Analyse der Darstellung der grausamen Karthager und ihrer Wirkung bei Livius. Liv. 23, 5, 11-13


Hausarbeit, 2016

8 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.a Übersetzung der Textstelle 23, 5, 11–13
2.b Analyse und Interpretation

3. Schluss

4. Literturverzeichnis
4.a Editionen, Kommentare, Übersetzungen
4.b Sekundärliteratur

1. Einleitung

Ab urbe condita, das Geschichtswerk des Titus Livius, gilt als eines der zentralen historiographischen Zeugnisse aus der Antike, welches heute zumindest zu Teil erhalten ist. Trotz keinerlei Ausübung politischer Ämter des Livius, wird sein Werk der senatorischen Geschichtsschreibung zugeschrieben. Er verherrlicht die Zeit des Augustus und damit die pax Augusta nach den Bürgerkriegen.[1]

Die dritte Dekade des Werkes behandelt die Geschehnisse des zweiten punischen Krieges. Die ausgewählte Textstelle 23, 5, 11–13 lässt sich historisch wie folgt einordnen: wir befinden uns in der zweiten Hälfte bzw. am Ende des Jahres 216. Das vorangegangene Buch endet damit, dass das röm. Heer eine schwere Niederlage in der Schlacht bei Cannae verkraften muss. Dazu kommt die Rückkehr des Konsuls Gaius Terentius Varro nach Rom, der, obwohl Livius ihm die Verantwortung für die Geschehnisse bei Cannae ankreidet, dankbar begrüßt wird. Dadurch, dass Hannibal sich der für die Getreideversorgung wichtigen Gegend um Kampanien bemächtigt hat und kurz davor war die Stadt Capua unter seine Herrschaft zu bringen, hat Rom wichtige Bundesgenossen verloren.[2] Varro hat schließlich eine Gesandtschaft aus Capua empfangen, vor der er eine Rede hält, um die Bundesgenossen dazu zubringen Rom weiterhin im Kampf gegen Hannibal zu unterstützen (Liv 23, 5, 4–15).

Interessant ist es nun, die angegebene Textstelle in Bezug auf ihre Wirkung der grausamen Darstellung der Punier innerhalb der Rede Varro´s und der Atmosphäre, die sie erzeugt, zu analysieren.

2. Hauptteil

2.a Übersetzung der Textstelle 23, 5, 11­–13

Wir haben es nicht mit Samniten[3] oder Etruskern zu tun[4], so dass die Herrschaft doch wenigstens in Italien bliebe, welche uns genommen worden ist. Der punische Feind schleppt, von den äußersten Grenzen der Erde, von der Meerenge des Ozeans und den Säulen des Herkules, ein Heer[5] heran, welches nicht einmal in Afrika heimisch ist und jegliches Recht, die Grundlage eines Staates[6] und beinahe die menschliche Sprache nicht kennt[7]. Dieses, schon durch sein Wesen und Gewohnheiten grausam und wild, hat darüber hinaus der Heerführer selbst wild gemacht durch den Bau von Brücken und Dämmen aus einem Haufen aus menschlichen Leichen[8] und, was mich verdrießt auszusprechen, er hat ihnen beigebracht Menschenfleisch zu verspeisen.

2.b Analyse und Interpretation

Livius lässt Varro eine direkte Rede halten. Zunächst einmal geht er darauf ein, dass es sich bei den Karthagern keinesfalls um ein italisches Volk handelt und verweist gleichzeitig auf vergangene Kriege gegen die Etrusker und Samniten um die Vorherrschaft in Italien[9]. Er räumt ein, dass bei diesen Kriegen im Falle einer Niederlage die Herrschaft bei italischen Völkern läge. Sein Wunsch ist also, dass die Herrschaft in Italien auch bei einem italischen Volk sein soll und somit nicht bei den Karthagern aus Afrika (Liv 23, 5, 11).

