Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abstract
1 Einleitung
1.1 Themenauswahl und Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
1.3 Forschungsstand und Geschichte
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Definition und Funktionsweise zentraler Begriffe
2.1.1 Selbstdarstellung
2.1.2 Soziale Erwünschtheit
2.1.3 Systematische Messfehler
2.1.4 Gütekriterien
2.1.5 Möglichkeiten zur Verringerung von sozial erwünschten Antworten
2.2 Beschreibung des diagnostischen Szenarios
2.3 Ableitung der diagnostischen Fragestellung und Zielsetzung
3 Diagnostisches Verfahren
3.1 Vorstellung des diagnostischen Verfahrens
3.2 Durchführung der Diagnostik
4 Ergebnisse
4.1 Mögliche Ableitungen und Interpretationen aus den Ergebnissen
4.2 Limitationen der Diagnostik
5 Diskussion
Literaturverzeichnis
Anhang VI
Bewerbungsinterview mit Person A
Bewerbungsinterview mit Person B
Abstract
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema „soziale Erwünschtheit“, genauer mit der Frage, welche Rolle diese in Bewerbungssituationen spielt. Wichtig ist dabei vorallem auch das Konstrukt der Selbstwirksamkeit, welches als Oberbegriff gesehen werden kann. Soziale Erwünschtheit ist eine antwortverzerrende Verhaltensweise, die in diagnostischen Verfahren zu einem Messfehler und daher nur zu geringer Validität in den Ergebnissen führt. Dabei stellt sie keine Verhaltensweise in Ausnahmesituationen dar, sondern ist ein Produkt unsers täglichen sozialen Lebens. Menschen wägen bei wichtigen Entscheidungen für den künftigen Lebensweg die Kosten und Nutzen gegeneinander ab, sofern für die betroffene Person viel auf dem Spiel steht. Trotz jahrzehntelanger Forschung ist es bis heute nicht gelungen, das Konstrukt der sozialen Erwünschtheit messbar zu machen, um die Validität von Testverfahren zu erhöhen. Für Personalauswahlentscheidungen stellt sich die Frage, ob sozial erwünschtes Verhalten Auswirkungen auf die Personalentscheidungen hat und wenn ja, in welcher Weise. Um dieser Fragestellung nachzugehen, wurden in der vorliegenden Arbeit ein diagnostisches Szenario zweier Bewerbungsinterviews dargestellt und mögliche Limitationen der Diagnostik aufgegriffen. Vergleichend hat sich gezeigt, dass ein gewisses Maß an sozial erwünschtem Verhalten von Personen verlangt wird. Sofern ebendies jedoch überhand gewinnt, wirkt sich das Verhalten negativ auf die Entscheidung aus. Mögliche Vorund Nachteile von sozial erwünschtem Verhalten werden am Ende der Seminararbeit diskutiert.
1 Einleitung
1.1 Themenauswahl und Zielsetzung
Diese Hausarbeit befasst sich mit dem Thema „soziale Erwünschtheit“, genauer mit der Frage, inwieweit sozial erwünschte Antworten in Bewerbungssituationen eine Rolle spielen und ob es möglich ist, solche Tendenzen zu minimieren. Des Weiteren gibt die Seminararbeit einen Einblick darüber, was genau unter sozialer Erwünschtheit verstanden wird, welche Rolle die Selbstdarstellung dabei spielt und welche Arten von sozialer Erwünschtheit man unterscheidet. Das sozial erwünschte Verhalten ist bereits seit vielen Jahren Gegenstand der Forschung, was sich an den zahlreich existierenden Studien und Veröffentlichungen, wie beispielsweise von Edwards (1957) oder Mummendey (1981) zeigt. Das Thema der sozialen Erwünschtheit spielt in der Berufswelt, meist in Bewerbungssituationen, eine große Rolle und ist daher für viele Menschen relevant. Ziel der Seminararbeit ist es, herauszuarbeiten, ob oder in wie weit sich sozial erwünschte Antworttendenzen auf die Einstellungsentscheidung für oder gegen einen Bewerber auswirken und ob sie tatsächlich eine so große Rolle spielen, wie es in der Literatur den Anschein macht.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier weitere Oberpunkte. Im Folgenden wird der aktuelle Forschungsstand zu dem Thema dargestellt. Es schließen sich Definitionen zu den zentralen Begriffen wie beispielsweise Selbstdarstellung und soziale Erwünschtheit an, die für das Verständnis der Thematik von Bedeutung sind. Die Beschreibung und Konstruktion eines diagnostischen Szenarios sowie die sich daraus ableitenden Fragestellungen für die Anwendung in der beruflichen Praxis werden ebenfalls im zweiten Kapitel erläutert. Im dritten Kapitel erfolgt die Darstellung des für die Thematik passenden diagnostischen Verfahrens sowie dessen Durchführung. Die sich daraus ableitenden Ergebnisse, Interpretationen sowie eventuelle Limitationen der Diagnostik werden im viertel Kapitel dargelegt. Eine kritische Auseinandersetzung mit der ausgewählten Diagnostik findet im fünften Kapitel statt und beinhaltet eine Reflexion des diagnostischen Prozesses aus Sicht des Diagnostizierenden.
