Dantes Inferno als Spiegelbild seiner Gerechtigkeit


Term Paper, 1998

23 Pages, Grade: sehr gut minus


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung und Fragestellung

2. Gerechtigkeit als höchste Tugend

3. Dantes Prinzip des "contrappasso" und seine Vorläufer

4. Das Legitimationsproblem

5. Dantes drei Gesichter der Gerechtigkeit
5.1 Dantes theologische Gerechtigkeit
5.1.1 Die Ewigkeit der Höllenstrafen
5.1.2 Die zentrale Position des freien Willens
5.1.3 Die Erbsünde
5.2 Dantes historisch-politische Gerechtigkeit
5.2.1 Brutus und Cassius
5.3 Dantes persönliche Gerechtigkeit
5.3.1 Filippo Argenti - die doppelte Verdammnis
5.3.2 Brunetto Latini - der Grenzfall
5.3.3 Ugolino della Gherardesca und die Sippenhaft
5.3.4 Fra Alberigo - Höllenfahrt vor dem Tod

6. Zusammenfassung - die drei Gesichter Dantes

1. Einleitung und Fragestellung

Welches Prinzip der Gerechtigkeit jemand vertritt, wird am ehesten evident durch die Strafen, die er denen zukommen lässt, die gegen diese Gerechtigkeit verstoßen, und weniger durch die Belohnungen, die diejenigen erhalten, die sich an ihre Vorschriften halten. Daher ist Dantes Inferno bezüglich Dantes Gerechtigkeitskonzept aussagekräftiger als das Paradiso und das Purgatorio. Daher - und aus Platzgründen - werde ich mich in dieser Arbeit auf das Inferno beschränken und nur selten die anderen Teile der Commedia erwähnen.[1]

Für Dante gibt es im Grunde genommen drei Arten von Gerechtigkeit:

- persönliche Gerechtigkeit, die sich mit dem sündigen Individuum befasst;
- historisch-politische Gerechtigkeit, die sich mit der Sünde an sich und ihren Auswirkungen auf das Gemeinwesen beschäftigt;
- theologische Gerechtigkeit, die mehr oder weniger von Dantes christlichem Glauben abhängig ist.

Für jedes Gerechtigkeitskonzept sollen im Verlaufe der Arbeit Beispiele herangezogen und erläutert werden. Dabei will ich im Besonderen drei Aspekte der jeweiligen Gerechtigkeit herausarbeiten:

- Aus welchen Quellen schöpft Dante seine Konzeptionen?
- Inwieweit ist das Inferno als rechtsphilosophische Schrift deckungsgleich mit seinen anderen Werken, insbesondere De Monarchia?
- Ist Dante ein "zutiefst mittelalterlicher" Autor oder lassen sich seine Vorstellungen mit modernen Gerechtigkeitsauffassungen versöhnen?

Die Auswahl der Beispiele wird sich an diesen Fragestellungen orientieren und darüber hinaus zu ermitteln versuchen, für welche Art der Gerechtigkeit sich Dante im Zweifelsfall entscheidet und welche Vergehen für ihn die strafwürdigsten sind. Als hochintelligenter und gebildeter Mensch des Spätmittelalters bewegte sich Dante in einem Spannungsfeld mehrerer religiöser und politischer Bezugssysteme; interessant ist hier die Frage, welches Bezugssystem für welche Bestrafung relevant ist.

Bei Lebensdaten und historischen Ereignissen beziehe ich mich - falls im Zweifel - auf A Dictionary of Proper Names and Notable Matters in the Works of Dante, hrsg. von Charles Singleton, Oxford 1968.

2. Gerechtigkeit als höchste Tugend

Man kann die Position, die die Gerechtigkeit in Dantes Tugendkatalog innehat, gar nicht hoch genug einschätzen; er räumt ihr eindeutig Vorrang vor den übrigen drei klassischen Tugenden (Weisheit, Mäßigung und Charakterstärke) ein: „Preterea, mundus optime dispositus est cum iustitia in eo potissima est.“[2]. Diese Auffassung zieht sich durch alle Werke Dantes:

Questa è tanto amabile, che, si come dice lo Filosofo nel quinto de l'Etica, li suoi nimici l'amano, si come sono ladroni e rubatori [...][3]

In den Epistolae schreibt er über Florenz:

"[...] ac sacratissimis legibus, quae iustititae naturalis imitantur imaginem, parere vetantem [...]"[4]

Hier klingt schon an, dass es für Dante eine Art natürlicher höchster Gerechtigkeit gibt, der ähnlich zu werden die menschliche Gerechtigkeit sich bemühen sollte. Dabei bezieht er sich häufig auf Thomas von Aquin und Aristoteles, die beide in diesem Bereich als Vorbilder Dantes gelten können. So schreibt Aristoteles zum Beispiel: „Gerechtigkeit ist die Ordnung einer Bürgergemeinschaft.“[5] Thomas von Aquin beschäftigt sich in der Summa Theologica ausführlich mit allen Varianten und Definitionen der Gerechtigkeit.

