Einfluss von Führungskräften auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Stationsleitung im Krankenhaus


Thèse de Bachelor, 2013

66 Pages, Note: 2,6


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Zusammenfassung

Inhaltsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Gesundheitsmodell und Begriffsbestimmung von Gesundheit
2.2 Gesundheitsrelevante Aspekte des Pflegeberufes
2.2.1 Besonderheiten des Pflegeberufes
2.2.1.1 Historischer Kontext und deren Auswirkungen auf den Pflegeberuf
2.2.1.2 Merkmale der Pflegearbeit
2.2.1.3. Merkmale der Funktion der Stationsleitung
2.2.2 Belastungsfaktoren des Pflegeberufes
2.2.2.1 Körperliche Belastungsfaktoren
2.2.2.2 Psychosoziale Belastungsfaktoren
2.2.2.3 Belastungsfaktoren, die sich aus der Organisation Krankenhaus ergeben
2.3 Determinanten zur Bestimmung von Führungsqualität
2.3.1 Begriffsbestimmung von Führung
2.3.2 Einfluss der Persönlichkeit auf Führung
2.3.3 Aspekte des Führungsverhaltens
2.3.4 Einfluss der Mitarbeiter auf Führungserfolg
2.3.5 Das Konzept des “Full Range of Leadership” nach Bass und Avolio

3. Methode
3.1 Systematische Literaturrecherche

4. Ergebnisse
4.1 Wissenschaftliche Grundlagen zum Zusammenhang von Mitarbeiter- Gesundheit und Führung
4.2 Wissenschaftliche Grundlagen zur Erläuterung der Perspektive der Mitarbeiter
4.3 Wissenschaftliche Grundlagen zur Erläuterung der Perspektive der Führungskraft in der mittleren Hierarchieebene unter der besonderen Betrachtung der Stationsleitung im Krankenhaus
4.4 Wissenschaftliche Grundlagen zur Erläuterung der Perspektive Organisation Krankenhaus

5. Diskussion

6. Fazit

Literaturverzeichnis

Anlagen

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Zusammenstellung der Ergebnisse der Literaturrecherche

Abbildung 1: Rahmenmodell der Führung (Nerdinger et al., 2011, S. 83)

Abbildung 2: Das „Full Range of Leadership“ Model (Brandstätter, 2010, S. 28, zit. n. Judge, 2006)

Vorwort

Eine interessante, wenn auch arbeitsreiche Zeit liegt hinter mir. Ich habe während dieses Studiums viel über das Gesundheitswesen und das Management gelernt und fühlte mich außerordentlich gut begleitet durch das Studienteam, besonders durch Frau Wilk und Frau Lambrecht. Als Fernstudent habe ich es sehr schätzen gelernt, dass die Lerninhalte klar strukturiert und gut aufeinander aufgebaut präsentiert wurden und ich so zu jeder Prüfung gut einschätzen konnte, was mich erwartet, um so mein Zeitmanagement entsprechend zu gestalten.

Die Recherche für die Bachelorarbeit war für mich eine sehr lehrreiche Zeit, in der ich viele interessante Arbeiten gelesen habe und ein großes Verständnis für Führung entwickelt habe. Mein besonderer Dank gilt Dr. Heringshausen, der mein Interesse auf dieses Thema gelenkt hat. Besonders in meiner neuen Tätigkeit, der Stabsstelle für Fort- und Weiterbildung des Pflegevorstandes der Universitätsmedizin Rostock, kann ich das erworbene Wissen gut anwenden, da es für mich von entscheidender Bedeutung sein wird, Kurse für Stationsleitungen zu entwickeln, die sie als Führungskräfte in diesen stürmischen Zeiten besser aufstellen werden.

Nicht zuletzt möchte ich mich bei Dr. Heringshausen bedanken wegen der außerordentlich guten Betreuung während der Zeit des Schreibens und wegen der besonders gelungenen Seminare und Vorlesungen zur Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten, die mir während der Zeit des Schreibens immer Anleitung und Struktur gaben. Auch die Telefonate führten mich aus so mancher gedanklichen Einbahnstraße, herzlichen Dank auch hierfür.

Zusammenfassung

Als unmittelbare Vorgesetzte hat die Führungsarbeit der Stationsleitungen direkt und indirekt Einfluss auf die Gesundheit der Pflegekräfte. Die Führungskräfteforschung in der freien Wirtschaft hat sich schon seit längerer Zeit diesem Thema gewidmet, aber nicht unter der besonderen Betrachtung der Pflege. Angesichts der großen Rolle, die Pflegekräfte prospektiv bei der Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben haben, ist es verwunderlich, dass diesem Thema keine besondere Bedeutung beigemessen wurde. Diese Bachelorthesis versucht, die Lücke zu verkleinern. Es wurden elf wissenschaftliche Arbeiten zum Zusammenhang von Führung und Mitarbeitergesundheit untersucht und auf den Kontext von Stationsleitungen und Pflegekräften übertragen.

Pflegekräfte empfinden den Aufwand für ihre Arbeit in Deutschland hoch, teilweise zu hoch, wie die Werte für Overcommitment in der NEXT Studie ablesen ließen. Im Gegensatz dazu empfinden sie die Belohnung (Lohn, Anerkennung, Lob) als zu gering. Insgesamt wird im Leitungsbereich im Gesundheitswesen die Fachkompetenz über die Managementkenntnisse im Sinne von Organisations- und Personalentwicklung gestellt. Für einen gesundheitsförderlichen Führungsstil sind jedoch auch diese Kenntnisse notwendig.

