Hunde in der Altenpflege. Aufbau eines tiergestützten Besuchsdienstes


Fachbuch, 2018

90 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Fragestellungen zur vorliegenden Arbeit
1.2 Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit

2 Tiere als Begleiter des Menschen
2.1 Historische Entwicklung
2.2 Mensch – Tier – Beziehung
2.3 Wirkungen von Tieren auf den Menschen
2.4 Sinn und Zweck der tiergestützten Therapie
2.5 Stand der Forschung

3 Der ältere Mensch in unserer Gesellschaft
3.1 Der Alterungsprozess in Deutschland
3.2 Sozialisation im Alter
3.3 Erfolgreiches und produktives Altern
3.4 Der gesundheitlich eingeschränkte Senior
3.5 Ältere Menschen dort abholen, wo sie stehen
3.6 Behinderungen ertragen mit Tieren

4 Grundlagen eines Therapiehundeteams
4.1 Der Therapiehund
4.2 Interaktionsformen und Kommunikation zwischen Mensch und Hund
4.3 Ganzheitliche therapeutische Wirkung von Hunden
4.4 Verschiedene Besuchsdienste
4.5 Besuchsarten
4.6 Grundvoraussetzungen an Hund und Halter
4.7 Die Ausbildung zum Besuchshund
4.8 Tierschutzrichtlinien
4.9 Die Organisation „Tiere helfen Menschen“

5 Aufbau eines Besuchsdienstes
5.1 Kurze Marktanalyse
5.2 Voraussetzungen für einen tiergestützten Besuchsdienst
5.3 Stressfreie tiergestützte Arbeit im Sinne des Tieres
5.4 Hygienische Kautelen
5.5 Rechtliche Aspekte
5.6 Relevante Versicherungen
5.7 Aufwandsentschädigung
5.8 Vereinbarungen mit Einrichtungen / Einzelpersonen
5.9 Öffentlichkeitsarbeit
5.10 Vorbereitungen für einen Hundebesuch
5.11 Besuchsdokumentation

6 Zusammenfassung und Ausblick

7 Literaturverzeichnis

8 Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Lebensphasen und den durch Tiere ausgelösten Effekten

Abbildung 2: Heilende Wirkung zwischen Mensch und Tier

Abbildung 3: Tiergestützte Interventionen

Abbildung 4: Einflüsse und Institutionen der tiergestützten Dienstleistung

Abbildung 5: Verbesserung der Lebensqualität durch tiergestützte Dienstleistung

Abbildung 6: Forschung, Weiterbildung und Informationsvermittlung zur Mensch-Tierbeziehung im deutschsprachigen Raum

Abbildung 7: Forschung, Weiterbildung und Informationsvermittlung: Adressen

Abbildung 8: Lebensqualität im Alter

Abbildung 9: Einteilung der psychischen Alterskrankheiten: Triadisches System nach Huber

Abbildung 10: Formen der Demenz

Abbildung 11: ICF-Modell

Abbildung 12: ICIDH-Modell

Abbildung 13: Bedürfnisse und Situationen bei Demenzerkrankten

Abbildung 14: Verschiedene Hunderassen

Abbildung 15: Mindmap zum Aufbau „Tierischer Besuchsdienst

Abbildung 16: Zoonosen bei Hunden

Abbildung 17: Biografiefragebogen

Abbildung 18: Besuchsdokumentation im tiergestützten Besuchsdienst

Abbildung 19: Begleithundeprüfung: Laufschema

Abbildung 20: Tiergestützter Besuchsdienst bei Senioren: Grundlagenseminar

Abbildung 21: Tiergestützter Besuchsdienst bei Senioren: Aufbauseminar

1 Einführung

In der vorliegenden Diplomarbeit geht es um die Voraussetzungen und den Aufbau eines tiergestützten Besuchsdienstes im Seniorenbereich, resp. um den Besuchshund.

Wir alle kennen ältere Menschen, die mit ihrem Hund Gassi gehen, sich durch diesen Sozialpartner und Lebensgefährten an ihrer Seite nicht einsam fühlen, aber dann plötzlich z. B. durch einen Sturz oder eine Erkrankung in ein Pflegeheim umziehen müssen. Hier sind dann oft keine Tiere erlaubt oder die Hundebesitzer können durch ein erworbenes Handycap das eigene Haustier nicht mehr versorgen und vermissen den Kontakt zu ihren Tieren. Tiergestützte Besuche sind hier prädestiniert und können für schöne und vertraute Momente sorgen.

Die demografische Entwicklung in Deutschland, aber auch die längere Lebenserwartung von alleinstehenden Personen, die heute nicht mehr in Großfamilien leben, spielen zudem eine große Rolle bei der Vereinsamung älterer Menschen. Der Alterungsprozess mit entsprechenden physischen und geistigen Veränderungen und speziellen Erkrankungen im Alter schreitet immer weiter voran.

Als Hundebesitzerin seit über 30 Jahren möchte ich gerne selbst einen „tierischen Besuchsdienst“ in unserer Gemeinde installieren. Hier leben sehr viele ältere Menschen, es gibt außerdem zwei Kurkliniken, mehrere Altenheime und ambulante Pflegedienste, die bereits ihr Interesse gezeigt haben. Dies hat mich auch dazu bewogen das Thema aufzunehmen und genauer zu betrachten.

1.1 Fragestellungen zur vorliegenden Arbeit

Wie der Titel bereits zeigt, handelt es sich in dieser Diplomarbeit um den Aufbau eines tiergestützten Besuchsdienstes, im Speziellen mit Besuchshunden bei Senioren. Unterschiedliche Fragen zur Mensch-Tierbeziehung als auch die Wirkung von Hunden auf den Menschen werden beleuchtet. Aber auch der ältere Mensch im Allgemeinen und die Berücksichtigung altersbedingter Einschränkungen so wie Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen, Bettlägerigkeit, Demenz bis hin zur Sterbebegleitung werden erörtert.

Aspekte der Ausbildung von Besuchshunden, der rechtliche Bereich, die Organisation eines Besuchsdienstes und das Marketing werden hervorgehoben. Die Vorbereitung und Durchführung einer Besuchsstunde unter der Hygienebeachtung werden dargestellt.

Fragen zur Ausbildung der Besuchshunde wie auch zu Fortbildungen bei tiergestützten Interventionen werden ebenfalls beantwortet.