In der Divina Commedia werden allein die Begriffe giustizia und giusto (ohne weitere Ableitungen) sechzig Mal erwähnt, und man hat die Divina Commedia als „poem of justice“[6] bezeichnet. Viele weitere Sünden lassen sich aus Ungerechtigkeit sozusagen ableiten, wie etwa Habgier und Falschheit. Für Dante ist die Gerechtigkeit nicht nur persönlich, sondern vor allem aus staatsphilosophischen Gründen von zentraler Bedeutung.[7]

3. Dantes Prinzip des "contrappasso" und seine Vorläufer

Im Inferno, XXVIII, 142, klagt Bertram dal Bornio:

„così s'osserva in me lo contrappasso”

Dieses "contrappasso" ist Dantes Prinzip der göttlichen Gerechtigkeit. Es besagt, dass im Leben begangene Sünden in der Hölle angemessen bestraft werden. Das Alte Testament sagt dazu:

"Sie sollten erfahren, dass man mit dem gestraft wird, mit dem man sündigt."[8]

Dante verwendet viel Sorgfalt, um diese Strafen so schrecklich wie möglich zu gestalten: So besteht die Strafe der Trägen und Faulen darin, ohne Unterlass von Wespen und Mücken gestochen zu werden, und die Selbstmörder (die sich sozusagen ent-leibten) verlieren ihren Körper und müssen ihr Dasein in der Hölle als Büsche fristen. Dabei ist "contrappasso" nicht einfach als Strafe durch Gegenteil zu verstehen, sondern kann durchaus - wie im Falle der Gewalttätigen - Fortführung der Handlungsweise im Leben bedeuten oder - so bei den Selbstmördern - die Erfüllung des Zieles auf eine Weise, die nur Qualen hervorruft.

Es wird gemeinhin Dante zugeschrieben, mittels seines "contrappasso" aus der Hölle einen für die mittelalterliche Vorstellungswelt ungewöhnlich vielfältigen Ort gemacht zu haben; meist hatte sich das Mittelalter die Hölle bis dahin als "ewiges Feuer"[9] vorgestellt, in dem die Verdammten „[...] in ustione sine consumptione, in dolore sine morte [...]“[10] die Ewigkeit verbringen werden. Im sogenannten "Athanasischen Glaubensbekenntnis" heißt es:

"die, welche Gutes getan haben, werden eingehen zum ewigen Leben,

die aber Böses getan haben, ins ewige Feuer."[11]

Thomas von Aquin erweitert das Strafprogramm schon etwas, wobei er auf ältere Vorbilder zurückgreift[12]:

"Die Verdammten werden von der größten Hitze zur heftigsten Kälte

übergehen, ohne dass sie darin irgendeine Erleichterung finden."[13]

Aber Dante konnte nicht nur für das Prinzip, sondern auch für die Durchführung des contrappasso auf Vorbilder zurückgreifen. So schrieb Papst Gregor I:

Es gibt zwar nur ein Höllenfeuer, aber nicht alle Sünder quält es

auf die gleiche Weise, sondern jeder fühlt die Strafe in dem Grade,

in welchem es seine Schuld einfordert.[14]

Damit ist die Art der Strafe zwar dieselbe, die Intensität variiert jedoch je nach den Sünden des Bestraften. Aber auch äußerlich verschiedenartige Strafen waren bereits in der frühen Christenheit thematisiert worden. Die erst 397 für nicht-kanonisch erklärte und in der Spätantike sehr einflussreiche "Apokalypse des Petrus" stellt eine wesentlich vielfältigere Hölle dar, in der man schon Grundzüge des contrappasso erkennen kann; so werden Lügnern und Betrügern die Lippen abgeschnitten und Feuer in ihre Münder gegossen.[15] Die ebenfalls apokryphe "Paulus-Apokalypse" enthält ebenfalls eine Schilderung einer Hölle der passenden Bestrafungen.[16] Nach Gregor von Tours werden die Organe, mit denen der Mensch gesündigt hat, in "spiegelnder Entsprechung" bestraft.[17] Der Benediktinermönch Edmund von Eynsham hat 1196 eine Vision, in der zur Sünde passende Strafen vollzogen werden.[18]