1. Einleitung

Globalisierung und Strukturwandel der Arbeitswelt führt seit Jahren zu einer Entwicklung weg von der Industriearbeit hin zur Dienstleistungsarbeit. Der Anspruch an Dienstleistungsberufe ist geprägt von hoher Fachkenntnis, Komplexität der Arbeit, Zeitdruck und Verantwortung der Beschäftigten. Deutschland gehört zu den Nationen der wirtschaftlichen Hochleistungsgesellschaften, deren Leistungen einerseits den Wohlstand erhöhen, aber andererseits zu hohen Arbeitsbelastungen führen. Die Gesundheitswirtschaft in Deutschland erfährt durch die Reformpolitik der letzten Jahrzehnte eine rasante Wandlung der Rahmenbedingungen. Mit der DRG Einführung, die 2003 von vielen Krankenhäusern freiwillig begonnen wurde, verringerte sich bei fast der Hälfte aller Krankenhäuser (49,1%) die Erlössituation (Blum et. al., 2004, S. 7). Die veränderten finanziellen Rahmenbedingungen bringen Krankenhäuser in die Situation einer existentiellen Infragestellung ihres Fortbestandes, die es in dieser Art bisher nur in anderen Bereichen der Wirtschaft gab (Schrappe, 2005, S.111/112). Organisationen der Gesundheitswirtschaft müssen prospektiv „ihre strategische und operative Steuerungsfähigkeit verbessern…“, um den Anforderungen gewachsen zu sein (ebd., S. 112).

Auf die Gesundheitseinrichtungen wirkt damit ein hoher Reformdruck, der gekennzeichnet ist von Wirtschaftlichkeit und hohen Qualitätsanforderungen (Bandemer v., 2005, S. 126). Untersuchungen aus den USA belegen, dass Umstrukturierung von Unternehmen mit einer Erhöhung von Herzkrankheiten korreliert, die auf arbeitsbedingten Stress zurückgeführt werden (Badura et. al., 2005, S. V).

Der Pflegebereich gehört zu den personalintensivsten Bereichen der Gesundheitswirtschaft. Einer Pressemeldung des Statistischen Bundesamtes zu Folge, waren zum 31.12.2011 4,9 Millionen Beschäftigte im Gesundheitswesen tätig. Das entspricht einem Beschäftigungszuwachs von 1,8% im Jahr 2011. Damit wuchs die Zahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen von 2006 bis 2011 um 457 000 Personen oder 10,2 %, jedoch überwiegend im Bereich der ambulanten und stationären Pflege (destatis, 2013). Durch die demographische Entwicklung wird dieser Trend anhalten. Laut den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder sinkt die Einwohnerzahl in Deutschland bis 2030 um ca. 5 Millionen, wobei sich auch die Struktur der Bevölkerung verändern wird. Am deutlichsten wird dieser Rückgang in der Gruppe der unter 20-Jährigen zu bemerken sein. Die Gruppe der Erwerbstätigen wird um ca. 15% zurückgehen und die Gruppe der über 65-Jährigen wird auf über 20% ansteigen (Metz, et. al., 2009, S. 8-10). Die Pflegekräfte selbst unterliegen ebenso diesen demographischen Veränderungen, und es ist mit einer Änderung der Altersstruktur der Beschäftigten in der

Pflege zu rechnen. Die Zahl der Pflegebedürftigen wird ebenfalls zunehmen, damit wird der Bedarf nach Fachkräften steigen. Die Zahl der Auszubildenden wird sinken, und damit verringert sich ebenso die Zahl der Auszubildenden in Pflegeberufen. Schon heute reicht der Ersatzbedarf an Pflegekräften nicht aus (Larsen und Joost, 2010, S. 2).

Laut einer Studie des Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur in Frankfurt/Main (IWAK) haben die meisten Pflegekräfte eine hohe Berufsbindung und eine starke Identifikation mit dem Beruf, jedoch sind die Rahmenbedingungen vielfach nicht ausreichend um eine lange Erwerbstätigkeit zu ermöglichen. Diese Rahmenbedingungen so zu ändern, dass es den Pflegekräften möglich wird, lange im Beruf zu bleiben und somit zur Sicherung der künftigen Pflege und dem Abbau des Pflegekräftemangels entgegenzuwirken, stellen zukünftige Aufgaben der Gesundheitsbetriebe dar (Larsen und Jost, 2010, S. 3).

Durch den oben schon beschriebenen Reformdruck in der Gesundheitswirtschaft erleben wir einen Wertewandel in der Medizin und Pflege, weg von tradierten Werten als oberstes Wertemaß hin zu einer deutlichen Unterordnung dieser Werte unter ökonomische Interessen und Ziele (Iseringhausen, 2010, S. 119; zit. n. Lüngen und Lapsley, 2003). Das führt zum einen zu einer deutlichen Verunsicherung der Mitarbeiter, deren Einstellungen häufig noch von der tradierten Sichtweise der Medizin bestimmt werden. Dieser Veränderungsdruck geht mit psychischen Belastungen einher und führt andererseits zum Bedarf an ökonomischem Wissen und bei den Führungskräften an Führungskompetenzen, um die Mitarbeiter zu wirtschaftlichem Handeln zu bewegen, das sich an unternehmerischen Zielen und dem aktuellen medizinischen und pflegerischen Fachwissen orientiert (Iseringhausen, 2010, S. 120; zit. n. Vera, 2009, Golden et al., 2000). Die Übernahme der finanziellen Verantwortung der Ärzte für das wirtschaftliche Ergebnis der Kliniken konfligiert in hohem Maße mit dem ethischen Anspruch der Ärzte, den Kranken eine umfassende und uneigennützige Fürsorge zukommen zu lassen (Iseringhausen, 2010, S120; zit. n. Preston, 1992).