1.3 Forschungsstand und Geschichte
Das Thema der sozialen Erwünschtheit, im englischen social desirability, ist seit nunmehr sechzig Jahren Teil vieler sozialwissenschaftlicher Forschungen. Frühe Untersuchungen zu dieser Thematik wurden unter anderem durch Edwards im Jahr 1957 iniziiert. Bis heute ist es jedoch noch nicht gelungen, das Konstrukt vollumfänglich zu operationalisieren, erfassen oder zu kontrollieren. Es existieren zahlreiche verschiedene Begrifflichkeiten, Definitionen und Lösungsansätze, die ein einheitliches Verständnis des Konstruktes der sozialen Erwünschtheit erschweren. Um das Konstrukt der sozialen Erwünschtheit erfassen zu können, wurden in der Vergangenheit unter anderem sogenannte Kontrollskalen entwickelt (Jonkisz et al. 2012). Mit Hilfe dieser Kontrolloder auch Lügenskalen soll bei dem Probanden die Neigung, sozial erwünscht zu antworten, messbar gemacht werden. Ein Beispiel für eine solche Skala ist unter anderem der Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI), der bereits im Jahr 1943 durch Hathaway und McKinley konstruiert wurde und drei sogenannte Lügenskalen beinhaltet (Jonkisz et al. 2012). Mittlerweile wurde er in 115 Sprachen übersetzt und wird in 46 Ländern angewandt (Butcher 2004). Allein diese Tatsache macht deutlich, dass das Thema der Erfassung und Kontrolle von sozialer Erwünschtheit weit verbreitet und von großer Bedeutung ist.
Ein weiteres Beispiel für den Versuch soziale Erwünschtheit zu erfassen, ist das Freiburger Persönlichkeitsinventar, wobei die Skala hier als Offenheitsskala betitelt wird (Jonkisz et al. 2012).
Es zeigt sich deutlich an den vielen verschiedenen Aussagen, Meinungen und Forschungen, dass bis heute kein einheitliches Bild bezüglich der Erfassung und des Störpotentials von sozialer Erwünschtheit besteht. Ein Beleg dafür ist die Diskussion zwischen Bernd Marcus und Uwe Kanning aus den Jahren 2003 und 2004. Marcus (2004) ist der Meinung, dass die soziale Erwünschtheit nicht störend sei sondern eine Bereicherung sein könne, wohingegen Kanning ebendiese mittels Lügenskalen eindämmen möchte, weil er sozial erwünschte Antworttendenzen für sehr verfälschend in Testergebnissen hält (Kanning 2003). Diese Diskussion steht sinnbildlich für den momentanen Forschungsstand und die konträren Ansichten auf diesem Gebiet.
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Definition und Funktionsweise zentraler Begriffe
2.1.1 Selbstdarstellung
Um den Begriff der sozialen Erwünschtheit einordnen zu können ist es wichtig, sich den Begriff der Selbstdarstellung näher vor Augen zu führen. Selbstdarstellung versteht sich als der Oberbegriff, soziale Erwünschtheit ist nach Bortz und Döring (2007) eine Sonderform der Selbstdarstellung.