Anschließend geht Varro auf die ethinsche Herkunft der Karthager genauer ein. Durch ne Africae quidem indigenam…militem bringt er zu Ausdruck, das karthagische Heer wäre auch in Afrika, obwohl dort Karthago liegt, nicht einheimisch. Im Archetypos des Textes steht indigena.[10] In diesem Fall bezieht es sich auf das Subjekt des Satzes poenus hostis, wodurch darauf angespielt wird, dass die Karthager von den Phöniziern abstammen[11], die wahrscheinlich ursprünglich von der Levanteküste am östlichen Mittelmeer nach Afrika kamen[12]. Allerdings bezieht es sich hier auf das Heer der Karthager (militem), nicht auf die Karthager selbst. Mit ab ultimis terrarum oris, freto Oceani [13] Herculisque columnis [14] wird gesagt, dass die Soldaten aus dem entlegensten westlichen Teil der für die Römer bekannten Welt kamen und somit Barbaren für sie darstellten.[15] Darauf verweist auch die weitere Beschreibung des Heeres. Für Varro ist dieses expertem omnis iuris et condicionis et linguae prope humanae, womit die barbarische Darstellung noch gesteigert wird.[16] Das bereits erwähnte Subjekt dieses Satzes lässt vermuten, dass das gesamte punische bzw. karthagische Volk gemeint sein könnte, welches das barbarische Heer anführt. Allerdings handelt es sich hier um eine Personifizierung des Hannibal.[17] Auf Grund der antiken Quellen zum zweiten punischen Krieg wird davon ausgegangen, dass eine Charakterisierung der Karthager vor allem durch eine Beschreibung des Hannibal vorgenommen wurde.[18] Dazu passt die Übersetzung des Prädikats trahit, wo eine negative Konnotation vorherrscht.[19] Es wird der Eindruck vermittelt, dass Hannibal hier klar die Führung eines Heeres voller Barbaren hat. Dies könnte als eine Beleidigung durch Varro in Bezug auf den Inhalt des darauffolgenden Satzes im lat. Text bzw. negative Darstellung Hannibal´s gesehen werden.

In eben diesem Satz werden die Karthager mitsamt Hannibal als sehr grausam dargestellt und dadurch weiter von Varro beleidigt. Hannibal wird von ihm dafür verantwortlich gemacht, da er wieder als klarer dux charakterisiert wird, dass das karthagische Heer Bücken aus Leichen baut (pontibus ac molibus ex humanorum corporum strue) und Menschenfleisch isst (vesci corporibus humanis), wodurch die generelle barbarische Wildheit der Karthager nochmals in ihrem Geist bzw. Verhaltsweisen gesteigert wird (insuper…efferavit)[20]. Außerdem wird Hannibal nicht nur verantwortlich gemacht, sondern er soll es dem Heer auch beigebracht haben auf eine ermutigende oder begeisternde Art und Weise.[21] Dadurch wird auch impliziert, dass Hannibal selbst auch Kannibale gewesen sein könnte. Allerdings muss man hier bedenken, dass in Livius´ dritter Dekade keine andere derartig grausame Beschreibung der Karthager zu finden ist, weshalb es eine Übertreibung Varro´s zu sein scheint.[22] Da Livius auch bei pontibus ac molibus den Plural statt Singular verwendet hat, kann man von einer Übertreibung als rhetorischem Mittel ausgehen.[23] Dazu kommt der Hass, den Varro auf Hannibal und sein Heer gehabt haben muss wegen seiner Niederlage bei Cannae, weshalb man seine Äußerung sehr kritisch betrachten muss.[24] Des Weiteren findet sich bei dem antiken Schriftsteller Polybios, eine bekannte Quelle des Livius, eine Äußerung, wodurch Hannibal der Anstiftung zum Kannibalismus entlastet wird. Hannibal Monomachus, ein Freund in Hannibal´s Heer, soll ihm, während des Marschs nach Italien, dazu geraten haben, auf Grund einer möglichen Proviantknappheit.[25] Aber der Heerführer soll dies klar abgelehnt haben aus Angst seine Soldaten könnten sich auch gegenseitig verspeisen wollen.[26]

Wie bereits erwähnt gibt es keine weiteren Anmerkungen bei Livius zum vermeintlichen Kannibalismus der Karthager, allerdings finden sich einige Stellen in denen immer wieder Hannibal als sehr grausam dargestellt wird. Als Beispiel soll hier Liv. 24, 45, 14 dienen. Es wird dort geschildert, wie Fabius Maximus nach der Schlacht von Cannae die Stadt Arpi belagerte, in welcher Hannibal ein Lager errichtet hatte. Ein Bürger aus Arpi, Dasius Altinius, kam zu Fabius mit der Absicht die Stadt und somit das Lager Hannibal´s gegen eine Belohnung zu verraten. Allerdings ahnte Hannibal wegen seines Fehlens einen Verrat und ließ daraufhin seine Frau und Kinder bei lebendigem Leibe verbrennen. Dem gegenüber steht die häufige positive Darstellung Hannibal´s. Als Beispiel für dessen humanitas dienen die Erwähnungen Livius´, dass er nach Siegen über das römische Heer gefallene Konsuln bestatten ließ. Zum einen den Konsul neben Varro, Aemilius Paullus, aus dem Jahre 216 v. Chr. und zum anderen M. Claudius Marcellus, der Konsul des Jahres 208 v. Chr. war.[27] Diese sehr zweiseitige Darstellung Hannibal´s und somit auch der Karthager zeigen wieder deutlich wie kritisch die beschriebene Grausamkeit zu bewerten ist.