1.2 Vorgehensweise und Zielsetzung der Arbeit

Mit dieser Arbeit, die als Literaturrecherche unter empirischen Aspekten erstellt wird, sollen die relevanten Aspekte zum Aufbau eines tiergestützten Besuchsdienstes erkannt und hervorgehoben werden. So gilt es zu überlegen, wie ein unter gesundheitsfördernden Aspekten und betriebswirtschaftlichen Maßnahmen aufgebauter tiergestützter Besuchsdienst installiert werden kann. Prospektiv sollten gezielte Fortbildungen für Pflegepersonen und andere Personengruppen im Gesundheitswesen, z.B. Ergotherapeuten, Demenzbetreuer etc. im Seniorenbereich angeboten und ggf. eigene Tiere mit integriert werden können. Die hier beschriebenen Grundlagen können zukünftig für Pflegepersonen und Interessierte in der Praxis an der Basis Hintergrundwissen vermitteln (Abb. 20 und 21).

Um rechtlich abgesichert zu sein, müssen auch Gesetze, Versicherungen und hygienische Vorschriften bedacht werden, um für eventuelle Zwischenfällen vorbereitet zu sein.

Somit entstehen Chancen für Senioren im häuslichen und stationären Bereich, dass „der schwanzwedelnde, hechelnde Co-Therapeut seinen Klienten helfen kann, ihre Einsamkeit und Isolation zu verringern, Bewegung anzuregen, Nähe geben und Kommunikation anregen kann“ (KAHLISCH 2010: 5). Zufriedenheit und Motivation sowohl der besuchten Menschen als auch der Mitarbeiter können so optimiert werden.

In dieser Arbeit werde ich mich auf den Hunde-Besuchsdienst beschränken, da das Thema ansonsten den Rahmen sprengen würde.

Weitestgehend wird die männliche Form verwendet, die die weibliche Komponente einschließt.

2 Tiere als Begleiter des Menschen

Die Natur und somit auch die Tiere sind älter als die Menschheit. Je nach kultureller Sichtweise war die Beziehung zwischen Tieren und Menschen geprägt. Wir sind auf der einen Seite als moderne leistungsorientierte Menschen weit von der Natur entfernt, auf der anderen Seite wird durch die tierische Verhaltensforschung aufgezeigt, wie dicht wir mit der Tierwelt noch verbunden sind und wir mit ihnen unser Leben teilen (vgl. OTTERSTEDT 2001: 14).

Tiere tun sowohl kranken als gesunden Menschen gut (ebd. S.9). Sie bringen Leben und Freude. Tiere können auch im Alter den Menschen Lebensqualität vermitteln, soziale Kontakte fördern und vor Isolation schützen, Schmerzen lindern und die mühsamen Seiten des Alterns kurzfristig vergessen lassen.

Tiere sind als therapeutische Begleiter ideal, da sie sehr kommunikativ sind. Der Dialog zwischen Mensch und Tier ist das Besondere, auch wenn es eine andere Ausdrucksweise beinhaltet als die Mensch-Menschbeziehung (ebd.: 11).

2.1 Historische Entwicklung

Tiere werden schon seit Jahrtausenden als Arbeits-, Wach- und Haustiere genutzt. Hier seien neben der Nahrungsmittelgewinnung exemplarisch erwähnt die Wasserbüffel zum Boden pflügen, Schafe für die Wolle zur Herstellung von Kleidung, Pferde als Zugtiere, Jagdfalken zum Kaninchenfang etc.

Diese Nutz- und Arbeitstiere lebten neben dem Menschen. Heute leben wir mit den Tieren zusammen und betrachten z. B. Hunde als Sozialpartner. In der Bundesrepublik stehen Katzen an erster und Hunde an zweiter Stelle gefolgt von Kleintieren wie Hamster, Meerschweinchen und Hasen.

Als der Mensch noch auf die Jagd angewiesen war, galt schon der Hund nicht nur als Wächter, Weg- und Jagdgefährte, sondern auch als Haustier und Partner (vgl. OTTERSTEDT 2001: 15).

In der assyrisch-babylonischen Kultur wurde die Göttin der Heilung namens „Gula“ in der Gestalt eines Hundes dargestellt. Schon vor dem Christentum gab es allgemeine ethische Umgangsnormen mit Tieren, die auch für Hunde galten.

Im 8. Jahrhundert wurden bereits in Belgien Tiere, vor allem Hunde, bei kranken Waisenkindern und Behinderten zur Therapie eingesetzt. Auch Florence Nightingale, die Begründerin der modernen Krankenpflege, hatte bereits im 19. Jahrhundert den positiven Nutzen von Tieren im Heilungsprozess erkannt (vgl. RÖGER-LAKENBRINK 2010: 12 ff.).

Heute in der Zeit, in der Maschinen die Arbeit von Tieren übernommen haben, finden wir nur ausgewählte Tiere wie Pferde bei der Polizei, aber auch Spür- und Suchhunde bei der Drogenfahndung und bei Erdbeben. Wachhunde werden auch heute noch auf Firmengeländen und Regierungsgebäuden eingesetzt, da sie zuverlässiger als manch technische Überwachungskamera arbeiten.

Nach bisherigem archäologischem Wissensstand gibt es Hunde seit 14.000 Jahren. Skelettteile aus dieser Epoche, des Jungpaläolithikums, wurden bei Bonn/Oberkassel in Deutschland gefunden und können eindeutig zu den ersten Hunden und nicht mehr den Wölfen zugeordnet werden. Ein Kriterium bei der Schädelanalyse ist die kürzere Schnauze. Ob die Domestikation gleichzeitig stattgefunden hat oder schon eher, ist heute nicht genau zu rekonstruieren (vgl. SCHÖNBERGER 2010: 59 f.).

Einige Forscher u.a. am Leipziger Institut für evolutionäre Anthropologie glauben nicht an einen Zufall, dass Mensch und Wolf zusammenfanden. Die Begründung liegt in der Sozialordnung mit komplexen Regeln ähnlich der menschlichen Sozietät (vgl. ebd.: 87 f.).

Tiergestützte Interventionen sind eine neuere und sicherlich auch die „intensivste Stufe in der tierischen Domestikation“ (OTTERSTEDT 2001: 20). Unter dem Begriff Domestizierung bzw. Domestikation wird die „allmähliche“ Gewöhnung und Bändigung von Wildtieren in gezähmte Haustiere bezeichnet (vgl.www.duden.de).

2.2 Mensch – Tier – Beziehung

Nutz- und Arbeitstiere leben nicht in der Wohnung eines Menschen im Gegensatz zu Haustieren.