„Die zentrale These der Selbstdarstellungstheorie lautet in einfachster Form: Individuen kontrollieren in sozialen Interaktionen den Eindruck, den sie auf andere Personen machen“ (Mummendey 1999, S. 1).
Unter Selbstdarstellung versteht man alle Bemühungen Bilder der eigenen Person zu vermitteln, sowohl durch Sprache als auch nonverbale Verhaltensweisen, Formen des Auftretens, der Einstellung, emotionale Prozesse oder aber des äußeren Erscheinungsbildes. Wir versuchen den Eindruck, den wir auf andere Personen machen, zu kontrollieren und zu beeinflussen (Laux & Renner 2005). Grundsätzlich tritt Selbstdarstellung in sozialen Situationen immer auf (Bortz & Döring 2007), es spielt jedoch eine Rolle, wer unser Gegenüber ist. Dies können zum einen reale Personen, wie Freunde, Nachbarn oder aber der Vorgesetzte sein. Unterschiedliche Ausprägungen von Selbstdarstellung werden beispielsweise in der Interaktion mit dem Vorgesetzten deutlich. Eine positive Darstellung der eigenen Person erscheint in der Regel ebendann wichtiger als in einem Gespräch mit einem engen Familienmitglied. Zum anderen ist das Gegenüber in Zeiten von Social Media und dem Internet oft aber eine unbekannte Person. Menschen beschäftigen sich mit dem Gedanken, bei wem eine Information ankommt und wie derjenige diese wahrnimmt und verhalten sich daher unterschiedlich. Festgestellt wurde außerdem, dass es Geschlechtsunterschiede in der Ausprägung von Selbstdarstellung gibt. So neigen Frauen zu anderen Arten von Selbstdarstellung als Männer, beispielsweise demonstrieren sie öfter sozial-emotionale Fähigkeiten und stellen sich als einfältiger dar, wohingegen Männer sich als Selbstbewusst präsentieren (Mummendey 1999).
Nach Tedeschi et al. (1985) besteht Selbstdarstellung aus zwei Komponenten, zum Einen aus assertiven Strategien und zum Anderen aus defensiven Strategien. Bei einer assertiven Strategie geht es um das Erzielen vorteilhafter Eindrücke beim Gegenüber, beispielsweise sich als Vorbild zu präsentieren und sich bei anderen Personen beliebt zu machen. Defensive Strategien hingegen beziehen sich darauf, Ausreden zu suchen und sich zu rechtfertigen. Welche Strategie eine Person wählt und umsetzt, hängt von den jeweiligen persönlichen und sachlichen Umständen ab (Mummendey & Bolten 1993).
2.1.2 Soziale Erwünschtheit
Wie bereits angesprochen, versteht sich soziale Erwünschtheit nach Bortz & Döring (2007) als eine Sonderform der Selbstdarstellung. Dieses Konstrukt beschreibt eine Antworttendenz bei der Beantwortung von Persönlichkeitsfragebögen, in Interviews oder anderen Selbsteinschätzungsverfahren. Die befragte Person tendiert dazu, nicht wahrheitsgemäß zu antworten, sondern gibt die Antwort von der sie denkt, dass sie sozial erwünscht ist. Der Grund für diese Verhaltensweise liegt darin, dass eine Person, die sich sozial erwünscht verhält, sich in einem günstigeren Licht präsentieren möchte und so zu einem geeigneteren und ansprechenderem Testergebniss gelangen möchte, als die Mitstreiter (Oppel 2006). Nach Esser (1991) unterscheidet man zwischen einer kulturellen sozialen Erwünschtheit, die eine Antwort nach gesellschaftlichen Normen und Rollenerwartungen zur Folge hat und zwischen dem Anreiz, gegenüber dem Interviewer ein möglichst gutes Bild abzugeben, der situationalen sozialen Erwünschtheit.
Soziale Erwünschtheit besteht außerdem aus zwei Aspekten. Auf der einen Seite die Selbsttäuschung, im englischen self-deceptive enhancement, die eher unterbewusst in der Person abläuft. Dabei erfolgt eine zu vorteilhafte Selbsteinschätzung, die man selbst allerdings als ehrlich ansieht. Bringe man Personen dazu, sich selbst als positiv darzustellen, so entwickeln sie anschließend auch ein positiveres Selbstbild (Mummendey 1999).