Die Frage nach einer effizienten Organisation der Pflege unter diesen Rahmenbedingungen gewinnt eine enorme Bedeutung für die ökonomische Entwicklung der Krankenhäuser. Die Auswirkungen der zunehmenden Ökonomisierung bedeuten für die Pflege in erster Linie, innerhalb kürzerer Liegezeiten mehr Patienten in höherem Lebensalter und Multimorbidität mit geringeren Personalressourcen unter gestiegenem Dokumentationsaufwand und hohen Qualitätsansprüchen zu versorgen. Genau wie in der Ärzteschaft ist bei den Pflegekräften die Einsicht bislang wenig vorhanden, dass pflegerisches Handeln nunmehr unter dem Einfluss der zunehmenden Ökonomisierung steht (Müller, 2011, S.4). Auf Grund der geschilderten Umstände haben Führungskräfte der unteren und mittleren Hierarchieebene (Stationsleitungen) im Krankenhaus eine Schlüsselposition. Sie stellen die interprofessionelle Kommunikation sicher, schaffen Rahmenbedingungen für die Leistungserbringer und sichern durch die Qualität ihrer Führungsarbeit ein maximales Output in hoher Qualität. Vor dem Hintergrund sinkender Nachwuchszahlen und einer älter werdenden Belegschaft sollte die Gesundheit und damit der Erhalt der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ein Unternehmensziel erster Ordnung sein (ebd., S. 6/7).

„Während sich der Beruf „Pflege“ und der Betrieb „Krankenhaus“ allgemein einer hohen wissenschaftlichen Aufmerksamkeit in verschiedenen Disziplinen erfreut, hat der Teilbereich „Pflegefachkräfte in der mittleren Führungsebene im Krankenhaus“ (Stationsleitung) bisher nur geringes Forschungsinteresse gefunden. Dabei ist dieser Teil der Pflegearbeit besonders interessant, weil hier die Aspekte „Person und Beruf“, „Pflege als Beruf“, „Krankenhaus als Organisation“ und „Führung in der mittleren Ebene“ zusammenfließen“ (ebd., S.6).

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Gesundheitsmodelle und Begriffsbestimmungen von Gesundheit

In der Definition der WHO (1946) wird Gesundheit als „Zustand völligen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ definiert. Diese idealistische Definition wurde jedoch häufig als vage und unkonkret beschrieben und ist unrealistisch, da ein „Zustand völligen körperlichen Wohlbefindens“ unerreichbar scheint (Ostermann, 2010, S.84/85).

In Studien wurde herausgestellt, dass sich in den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen differenzierte Vorstellungen von Gesundheit finden lassen. In einer Befragung von 9000 Personen in Großbritannien wurden folgende Merkmale von Gesundheit genannt: „1. psychisches Wohlbefinden (42%), 2. funktionale Leistungsfähigkeit (30%) und 3. körperliche Fitness (28%)“ ( Schneider, 2006, S. 430, zit. n. Blaxter, 1990).

Antonovsky konstruierte mit seinem Modell der Salutogenese ein Gesundheitskontinuum, in dem Gesundheit und Krankheit als zwei entgegengesetzte Pole verstanden werden, in welchem sich der Mensch durch verschiedene Einflüsse mal dem Pol Gesundheit und mal dem Pol Krankheit näher befindet. Das gesamte Leben lang sind Individuen mehr oder weniger Stressoren (schädigenden Einflüssen) ausgesetzt, unter deren Einfluss mit den vorhandenen unterschiedlichen Ressourcen die Positionierung in Richtung Gesundheit erhalten oder wiederhergestellt wird. Als Konstrukt hierzu entwickelte Antonovsky den “sense of coherence“ - SOC. Er ermöglicht dem Individuum die Stressoren zu bewältigen, indem er die Anforderungen versteht, ihnen eine Bedeutung oder einen Sinn geben kann und mit Hilfe seiner vorhandenen Ressourcen bewältigt (Schneider, 2006, S. 424, zit. n. Antonovsky, 1983).

Von dem Soziologen Parson wurde 1972 das „strukturfunktionale“ Konzept der körperlichen und geistigen Fitness entwickelt. Es orientiert sich an der Erfüllung sozialer Normen und „…geht davon aus, dass Gesundheit vorliegt, solange jemand die von ihm erwarteten Alltagsaufgaben und sozialen Rollen noch erfüllen kann“ (Ostermann, 2010, S.89, zit. n. Parson, 1972). Menschen, die auf Grund von Krankheit und Behinderungen nicht oder nicht mehr diese sozialen Anforderungen erfüllen können, aber gelernt haben damit umzugehen, werden demnach nicht als gesund angesehen (ebd.).

Die WHO hat ihre Definition 1984 erweitert. „Gesundheit ist das Ausmaß, in dem Einzelne oder Gruppen in der Lage sind, einerseits ihre Wünsche und Hoffnungen zu verwirklichen und ihre Bedürfnisse zu befriedigen, andererseits aber auch ihre Umwelt meistern oder verändern können. In diesem Sinne ist Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit ist ein positives Konzept, das die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen der Menschen ebenso betont wie dessen körperliche Leistungsfähigkeit“. Gesundheit wird damit eng im Zusammenhang mit gesellschaftlichen und ökonomischen Bedingungen gesehen, die sowohl ein Produkt des Einzelnen als auch der Gesellschaft sind (Ostermann, 2010, S. 90, zit. n. WHO, 1987).

Schneider (2006) resümiert: „Psychische Gesundheit und psychosoziales Wohlbefinden leiten sich nicht primär über die Vermeidung von psychischen und psychosozialen Belastungen her, sondern sollten einen stärkeren Bezug auf Konzepte des psychischen sowie psychosozialen Wohlbefindens und, wenn möglich, auf die Förderung von Bewältigungsressourcen nehmen“ (Schneider, 2006, S. 431).

Menschen in Gesundheitsberufen zeigen eine Besonderheit in ihren Vorstellungen von Gesundheit. Neben den Gesundheitskonzepten, die im sozialen oder familiären Kontext erworben wurden, haben sie auch die professionellen medizinischen (meist pathogenetisch ausgerichtete) Konzepte internalisiert. Beide Konzepte überlappen und ergänzen sich (Ostermann, 2010, S. 87; zit. n. Naidoo und Wills, 2003).