Das Feuer blieb jedoch vorherrschendes Topos in dem Bild, das sich das Mittelalter von der Hölle machte. Es versteht sich von selbst, dass nach dieser Auffassung angemessene Bestrafungen nicht möglich sind, da keine Abstufung der Strafe stattfindet; man ist entweder verdammt oder nicht. Dantes ewige Verdammnis ist (auch nach modernem Empfinden) gerechter, da sie Rücksicht auf die Sünden nimmt, die zu ihr führten.

Dieses Prinzip wird von Thomas von Aquin beschrieben:

In vindictis non solum attenditur quod aequalitas iustitiae reparetur per hoc quod aliquis restituat alteri quod ei subtraxit; sed etiam quod pro peccato commisso poenam sustineat.[19]

Auch die Dantesche Interpretation des Begriffs stammt von ihm; Aristoteles setzt sich in seiner Ethik mit denjenigen auseinander, die der Meinung sind, "Auge um Auge, Zahn um Zahn" sei der Gipfel der Gerechtigkeit[20]. Thomas von Aquin kommentiert zwar: „Utrum iustum sit simpliciter idem quod contrapassum.“[21] Er kommt jedoch zu dem Schluss, dass ein Angriff auf einen Fürsten härter zu bestrafen sei als einer auf einen gewöhnlichen Menschen, da der Fürst den Staat verkörpere.[22] Dante selber, der in De Monarchia ausführlich darlegt, dass die Herrschaft eines idealen Einzelnen die optimale Regierungsform sei, folgt dieser Vorstellung am eindrucksvollsten im 34. Gesang des Inferno, in dem er die Cäsarenmörder Cassius und Brutus die schlimmsten aller Höllenstrafen erleiden lässt (siehe auch Kap. 5.2.1).

4. Das Legitimationsproblem

Dante ist sich bewusst, dass Gerechtigkeit auch immer ein Legitimationsproblem mit sich bringt, da letzten Endes eine Entscheidung gefällt werden muss, die so gerecht wie möglich ausfallen soll. Diese Entscheidung ist Sache eines Gerichtes: „Et ubicunque potest esse litigium, ibi debet esse iudicium [...]“[23] Nun benötigt dieses Gericht aber die Macht, eine Entscheidung zu fällen; da in der mittelalterlichen Rechtslehre ein Mensch nur von einem Höherstehenden gerichtet werden konnte, kommt es zu einem logischen Problem, wenn man eine andere Herrschaft als die eines Einzelnen annimmt und zwei (oder mehr) Herrschende in Streit geraten:

Et cum alter de altero cognoscere non possit ex quo alter alteri non subditur [...] oportet esse tertium iurisdictionis amplioris qui ambitu sui iuris ambobus principetur.[24]

Daraus ergibt sich zwangsläufig die Herrschaft des Einzelnen als optimale Regierungsform:

Et hic aut erit Monarcha aut non. [...] Et sic aut erit processus in infinitum, quod esse non potest, aut oportebit
devenire ad iudicem primum et summum. [...] et hic erit Monarcha sive imperator.[25]

Damit wäre die Monarchie als einzig mögliche Regierungsform etabliert, aber noch ist nichts über das Gerechtigkeitsempfinden des Monarchen ausgesagt. In Dantes Augen löst sich dieses Problem von selber:

iustitia potissima est in mundo quando volentissimo et potentissimo subiecto inest; huiusmodi solus Monarcha est.[26]

Dantes Prämisse folgend, dass der Monarch eben per definitionem von "bestem Willen" und "größter Macht" sei, ist es nur logisch, dass zur wahren Gerechtigkeit die Monarchie erforderlich ist:

Iustitia potissima est solum sub Monarcha: ergo ad optimam mundi dispositionem requiritur esse Monarchiam sive Imperium.[27]

Für das Inferno und die ganze Commedia ergibt sich daher folgerichtig, dass es für die Höllenstrafen kein Legitimationsproblem gibt, denn es ist Gott selber, der sie ausgesprochen hat: „Giustizia mosse il mio alto fattore [...]“[28] steht am Eingang zur Hölle - es gibt sie also nicht nur, damit in ihr Gerechtigkeit vollzogen wird, sondern weil ihre Existenz durch die Gerechtigkeit gefordert wird. Dantes Hölle ist nur sekundär Ort der Gerechtigkeit und primär Ausdruck des göttlichen Seins, das zwangsläufig höchste Gerechtigkeit verkörpert.

