Die Dolchstoßlegende. Zerstörung der Weimarer Republik durch das Instrument der Lüge?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Legende oder Lüge?

3. Die Entstehung der Weimarer Republik

4. Die Dolchstoßlegende
4.1. Entstehung der Dolchstoßlegende
4.2. Ludendorff und Hindenburg und die Legende

5. Auswirkungen
5.1. Politische Auswirkungen
5.2. Auswirkungen auf die Bevölkerung

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Eine Lüge, klein und unbedacht, hat schon oft einen Berg von Leid entfacht.“

Kein Sprichwort könnte passender die Anfänge der Weimarer Republik charakterisieren als dieses. Doch kann eine Lüge solch einen immensen Einfluss entfalten, um einen Staat in die Knie zu zwingen? Ist die Dolchstoßlegende dafür verantwortlich, dass die Weimarer Republik, nur 12 Jahre nach ihrer Gründung, schon wieder scheiterte? Sowohl die Politik, als auch die deutsche Gesellschaft musste in den Jahren 1918 mit den Folgen der Kriegsniederlage umgehen lernen.

Als am 9. November 1918 der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die Republik ausruft, endet damit das seit dem Jahr 1871 bestehende Kaiserreich und läutet eine neue Epoche der deutschen Geschichte ein. Allerding stirbt mit der neuen Staatform nicht die Frage nach dem Schuldigen, der die Kriegsniederlage zu verantworten hat.1

So kommt es, dass Paul von Hindenburg, wenige Tage nach der offiziellen Gründung der Weimarer Republik vor dem Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung mit seiner Aussage eine folgenschwere Lawine lostritt.2

Seiner Behauptung nach ist die Schuld bei jenen zu suchen, die die Soldaten hinterrücks im Felde erdolchten. Die Folgen dieser Aussage, eines im Volk hochangesehenen Mannes, sind zukunftsweisend. Denn diese Worte, bei denen es sich nachweislich um eine Lüge handelt, werden zum Grundstein der Weimarer Republik.3

Zur Beantwortung der eingangs gestellten Frage, ist es zunächst erforderlich, terminologische Unterschiede zwischen Legende und Lüge, in Bezug zur Dolchstoßlegende, genauer zu untersuchen.

Im darauf folgenden Teil der vorliegenden Arbeit ist kurz die Entstehungsgeschichte der Weimarer Republik dargestellt, wobei hier aufgezeigt wird welche Begebenheiten nötig

waren, damit die so genannte „Dolchstoßlegende“ überhaupt im Volk wahrgenommen wurde.

Anschließend ist zu klären, ob Paul von Hindenburg der ursprüngliche Begründer dieser Legende ist. Schon vor seiner Aussage am 18. November 1918 nutzten vereinzelte Quellen den „Dolch im Felde“ um der Frage der Kriegsschuld nachzugehen.

Ein weiterer Name, der mit der Dolchstoßlegende in Verbindung gebracht wurde, war der damalige Stellvertreter Hindenburgs, Erich Ludendorff. Auch sein Beitrag zur Verbreitung der Dolchstoß-Theorie ist zu untersuchen.

Im zweiten Teil dieser Arbeit wird dann die Tragweite der Dolchstoßlegende genauer analysiert. In Bezug auf die Wirkung der Legende wird zunächst die politische Lage aufgezeigt, gefolgt von den Konsequenzen für die noch junge Republik. So folgenschwer die Dolchstoßlegende für die Politik war, ist zu berücksichtigen, dass die Lüge um den Dolchstoß primär dem Volk galt.

Warum das Ammenmärchen in der breiten Menge überhaupt Beachtung fand und welchen Effekt dieses hatte ist ebenfalls zu dokumentieren.

Anhand all dieser Punkte ist abschließend der Frage nachzugehen, ob die Weimarer Republik ohne die Lüge des Dolchstoßes größere Chancen auf Fortbestand gehabt hätte oder nicht.

2. Legende oder Lüge?

In vielen Quellen, die sich mit dem Dolchstoß der Weimarer Republik auseinandersetzen, ist oftmals die Rede von der „Dolchstoß-Lüge“ anstelle des bekannteren Ausdrucks der „Dolchstoßlegende“.

Doch worin liegt exakt der Unterschied zwischen den Begriffen Legende und Lüge?

Eine Lüge, wird im allgemeinen als eine Erzählung verstanden, die keinerlei Bezug zu Wirklichkeit aufweist. Die Verbreitung solch einer Täuschung ist mit der bewussten Fälschung der reellen Tataschen verbunden.4

In dem Szenarium um den Dolchstoß übernimmt Paul von Hindenburg als Protagonist die Aufgabe, die Wirklichkeit durch das Mittel der Lüge zu verdrehen.