2.2 Gesundheitsrelevante Aspekte des Pflegeberufes

„Pflegepersonal gilt europaweit als besonders psychisch und physisch belastet.“ Im Rahmen der NEXT Studie, die von 2002 bis 2005 durchgeführt wurde, wurden 39 898 Pflegepersonen in 585 Einrichtungen des Gesundheitswesens in 10 Ländern Europas zur Zufriedenheit mit ihrer Arbeit befragt. Es wurde untersucht, warum viele Pflegekräfte den Beruf vorzeitig verlassen. In Deutschland fielen die Ergebnisse der Befragung besonders ungünstig im europäischen Vergleich aus, in Bezug auf quantitative Arbeitsanforderungen und der Zufriedenheit mit den Arbeitszeiten (Hasselhorn und Müller, 2005, S. 21/22).

Unbekannt war bis dahin auch, inwieweit Führung oder Arbeitsklima hierbei eine Rolle spielen könnten (NEXT Newsletter 1 12/2002).

2.2.1 Besonderheiten des Pflegeberufes

2.2.1.1 Historischer Kontext und deren Auswirkungen auf das Berufsverständnis

Die Geschichte der Krankenpflege ist eng verwoben mit dem Christentum. Ursprünglich war es ein Akt der Nächstenliebe sich um die Bedürftigen und Kranken zu kümmern und damit eine Aufgabe der christlichen Gemeinde. „Nachdem das Christentum im Jahr 391 zur Staatsreligion im römischen Reich erhoben wurde, konnten sich umfangreichere Formen einer organisierten Armen- und Krankenpflege entwickeln“ (Müller, 2011, S. 12). Bis zur Entstehung der Krankenpflege als Beruf vergingen noch einige Jahrhunderte. Bis dahin war die Krankenpflege sowohl in konfessionellen als auch nicht konfessionell gebundenen Krankenhäusern stark hierarchisch organisiert, nicht oder sehr schlecht bezahlt und einhergehend mit schlechten Arbeitsbedingungen und langen Arbeitszeiten. Auch die Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes übernahm bei ihrer Gründung deren „konfessionell geprägte Organisationsform“, die geprägt war von religiösen Motiven mit strengen Gehorsamkeitsregeln. Die Entstehung der Krankenpflege als bezahlter Beruf war nur möglich, weil der Bedarf an Pflegekräften nicht ausreichte. Diese freien Pflegerinnen waren zunächst unorganisiert, schlecht bezahlt und hatten einen niedrigen sozialen Status. Die erste Berufsorganisation geht auf Agnes Karll zurück, die 1903 mit Hilfe der Frauenverbände die „Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands" (B.O.K.D.) gründete. Bis zur Gründung des „Deutscher Berufsverband für Krankenpflege“ (DBFK) (1973) als Dachverband aller Schwesternverbände gab es eine uneinheitliche berufspolitische Organisation der Schwesternschaft mit vielen Verbänden und unterschiedlichen Partikularinteressen. Jedoch wirkt bis heute die unterschiedliche Entstehungsgeschichte der einzelnen Verbände nach, so dass der DBFK sich nicht als gemeinsame berufspolitische Interessenvertretung etablieren konnte (Müller, 2011, S. 23/24).

Aus der historischen Betrachtung der Entwicklung der Krankenpflege lassen sich einige bis heute nachwirkende Merkmale herausarbeiten. Die berufliche Krankenpflege entstand aus der christlichen Tradition der Nächstenliebe heraus. Bis heute hat, trotz aller Professionalisierungsbestrebungen, die Pflege das Stigma einer „semi-professionellen Berufstätigkeit“. Es „werden … weibliche Typisierung mit fachlichen Anforderungen verknüpft, um damit die Nachrangigkeit gegenüber einer von Männern dominierten, universitär-zentrierten Medizin deutlich zu machen“ (Müller, 2011, S.43). Diese Sicht hat sich auch im eigenen Berufsverständnis der Pflegekräfte etabliert. Im Gegensatz zur Ärzteschaft gibt es bis heute kein einheitliches Berufsverständnis, das auch Ausdruck findet in der Heterogenität der Berufsverbände und deren Interessen. Bei den Pflegekräften findet das seinen Ausdruck im Desinteresse gegenüber Berufspolitik. Die Ärzteschaft hat sich damit in Deutschland früh das Monopol des Expertenstatus gesichert, die Binnenkontrolle durch die Ärztekammern organisiert und eine entsprechende Vergütung bei den Krankenkassen erkämpft. Unter diesem Eindruck erscheint Krankenpflege im gesamtgesellschaftlichen Bild der Medizin nachrangig (ebd., S. 43/44).

2.2.1.2 Merkmale der Pflegearbeit

Der Charakter der Pflegearbeit ist zum überwiegenden Teil Dienstleistungsarbeit. Hierbei gibt es einige Spezifikationen, die die Besonderheiten der Arbeit im Gesundheitswesen ausmachen. Für Güter im Dienstleistungsbereich gilt das „uno-actu-Prinzip“, d. h. Produktion und Konsumption erfolgen gleichzeitig, können weder räumlich noch zeitlich getrennt werden und sind nicht lagerbar. Damit wird der Konsument zum Koproduzent, und dessen Mitarbeit ist entscheidend für die Struktur- und Ergebnisqualität. Die Nachfrage ist relativ häufig unaufschiebbar, da im Gesundheitswesen die Nachfrage der Leistungen mit der Gesundheit oder schlimmstenfalls dem Leben von Menschen in Verbindung steht (Wasem und Buchner, 2006, S. 8). Bei Pfaff et al. (2000) wird die Dienstleistungsarbeit noch in güterbezogene, informationsbezogene und personenbezogenen Dienstleistungen unterschieden. Die Arbeit der Krankenpflege gehört zur personenbezogenen Dienstleistungsarbeit, was bedeutet, dass „…alle bewusst gewollten und planmäßig dispositiven und ausführenden Tätigkeiten, unmittelbar am und für den Menschen…“ vollzogen werden (Pfaff, et. al., 2000, S. 72/73).

Die Arbeit in der Krankenpflege ist komplex und interaktionsintensiv, was zur Folge hat, dass sie abwechslungsreich und interessant und damit entlastend und bereichernd sein kann. Andererseits ist viel Beziehungsarbeit notwendig, die mit Emotionsarbeit verbunden ist und zu Stress führen kann, da sie häufig konfliktbesetzt ist. Alles in allem kann konstatiert werden, dass Dienstleistungsarbeit im Gesundheitswesen sehr personalintensiv und dadurch auch nur begrenzt rationierbar und standardisierbar ist (ebd.).