5. Dantes drei Gesichter der Gerechtigkeit

Die Gerechtigkeit in der Divina Commedia speist sich aus drei Quellen, die man vereinfacht als theologisch, historisch-politisch und persönlich bezeichnen kann. Die theologische Gerechtigkeit folgt im Wesentlichen dem katholischen Dogma, das Dante insbesondere aus Thomas von Aquins Werken sehr gut kannte; hier finden sich die Sünder, die wegen eines Vergehens gegen die christliche Weltanschauung bestraft werden. Die historisch-politische Gerechtigkeit ist die Gerechtigkeit nach den Prinzipien der Staatslehre Dantes, die er aus Aristoteles und ebenfalls Thomas von Aquin schöpft; dieser Abschnitt befasst sich mit den Sündern, die aufgrund des Verstoßes gegen die gemeinschaftstragenden Prinzipien Dantes verdammt wurden. Vielleicht für den modernen Leser am interessantesten ist die persönliche Gerechtigkeit Dantes, in der das psychologische Profil des Autors deutlich zum Vorschein tritt. Hier geht es um all diejenigen, die zwar zur Höllenqual verdammt wurden, aber dennoch entweder die Sympathie oder die besondere Antipathie des Autors verdient haben.

5.1 Dantes theologische Gerechtigkeit

Dante war nicht nur Dichter und Politiker, sondern auch Christ. Wie jedes Jahrhundert, so hatte auch das dreizehnte mehrere einschneidende Ereignisse, die mit dem christlichen Glauben zusammenhingen und als Zeichen einer heftigen Krise gedeutet werden können: die "Kreuzzüge" gegen die Albigenser/Waldenser zu Beginn des Jahrhunderts, die Einrichtung der Inquisition 1233, die Mongoleneinfälle ab 1240, der Fall der letzten Kreuzfahrerfestung Akko 1291. Im innerkirchlich-dogmatischen Bereich wirkte der berühmteste Kirchenlehrer des Mittelalters, Thomas von Aquin (1227-1274). Er ist die zentrale Quelle für Dantes theologische Vorstellungen, insbesondere durch sein Werk Summa Theologiae, in dem Thomas unter anderem Aristoteles Buch über die Ethik aus christlicher Sicht kommentiert, wobei er - fast möchte man sagen: natürlich - häufig Rekurs auf Augustinus (354-430) nimmt, den vermutlich einflussreichsten Kirchenlehrer überhaupt. Thomas' Verdienst war - hierin Augustinus ähnlich - nicht nur die Originalität seiner Gedanken, sondern auch die Kodifizierung bereits vorherrschender Konzeptionen und ihre Einordnung in sein scholastisches Weltbild, worin auch gleichzeitig eine Zurückweisung nicht genehmer Ideen enthalten ist; Augustinus hatte in der Spätantike allerdings wesentlich schwerer zu kämpfen, um seine Vorstellungen durchzusetzen. Es wird sich zeigen, dass Dante in seiner "theologischen" Gerechtigkeit Augustinus, Thomas und dem klassischen katholischen Dogma weitestgehend gefolgt ist, allerdings nicht ohne inneren Widerstreit: „[...] I am [...] sure that faith and reason in him did not go easily hand in hand.”[29]

5.1.1 Die Ewigkeit der Höllenstrafen

Unter der Prämisse, dass

Deus [...] apud quem summa virtus est, summa sapientia, summa iustitia, nulla infirmitas, nulla temeritas, nulla inquitas [...][30]

das Inferno erschaffen hat, wäre die Frage nach der Gerechtigkeit der ewigen Höllenstrafen sinnlos, die Augustinus in De Civitate Dei bespricht; er tut dies als Reaktion auf Kritiker, die eine ewige Strafe für zeitlich begrenzte oder gar sehr kurze böse Taten für unangemessen halten.[31] So schreibt zum Beispiel Porphyrios:

Denn wenn er [Gott] Strafe nach Maß zuteilen will und wenn zum Maß die zeitliche Begrenzung gehört, was will er da mit der Drohung grenzenloser Qual?[32]

Dem widerspricht Augustinus:

[...] quasi ullius id umquam iustitia legis adtendat, ut tanta mora temporis quisque puniatur, quanta mora temporis unde puniretur admisit [...][33]

Auch Papst Gregor I., eine bedeutende theologische Autorität des Mittelalters, ist dieser Meinung:

Denn die Bösen haben deshalb in endlicher Weise gesündigt, weil

auch ihr Leben ein endliches war. Sie hätten, wenn es möglich wäre,

endlos leben wollen, um ohne Ende sündigen zu können. Denn wer während seines Lebens von der Sünde nicht ablässt, zeigt, dass er immer in der Sünde leben will.[34]

Dieser Passus ist nicht nur wegen der Fadenscheinigkeit der Argumentation, sondern auch wegen der Bedeutung interessant, die Gregor hier dem freien - bösen - Willen zumisst (siehe Kapitel 5.1.2). Er kommt zu dem Schluss, dass die ewige Strafe gerecht ist. Dante - dem zum Beispiel Porphyrios durch Augustinus bekannt gewesen sein dürfte - schließt sich dem an: Gemäß dem Bibelwort „Und sie werden hingehen, diese in ewiger Pein [...]“[35] steht am Höllentor geschrieben:

"Per me si va nell'eterno dolore [...]"[36]

5.1.2 Die zentrale Position des freien Willens

Damit ist es für Dante jedoch noch nicht getan. Was in Dantes Inferno eigentlich bestraft werden soll, ist nicht die böse Tat, sondern der böse Wille. Dante bezeichnet es als größtes Geschenk Gottes, dass der Mensch den freien Willen hat:

"Lo maggior don che Dio per sua larghezza

fêsse creando, ed alla sua bontate

più conformato, e quel ch'ei più apprezza,

fu della volontà la libertate [...]"[37]

spricht Beatrice zum Pilger Dante. Für Augustinus ist der böse Wille gleich einem Abfall von Gott:

"Deficere namque ab eo, quod summe est, ad id, quod minus est,

hoc est incipere habere voluntatem malam."[38]

Damit widerspricht Dantes Konzeption der Prädestinationslehre, wie sie etwa von Paulus vertreten wird:

"So kommt es also nicht auf den Wollenden [...] an, sondern auf den

sich erbarmenden Gott."[39]

Im Convivio wird Dantes Position eindeutig:

"Sono anche operazioni che la nostra [ragione] considera nell'atto della

volontà, siccome offendere e giovare; siccome stare fermo e fuggire alla battaglia [...] e queste del tutto soggiacciono alla nostra volontà; e però semo detti da loro buoni e rei, perch'elle sono proprie nostre del tutto; perchè, quanto la nostra volontà ottenere puote, tanto le nostre operazioni si stendono."[40]

[...]


[1] Zur Zitierweise: Dantes Werke, historische Quellen und Sekundärliteratur werden, wo möglich, in der Originalsprache zitiert. Eine Ausnahme stellen griechische Texte dar.

[2] Dante Alighieri: Monarchia. Hrsg. von Ruedi Imbach/Christoph Flüeler. Stuttgart 1989. I,xi,1. Im Folgenden zitiert als Monarchia.

[3] Il Convivio. Hrsg. von G. Busnelli und G. Vandelli. Opere di Dante, Vol. 4 u. 5. Florenz 1953. I.12. Im Folgenden zitiert als Convivio.

[4] Dantis Alagherii Epistolae. The Letters of Dante. Hrsg. v. P. Toynbee. Oxford 1966. 6.150ff. Im Folgenden zitiert als Epistolae.

[5] Aristoteles: Politica. In: The Books of Aristotle. Hrsg. von W.D. Ross. Oxford 1921. Buch 1.2. (Übersetzung aus dem Engl. vom Autor)

[6] Allan H. Gilbert: Dante's Conception of Justice. New York 1965. S. 67.

[7] Monarchia, II,v,1ff.

[8] Weisheit, 11,16. Die den Bibelzitaten zugrundeliegende Ausgabe ist: Die Bibel. Hrsg. von Diego Arenhoevel/Alfons Deißler/Anton Vögtle. Freiburg i. B. 1965. Im Folgenden werden Bibelstellen durch Angabe des jeweiligen Buches zitiert.