„Domestizierte Tiere waren und sind integraler Bestandteil menschlichen Lebens und folglich auch menschliche Lebensqualität“ (HEGEDUSCH/HEGEDUSCH 2007: 34). Menschen in kleinen Wohnungen mitten in der Stadt, in der Anonymität herrscht, die Natur weit weg ist, aber auch ältere und behinderte Menschen, die alleine und isoliert nicht nur in der Stadt sondern auch in Dörfern leben, profitieren von Tieren, mit denen sie den Alltag teilen können. Ob das Zwitschern und Singen eines Vogels, das Schnurren einer Katze oder das Streicheln eines Hundes: jedes Tier hat seine individuelle und wohltuende Ausstrahlung auf den Menschen.

Im zweiten Weltkrieg wurden in den USA Soldaten zur Erholung von Kriegstraumata auf einen Bauernhof geschickt, der dem Army Air Force Convalescent Hospital angeschlossen war (vgl. HEGEBUSCH/HEGEBUSCH 2007: 35).

Um die Mensch-Tier-Beziehung zu verstehen wurden verschiedene Erklärungsmodelle herangezogen. Drei interessante Ansätze davon möchte ich aufgreifen (ebd.: 37 ff.):

1. Die Biophilie-Hypothese stammt aus der Evolutionslehre und befasst sich mit physischer, emotionaler und kognitiver Verbundenheit zur Natur und anderen Lebewesen, wie auch Tieren, die in uns Menschen verankert ist. Dieser Ansatz der Affinität von Mensch und biologischem Umfeld ist auf die geistige und emotionale gesunde Entwicklung beschränkt, intrapsychische Vorgänge bleiben unberücksichtigt.

2. Das tiefenpsychologische Erklärungsmodell beinhaltet die innerpsychischen, auch unterhalb des Bewusstseins liegenden Prozesse. Die Grundlage der verschiedenen tiefenpsychologischen Ansätze besagt, dass beim menschlichen Leben am Anfang im Kindesalter eine umfassende Verbundenheit zur dinglichen und lebendigen Umwelt besteht, das sogenannte Einssein mit allem. Hierzu gehören auch Tiere, die nach der Kindheit oft durch zivilisatorische und kultuerelle Prägung verblassen können, im Alter aber wieder präsent werden. Die bekannten Tiefenpsychologen C.G. Jung und Sigmund Freud sprechen vom Bewusstsein (dem ICH), dass nur einen begrenzten Teil der Realität erfassen kann. So können unbewusste Komponenten wie Instinkte in einer tieferen Schicht (dem ES) bzw. in der animalischen Tiefenperson die Verbundenheit von Mensch und Tier erklären.

3. Eine weitere Erklärung besteht in dem Phänomen der Anthropomorphisierung und der damit entstehenden Du-Evidenz. Der Anthropomorphismus befasst sich mit der Übertragung menschlicher Emotionen auf nicht menschliche Objekte und gilt als Voraussetzung der Verbundenheit mit Tieren. Du-Evidenz bedeutet hier die Übereinstimmung und Wahrnehmung mit einem Tier auf emotionaler und sozialer Ebene. Weitere verifizierte Elemente sind die Kommunikationsfähigkeit, auch ohne Sprache, und Sozialität, die Gemeinsamkeiten und Beziehungsaufbau ermöglichen. Entsprechende Tierkontakte können emotionale Berührtheit auslösen und zur Vermenschlichung des Tieres führen. Hierzu gehört als typisches Merkmal die Namensgebung eines Tieres. Das Verhaltensschema, das Konrad Lorenz mit Kindchenschema beschreibt ist auch auf Tiere zu übertragen. Der Mensch fühlt sich u. a. bei bestimmten Körpermerkmalen wie großen Augen und Kopf hingezogen, erfüllt von dem Wunsch zu beschützen und zu versorgen. Außerdem ist es ein angenehmes Gefühl ein Fell zu streicheln, das positive Emotionen auslösen kann. Evolutionstechnisch wurden so mit der gegenseitigen Körperpflege soziale Kontakte, Zugehörigkeit und Zusammenhalt so wie eine partnerschaftliche Beziehung aufgebaut und gefestigt.

2.3 Wirkungen von Tieren auf den Menschen

„Tiere erlauben Sinnlichkeit“, die oft in unserer zivilisierten Welt unbefriedigt bleibt (GREIFFENHAGEN/BUCK-WERNER 2007: 39). Wissenschaftliche Studien belegen, dass es der Seele gut tut und beruhigt ein Tier zu streicheln, dies senkt den Blutdruck und lässt auch den Puls langsamer werden (s. Kap. 2.5). Auch das Immunsystem wird gestärkt. Diese Reaktionen werden durch Glückshormone, den Endorphinen angekurbelt. Ein Hund holt uns auch aus trüben Gedanken, denn er fordert Zuwendung, Spiel und Spaziergang. So werden negative Gedanken vertrieben und Depressionen vorgebeugt.

Durch die Versorgung des Tieres wie regelmäßiges Füttern und Gassi gehen, gibt es dem Tagesablauf eine Struktur und Regelmäßigkeit im oft eingeschränkten Alltag.

Es wird jedoch unterschieden zwischen den eigenen Tieren und den tierischen Begleitern, die helfen und heilen. Personen, die keinen eigenen Hund halten können, sei es durch Tierverbot im Mietvertrag von Wohnungen oder Heimen als auch aus gesundheitlich eingeschränkten Gründen, können so noch von Tieren profitieren.

Bei den therapeutischen Begleitern muss jedoch darauf geachtet werden, dass sie artgerecht und ihren Bedürfnissen entsprechend gehalten und trainiert werden. Nur dann ist ein ungezwungener und sinnvoller Umgang mit Mensch und Hund möglich. Hunde sind Rudeltiere und durch ihr Verhalten besonders gut geeignet. Sie verstehen unsere Sprache nicht, aber können hervorragend unsere nonverbalen Signale aufnehmen und Gegebenheiten erschnüffeln, die wir Menschen nicht wahrnehmen. Tiere fördern unsere körperliche und geistige Mobilität, unsere innere Balance und führen aus der Einsamkeit in eine soziale Gemeinschaft. Wir sollten sie aber nicht als Wunderheiler verstehen, sondern als Sozialpartner.

Neben den Besuchsdiensten mit privaten Tieren oder aus dem Tierheim gibt es auch noch die tierischen Begleiter in der Ergo-, Physio- und Psychotherapie. Hunde können gut zuhören ohne zu bewerten, deswegen werden auch immer öfter bei leseschwachen Kindern Lesehunde eingesetzt, die die Kinder beruhigen.

Es ist nachgewiesen, dass der Kontakt mit einem Hund ganzheitlich wirkt, d. h. unsere körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Bedürfnisse werden befriedigt aber auch gefördert. (vgl. KAHLISCH 2010: 14).