2.2.1.3 Merkmale der Funktion der Stationsleitungen

In der Krankenhauskultur spielt die Position der Stationsschwester eine unverwechselbare, auf der Tradition der Organisation Krankenhaus beruhende, soziale Rolle. Während Bereichsleitungen, Funktionsdienstleitungen oder Pflegedienstleitungen für Außenstehende eher unscharf eingeordnet werden können, so ist anzunehmen, dass auch ohne eigene Krankenhauserfahrung die „Stationsleitung … in der Pflegehierarchie eine berufliche Aufstiegsposition“ darstellt (Müller, 2011, S. 92). Für den Zugang gibt es jedoch keine eindeutig geregelten Voraussetzungen, die über die entsprechende berufliche Grundqualifikation hinausgehen. Über die spezielle Situation der Stationsleitungen ist die Datenlage eher dürftig. Traditionell wurde die Position der Stationsleitung vertikal vergeben, das heißt, die beste Pflegeschwester erhielt die Position der Leitung.

Eine von Müller im Jahr 2000 durchgeführte Analyse von Stellenanzeigen für Stationsleitungen verdeutlichte das heterogene Bild der Zugangsvoraussetzungen. „Ausgewertet wurden insgesamt 294 Anzeigen aus Fachzeitschriften. Dabei ergab sich folgendes Bild: Formale Kriterien wie die Weiterbildung zur Stationsleitung (197 Nennungen) und mindestens dreijährige Berufserfahrung (138) lagen weit vor anderen gewünschten Kompetenzen. Managementkompetenzen, wie z.B. Organisationsfähigkeit (78), Führungskompetenz (61) lagen hinter der Forderung nach fachlichen Kenntnissen (108 Angaben). Wirtschaftliches Denken wurde nur in 46 Anzeigen gefordert.“ (Müller, 2011, S. 92). Die Anzeigen lassen den Schluss zu, dass der Stationsleitungskurs als Qualitätskriterium anerkannt ist, aber die fachliche Kompetenz gegenüber der Führungskompetenz höher gewichtet wird (ebd.)

Anders als beim Meister, der seine Autorität durch „gesellschaftliche Zuschreibungen und aufgrund seiner nachweisbaren Kompetenz“ (Meisterlehrgang) erworben hat, muss die Stationsleitung sich ihre Autorität durch besondere „fachliche und/oder soziale Kompetenzen“ erst erwerben (Müller, 2011, S. 93; zit. n. Wettreck, 2001).

In der derzeitigen Umbruchsituation im Gesundheitswesen sind neben den oben genannten auch wirtschaftliche und administrative Kompetenzen notwendig, um pflegerische Interessen mit kaufmännischen Interessen des Unternehmens Krankenhaus in Einklang zu bringen. Pflegekräfte sind fachlich gut ausgebildet. Kompetenzen im Bereich Personalführung und Management werden in unterschiedlicher Ausprägung in den Kursen zur Weiterbildung zur Stationsleitung vermittelt, aber die Einübung der entsprechenden Verhaltensmuster von Führungskräften oder die praktische Begleitung bei der Einarbeitung ist meist nicht gegeben (Müller, 2011, S. 93). Die mittlere Führungsebene befindet sich zwischen den Ebenen der „…planenden und der ausführenden Arbeit…“ (Müller, 2011, S. 94). So wird von der höheren Führungsebene erwartet, dass die Stationsleitung die betrieblichen Vorgaben umsetzt, andererseits erwarten die Mitarbeiter, dass die Stationsleitung ihre Interessen bei der Arbeitsorganisation berücksichtigt. Diese Position wird als Sandwichposition beschrieben. Die einzelnen Stationen besitzen in der Gestaltung der Arbeitsbedingungen eine relativ große Handlungsautonomie. „Sie muss also die Interessen und Perspektiven der Mitarbeiter bedenken und versuchen, sie in ihr Führungshandeln zu integrieren“(ebd., S. 95).

2.2.2 Belastungsfaktoren des Pflegeberufes

2.2.2.1 Körperliche Belastungsfaktoren

Aus den Besonderheiten der Gesundheitsgüter (uno-actu-Prinzip) die unter Punkt 2.1 beschrieben worden sind, resultieren die von Pflegekräften angegebenen körperlichen Belastungen. Der Pflegeberuf erfordert, „dass Tätigkeiten vollständig, ohne Zeitverzögerung und unabhängig von den aktuellen Bedingungen ausgeführt werden.“ (Estryn-Behar et. al., 2005, S. 101). Als besonders belastend werden Tätigkeiten wie Heben, Tragen, Lagern und Mobilisieren von Patienten sowie langes Stehen und Arbeiten in ungünstigen Positionen empfunden. Technische Hilfsmittel wurden, wo flächendeckend vorhanden, auch eingesetzt. In Notfallsituationen, die relativ häufig in der Intensivmedizin und in Notfallambulanzen vorkamen, muss das Pflegepersonal häufig allein, unter extremen Anstrengungen und unter hohem Druck handeln, was zusätzlich als belastend empfunden wurde. Der Einsatz von technischen Hilfsmitteln verbietet sich häufig angesichts der Zeit der Vorbereitung, die benötigt würde. Insgesamt betrachten 80% aller befragten Pflegekräfte ihren Beruf als körperlich anstrengend, die Zufriedenheit in Bezug auf körperliche Belastungen erhöhte sich jedoch mit der Höhe der beruflichen Position und variierte auch von Land zu Land (ebd., S. 105).