Die Definition und die Deutung der Legende hingegen, ist maßgeblich abhängig von dem epochalem Einfluss.

Frühe Legenden vermittelten ruhmreiche Geschichten, ebenso wie die Martyrien der

Heiligen.5

Aus heutiger Sicht ist der Begriff der Legende dagegen anders zu verstehen.

Neuzeitlich betrachtet sind Legenden realitätsferne Geschichten, die auf teilweise erlogenen Schilderungen aufgebaut wurden. Bezüglich des Dolchstoß-Mythos der Weimarer Republik ist also, wie im Folgenden aufgezeigt wird, sowohl der Begriff Lüge als auch Legende zutreffend. Denn obwohl das Wort Legende mehr den Akt des Heroischen hervorhebt, so beruht er dennoch auf der Basis einer ordinären Lüge.

3. Die Entstehung der Weimarer Republik

Die Entstehung einer Legende liegt immer einer Geschichte zu Grunde. Im Fall der „Dolchstoßlegende“ handelt es sich um das Ende des 1. Weltkrieges und der Gründung der Weimarer Republik.

Was am 28.06.1914 in Sarajewo mit dem Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz- Ferdinand begann, endete vier Jahre später in einer kompletten Umstrukturierung Deutschlands.6

Zu Beginn des 1. Weltkrieges stellten sich die Menschen im Land auf ein schnelles Ende der Kämpfe ein. Doch schon in den ersten Wochen wurde die anfängliche Kriegseuphorie stark gedämpft. An der westlichen Front zu Frankreich und der südlichen zu Italien entwickelte sich der Krieg zu einem so genannten „Stellungskrieg“.7

Die Situation wurde durch den Eintritt weiterer Länder zunehmend schwieriger. Der 1917 begonnene, uneingeschränkte U-Boot Krieg gegen die Passagier- und Handelsschiffe der britischen Marine zog den Eingriff der Vereinigten Staaten von Amerika in das Kriegsgeschehen mit sich.8

Das deutsche Volk hingegen glaubte weiterhin, nicht zuletzt durch die Verbreitung falscher Nachrichten von der Front, das sie einen „Siegfrieden“ erreichen können. Nicht zuletzt die

Meldung von dem am 3. März 1918 unterzeichneten Friedensvertrag von Brest-Litowsk setzte erneut die Hoffnung auf einen erfolgreichen Kriegsausgang frei.9

Die anfänglich erzielten Erfolge des Heeres stellten sich jedoch nach kurzer Zeit ganz ein. Als die Obersten Heeresleitung (OHL) erkannte, das der Krieg aus militärischer Sicht nicht mehr gewonnen werden konnte, suchten sie nach Möglichkeiten eines zufriedenstellenden Waffenstillstandes. Die Offiziere versuchten nun, in einer letzten Offensive, Deutschlands Verhandlungsposition bezüglich eines Friedensvertrages zu verbessern. Dazu sollte es nicht kommen. Die Soldaten verweigerten den Befehl, da sie keinen Sinn in einer Schlacht sahen, die nur zur verlieren war. Dieser anfänglich kleine Boykott der Soldaten griff binnen weniger Tage auch auf die zivile Bevölkerung über, was letztlich der Beginn der Novemberrevolution von 1918 war.10

Die OHL an der Spitze der im Land herrschenden Militärdiktatur, stand nun in der Pflicht, einen Friedensvertrag zu unterzeichnen, der der drohenden Besetzung Deutschlands zuvor kam. Die Unruhen breiteten sich innerhalb kürzester Zeit aus, sodass es am 9. November des gleichen Jahres zum endgültigen Umbruch kam.

Prinz Max von Baden, der gegenwärtig den Posten des Reichskanzlers bekleidete, verkündete eigenmächtig die Abdankung des Kaisers Wilhelm II. Damit einhergehend ernannte er den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei (SPD), Friedrich Ebert zum neuen Reichskanzler.11

Zukunftsweisend für die Weimarer Republik war der weitere Verlauf des 9. Novembers. Philipp Scheidenmann, ebenfalls der SPD zugehörig, war der Auffassung, dass ein einfacher Wechsel der Regierung nicht ausreichen würde, um die Lage im Land wieder zu beruhigen. Um 14:00 Uhr verkündete er von dem Fenster des Reichstages die Gründung der „deutschen Republik“ mit den Worten:

Das alte Morsche ist zusammengebrochen; der Militarismus ist erledigt [...] die Monarchie ist zusammengebrochen! Es lebe das Neue; es lebe die deutsche Republik!“.12

Nur zwei Stunden später folgte der dem linksrevolutionären Flügel der SPD angehörige Karl Liebknecht dem Beispiel und rief die „Freie Sozialistische Republik Deutschland“ aus.13

Beide Ereignisse waren nicht nur ein Zeichen für die herrschenden Konflikte innerhalb der Partei, sondern auch der sprichwörtliche Anfang vom Ende.