Beispiele bekannter Therapiemöglichkeiten und die unterschiedlichen Wirkungen von Tieren auf den Menschen sind somit Grundlagen der wohltuenden Effekte von Tieren. Eine Übersicht der Zusammenhänge zwischen den Lebensphasen und den durch Tiere ausgelösten Effekten kann im Anhang (Abb. 01) eingesehen werden.

Eine Auswahl zu heilenden Wirkungen durch Tiere und ihre Interaktion zum Menschen hat Otterstedt zusammengefasst (Abb. 02).

Freude und Lachen dominieren in den Tier-Menschbeziehungen und unterstützen ein positives Wohlbefinden auf allen Ebenen mit Stärkung des Immunsystems, mentaler Steigerung und seelischer Ausgeglichenheit. In seltenen Fällen können aber auch mal traurige Erinnerungen wachgerufen werden.

2.3.1 Psychische Wirkung

Psychisch ist definiert als die Wahrnehmung, das Erleben und das Verhalten des Menschen betreffend. Hierzu gehören die Wahrnehmung, das Fühlen und die Erinnerung. Ein Tier/Hund kann trösten, von traurigen Gedanken ablenken, das Selbstvertrauen stärken und Stress reduzieren. Nähe und Vertrauen, Motivation und Entspannung lenken von negativen Gefühlen ab und lassen eine Krankheit besser verarbeiten. Tiere beeinflussen somit u.a. die emotionale Ebene des Menschen.

Der Mensch hat ein Bedürfnis nach Wahrnehmung, die eine ständige Verarbeitung von Reizen beinhaltet. In einem wissenschaftlichen Experiment wurden mehrere Personen von allen Umweltreizen isoliert. Als Folge kam es zu Dezimierungen der psychischen Leistungsfähigkeit. Dies äußerte sich u.a. in Konzentrations- und Orientierungsstörungen sowie Stimmungsschwankungen mit Trugwahrnehmungen und Affektausbrüchen (vgl. DUNKHORST 2006: 254). Tiere können hier für einen neuen Reizstrom sorgen und somit die Wahrnehmungsfähigkeit fördern. Als ganzheitliches Geschehen gehören die somatischen, visuellen, vestibulären, vibratorischen, olfaktorischen, auditiven und taktil-haptischen Wahrnehmungen im Speziellen dazu (ebd.: 256).

Der Geruchssinn prägt unsere emotionale Stimmung, das gilt sowohl für einen angenehmen Geruch vs. für Gestank, je nachdem wie Menschen das erste Mal mit einem Geruch in Berührung gekommen sind.

Nicht zu unterschätzen ist auch die Freude, die Tiere auslösen, durch die Nähe des Tieres oder die Vorfreude eines Besuches.

Das Gefühl der Geborgenheit entsteht. Der Mensch fühlt sich angenommen in seinem Dasein, denn Tieren ist es egal wie Menschen aussehen und ob sie körperliche oder geistige Einschränkungen haben. „Wo das Tier den Menschen so annimmt, wie er ist, kann auch der Mensch beginnen, sich so anzunehmen, wie er ist“ (OTTERSTEDT 2001: 87). Dies sollte als wichtiger Grundsatz im Seniorenbereich mit einsamen und kranken Menschen bedacht werden.

Tiere können unsere Seele auf unterschiedlichste Weise berühren und unser emotionales Wohlbefinden fördern. Soziale Einsamkeit und Traurigkeiten verblassen lassen und sie wirken somit antidepressiv und antisuizidal (ebd.: 36 f.). Je nach Tierart können Menschen angeregt und aktiv werden oder aber auch zur Ruhe kommen.

2.3.2 Mentale Wirkung

Die Aufmerksamkeit und Aufnahmebereitschaft durch Tiere nimmt zu, es kommt zu visuellen, taktilen und auditiven Förderungen. Kommunikation findet auch bei sonst stillen Menschen statt, Erinnerungen werden geweckt und Beschäftigung und Ablenkung können angeregt werden.

Selbstbestimmtes Handeln kann gefördert werden, da durch die Vorfreude auf den Besuch auch Überlegungen anstehen. „Was ziehe ich an? Hab ich ein Handtuch parat, falls ich das Tier auf den Schoß nehmen will? Wo habe ich das Leckerli hingelegt?“ Während und nach dem Besuch fördern Gedanken und Gespräche den Geist und fördern aktives und selbständiges Handeln (OTTERSTEDT 2001: 33).

2.3.3 Physische Wirkung

Studien aus Amerika und England belegen (vgl. OTTERSTEDT 2001: 28), dass Tiere positiv auf den Körper wirken. So kann durch Streicheln und Körperkontakt mit einem Tier wie Hund oder Katze der Blutdruck und der Puls gesenkt werden. Die Atmung wird ruhiger und der Kreislauf stabiler. Entspannung schützt den Körper auch vor Verspannungen und den meist entstehenden Folgeschmerzen. Ebenso werden andere körperliche akute und chronische Schmerzen weniger empfunden und somit können Schmerzmittel reduziert werden.

Alleine die Präsenz der Tiere, z.B. auch das langsame Gleiten von Fischen in einem Aquarium können den Sehsinn beruhigen (ebd.: 28)

Eine Appetitanregung kann durch die Vorfreude auf einen Tierbesuch durch vermehrte Atmung angeregt werden (ebd.: 31). Dies ist bei vielen älteren kachektischen und untergewichtigen Menschen ein erfreulicher Begleiteffekt, da diese oft keinen Appetit mehr haben und auch weniger schmecken, da die olfaktorischen Sinne im Alter abnehmen.

Es können ebenfalls Kraft, Koordination und Motorik sowie das Gleichgewicht stabilisiert werden, körperliche Schwäche scheint zumindest zeitweise auch vergessen zu sein. So setzen Physiotherapeuten Tiere ein, um die Beweglichkeiten der Menschen zu fördern. Ältere Menschen werden motiviert, sich mehr zu bewegen, zu greifen, streicheln, die Gelenke zu bewegen, ein paar Schritte zu gehen und damit auch Schmerzen zu überwinden (MAMEROW 2003: 59).

Es werden alle unsere Sinne durch Tiere angeregt: visuell, auditiv, olfaktorisch, haptil und taktil und wirken nicht nur körperlich, sondern im holistischen Sinn von Ganzheitlichkeit auf den drei Ebenen Körper-Seele-Geist.