2.2.2.2 Psychosoziale Belastungsfaktoren

Gemäß der DIN EN ISO 10075-1 ist der Begriff psychische Belastung folgendermaßen definiert: „…die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.” (Stadler und Spieß, 2002, S. 2). Hingegen wird unter psychischer Beanspruchung „…die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden oder augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien…” verstanden (Stadler und Spieß, 2002, S. 2). Das bedeutet, dass psychische Belastungen durch messbare Einflüsse entstehen, die auf den Menschen wirken. Psychische Beanspruchung hingegen bezeichnet das Ergebnis der individuellen Verarbeitung der psychischen Belastung und kann individuell variieren (ebd.).

Die Ursachen für psychische Belastungen im Arbeitskontext können in sechs Bereiche zusammengefasst werden:

- gesellschaftliche Bedingungen (z.B. Arbeitsplatzabbau)

- Arbeitsaufgabe (z.B. Zeit- und Termindruck)

- Arbeitsumgebung (z.B. Lärm, mangelhafte ergonomische

Verhältnisse)

- betriebliche Organisation (z.B. unklare Kompetenzregelungen,

strukturelle Veränderungen)

- soziale Umwelt (z.B. konflikthafte Arbeitsbeziehungen zu

Vorgesetzten und Kollegen)

- individuelle Stressoren (z.B. Perfektionismus, Es-allen-recht-machen-

wollen) (Stadler und Spieß, 2002, S. 3)

Psychosoziale Belastungsfaktoren sind eine Teilmenge der psychischen Belastungen und sind zu finden in den sozialen Arbeitsbedingungen (z. B. fehlender Anerkennung, Konflikte). Neben den sozialen Arbeitsbedingungen können aber auch die Arbeitsaufgaben Stressreaktionen hervorrufen. Wenn z. B. diese Aufgaben unter hohem Zeitdruck oder unter dem Einfluss von häufigen Störungen zu verrichten sind. Im Ergebnis führen die psychosozialen Belastungen kurzfristig zu dem Erleben von Stress und damit dem Verlust von Wohlbefinden und Lebensqualität und mittel- und langfristig zu gesundheitlichen (psychischen und physischen) Beeinträchtigungen. Für den Arbeitgeber hat das ebenso negative Folgen, die ihren Ausdruck in Leistungsschwankungen, erhöhter Fehlerquote finden und damit letztlich zu verminderten Ergebnissen und hoher Fluktuationsrate führen können (ebd., S.3, 4).

Gemäß den Fehlzeitenreporten der Krankenkassen ist die Bedeutung der psychischen Erkrankungen als Ausdruck der Zunahme der psychischen Belastungen in den letzten Jahren im Gegensatz zu den körperlichen Erkrankungen ständig gewachsen. Laut der Arbeitsunfähigkeitsstatistik der AOK von 2008 wurden insgesamt 181,8 Arbeitsunfähigkeitst- tage und 8,1 Arbeitsunfähigkeitsfälle je 100 AOK-Mitglieder aufgrund psychischer Erkrankungen verzeichnet. Damit hat sich die Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle seit 1997 verdoppelt und die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage um 83,3 % zugenommen (Heyde und Macco, 2009, S. 33).

Braun und Müller stellen in ihrem Artikel den Pflegeberuf als einen Beruf mit besonderen psychosozialen Belastungen dar, die sich aus dem „uno-actu-Charakter“ ergeben (Braun und Müller, 2005, S. 132). Ergebnisse einer von Braun und Müller durchgeführten Befragung (2003) von Pflegekräften ergab, dass 56,1 % der befragten Pflegekräfte den Zeitdruck als belastend empfanden, gefolgt von zu vielen administrativen Tätigkeiten (49,8 %), störenden Unterbrechungen (38,4 %) und anspruchsvollen Angehörigen-/Patientengesprächen (26,9%). Im Vergleich mit Bürofachkräften, die mit 0,09 Merkmalen relativ gering belastet waren, kommen Krankenschwestern im „Normaldienst“ mit 1,7 und Pflegehelferinnen mit 2,06 Belastungsmerkmale auf wesentlich höhere Werte (ebd., S. 133).

2.2.2.3 Belastungen, die sich aus der Organisation Krankenhaus ergeben

Krankenhäuser sind Experteneinrichtungen, an die sich Menschen wenden, die sich in Ausnahmesituationen (Krankheit) befinden. Das Ausmaß der Leistungen wird in der Regel nach dem Umfang des medizinisch Notwendigen definiert. Die Patienten sind in der Regel nicht in der Lage die Effekte und damit die Qualität der Behandlung zu beurteilen. Der Empfang der Leistungen ist von ihrer Kaufkraft unabhängig (Müller, 2011, S. 25). Bis in die Mitte der 70-iger Jahre war das Gesundheitswesen in Deutschland geprägt von starken Anreizen zur Mengenausweitung der Leistungserbringer durch das Selbstkostendeckungsprinzip und die Einzelleistungsvergütung. Die Krankenkassen genossen Bestandsschutz und bekamen ihre Mitglieder automatisch zugewiesen. Mit der Entwicklung der zunehmenden Unterfinanzierung der Gesundheitsleistungen wurde ein Reformprozess des Gesundheitswesens eingeläutet, der bis heute anhält. In dieser und der letzten Dekade dieses Jahrtausends müssen Krankenhäuser den Spagat zwischen der Erhöhung der Ausgaben durch Personalkosten (z.B. Tarifsteigerungen der Ärzte und des Pflegepersonals) sowie den steigenden Betriebskosten (z.B. Erhöhung der Energiekosten) und den gleichzeitig geringeren Anhebungen der Budgets vollbringen. „Auf Kostensteigerungen reagierten die Krankenhäuser … mit dem Abbau von Stellen des Pflegepersonals. Seit Mitte der 90er Jahre wurden 50 000 Pflegestellen in Krankenhäusern gestrichen (im gleichen Zeitraum stiegen die Arztstellen um 20 000), so dass mittlerweile ein Pflegenotstand zu Lasten der Patienten befürchtet wird.“ (Birkner, 2009, S. 47/48). Während die mittlere Verweildauer der Patienten 1991 noch bei 14,6 Tagen lag, hat beispielsweise das Marburger Klinikum die mittlere Verweildauer im Jahr 2003 (DRG- Früheinführung) von 7,9 auf 7,1 Tagen reduziert. Durch den oben beschriebenen Stellenabbau und die Kürzung der mittleren Verweildauer kommt es zu einer deutlichen Arbeitsverdichtung im pflegerischen Bereich (Schrappe, 2005, S. 114).