Der zweite Aspekt ist die Fremdtäuschung, auch impression management genannt. Bei dieser Komponente der sozialen Erwünschtheit wird der Eindruck, den man auf andere Personen macht, bewusst gesteuert, kontrolliert und zum Positiven manipuliert.
Dabei stellt dies kein Verhalten in Ausnahmesituationen dar, sondern ist ein wesentliches Element unseres Verhaltens im alltäglichen sozialen Kontext (Jonkisz et al. 2012).
Ursachen für sozial erwünschtes Antwortverhalten liegen unter anderem darin begründet, dass Testergebnisse in der Regel prägnante Auswirkungen auf den Verlauf der Zukunft haben, beispielsweise wenn es um die Vergabe einer Ausbildungsstelle, einen Jobwechsel oder aber der Auswahl der geeigneten Therapieform geht (Jonkisz et al. 2012). Wenn ein Proband glaubt eine geringere Qualifikation als die Mitstreiter zu haben, wird er sich eher sozial erwünscht verhalten, um seine Auswahlchancen zu erhöhen, als wenn seine Qualifikation höher als die der Konkurrenz wäre. Akteure handeln demnach auf Basis von Kosten-Nutzen-Abwägungen. Nach Skarbek-Kozietulska et al. (2012) lässt sich „die allgemeine Hypothese formulieren, dass diejenigen Befragten seltener die Wahrheit sagen, die „viel zu verlieren“ haben (Verlust-Hypothese)“ (S. 8).
Sowohl die Selbstdarstellung als auch die soziale Erwünschtheit stellen als eigenständiger Faktor Fehlerquellen in Testverfahren dar, vorallem bei der Erhebung von quantitativen Daten (Oppel 2006). Daher wird im Folgenden auf systematische Messfehler eingegangen.
2.1.3 Systematische Messfehler
Im Gegensatz zu zufälligen Messfehlern gehen die systematischen Messfehler vom Erhebungsinstrument selbst zum Beispiel durch ein Messinstrument, durch den Interviewer oder durch die zu erforschende Person aus. Sie zeigen dabei eine gewisse gleichbleibende Tendenz im gesamten Testverlauf. Zeigt eine Person sozial erwünschte Antworttendenzen, wird sich dieses Verhalten durch das gesamte Gespräch ziehen und nicht nur eine Frage betreffen. Zufällige Fehler hingegen sind immer von der jeweiligen Untersuchungssituation abhängig und treten spontan auf, beispielsweise eine fehlerhafte Dateneingabe. Weitere Beispiele für das Auftreten von systematischen Messfehlern sind neben der sozialen Erwünschtheit auch der Halooder der Versuchsleitereffekt, die in dieser Arbeit aber keine Beachtung finden.
2.1.4 Gütekriterien
Testgütekriterien sind Kriterien, anhand derer festgestellt werden kann, wie gut ein psychologischer Test beziehungsweise ein diagnostisches Verfahren tatsächlich ist. Neben der Objektivität, also der Unabhägigkeit der Testergebnisse von äußeren Rahmenbedingungen und der Reliabilität, der Zuverlässigkeit von Messergebnissen, spielt bei dem Konstrukt der sozialen Erwünschtheit vorallem die Validität eine große Rolle. Daher wird in der vorligenden Arbeit lediglich ein Augenmerk auf die Validität gelegt.
Die Validität ist ein Gütekriterium das angibt, in welchem Maße ein Test tatsächlich das misst, was gemessen werden soll. „Bes. wichtig ist die Korrelation der Testdaten mit anderen Indikatoren des Geltungsbereichs (z.B. Vorgesetztenurteil) oder mit Ereignissen, die man prognostizieren möchte, wie etwa Ausbildungserfolg, Berufserfolg etc.“ (Maier, o.D.). Kriterienbezogene Validität liegt dann vor, wenn das Testergebnis mit einem anderen definierten Kriterium übereinstimmt beziehungsweise korreliert. Bei der prognostischen Validität, auch prädiktive Validität genannt, erfolgt die Messung der Übereinstimmung des Kriteriums und des Testergebnisses erst zu einem späteren Zeitpunkt. So kann zu einem Berufseignungstest der tatsächliche berufliche Erfolg erst später festgestellt werden (Rey 2017). Durch sozial erwünschtes Antwortverhalten im Test wird die eigentliche berufliche Eignung für eine Stelle nur verzerrt gemessen, da nicht wahrheitsgemäß geantwortet wird.
