Wie Eltern die Entwicklung ihres Kindes im Vorschulalter und in der Schuleingangsphase unterstützen können


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2013

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Wahrnehmung und Bewegung
2.1 Das Gehirn
2.2 Die Wahrnehmung
2.2.1 Die Bedeutung der Wahrnehmung für schulisches Lernen
2.2.2 Der Prozess der Wahrnehmung
2.2.3 Sinnessysteme
2.3 Motorik
2.3.1 Allgemeines
2.3.2 Asymmetrisch-Tonischer-Nackenreflex (ATNR)
2.3.3 Symmetrisch-Tonischer-Nackenreflex (STNR)

3 Vorläuferfertigkeiten
3.1 Sprache
3.1.1 Phonologische Bewusstheit
3.1.2 Logografische Erkennung
3.2 Vorläuferfertigkeiten beim Rechnen
3.2.1 Simultanerfassung von Anzahlen
3.2.2 Entwicklung der Zahlwortreihe
3.2.3 Entwicklung der Kardinalität
3.2.4 Entwicklung vorschulischer Rechenstrategien

4 Kulturfertigkeiten
4.1 Schreiben
4.1.1 Lautgetreues Schreiben
4.1.2 Wie können Sie Ihr Kind in dieser Phase unterstützen?
4.1.3 Ist es richtig, zu schreiben, was man hört?
4.2 Rechnen
4.2.1 Warum ist zählendes Rechnen zulässig?
4.2.2 Warum ist es beim Rechnen wichtig, dass die Kindern Richtungen kennen?

5 Abschließende Gedanken

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Einschulung Ihres Kindes ist ein großer Schritt für das Kind, aber auch für die ganze Familie. Das Familienleben wird sich ändern. Dieser Schritt ist sicherlich mit großer Aufregung verbunden und bei einigen Kindern auch mit einem unguten Gefühl. Das Neue ist so ungewiss: Wird die Lehrerin nett sein? Werde ich Freunde finden? Werde ich auch gut in der Schule sein? Das sind Fragen, die sich die Kinder stellen. Auch Sie als Mutter oder Vater hoffen, dass die Schullaufbahn Ihres Kind gut verläuft und stehen vor der Ungewissheit. Wie kann ich mein Kind unterstützen, damit es in der Schule gut mitkommt? Ist mein Kind wirklich fit für die Schule? Darf mein Kind bei den Hausaufgaben Fehler machen? Darf es mit den Fingern rechnen? Wie kann ich mein Kind beim Lernen unterstützen? Das sind nur Beispiele für Fragen, die Ihnen vielleicht durch den Kopf gehen.

Ich bin heute hier, um mit Ihnen über mögliche Antworten auf diese Fragen nachzudenken. Ich werde Ihnen zunächst einen kurzen Überblick zur kindlichen Entwicklung geben. Was sind die Voraussetzungen für einen guten Schulstart? Wie können Sie Ihr Kind beim „Lernen lernen“ unterstützen?

Die Entwicklung Ihres Kindes ist ein Prozess. Dabei werden bestimmte Entwicklungsstufen erreicht und es ist wichtig, dass keine Stufe übersprungen wird. Stellen Sie sich einen Baum beim Wachsen vor: Beim Stamm entsteht jedes Jahr ein neuer Ring. So wird der Baum kräftig und stabil.Ähnlich ist es auch mit der Entwicklung Ihres Kindes. Wir werden sehen, dass auch diese in Phasen verläuft, wobei jede Phase wichtig ist. In jeder Phase sind bestimmte Dinge „dran“, die dem Kind helfen, sich zu entwickeln.

Wir werden sehen, dass es auch beim Erlernen von Kulturfertigkeiten wie dem Lesen, dem Schreiben und dem Rechnen Entwicklungsphasen gibt. Jede Phase ist wichtig, in jeder Phase braucht Ihr Kind genügend Zeit, um sie vollständig zu durchlaufen. Das ist wie bei einem Weg, den wir gehen wollen, wenn wir eine Strecke zurücklegen wollen. Wir setzen Schritt vor Schritt und gehen den ganzen Weg.