Ein weiterer, nicht unerheblicher Aspekt in Bezug auf das Ende, ist wie Unterzeichnung des Versailler Vertrages, in dem Deutschland die alleinige Kriegsschuld zugesprochen bekam, die 1919 gehaltene Rede Hindenburgs.

4. Die Dolchstoßlegende

Jeder Historiker, der sich mit der Thematik des 1. Weltkrieges und der Gründung der Weimarer Republik auseinandersetzt, wird an einer Stelle immer mit der bereits erwähnten „Dolchstoßlegende“ konfrontiert.

Die Aussage hinter dieser Legende ist fast jedem bekannt. Sie besagt, dass das deutsche Heer im Feld durch den Doch hinterrücks ermordet wurde.

So klar die Theorie auch die Tat als solche beschreibt, eröffnen sich neue Fragen. Für viele Betrachter liegt die eigentliche Ursache, der Werdegang und ihr Wirken im Dunkeln. Im Folgenden sollen genau diese drei Aspekte genauer beleuchtet werden, um den Charakter der Legende genauer zu verdeutlichen.

4.1. Entstehung der Dolchstoßlegende

Paul von Hindenburg gilt nach heutiger Auffassung als Begründer der Dolchstoßlegende. Bei genauer Untersuchung der vorhandenen Aufzeichnungen seiner Rede vom 19. November 1919 verweist er selber jedoch auf einen anderen Urheber dieser Theorie.

"Die Heimat hat uns von diesem Augenblick an (1916) nicht mehr unterstützt. (...)Ein englischer General sagte mit Recht: Die deutsche Armee ist von hinten erdolcht worden.“ 14

Hindenburg spielt mit seiner Äußerung bezüglich der Herkunft der Theorie auf den britische General Friedrich Maurice oder seinen Landsmann General Sir Neil Malcom an.

[...]


1 Wirsching, Andreas: Die Weimarer Republik. Politik und Gesellschaft (Enzyklopädie Deutscher Geschichte Band 58). München 2008, S. 3.

2 Hoegen, Jesko von: Der Held von Tannenberg: Genese und Funktion des Hindenburg-Mythos. Weimar 2007, S. 255.

3 Keil, Lars-Broder; Kellerhoff, Sven Felix: Deutsche Legenden. Vom Dolchstoß und anderen Mythen der Geschichte, Berlin 2002. S. 37.

4 Fobbe, Eilika: Forensische Linguistik. Eine Einführung. Reihe Narr. Studienbücher. Tübingen 2011, S. 190-191.

5 Weidner, Daniel: Handbuch Literatur und Religion. Deutschland 2016, S. 245-246.

6 Mommsen, Wolfgang J.: Die Katastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914-1918 in: Gebhardt: Handbuch der deutschen Geschichte. Stuttgart 2002, S. 27ff.

7 Nübel, Christoph: Durchhalten und Überleben an der Westfront. Raum und Körper im ersten Weltkrieg. Zeitalter der Weltkriege. Paderborn 2014, S. 22.

8 Graf von Krockow, Christian: Die Deutschen in ihrem Jahrhundert 1890-1990. Hamburg 1992, S. 114.

9 Trotski, Leo: Verratene Revolution: Was ist die Sowjetunion und wohin treibt sie?.1936. Essen 2009, S.202f.

10 Schulze, Hagen: Weimar. Deutschland 1917-1933. Berlin 1982, S. 155-156.

11 Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte 1914- 1949.( Bundeszentrale für politische Bildung, Schriftenreihe Band 776). Bonn 2010, S. 193.

12 Winkler, Heinrich August: Weimar 1918 - 1933: die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. München 2005, S. 30ff.

13 Naumann, Günther: Deutsche Geschichte: Von 1806 bis heute. Wiesbaden 2008, S. 84.

14 Stenographischer Bericht über die öffentlichen Verhandlungen des Untersuchungsausschusses. Berlin 1919, S. 727-732.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Dolchstoßlegende. Zerstörung der Weimarer Republik durch das Instrument der Lüge?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V419747
ISBN (eBook)
9783668683785
ISBN (Buch)
9783668683792
Dateigröße
433 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Dolchstoßlegende
Arbeit zitieren
Sarah Boost (Autor:in), 2018, Die Dolchstoßlegende. Zerstörung der Weimarer Republik durch das Instrument der Lüge?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/419747

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