2.3.4 Soziale Wirkung

Tiere fördern die Bereitschaft sich zu öffnen, können die Kommunikation und Interaktion verbessern, eine neue Kontaktaufnahme fördern. Es macht Lust, das Tier zu beobachten, gemeinsam zu füttern und vermittelt das Gefühl des Gebrauchtwerdens. Der soziale Aktionskreis von Besuchten kann im Laufe der Zeit erweitert werden (vgl. KAHLISCH 2010: 15).

Tiere helfen so Distanzen abzubauen und alternative Dialoge aufzubauen. Durch gleiches Interesse und die bejahende Gemeinsamkeit zum Tier kann für eine angenehme Gesprächsatmosphäre gesorgt werden, dem sogenannten Grooming Talk (vgl. OTTERSTEDT 2001: 42).

„Das Leben mit Tieren bietet Beziehungsqualität, das heißt Lebensqualität“ (ebd.: 39).

2.4 Sinn und Zweck der tiergestützten Therapie

Tiergestützte Therapien sind alle Maßnahmen, die durch Tiere positive Auswirkungen auf das Erleben und Verhalten von Menschen haben (vgl. RÖGER-LAKENBRINK 2010: 30).

Die unterschiedlichen tiergestützten Interventionen und deren Einflüsse sind im Anhang kurz dargestellt (Abb. 03 und 04). Tiergestützte Dienstleistungen verbessern die Lebensqualität auf mehreren Ebenen und fördern verschiedene menschliche Aspekte (Abb. 05).

„Eine systematische wissenschaftliche Untersuchung hilfreicher Effekte von Tieren auf Menschen begann 1961“ (HEGEBUSCH/HEGEBUSCH 2007: 35).

Anlass war die Beobachtung eines sozial gestörten Kindes und seinem Hund durch den Therapeuten Boris Levinson, der „die Einsatzmöglichkeiten von Tieren als Co-Therapeuten“ erkannte (ebd.).

Weltweit entstanden Forschungsprojekte und Studien über Tier-Menschbeziehungen. So gab es bereits im Jahre 2000, erwähnt in der Doktorarbeit des Arztes Arnim Claus „mindestens 57 genehmigte Tierbesuche in Krankenhäusern, meistens im Bereich der Psychiatrie und Geriatrie“ (MAMEROW 2003: 59).

2.4.1 Welche Tiere sind als therapeutische Begleiter geeignet?

Tiere können zum einen die Lebensqualität steigern, zum anderen auch gezielte Hilfestellung leisten. Jedoch gilt es immer zu berücksichtigen, ob der jeweilige Mensch auch mit dem entsprechenden Tier positive oder negative Erfahrungen verknüpft, und welche Tiere er bevorzugt. Der eine Mensch ist vielleicht ein Katzenliebhaber und ein anderer mehr der Hundebefürworter. Diese Komponenten sind beim Einsatz von Tieren zu berücksichtigen.

Es können die unterschiedlichsten Tiere zum Einsatz kommen. Hunde, Katzen, Hühner, Vögel, Kaninchen, Meerschweinchen, Pferde, Delphine, Schafe, Ziegen und Schweine finden in diversen therapeutischen Konzepten ihre Berechtigung. Sehr häufig werden jedoch Hunde aufgrund ihrer Menschenfreundlichkeit, Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und ihrer langen Domestikation bevorzugt (vgl. HEGEBUSCH/HEGEBUSCH 2007: 35).

2.4.2 Abgrenzungen von tiergestützter Intervention

Je mehr Literatur ich sichtete desto mehr unterschiedliche, nicht immer identische Definitionen zur tiergestützten Intervention fand ich. Frau Dr. Carola Otterststedt, auch im wissenschaftlichen Beirat von Tiere helfen Menschen (ThM) tätig, beschreibt vier Bereiche als Einsatzorte für Tiere als therapeutische Begleiter:

1. „Tierbesuchsdienst (mit Privattieren oder Tieren aus dem Tierheim) als Begleitung von behinderten, alten, kranken oder auch sterbenden Menschen.
2. Tiere als therapeutische Begleiter u.a. im Rahmen einer Physio-, Ergo- oder Psychotherapie.
3. Tiere als therapeutische Begleiter u.a. im Rahmen des Klinik- oder Pflegeheim-Alltags auf Station und bei der Visite.
4. Tiere als therapeutische Begleiter u.a. ausgebildet als Begleithund, z.B. für Blinde, Schwerhörige und Rollstuhlfahrer“ (OTTERSTEDT 2001: 21).

Die Delta Society, die 1977 in den USA gegründet wurde, um die Qualität der Beziehung zwischen Tieren, Tierhaltern und Pflegepersonen zu erforschen, unterscheidet zwei Bereiche:

1. Animal-assisted Activities (AAA) und

2. Animal-assisted Therapy (AAT) (vgl. HEGEBUSCH/HEGEBUSCH 2007: 35).

Tierbesuchsprogramme mit Haustieren gehören zu AAA, Tiere als integrativer Bestandteil eines therapeutischen Konzeptes mit expliziter Dokumentation zu AAT.

2.5 Stand der Forschung

In den 80er-Jahren publizierte der deutsche Gerontologe Erhard Olbrich aus Erlangen ein Besuchshunde-Programm mit Tieren und alten Menschen. 1989 befasste er sich mit einer Studie über Besuchshunde in stationären Einrichtungen. Über 7 Wochen lang wurden die Senioren zweimal wöchentlich mit den Hunden besucht. Sein Fazit war, dass die besuchten Menschen mehr kommunizierten, selbständiger und selbstsicherer wurden, aber auch wacher wirkten und öfter lächelten (vgl. GREIFFENHAGEN/BUCK-WERNER 2007: 115).

Es gibt weltweit etliche internationale Studien über Zusammenhänge zwischen Tierbesitz und Gesundheit beim Menschen. Exemplarisch werden hier zwei amerikanische medizinische-epidemiologische Studien aus dem Jahr 1990 erwähnt. Eine Studie beschäftigte sich mit „statistischen Vergleichen von Tierbesitzern und Nichttierbesitzern in Bezug auf Arztbesuche“, die andere machte „einen Vergleich von Verhaltensänderungen vor Besitz eines Tieres und dem späteren Zusammenleben“ (vgl. HEGEBUSCH/HEGEBUSCH 2007: 76 ff.).

Seit 1996 gibt es etliche Forschungsprojekte hinsichtlich Unterstützung durch Therapiehunde, allerdings sind dies hauptsächlich Projekte mit Kindern an der Universität Leipzig gewesen, die das Ziel hatten herauszufinden, inwieweit Tiere den Therapieprozess günstig beeinflussen (s. RÖGER-LAKENBRINK 2010: 96).

