finden, jedoch steht fest, dass selbst dann, die Auswirkungen und Reaktionen auf externe Umwelteinflüsse niemals gleich sind. Auch je nach Forschungsproblem, können die Populationen anders definiert sein. Es ist zu beachten, dass die Definition der Grenzen und Merkmale von Populationen nicht „natürlich“ vorgegeben ist, sondern für einen theoretischen Betrachtungspunkt erschaffen wird. In der Biologie werden Populationen aufgrund von Spezies gebildet, welche ähnliche genetische Strukturen aufweisen. In Bezug auf Organisationen geschieht dies durch die definierte gemeinsame Abgrenzung zur Umwelt.
3.2 Variation, Selektion, Retention
Die Wirkung evolutionärer Mechanismen in Form von Variation, Selektion und Retention in Bezug auf Populationen von Organisationen beschreiben die Autoren Hannan/ Freeman und Aldrich/ Pfeffer wie folgt:
Variationen zwischen Organisationen treten in dreierlei Hinsicht auf. Erstens durch Neugründungen oder den Übergang an neue Eigentümer. Treiber hierfür sind insbesondere technische und politische Neuerungen.[12] Zweitens durch Neueinstellungen, da neue Personen neue Prozesse machen oder Prozesse anders durchführen. Drittens entstehen Variationen über die Zeit, da Prozesse über einen längeren Zeitraum nicht gleich ausgeführt werden. Durch diese Ansätze wird der Prozesscharakter deutlich, welcher insbesondere durch Aldrich betont wird.[13] Er unterstreicht zudem den Unterschied zur natürlichen Evolution: nicht nur Zufälle sondern auch geplante strategische Entscheidungen bestimmen die Variation und führen zu Veränderungen. Hierin spiegelt sich die Annahme wider, dass Organisationen in ihrer Handlungsfähigkeit zwar limitiert sind, sie dem Evolutionsmechanismus jedoch nicht gänzlich ausgeliefert seien.[14]
Schließlich liefern Variationen das Material für Selektionen. Selektive Prozesse sind insbesondere durch die Knappheit der Ressourcen in der Umwelt geprägt. Nach Aldrich sei die Umwelt für die betrachtete Organisation „eine abgegrenzte Nische, die mit den benötigten Ressourcen ausgestattet sei, die aber auch von anderen Organisationen beansprucht würden.“[15] Ob Organisationen überleben oder fortbestehen hängt vom Zugriff auf diese Ressourcen ab. Ressourcen sind hierbei beispielsweise Geld, Rohstoffe, Kunden, gesetzliche Regelungen. Insgesamt ist die Überlebensfähigkeit bestimmt durch sechs Dimensionen: der Umweltkapazität und der Homogenität oder Heterogenität der Organisationen einer Population in einer Nische, die zu einer mehr oder weniger ähnlichen Nachfrage nach Ressourcen führt. „Darüber hinaus seien drittens die Veränderlichkeit der Umwelt (technologischer Wandel, Gründungsdynamik) und viertens die Gleichmassigkeit der Verteilung der Ressourcen innerhalb der Nische von Bedeutung.“[16] Für die jeweilige Organisation sei zudem relevant, ob fünftens andere Organisationen ihren Anspruch auf Ressourcen akzeptierten und inwieweit sechstens die Umwelt Turbulenzen aufgrund der Kooperation zwischen Organisationen aufweise.
Schließlich beschreiben die Autoren den wichtigen Mechanismus der Retention, was so viel bedeutet wie Erhaltung oder Bewahrung. Es geht darum, die Sicherung einer langfristigen Stabilität der Organisation zu garantieren, indem in der Vergangenheit erfolgreiche Entscheidungen oder Aktivitäten auch in aktuellen Situationen genutzt werden.[17] Dies ist ein Schwerpunktthema für viele Organisationsforschungen: Welche Formen sollten Organisationsstrukturen haben und wie können diese über formale Abläufe stabilisiert werden, um langfristigen Erfolg und das Überleben der Organisation zu sichern.
Aldrich führt in diesem Zusammenhang den Begriff des Compools ein, der organisationsbezogene Pendant zum Genpool.[18] Der Compool ist das Set der Kompetenzen, die Organisationen ausbilden, um mit den sich ihnen stellenden Anforderungen umzugehen. Kompetenzen sind hierbei Handlungs- und Entscheidungsroutinen im Innern wie auch im Austausch mit der Umwelt. Die Ausgestaltung des Compools gibt der jeweiligen Organisation mehr oder weniger große Möglichkeiten, um auf sich verändernde Umweltbedingungen zu reagieren und den eigenen Bestand zu sichern. Wiederum ein Hinweis darauf, dass Organisationen im Vergleich zur Biologie oder Natur, nicht völlig der Evolution ausgeliefert sind, sondern durch Ausgestaltung entsprechender Kompetenzen ihre Entwicklung mitgestalten.
[...]
[1] Vgl. Albach, H./ Schauenberg, B., Unternehmensentwicklung im Wettbewerb, 2002, S.68.
[2] Vgl. Menez, R., Begriffserklärung der Organisationssoziologie, o.J., S.12.
[3] Vgl. Menez, R., Begriffserklärung der Organisationssoziologie, o.J., S.16.
[4] Vgl. Menez, R., Begriffserklärung der Organisationssoziologie, o.J., S.16.
[5] Vgl. Wikipedia, Population Ecology Ansatz, 2016, o.S..
[6] Kühn, S., Schlüsselwerke der Organisationsforschung, 2015, S.332.
[7] Vgl. Menez, R., Klassische Ansätze der Organisationssoziologie, o.J., S.9.
[8] Vgl. Miebach, B., Organisationstheorie Entwicklung, 2007, S. 189.
[9] Miebach, B., Organisationstheorie Entwicklung, 2007, S. 189.
[10] Vgl. Hannan, M.T./ Freeman, J., Population Ecology of Organizations, 1977, S. 9.
[11] Vgl. Hannan, M.T./ Freeman, J., Population Ecology of Organizations, 1977, S.6.
[12] Vgl. Albach, H./ Schauenberg, B., Unternehmensentwicklung im Wettbewerb, 2002, S.70.
[13] Vgl. Kühn, S., Schlüsselwerke der Organisationsforschung, 2015, S.51.
[14] Vgl. Kühn, S., Schlüsselwerke der Organisationsforschung, 2015, S.332.
[15] Kühn, S., Schlüsselwerke der Organisationsforschung, 2015, S.52.
[16] Kühn, S., Schlüsselwerke der Organisationsforschung, 2015, S.52.
[17] Vgl. Kühn, S., Schlüsselwerke der Organisationsforschung, 2015, S.52.
[18] Vgl. Kühn, S., Schlüsselwerke der Organisationsforschung, 2015, S.332.