2 Wahrnehmung und Bewegung

2.1 Das Gehirn

Die Grundlage für Lernen und Verhalten ist Bewegung und Wahrnehmung. Um das zu verstehen, werde ich kurz auf die Funktionsweise des Gehirns eingehen. Unser Gehirn ist ein komplexes System, das dauernd unter Schwachstrom steht und leistungsfähiger, aber auch viel komplizierter als ein Computer ist. Das Gehirn lässt sich in drei Abschnitte unterteilen:

1. Reptiliengehirn (Hirnstamm und Kleinhirn)
2. Zwischenhirn
3. Großhirnrinde

Das Kleinhirn ist vor allem für Bewegung zuständig, und somit auch für das Sprechen. Im Reptiliengehirn entstehen Instinkte, die vom Zwischenhirn gemäßigt werden. Das Zwischenhirn ist sozusagen der „Chef“ über das Reptiliengehirn. Im Zwischengehirn entstehen unsere Emotionen, dort werden Erinnerungen abgelegt und wieder aufgerufen. Das Großhirn bildet den größten Teil des Gehirns. Die Großhirnrinde ist gefaltet und enthält auf jedem Kubikmillimeter 40.000 Nervenzellen, die durch fünf Kilometer lange Nervenbahnen miteinander verbunden sind. Die Entwicklung der Großhirnrinde beginnt im Mutterleib und wird ein Leben lang fortgesetzt. Bis zu 1.000 verschiedene Signale können in der Sekunde dort ankommen. Die Großhirnrinde besteht aus zwei Hälften, die linke und die rechte Hemisphäre. Die Hemisphären betätigen sich unterschiedlich. Die linke Hemisphäre arbeitet vor allem sprachlich, logisch und analytisch, während die rechte Hemisphäre für ganzheitliches Denken, Gefühle, Intuition und räumliches Denken zuständig ist. Effektives Denken, Lernen und Tun kann in dem Maße stattfinden, je öfter und besser beide Hirnhälften aktiviert werden (vgl. Beigel 2011, S. 19ff.).

Die Zusammenarbeit beider Hirnhälften wird durch die Krabbelphase des Kindes unterstützt. Während des Krabbelns benutzt das Kind fast gleichzeitig das linke Bein und den rechten Arm, das rechte Bein und den linken Arm. Dieses gleichzeitige Benutzen aktiviert die die beiden Gehirnhälften zur Zusammenarbeit (vgl. Beigel 2011, S. 27).

Viele Kinder, bei denen vor allem die linke Gehirnhälfte arbeitet, fallen im Lesen dadurch auf, dass sie lange Zeit nur einzelne Buchstaben lesen, jedoch die Synthese, also das Zusammenziehen der Buchstaben, fällt ihnen schwer. Sie lesen oft mit monotoner Stimme. Liest ein Kind vorwiegend unter Benutzung der rechten Hemisphäre, ist es schnell, jedoch auch hastig und überliest zum Beispiel Endungen. Es fragt auch meistens nicht nach, wenn es etwas nicht verstanden hat. Flüssiges, gut betontes Lesen zeigen Kinder, bei denen die Gehirnhälften gut zusammenarbeiten.

Auch auf die Rechenfertigkeiten hat die einseitige Nutzung der Gehirnhälften Einfluss. Kinder, die vorwiegend rechtshemisphärisch „unterwegs“ sind, erkennen zwar die Rechensymbole, wissen aber oft deren Bedeutung nicht. Sie verstehen den mathematischen Zusammenhang nicht. Kinder, deren linke Gehirnhälfte mehr arbeitet, haben Schwierigkeiten mit Textaufgaben, während sie die Bedeutung der Zahlen und Symbole kennen. Sie rechnen sauber untereinander und beachten die Rechensymbole. Bei guter Zusammenarbeit beider Hemisphären werden Zeichen und Symbole gut erkannt, richtig geschrieben, der Rechenweg gut und sauber aufgeschrieben und auch Textaufgaben in der Regel gut gemeistert (vgl. Beigel 2011, S. 28f.).

Wie können Sie Ihr Kind unterstützen, damit beide Gehirnhälften angeregt werden? Liegende oder stehende Achten großmit jeder Hand einzeln oder mit beiden Händen in die Luft malen, dabei die Körperachse überschreiten. Auch Achten zur Seite oder mit den Füßen sind hilfreich. Diese kinesiologischen Übungen nennt man BrainGym.

Wie ich bereits sagte, ist die Grundlage für Lernen Bewegung und Wahrnehmung. Alles, was Ihr Kind bisher gelernt hat und alles, was es noch lernen wird, lernt es dadurch. Es bewegt sich, zum Beispiel fasst es Dinge mit den Händen an. Der Fachausdruck dafür ist „Motorik“. Dazu gehört alles, was mit Bewegung zu tun hat. Auf einige Aspekte der Bewegung werde ich später noch kommen, zunächst möchte ich auf die Wahrnehmung eingehen. Der Fachausdruck für Wahrnehmung ist „Sensorik“.