In Deutschland gab es 2004 eine rein statistische Erhebung über den möglichen gesundheitlichen Zusammenhang von Tierbesitz unter Betrachtung der Häufigkeit von Arztbesuchen“. Es besteht mittlerweile kein Zweifel über die positive Wirkung von Tieren, allerdings konnte das in den genannten Studien nur statistisch ohne Rückschlüsse und kausaler Zusammenhänge evaluiert werden (vgl. HEGEBUSCH/HEGEBUSCH 2007: 76 ff.). Nach „Studien über den Einfluss von Tieren auf Risikofaktoren der Herz-Kreislauf-Erkrankungen“ war einheitlich eine positive Beeinflussung nachweisbar, die es gilt gesundheitsfördernd im Rahmen einer Prävention zu nutzen (ebd.).

„Studien über die Auswirkung von Tieren auf das psychosoziale Wohlbefinden des Menschen“ befassten sich mit folgenden Faktoren: Integration und sozialer Kontakt, Erfahrung von Zuwendung, Körperkontakt und Wertschätzung, von der Fähigkeit, Stress zu bewältigen oder dem Gefühl, gebraucht zu werden“.

Als Klassiker sei hier die „Wellensittichstudie“ aus dem Jahr 1975 genannt. Um den psychotherapeutischen Wert bei 30 alleinlebenden alten Menschen im Alter von 75-81 Jahren zu erfassen bekam die Hälfte der Probanden einen Wellensittich, einen Blumentopf und einen Fernseher, die andere Hälfte nicht. Weitere Forschungsprojekte waren: „Ein Hund im Heim – Eine Studie über Haustiere an der geriatrischen Klinik Caulfield“, 1981, eine deutsche „Studie über die Bedeutung von Katzen bei kritischen Lebensereignissen“ (o. Jg.), ebenso eine Studie „Betagte Menschen und ihre Haustiere – Förderliche und problematische Aspekte der Haustierhaltung und Implikation für die (Kranken-) Pflege: eine beschreibende Untersuchung“ (ebd.: 82 ff.). In all diesen Studien liegt die Prämisse der vielseitigen und förderlichen Wirkungen von Tieren, die sowohl psychologische Unterstützung als auch Lebenshilfe für ältere und kranke Personen bieten, aber auch Lebensfreude vermitteln und „soziale Katalysatoren und Eisbrecher“ sind (ebd.: 89).

„Studien über die Bedeutung von Tieren für Menschen mit Demenz“ wie die Alzheimer Studie (o. Jg.) geben einen ersten Eindruck, sind hinsichtlich der statistischen Erhebungen aber nicht aussagekräftig genug bezüglich der möglichen Effekte.

Weitere Untersuchungen sind in Arbeit, um aber gesicherte Ergebnisse zu erhalten bedarf es Längsschnittstudien mit mehr Probanden, um „den gesundheitlichen, emotionalen, sozialen und kognitiven Status demenziell erkrankter Menschen“ durch Tiere zu erforschen. Bei der bisherigen Stichprobenzahl kann trotzdem geschlussfolgert werden, dass Tiere positive Effekte im sozial-kommunikativen Bereich hervorrufen (ebd.: 90 ff.).

Katharina Hohmann beschreibt in ihrem Buch „Lebensqualität im Altenheim – zur Bedeutung tiergestützter Dienstleistungen“ eine qualitative Erhebung mit teilnehmender Beobachtung und episodischen Interviews bei alten Menschen. Das strukturierte Forschungsdesign soll einen professionellen Ansatz im Bereich der tiergestützten Interventionen und Qualitätsstandards ermöglichen.

Entsprechend einer Studie der Alzheimer Gesellschaft Bochum e.V. liegen die wichtigsten Bedürfnisse des Menschen bei sozialer Einbindung und Kommunikation (vgl. HEGEDUSCH/HEGEDUSCH 2007: 60).

Eine Übersicht zu Forschungsaktivitäten und den dazugehörigen Adressen im deutschsprachigen Raum befinden sich im Anhang (Abb. 06 und 07).

3 Der ältere Mensch in unserer Gesellschaft

In unserer Gesellschaft ist die Lebensdauer gegenüber früheren Zeiträumen explosionsartig angestiegen (vgl. SCHROETER 2009: 5). Es gibt immer mehr ältere Menschen, grafisch durch das Bundesstatistikamt 2012 in einem Diagramm dargestellt.[1] Während die Geburtenrate rückläufig war ist die Langlebigkeit gestiegen. Durch die veränderte Altersstruktur haben sich soziokulturelle Werte und Rollen verändert, eine Ambivalenz und Dichotomien sind entstanden. So wird u.a. differenziert zwischen vitalen, engagierten Senioren und den pflegebedürftigen, dementen Alten, zwischen produktiven vs. unproduktiven Alten oder auch aktiven jungen Alten vs. gebrechlichen Hochaltrigen (ebd.: 7). Das Altern ist neben dem biologischen Prozess auch unter der sozialen und gesellschaftlichen Perspektive zu betrachten, um auf die Bedarfe des Wandels und die Bedürfnisse der „Grauen Gesellschaft“ (ebd.: 5) zu reagieren.

Der ältere Mensch lebt nicht nur in einer altersunfreundlichen Epoche, wobei es Jugendwahn kulturgeschichtlich gesehen immer wieder gab. Im Rahmen des sozialen Alters darf der ältere Mensch sein Leben aber auch selbst bestimmen, reisen, studieren, Hobbies und Ehrenämtern nachgehen, seinen eigenen Lebensstil verwirklichen. Die klassische Vorstellung der im Lehnstuhl strickenden Oma im grauen Kostüm oder des Pfeife rauchenden Opas mit Hörrohr vor dem Fernseher ist überholt. Insgesamt gesehen sind die Interessenvielfalt und die geistige Leistungsfähigkeit im Alter gestiegen.

Heute lebt der Senior jedoch länger in der dritten Lebenshase, die mittlerweile in mehrere Abschnitte unterteilt wird und auch nicht mehr eindeutig dem kalendarischen Lebensalter zugeordnet werden kann. Da wird von den „jungen Alten“ zwischen 55 und 65 Jahren gesprochen, gefolgt von den „alten Alten“. Die „Hochaltrigen“ ab 80 Jahren und die „Langlebigen“ über 100 Jahren sind ebenfalls neuere Differenzierungen (ebd.: 15).

Von den multidisziplinären unterschiedlichen gerontologischen Altersdefinitionen möchte ich nur noch die erwähnen, die für meine Arbeit im Focus stehen. Dies ist der biologische und funktionale Aspekt hinsichtlich des körperlichen Zustandes und der gesellschaftlichen Leistungsfähigkeit, die es zu berücksichtigen gilt.