[9] Zu dem Feuer kommt noch der "Wurm" (Jes. 66,24), der aber schon früh als metaphorisch ("Gewissenswurm") erkannt wurde; das Höllenfeuer wurde jedoch als sehr konkret angesehen.

[10] Aurelius Augustinus: Der Gottesstaat. De Civitate Dei. Buch 21, Abschnitt 9. Band 1. Paderborn 1979. Im Folgenden zitiert als "Augustinus, DCD".

[11] Zitiert nach: Herbert Vorgrimler: Geschichte der Hölle. München 1993. S. 129. Im Folgenden zitiert als "Vorgrimler".

[12] In diesem Fall auf Honorius Augustodunensis (Vorgrimler, S. 195).

[13] Vorgrimler, S. 201.

[14] Des hl. Papstes und Kirchenlehrers Gregors des Großen vier Bücher Dialoge. Hrsg. von O. Bardenhewer/J. Zellinger/J. Martin. Bibliothek der Kirchenväter. 2. Reihe, Band III. München 1933. Buch 4, Dialog 44. Im Folgenden zitiert als "Gregor".

[15] Vorgrimler, S. 80.

[16] Vorgrimler, S. 108.

[17] Vorgrimler, S. 146.

[18] Vorgrimler, S. 168.

[19] Thomas von Aquin: Kommentar zur Nikomachischen Ethik. In: Opera Omnia. Vol. 25. Hrsg. von S. Eduard Fretti. Paris 1875. Kap. 5, Abschnitt 8. Im Folgenden zitiert als "Thomas, Aristoteles-Kommentar".

[20] Aristoteles: Ethica Nicomachaea. In: The Books of Aristotle. Band IX. Hrsg. von W.D. Ross. Oxford 1921. Buch 8, Abschnitt 8.

[21] Thomas von Aquin: Summa Theologica. In: Thomas von Aquin: Opera Omnia. Hrsg. von S. Eduard Fretti. Vol. 1-6. Paris 1875. II.ii.61.4. Im Folgenden zitiert als "Thomas, Summa Theologica".

[22] Thomas, Aristoteles-Kommentar, 5.8.

[23] Monarchia, I,x,1

[24] Monarchia, I,x,3

[25] Monarchia, I,x,4f.

[26] Monarchia, I,xi,8

[27] Monarchia, I,xi,2

[28] Dante: La Vita Nuova. La Divina Commedia. Hrsg. von Dr. Erwin Laaths. Wiesbaden o.J. Inferno, III, 4. Im Folgenden zitiert als Inferno beziehungsweise Purgatorio oder Paradiso.

[29] Kenelm Foster: Religion and Philosophy in Dante. In: The Mind of Dante. Hrsg. von U. Limentani. Cambridge, MA, 1965. S. 52.

[30] Augustinus, DCD, 20,2. Siehe auch Inferno, III, 6.

[31] Augustinus, DCD, 21,11

[32] Porphyrios, Nr. 91. Zit. nach: Karlheinz Deschner (Hrsg.): Das Christentum im Urteil seiner Gegner. Frankfurt a.M. 1990. S. 35.

[33] Augustinus, DCD, 21,11

[34] Vorgrimler, S. 144.

[35] Mat. 25, 46.

[36] Inferno, III, 2

[37] Paradiso, V, 19-22

[38] Augustinus., DCD, 12,7

[39] Röm. 9, 16

[40] Convivio, 4.9.65-75

Excerpt out of 23 pages

Details

Title
Dantes Inferno als Spiegelbild seiner Gerechtigkeit
College
University of Münster  (Romanistisches Seminar)
Course
Dantes Inferno
Grade
sehr gut minus
Author
Year
1998
Pages
23
Catalog Number
V42054
ISBN (eBook)
9783638401784
File size
604 KB
Language
German
Notes
Diese Arbeit setzt sich mit dem Inferno, dem ersten Gesang in Dante Alighieris Divina Commedia, auseinander. Zentrale Fragestellung ist: Aus welchen Quellen entspringt Dantes Konzeption der Gerechtigkeit, und wie konsequent und geschlossen ist sie? Vollständige Zitierung über Fußnoten, daher kein Literaturverzeichnis
Keywords
Dantes, Inferno, Spiegelbild, Gerechtigkeit, Dantes, Inferno
Quote paper
Tobias Budke (Author), 1998, Dantes Inferno als Spiegelbild seiner Gerechtigkeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42054

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