2.2 Die Wahrnehmung

„Es führt zu nichts, wenn man die Welt der Sinne abtötet,die der Gedanken aber mästet!“[Hermann Hesse, 1877 – 1962, deutscher Schriftsteller]

2.2.1 Die Bedeutung der Wahrnehmung für schulisches Lernen

Mit dem Übergang vom Kindergarten in die Grundschule soll die Phase der frühen Kindheit abgeschlossen sein. Das Kind hat nun die notwendigen geistigen und sozialen Voraussetzungen, um in der Schule die Herausforderungen meistern zu können.

Geistige Voraussetzungen

- Konzentrationsfähigkeit
- Sprechen und Zuhören
- Organisationsfähigkeit
- Grob- und feinmotorische Geschicklichkeit
- Ausbildung der Händigkeit

Soziale Fähigkeiten

- Kontaktaufnahme
- Frustrationstoleranz
- Angemessene und kommunikative Umgangsformen

Lern- und Verhaltensprobleme können durch Verzögerungen der Bewegungs- und Wahrnehmungsentwicklung des Kindes entstehen. Der Entwicklungsprozess ist durch die ständige Wechselwirkung zwischen Bewegung und Wahrnehmung bestimmt. Der Mensch mit Körper, Geist und Seele ist als Ganzes zu betrachten, die einzelnen Teile arbeiten in wechselseitiger Abhängigkeit. Empfindungen und Wahrnehmungen sind „Nahrung“ für das Nervensystem. Daher ist es für Schulanfänger wichtig, dass die sensomotorische Entwicklung, also die Entwicklung der Bewegung und Wahrnehmung ausgereift ist, damit Kinder den schulischen Anforderungen gewachsen sind. Vor allem der Anfangsunterricht in der Schule sollte ganzheitlich vollzogen werden, damit das Gehirn unterstützt wird (Beigel 2011, S. 11ff.).

„Lernen muss mit allen Sinnen geschehen.

Lernen geschieht nicht nur im Kopf, sondern mit dem ganzen Körper!

[Dorothea Beigel, Pädagogin]

2.2.2 Der Prozess der Wahrnehmung

Körperlich-sinnliches Erleben ist wichtig für die Kinder, weil es ein Training für die Sinnesorgane ist. Ich denke da zum Beispiel an das Freispiel draußen an der frischen Luft. Sinnesorgane müssen benutzt werden, um nicht zu verkümmern. So können sie sich ausbilden und weiterentwickeln. In unserer Gesellschaft verschwindet aber körperlich-sinnliches Erleben immer mehr. Es ist heutzutage die Regel, dass viel Zeit im Haus und auch vor dem Bildschirm verbracht wird. Dabei werden die Sinne jedoch nur sehr einseitig angeregt, vor allem das Sehen und Hören, jedoch viel Bewegung bekommen wir auch nicht. Im Alltag stehen den Kindern weniger Entdeckungsräume zur Verfügung. Sie als Eltern können Ihr Kind fördern, indem Sie es viel draußen spielen lassen. Ausflüge in den Wald sind besonders förderlich, alle Sinne anzuregen. Sind Sie mit Ihrem Kind im Wald, halten Sie doch einmal inne und lauschen: Welche Geräusche kann ich hören? Fahrradtouren, Drachensteigen, Picknick im Park oder am See, das sind Aktivitäten die nicht nur Ihren Kindern guttun.

Schauen wir uns nun kurz an, wie die Wahrnehmung funktioniert: Sinne sind „Antennen“, über die wir mit der Umwelt kommunizieren. Sie sind sozusagen die Nahtstelle zwischen innen und außen, zwischen Mensch und Umwelt. Wahrnehmung ist ein kreisförmiger Prozess.

Die Umwelt sendet Reize aus, die von unseren Sinnen aufgenommen werden. Diese Reize werden ins Gehirn weitergeleitet, wo sie gespeichert, mit bisher Gespeichertem verglichen, neu verknüpft und interpretiert werden. Daraus entsteht dann ein Impuls für eine Reaktion. Diese Reaktion erfolgt und hat wiederum Einfluss auf die Umwelt (vgl. Zimmer 2011, S. 45ff.). Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht den Prozess.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Prozess der Wahrnehmung

2.2.3 Sinnessysteme

Überblick

Es gibt zwei Arten von Sinne. Das sind zum einen die „klassischen Sinne“, also Sinne, die sich durch ein eigenes Organ auszeichnen und zum anderen „Körpersinne“. Zu den „klassischen Sinnen“ zählen das Sehen, Hören, Tasten, Schmecken und Riechen. Als „Körpersinne“ bezeichnet man den Gleichgewichtssinn und den Stellungssinn. Der Gleichgewichtssinn nimmt die Lage des Körpers im Raum wahr und der Stellungssinn die Stellung der einzelnen Glieder und Gelenke. Des Weiterem empfinden wir Kälte und Wärme, Schmerzen und Vibrationen u.a. über die Haut (vgl. Zimmer 2011, S. 56ff.).