2.1.5 Möglichkeiten zur Verringerung von sozial erwünschten Antworten
Im Folgenden werden Möglichkeiten aufgezeigt, die die Validität von Testverfahren im Bezug auf soziale Erwünschtheit steigern könnten. Mittlerweile gibt es ein enorm breites Feld von Techniken, die mit dem Anspruch antreten, Antwortbarrieren bei heiklen Fragen zu reduzieren, beispielsweise die Technik des vertraulichen Kuverts. Allerdings werde das Potential dieser Techniken oft überschätzt (Skarbek-Kozietulska et al. 2012).
Zum einen fällt auf, dass bei anonymisierten Testverfahren, also beispielsweise beim ausfüllen von Fragebögen, weniger sozial erwünscht geantwortet wird. Die Ursache dafür könnte sein, dass sich der Proband bei der Beantwortung unbeobachtet fühlt, also die subjektive Anonymität höher ist. Bei einem persönlichen Gespräch oder einer Gruppendiskussion hingegen ist der Proband nicht alleine. So hat er das Gefühl, dass die anderen Personen seine Antworten bewerten und verhält sich meist der Norm und der sozialen Meinung entsprechend.
Allerdings lässt sich eine Anonymisierung nicht bei allen Testverfahren durchführen, so vorallem nicht bei persönlichen Interwievs. Zur Verringerung des Effekts bei wissenschaftlichen Studien könnte unter anderem auch die Aufklärung über den Untersuchungsgegenstand hilfreich sein (Jonkisz et al. 2012) oder beispielsweise eine Zeitlimitation. Diese könnte verhindern, dass Personen ausreichend Zeit haben, um über die sozial erwünschteste Antwortmöglichkeit nachzudenken und stattdessen möglichst spontan antworten.
Eine weitere Möglichkeit, um das besagte Verhalten einzudämmen, ist die Kontrolle durch Itemkonstruktion beziehungsweise -selektion. Wenn mehrere vergleichbare Items zur Wahl stehen, sollte dieses mit der geringeren sozialen Erwünschtheit gewählt werden. Beispielsweise sollte anstatt „Ich halte mich für einen wenig kontaktfreudigen Menschen“ lieber „Ich schließe nicht leicht Bekanntschaften“ gewählt werden (Sedlmeier 2008). Die Anwendung von Kontrollund Lügenskalen ist recht weit verbreitet, wie bereits in Kapitel 1.3 beschrieben. Ein Beispielitem aus einer Kontrollskala wäre „Ich lüge nie“. Allerdings ist die Verwendung dieser Skalen sehr umstritten, da sie die Validität des Testverfahrens nicht nachweislich steigern. Nach Mummendey & Eifler (1993) seien diese veraltet, da sie Reaktionstendenzen nicht differenziert genug angehen würden. Mummendey stellt fest, dass die Kontrollskalen vermehrt Items enthalten, die der Erfassung von Persönlichkeitsmerkmalen dienen, etwa Neurotizismus oder Extraversion, angelehnt an die Big Five.
Trotz mehr als sechzig Jahren Forschung auf diesem Themengebiet ist es bisher jedoch nicht gelungen ein Verfahren zu entwickeln, welches sozial erwünschtes Verhalten tatsächlich vollumfänglich misst oder eindämmt, um die Validität von Testverfahren zu erhöhen. Gerade aufgrund der teilweise sehr veralteten Sichtweisen ist anzumerken, das eine Konstruktion möglicher neuer Skalen angebracht scheint. Was für eine Personengruppe als mehr oder weniger sozial erwünscht angesehen wird, kann sich im Laufe der Zeit stark verändern (Mummendey & Eifler 1993). Ein Beispiel dafür ist das Tragen von Tätowierungen. Waren diese früher verpönt, gilt ein Tattoo heute schon fast zum guten Ton und wird in vielen beruflichen Bereichen akzepziert.
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