Um sich den neuen Herausforderungen zu stellen, müssen sich die Krankenhäuser, gemäß des Stakeholderansatzes, in einen „lebendigen und widerspruchsvollen Austausch“ mit ihren Anspruchsgruppen begeben, was bedeutet, dass bei der Führung des Unternehmens Krankenhaus die modernen Wirtschaftswissenschaften mit einfließen müssen. Auf die Krankenhäuser kommt damit ein Prozess des von der Organisationsleitung gesteuerten Wandels zu, die so genannte Organisationsentwicklung. Die Mitglieder der Organisation müssen ihren Wissensstand erweitern, so dass sie in der Lage sind, die Beziehungen zwischen dem Verhalten ihrer Organisation und der instabilen Umwelt besser zu verstehen und den Wandel aktiv mitzugestalten (ebd., S. 112). In Deutschland sind Krankenhäuser historisch gewachsene Expertenorganisationen. Die Abteilungen sind hier stark hierarchisch strukturiert und von Chefärzten geführt, die dem patriarchalischen Führungsstil anhängen. Bei organisationsentwickelnden Maßnahmen muss diese Ebenen mit einbezogen werden. Die Arbeitsbedingungen sind durch Schichtdienst und Überstunden gekennzeichnet (ebd., S. 113).

2.3 Determinanten zur Bestimmung von Führungsqualität

2.3.1 Begriffsbestimmung von Führung

Allgemein wird Führung immer dort notwendig, wo Menschen zusammen arbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen, um das Miteinander aufeinander abzustimmen. Führung kann zum einen erreicht werden, indem Strukturen die Menschen lenken und zum anderen, indem Führung durch Personen erfolgt (Wiegratz, o.J., S. 31). Kurz gesagt ist „Führung die bewusste und zielbezogene Einflussnahme auf Menschen“ (von Rosenstiel, 2009, in Nerdinger et. al., 2011, S. 82). Die Ziele dieser Einflussnahme unterliegen den Interessen des Unternehmens. Führung soll dazu beitragen, dass Unternehmen ihre Ziele erreichen oder gar übertreffen. Demzufolge zeigt sich nach dieser Definition Führungserfolg an der Leistung der Mitarbeiter (ebd.). Damit wird Führung zum Sammelbegriff aller Interaktionsprozesse, „ … in denen ein absichtliche soziale Einflussnahme von Personen auf anderer Personen zur Erfüllung gemeinsamer Aufgaben im Kontext einer strukturierten Arbeitssituation erfolgt“ (Kauffeld, 2011, S. 67 zit. n. Wegge und von Rosenstiel, 2004).

Marcus (2011) führt weiter aus, dass Einflussnahme nur über Macht erfolgen kann. Seine Argumentation stützt sich auf die klassische Theorie von French und Raven (1959), bei denen „sechs Machtbasen“ unterschieden werden: 1. Belohnung und 2. Zwang (setzen die Verfügung der Führung über Ressourcen voraus), 3. Legitimation (formale Weisungsbefugnis), 4. Expertise (Fachkompetenz), 5. Information und 6. Beziehungsmacht (freiwillige Anerkennung der Gefährten). Die letzten Drei bedürfen keiner formalen, hierarchischen Vorgesetztenposition und deshalb kann Führung auch multidirektional erfolgen. Jedes Gruppenmitglied kann ein gewisses Maß an Führung übernehmen. Somit kann Führung von oben nach unten (top down), lateral (Führung unter Gleichgestellten) oder von unten, von den Mitarbeitern zur Führungsperson (bottom up) erfolgen (Marcus, 2011, S. 99/100).

Kauffeld unterscheidet die Interaktionsprozesse weiterhin in personalisierte Führung und entpersonalisierte Führung. Personalisierte Führung umfasst alle sozialen Prozesse, die „…direkt zwischen gleichzeitig anwesenden Personen geschehen“ (Kauffeld, 2011, S. 68/69). Bei der entpersonalisierte Führung gibt es keine vorgesetzte Person; hierbei handelt es sich um Vorschriften und Strukturen, die geschaffen wurden, um Mitarbeiter zu systemkonformen Verhalten zu bewegen (z. B. Vorschriften, Strukturen, Zielvereinbarungen). Den Führungskräften wird im Prozess der Einflussnahme eine besondere Position zugeschrieben, da sie das Handeln anderer Personen mehr beeinflussen, als selbst beeinflusst zu werden, da sie in der Regel die „Belohnungs- und Bestrafungsmacht“ auf Grund ihrer Position und damit ein größeres Einwirkungspotential haben (ebd.).

Um den Führungserfolg zu erklären, wurden verschiedene Führungstheorien entwickelt, die interdisziplinär aus unterschiedlichen Wissenschaften hervorgegangen sind. Diese Theorien wurden aus Forschungen der Psychologie, der Wirtschaftswissenschaften, der Pädagogik und der Soziologie gespeist. In der Psychologie werden verschiedene theoretische Ansätze unterschieden (Kals und Gallenmüller-Roschmann, 2011, S. 80):

- Eigenschaftstheoretische Ansätze - Gehen davon aus, dass Führungserfolg „… auf

bestimmten stabilen, individuellen Persönlichkeitsmerkmalen der Führungsperson…“ beruhen (Kauffeld, 2011, S. 70).

- Verhaltenstheoretische Ansätze - Führungserfolg beruht auf erlernten, individuellen

Verhaltensweisen, die durch Analyse der Führungsperson veränderbar sind. Hierunter fallen auch die Führungsstile autoritär, laissez-faire und demokratisch (ebd., S. 71).