Kinder wollen ihre Welt mit allen Sinnen in sich aufnehmen. Sie brauchen den konkreten Umgang mit den Dingen, damit sie aus dem Tun innere Bilder aufbauen können. Erfahrungen sammeln sie durch Erproben und Experimentieren. Die so gewonnenen Eindrücke entwickeln sich dann später zu Erkenntnissen weiter. Sinnliche Wahrnehmung spricht alle Sinne an und ist mehr als die Addition der einzelnen Leistungen der Sinnesorgane. Es ist eher ein Zusammenspiel, bei dem jedes Sinnesorgan seine „Rolle“ ausübt. Dabei verschmelzen mehrere Eindrücke zu einer Gesamtsinnesempfindung (vgl. Zimmer 2011, S. 59). Als wir zum Beispiel gefrühstückt haben, haben wir ganz viel wahrgenommen. Es duftete nach Kaffee und frischen Brötchen, wir haben in das Brötchen gebissen und den Geschmack gespürt. Gleichzeitig hörten wir die Geräusche um uns herum und sahen unseren Gegenüber am Tisch oder was auf unserem Teller lag. Wir spürten, wie wir auf dem Stuhl saßen und ob uns angenehm warm war oder eher frisch. All diese Sinneseindrücke nahmen wir gleichzeitig wahr. Da leistet unser Gehirn so einiges.

Beim Sehen ist es nicht damit getan, dass unser Auge etwas sieht, sondern hier steckt auch wieder ein ganzer Prozess dahinter. Dieser Prozess wird mit dem Fachausdruck „visuelle Wahrnehmung“ bezeichnet. Beim Hören nennt man den Prozess „Auditive Wahrnehmung“. Diese beiden Wahrnehmungsbereiche möchte ich kurz erläutern, weil für die schulische Entwicklung interessant ist, den Einfluss dieser Wahrnehmungssysteme auf das Lernen zu betrachten. Eine Beeinträchtigung in einem dieser Bereiche wirkt sich evtl. negativ auf das Lesen, Schreiben oder auch Rechnen aus.

Auditives Wahrnehmungssystem

Der „Hörsinn“ ist eine wichtige Voraussetzung für die Sprache und das Denken. Es werden die Begriffe „akustisch“ (den Schall betreffend) und „auditiv“ (die anatomischen Grundlagen des Hörvorgangs und die physiologischen Prozesse) unterschieden. Eine Hörverarbeitungsstörung ist also nicht immer einfach nur ein schlechteres akustisches Hören, sondern oft handelt es sich um Reizüberflutung im Gehirn. Die große Menge von akustisch aufgenommenen Reizen kann dort nicht sortiert und eingeordnet werden. Bei Problemen in diesem Bereich kann es folglich zu verzögertem Sprachaufbau kommen, was sich wiederum nachteilig auf das Lesen und Schreiben auswirkt. Kinder mit einer Hörverarbeitungsstörung haben Schwierigkeiten, ähnlich klingende Laute zu unterscheiden. Für diese Kinder ist z.B. die Unterscheidung g/k, b/p, d/t, s/z, w/f schwierig. Wortendungen hören sie nicht richtig und oft lassen sie Buchstaben in Wörtern aus, weil sie diese ebenfalls nicht gehört haben. Solche Kinder entwickeln häufig Rechtschreibprobleme (vgl. Beigel 2011, S. 63ff.).

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Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Wie Eltern die Entwicklung ihres Kindes im Vorschulalter und in der Schuleingangsphase unterstützen können
Autor
Jahr
2013
Seiten
21
Katalognummer
V419729
ISBN (eBook)
9783668701694
ISBN (Buch)
9783668701700
Dateigröße
586 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
eltern, entwicklung, kindes, vorschulalter, schuleingangsphase
Arbeit zitieren
Claudia Kampmann (Autor:in), 2013, Wie Eltern die Entwicklung ihres Kindes im Vorschulalter und in der Schuleingangsphase unterstützen können, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/419729

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