Heute werden Menschen älter als in früheren Zeiten“, doch sind sie sowohl in ihrer „expressiven als auch impressiven Befindlichkeit vergleichsweise jünger“ (ebd.: 17).

3.1 Der Alterungsprozess in Deutschland

Durch den demografischen Wandel muss jedoch auch der Altersstrukturwandel berücksichtigt werden. Zu diesem Prozess gehören neben der Verjüngung bei gleichzeitiger Zunahme der Hochalterigkeit, die Entberuflichung, die Singularisierung und die Feminisierung (SCHROETER 2009: 17).

Mit Verjüngung ist hier gemeint, dass ältere Menschen heute vitaler sind, sich geistig, seelisch und körperlich fitter fühlen als in früheren Generationen. Dieses subjektive Gefühl ist auch objektiv durch Untersuchungen und Studien bestätigt.

Die Lebenserwartung steigt, wie in der Tabelle des Bundesstatistikamtes ebenfalls ersichtlich ist.[2]

Mit Entberuflichung ist das Verrentungsalter gemeint, das heute arbeitsmarktpolitisch stark gesteuert ist. Einerseits wurde das Rentenalter je nach Geburtsjahr, von 65 auf 67 Jahre angehoben, andererseits gehen Arbeitnehmer in den Vorruhestand oder Frühpensionierung. Es gibt jedoch auch noch die Berufsunfähigkeit durch Invalidität (ebd.: 18) durch chronische Erkrankung oder Unfall.

Die Singularisierung, das Alleinleben von älteren Menschen, kann durch Trennung oder Tod des Partners, aber auch gewollt bedingt sein. Das Single-Leben ist heute eine gängige Form in der postmodernen Gesellschaft.

Hinsichtlich der Feminisierung leben „zwei Drittel der älteren – und unter den über 75-Jährigen sogar drei Viertel der Frauen“ allein (SCHROETER 2009: 21). Hier gilt es zu bedenken, dass es kaum noch Großfamilien gibt, in denen Familienmitglieder wie Witwen integriert sind. Zudem gibt es auch noch eine veränderte Lebensform, das „Living-apart-together“, das sog. „Getrennte Zusammenleben“. Hierbei gibt es zwar eine Partnerschaft aber getrennte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaften (vgl. SCHRÖTER o. Jg.: 47).

Im Abschlussbericht des Projektes mobil über das Konzept Präventive Hausbesuche bei Senioren ist ein Ziel die Gesundheit und Selbständigkeit so lange wie möglich zu erhalten. Es wird aber „eine „überproportionale Zunahme des Anteils an über 80-Jährigen“ geben. Damit verbunden sind weitere Herausforderungen an unsere Gesellschaft u.a. hinsichtlich der Normalität, der Integration, der Partizipation und Lebensführung (vgl. GEBERT et al. 2008: 8).

3.2 Sozialisation im Alter

Unter Sozialisation wird der lebenslange Prozess in der Gesellschaft verstanden, die unsere diversen sozialen Rollen im Leben prägen, geformt durch Normen und Werte. Die Sozialisation ermöglicht dem einzelnen Mitglied einer Gesellschaft seine Persönlichkeit zu entwickeln und die Welt zu verstehen. Dieser Prozess zieht sich über das komplette Leben in drei Phasen.

Die primäre Phase findet innerhalb der ersten Lebensjahre in der Familie statt, in der Vertrauen aber auch Anpassung an die Umwelt gelegt werden. In der sekundären Phase durchläuft der Mensch meist Kindergarten, dann Schule, Ausbildung oder Studium. Die tertiäre Phase befasst sich mit dem Leben des Erwachsenen sowohl am Arbeitsplatz, als in der Gesellschaft und im Freundeskreis.

Sozialisation ist immer im Kontext zu sehen und befasst sich nie mit einem Individuum allein. So können auch im Laufe des Lebens Rollen wechseln, aus Tochter wird Mutter und dann Oma, aus Angestelltem wird Rentner. So verändern sich auch Einstellungen und Verhaltensweisen, auch als retroaktive Sozialisation bezeichnet. Bei älteren Menschen wird soziologisch auch von Desozialisierung gesprochen, d.h. Loslösung von sozialen und persönlichen Rollen. Dieser negativ besetzte Begriff bezieht sich u.a. auf chronische Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit. Hier können keine nachberuflichen Tätigkeiten wie Hobbies oder Ehrenamt mehr getätigt werden (vgl. SCHROETER o. Jg.: 18 f.).

Während der Sozialisation werden auch unser Verständnis und der Umgang mit Tieren geprägt.

3.3 Erfolgreiches und produktives Altern

Es gibt viele Alterstheorien, die im gerontologischen Kontext zum Verständnis herangezogen werden. Erfolgreiches und produktives Altern ist nur eine Variante, um diese kurz auf zu zeigen. Die beiden Begriffe sollen das Alter positiv fokussieren, da das heutige Altersbild eher negativ gefärbt erscheint. Das produktive Altern beleuchtet die soziale Rolle und den gesellschaftliche Nutzen. Hierzu gehören u.a. die individuelle Produktivität wie die selbständige Lebensführung und die intergenerative Produktivität in Form des Austausches von jung und alt.

Das erfolgreiche Altern beschäftigt sich vorwiegend mit den psychologischen, physiologischen und sozialen Kompetenzen und Ressourcen (vgl. SCHROETER 2009: 36 f.).

In den Vordergrund hinsichtlich gesunder und kranker Senioren sollte meiner Meinung nach auch die „Heteroproduktivität“ (ebd.: 38) gestellt werden, Diese beinhaltet unterschiedlichste und auch ehrenamtliche Tätigkeiten. Diese geben dem Leben Sinn und Halt.

Die intergenerative Arbeit als Aufgabe zwischen den Generationen in sog. Jung-Alt-Gruppen können Kontakte zwischen unterschiedlichen Altersgruppen und in verschiedenen Projekten sein. Unter dem soziologischen Aspekt gilt dies sowohl für die Mikro- als auch für die Makroebene (vgl. GREGER 2001: 5).

Als Initiativen gibt es Betreuungsdienste wie Leih-Omas, Lese-/Mathe-Paten oder Senioren-Experten-Services durch Rentner. Auch Erzählcafes, Erinnerungsprojekte und Spaziergänge mit Hunden können Jung und Alt verbinden sowie Erfahrungen weitergeben (ebd.: 67 f.).

Die Möglichkeit sich zu unterstützen gilt für alle menschlichen Ebenen, sowohl körperlich, emotional, sozial und mental. Auf diese Weise kann so jeder ältere Mensch noch zufriedene und ausgeglichene Tage erleben.