Dies lässt sich auch die analysierte Texstelle übertragen. Varro schildert in seiner Rede zunächst die missliche Lage Rom´s und wie sehr sie unter der Niederlage bei Cannae gelitten haben. Er gibt ganz offen zu, dass das römische Heer stark abhängig ist von der Hilfe der Kampaner. Außerdem erinnert er die Gesandtschaft an vergangene Ereignisse, als die Römer den Kampanern sehr geholfen haben (Liv. 23, 5, 5–11). Erst danach beginnt er Hannibal und seine Karthager auf Grund ihrer Herkunft und grausamen Verhaltensweisen zu beleidigen. So versucht Varro eine negative Atmosphäre zu erzeugen, um die Kampaner von den Karthagern abzuschrecken und auf römischer Seite zu halten. Allerdings wirkt er so, wegen der extremen Darstellung der Grausamkeit, welche ja, wie bereits erwähnt, völlig übertrieben war, eher mutlos und verzeweifelt. Schließlich hat es auch die Folge, dass seine Intention seiner Rede verfehlt wird und Capua auf Hannibal übergeht.[28] Livius scheint Varro mit seiner Rede zu missbrauchen. Einerseits um Hannibal und sein Heer in ein schlechtes Licht zu rücken auch wenn die Anschuldigungen hier wahrscheinlich übertrieben und erfunden sind. Dennoch wird es eine bestimmte Wirkung auf den römischen Leser gehabt haben, welche das Bild der Karthager verschlechtert haben müsste. Andererseits um Varro selbst, allerdings indirekt, neagtiv darzustellen, da er die Schlacht bei Cannae verloren hat und Livius anscheinend keine positive Meinung zu ihm gehabt hat.[29] Eine Negative Darstellung von röm. Heerführern findet man bei Livius z.B. auch nach der Niederlage am Trasimenischen See. Er macht den Konsul Flaminus auf Grund ungesühnter Prodigien verantwortlich dafür (Liv. 22, 3–5).

[...]


[1] Vgl. von Albrecht (2012) 703.

[2] Vgl. Burck (1950) 102–3.

[3] Vgl. Luterbacher (1906) 10. z. St.

[4] Vgl. Luterbacher (1906) 10. z. St.

[5] Vgl. OLD 1143. s.v. miles.

[6] Vgl. Weissenborn und Müller (1962) 12. z. St.

[7] Vgl. OLD 694. s.v. expers.

[8] Vgl. OLD 1767. s.v. strues

[9] Vgl. Vanotti (2001) 14–16 s.v. Samnites, Samnium

[10] Vgl. Levene (2010) 221.

[11] Vgl. Luterbacher (1906) 10.

[12] Vgl. Niemeyer (2000) 911–914 und vgl. Röllig (2000) 916. s.v. Phönizier, Punier

[13] Vgl. ThLL IX 2, 408, 53­­–57 s.v. oceanus: hier ist fretum gaditanum gemeint, die Straße von Gibraltar

[14] Vgl. Lasserre (1965) 2686 s.v. Säulen des Herakles

[15] Vgl. Levene (2010) 221.

[16] Vgl. Luterbacher (1906) 10.

[17] Vgl. Weissenborn und Müller (1963) 12.

[18] Vgl. Waldherr (2000) 197.

[19] Vgl. Luterbacher (1906) 10.

[20] Vgl. ThLL V 2, 137, 65–71 s.v. effero.

[21] Vgl. ThLL V 1, 1747, 3–11 s.v. doceo

[22] Vgl. Levene (2010) 160.

[23] Vgl. Luterbacher (1906) 10.: bei Val. Max. 9, 2 ext ist eine Parallele zu finden, die auf eine Brücke aus Leichen über dem kleinen Fluss Vergellus verweist, die Hannibal mit seinem Heer nach der Schlacht bei Cannae gebaut haben soll.

[24] Vgl. Burck (1943) 320.

[25] Vgl. Luterbacher (1906) 10.

[26] Vgl. Levene (2010) 161.

[27] Vgl. Burck (1943) 321 und vgl. Seibert (1993) 532.

[28] Vgl. Levene (2010) 172.

[29] Vgl. Lancel (1998) 191.

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Analyse der Darstellung der grausamen Karthager und ihrer Wirkung bei Livius. Liv. 23, 5, 11-13
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Note
3,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
8
Katalognummer
V419280
ISBN (eBook)
9783668680487
Dateigröße
512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
analyse, darstellung, karthager, wirkung, livius
Arbeit zitieren
Martin Schrömges (Autor:in), 2016, Analyse der Darstellung der grausamen Karthager und ihrer Wirkung bei Livius. Liv. 23, 5, 11-13, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/419280

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