- Situationstheoretische Ansätze - Führungserfolg beruht hier auf der Anpassung der

Führungsperson auf gewisse „Anforderungen der Situation“ (ebd., S. 72).

Kauffeld (2011) unterscheidet weiterhin in:

- Interaktionistische Ansätze - betrachtet die Interaktion von Führung und

Vorgesetzten.

- Indirekte und implizite Ansätze - beleuchten die indirekte Wirkung des Handelns der

Führungsperson.

- Macht- und Einflussansätze - betrachten die Führungssituation als Prozess der

wechselseitigen Einwirkung von Führenden und Geführten.

- Führung in Gruppen - analysiert Gruppenprozesse in Führungssituationen

- Neuroleadership - lässt Ergebnisse der Hirnforschung (Neuropsychologie) zur

Erklärung des Führungsgeschehens mit einfließen (Kauffeld, S., 2011, S. 73ff).

In dem Rahmenmodel der Führung nach Nerdinger wird die Führungssituation systematisch dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 Rahmenmodell der Führung (Nerdinger et al., 2011, S. 83)

Die Person Führungskraft zeigt ein bestimmtes Verhalten, dass sich im Ergebnis zusammensetzt aus der Persönlichkeitsstruktur der Person und deren Verhalten im Umgang mit den Geführten. Die Persönlichkeit ist für die Geführten indirekt wahrnehmbar und findet ihren Ausdruck im Verhalten. Die Geführten ihrerseits haben einen gewissen Einfluss auf die Führungsperson. Eine weitere Determinante, die auf den Führungserfolg wirkt, ist die Situation. Sowohl die Persönlichkeit als auch das Verhalten der Führungskraft passt sich den Bedingungen der jeweiligen Situation an. Gegenüber weniger motivierten Mitarbeitern in großen Teams, die gering qualifiziert sind, wird eher ein aufgabenorientiertes Führungsverhalten zum gewünschten Erfolg führen, das von klaren Aufgabenstellungen und Kontrolle der Ergebnisse geprägt ist. Hingegen brauchen akademisch qualifizierte Mitarbeiter, die sich mit hoher Motivation in die Prozesse einbringen, einen gewissen Handlungsspielraum, der sich in mitarbeiterorientiertem Verhalten widerspiegelt (ebd.).

Den folgenden Ausführungen zur Exploration von Führung liegt das Rahmenmodell von Führung von Nerdinger zu Grunde.

2.3.2 Der Einfluss der Persönlichkeit auf Führung

Bei Kauffeld (siehe Punkt 3.1) werden Persönlichkeitsmerkmale als stabil, zeit- und situationsunabhängig beschrieben (Kauffeld, S., 2011, S. 70). Es handelt sich hierbei um Merkmale wie: Eigenschaften, Einstellungen, Handlungs- und Selbstkonzept der Führungsperson (Kals und Gallenmüller-Roschmann, 2011, S. 85). Die ältesten Führungstheorien beschäftigen sich in erster Linie mit der Person des Führers. Nach der Great-Man-Theorie, die von Carlyle 1888 entwickelt wurde „ Ist es nur der richtige Führer, … (der) aus einem Heer von Feiglingen Löwen machen (kann).“ (Kauffeld, 2011, S. 70, zit. n. Carlyle, T., 1888). Demnach wird die Persönlichkeit als Hauptgrund für Führungserfolg herausgestellt und alle anderen Einflussgrößen (z.B. Verhalten in Interaktionsprozessen mit Geführten, Macht und Einfluss) spielen nur eine untergeordnete Rolle. Diese Betrachtungsweise findet in der Theorie der charismatischen Führungsperson seinen Ausdruck, die 1921 von Weber entwickelt wurde. Charisma wird aus der Perspektive der Geführten identifiziert. Es bedeutet, dass eine Führungsperson „starke Ausstrahlung und Überzeugungskraft“ besitzt (Kals und Gallenmüller-Roschmann, 2011, S. 85/86).

„Als Korrelate des Führungserfolges konnten u. a. Intelligenz, Selbstvertrauen, emotionale Reife, internale Kontrollüberzeugungen und hohe Stresstoleranz ermittelt werden.“ Weiterhin fand man ein großes Leistungsmotiv und „ein hohes sozialisiertes Machtmotiv“ bei Personen in Führungspositionen (Kauffeld, 2011, S. 70, zit. n. Yukle, 2002).

Mit dem Fünf-Faktoren-Modell der Persönlichkeit, das 1993 von Borkenau und Ostendorf entwickelt wurde, lassen sich fünf Persönlichkeitseigenschaften, die mit Führungserfolg positiv oder negativ assoziiert werden, zusammenfassen (Nerdinger et al., 2011, S. 86):

1. Gewissenhaftigkeit - „diese Eigenschaft umfasst… Aspekte der Verlässlichkeit

(ordentlich, zuverlässig) als auch Leistungsorientierung (hart arbeitend, ehrgeizig)“

2. Extraversion - umfasst Eigenschaften, wie z.B. Geselligkeit, Aktivität, energisches

Verhalten, Personenorientiertheit, Herzlichkeit, Optimismus, Vitalität

3. Neurotizismus - Menschen mit hoher Ausprägung dieser Eigenschaft sind nervös,

ängstlich, traurig, unsicher, besorgt, haben eher unrealistische Ideen und eine geringere Stresstoleranz

[...]

Fin de l'extrait de 66 pages

Résumé des informations

Titre
Einfluss von Führungskräften auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Stationsleitung im Krankenhaus
Université
University of Applied Sciences Magdeburg  (Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen)
Note
2,6
Auteur
Année
2013
Pages
66
N° de catalogue
V420659
ISBN (ebook)
9783668686304
ISBN (Livre)
9783668686311
Taille d'un fichier
665 KB
Langue
allemand
Mots clés
Gesundheit und Führung, Pflege und Gesundheit, Krankenhaus als Organisation, Führung in der mittleren Ebene
Citation du texte
Dorothea Höft (Auteur), 2013, Einfluss von Führungskräften auf die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Stationsleitung im Krankenhaus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/420659

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