3.4 Der gesundheitlich eingeschränkte Senior

Es bleibt nicht aus, dass mit höherer Lebenserwartung neben physiologisch veränderten Prozessen auch typische Alterskrankheiten auftreten. Der ältere Mensch neigt durch ein herabgesetztes Immunsystem zu Lungenentzündungen und leichterer Infektanfälligkeit. COPD, Herzinsuffizienz, Altershypertonie und Arteriosklerose sind die häufigsten Herz-Kreislauferkrankungen. Bei den gastroenterologischen Alterserkrankungen sind Obstipation und Tumore am häufigsten. Am Bewegungsapparat stehen an erster Stelle Arthrosen und Osteoporosen. Aber auch Inkontinenz, Carcinome und neurologische Erkrankungen wie Apoplex und Morbus Parkinson zählen zu den geriatrischen Erkrankungen (vgl. KOCH 2008: 51 f.).

Jeder Mensch hat seine eigene Einstellung von Gesundheit und Krankheit. Die jeweiligen Einschränkungen und Behinderungen werden mehr oder weniger kompensiert, um die entsprechenden Verluste auszugleichen. Eigene Bedürfnisse und Talente verändern sich durch Erkrankungen. Das Selbstwertgefühl sinkt.

Durch den Alterungsprozess verändert sich der Körper, die betroffenen Menschen fühlen sich unsicher und ziehen sich zurück, vermeiden soziale Kontakte. Kommunikationsverlust und soziale Isolierung sind somit vorprogrammiert (vgl. OTTERSTEDT 2001: 73).

Dies kann sehr bitter für den Menschen sein, sowohl für die eigene Person als auch im sozialen Umfeld. Neue Möglichkeiten müssen gefunden werden. Der Selbstwert ist oft angekratzt, die eigene Wahrnehmung verschoben und Werte umgedeutet.

3.4.1 Allgemeine altersbedingte Einschränkungen

Auf der körperlichen Ebene lassen hauptsächlich die Kraft und die Beweglichkeit nach. Durch Hormonumstellung, Medikamente und defizitärer Ernährung kann es neben einer Sehschwäche zu Osteoporose und Frakturen kommen, die Sturz- und Stolpergefahr ist erhöht.

Auf der Sinnesebene gibt es zudem Defizite beim Schmecken, Riechen, Tasten und Fühlen. Die Hörfähigkeit nimmt ab und kann zusammen mit anderen Beeinträchtigungen zu Orientierungsproblemen führen. Der Altersdiabetes (Diabetes mellitus Typ II) kann nach Insulingabe mit unzureichender oder fehlender Mahlzeit sowie Flüssigkeitsdefizit zur Verwirrung führen.

Auf der geistigen Ebene lässt das Gedächtnis nach in Form einer Verlangsamung der Informationsverarbeitung, der Koordination und Reaktion. Eine gelegentliche Vergesslichkeit gehört zum Alter und ist noch nicht pathologisch.

Die genannten Einschränkungen beeinträchtigen die Lebensqualität, die von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt (Abb. 08).

3.4.2 Menschen mit chronischen Erkrankungen

Langzeitkranken geht es ähnlich wie Behinderten, egal ob sie zuhause oder im Heim leben. Sie fühlen sich oft ausgeschlossen, sind erheblich eingeschränkt und oft immobil. Viele schämen sich wegen ihrer Symptome und gehen nicht mehr aus dem Haus. So sind psychischer Rückzug und soziale Reduzierung mit Vereinsamung und Depression oft die Folgen. Tiere können diesen Teufelskreis durchbrechen. Michael McCulloch, einer der Nestoren der Mensch-Tier-Bewegung, der viele Informationen über Zusammenhänge von Tieren für Kranke und Behinderte untersucht hat, sagte schon 1981, dass es viele klinische Indikationen gibt, bei denen Tiere verschrieben werden sollten. Sie können eine Therapie zwar nicht ersetzen, aber ergänzen (vgl. GREIFFENHAGEN/BUCK-WERNER 2009: 149 f.).

3.4.3 Menschen mit Demenz oder gerontopsychiatrischer Erkrankung

Gerontopsychiatrische Erkrankungen sind nach dem triadischen System nach Huber exogene und endogene Psychosen sowie abnorme Varianten seelischen Wesens (HÖWLER 2007: 91). Depressionen, Verwirrtheit, Neurosen und Schizophrenien sind einige der Krankheitsbilder. Hinsichtlich der Vorgaben im Rahmen des Umfangs meiner Arbeit gehe ich nur auf die Demenz ein. Eine Übersicht der psychischen Alterskrankheiten ist im Anhang dargestellt (Abb. 09).

Die Demenz ist eine der häufigsten psychiatrischen Erkrankungen im Alter, die hinsichtlich der demografischen Entwicklung zwar zunimmt, aber nicht mitaltert. Demenz hat es auch früher schon gegeben. Der Neuropathologe und Psychiater Alois Alzheimer, geb. 1864 beschrieb als erster deutscher Arzt die Demenz (vgl. GIRUC 2011: 14).

Die Demenz beinhaltet eine Kombination verschiedener Symptome und wird in drei Stadien eingeteilt (Formen Abb.10)[3]. Die häufigste Demenzform ist die des Alzheimer Typs.

Bei der Pflegebedürftigkeit und bei einer Aufnahme ins Altenheim steht die demenzielle Erkrankung an erster Stelle (vgl. HOHMANN 2012: 11).

Um den verwirrten Menschen helfen zu können sind schon verschiedene Konzepte aus unterschiedlichen Blickwinkeln entworfen worden.

[...]


[1] http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61541/altersstruktur, Stand: 15.04.2014

[2] http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61568/lebensformen-und-haushalte, Stand 15.04.2014

[3] Demenzstadien und Symptomatik, vgl. https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/demenz-verlauf.html#headline41 am 10.04.2014

Ende der Leseprobe aus 90 Seiten

Details

Titel
Hunde in der Altenpflege. Aufbau eines tiergestützten Besuchsdienstes
Autor
Jahr
2018
Seiten
90
Katalognummer
V418847
ISBN (eBook)
9783956875038
ISBN (Buch)
9783956875052
Sprache
Deutsch
Schlagworte
tiergestützte Interaktionen, Besuchshund, Hunde, Besuchsdienst, Senioren, Demenz, Altenpflege, Therapie
Arbeit zitieren
Margrit Selle (Autor:in), 2018, Hunde in der Altenpflege. Aufbau eines tiergestützten Besuchsdienstes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418847

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