Der Beatnik Allen Ginsberg als Repräsentant der Beat Generation. Der homosexuelle Aspekt in seinem Leben und seiner Lyrik


Seminar Paper, 2001

27 Pages, Grade: 2


Excerpt


Gliederung

0. Vorwort

1. Der historische und gesellschaftliche Kontext der Beat Generation und die Vereinigten Staaten von Amerika Mitte der vierziger und fünfziger Jahre

2. Das wesen der Beat Generation und das Wirken der Beatniks auf die Gesellschaft

3. Die Stellung der Homosexualität in Literatur und Gesellschaft dieser Epoche

4. Die Bedeutung der Homosexualität im Leben des Beatniks Allen Ginsberg

5. Der homosexuelle Aspekt im literarischen Schaffen des Autors

6. Resumée

0. Vorwort

Eine Arbeit über die Beat Generation und den Beatnik Allen Ginsberg zu verfassen ist insofern ein durchaus schwieriges Unterfangen, als eine Fülle teils unüberschaubarer Materialien existiert durch die man sich hindurcharbeiten muss, und deren Qualität in vielen Fällen für eine seriöse, wissenschaftliche Arbeit wenig brauchbar ist. Dennoch stellt die Untersuchung zur Beat Generation, insbesondere die Beschäftigung mit Ginsberg und dessen Werk eine Herausforderung dar, der ich mit dieser Arbeit wahrscheinlich nur in Ansätzen gerecht werden kann. Beschäftigt man sich mit der Beat Generation und deren Repräsentanten, treten eine Menge verschiedenartiger Aspekte in Erscheinung, die genauer zu untersuchen durchaus interessant wäre. In dieser Arbeit soll es vornehmlich um Allen Ginsberg, dessen Homosexualität, sowohl in seinem Leben als auch in seinem Schaffen gehen. Natürlich ist es unumgänglich hier auch auf die Beat Generation als literarische Strömung einzugehen.

Zunächst will ich versuchen den historischen Kontext, in dem sich die Beat Generation entwickelte, in groben Zügen zu skizzieren, da es schlichtweg unmöglich ist sich einer literarischen Gruppe zu nähern, ohne die historischen Umstände unerwähnt zu lassen und in die Analyse zu integrieren. Das Wesen, vor allen Dingen aber das Wirken der Beatniks auf die damalige Gesellschaft ist ein weiterer Aspekt, den ich analysieren werde. Unbestritten stellt die Beat Generation eine literarische Gruppierung dar, deren Wirkung auf die Gesellschaft insofern von Bedeutung war, als durch sie eine Literatur zustande kam, die nicht nur avantgardistisch anmutete, sondern in großem Maße eine prüde Gesellschaft – die im Amerika der 50er Jahre zweifelsohne anzutreffen war – außerordentlich provozierte. Bevor ich auf die Bedeutung der Homosexualität im Leben von Allen Ginsberg und auch auf den homosexuellen Aspekt in seinem literarischen Schaffen näher eingehen werde, ist es unumgänglich einen kurzen Blick auf die Stellung der Homosexualität in Literatur und Gesellschaft, zu werfen.

Im Rahmen einer solchen Arbeit ist es selbstverständlich nicht möglich alle Detailaspekte, die dieses Thema aufweist, genauer zu beleuchten. Gerade bei der Darstellung der Beat Generation komme ich nicht umhin viele bemerkenswerte Einzelaspekte unter den Tisch fallen zu lassen, so dass hier die heilige Kuh der Vollständigkeit halber geschlachtet werden muss. Die Arbeit soll als Denkansatz gelesen werden, als die Herausarbeitung einzelner Aspekte, welche die Beat Generation und letztlich auch Ginsberg wesentlich geprägt haben.

1. Der historische und gesellschaftliche Kontext der Beat Generation und die Vereinigten Staaten von Amerika Mitte der vierziger und fünfziger Jahre

Die Vereinigten Staaten von Amerika gingen im Jahre 1945 als Sieger eines gewonnenen Kriegen gegen die Faschisten in Europa hervor. Die Befreiung Deutschlands von den Faschisten kann zweifelsohne positiv gewertet werden, wenngleich Stimmen laut wurden, die eine frühere Intervention der USA in das Kriegsgeschehen postulierten. Bedingt durch diesen Sieg entwickelte sich die USA graduell zu einer in politischer und auch ökonomischer Hinsicht dominierenden Weltmacht, was Anfang der 50er Jahre zu einer wesentlichen Ost – West Polarisierung führte, die wiederum in den frühen 70er Jahren gerade in Westeuropa zu einer stark antiamerikanischen Haltung unter Intellektuellen führte.

Die Vereinigten Staaten hatten jedoch nicht nur einen Sieg davongetragen, sondern auch ein unheilvolles Erbe anzutreten, nämlich den Atombombenabwurf auf die Städte Hiroshima und Nagasaki, was das Verhältnis zwischen Amerikanern und Japanern in den darauffolgenden Jahren beeinflussen sollte. Im Zuge der Ost – West Polarisierung und einer Verschärfung des Kalten Krieges entwickelte sich in den 50er Jahren ein aus konservativen Lagern der damaligen amerikanischen Regierung aufkeimender, völlig outrierter und auch unbegründeter Antikommunismus, der bald auch auf Teile der Gesellschaft überschwappte. Senator McCarthy schürte eine Volkshysterie, die nicht zuletzt zu Verhören aber auch Überprüfung namhafter Schriftsteller führte, von denen die Regierung annahm sie kooperierten mit dem russischen Geheimdienst. Eine förmliche Hexenjagd setzte ein, eine Hexenjagd die Arthur Miller, der auch heute noch amerikakritische Töne anschlägt, in The Crucible vortrefflich beschreibt. Die Regierung unter General Eisenhower demonstrierte überdies ihre militärische Omnipräsenz auf flagrante Weise.

Zweifelsohne kann die amerikanische Gesellschaft der 50er Jahre als eine Gesellschaftsformierung definiert werden, deren oberstes Prinzip darin bestand einen Moralkodex zu entwickeln und diesen auch a tout Prix aufrechtzuerhalten. Jener Moralkodex durchtränkte eine Nation, die nicht nur dem Puritanismus stark verpflichtet war, sondern im Rahmen einer technischen Modernisierung, auch für eine Chancengleichheit eintreten wollte und jedem Bürger im Land der „Unlimited Possibilities“ die theoretische Chance zu offerieren, vom Tellerwäscher zum Millionär zu avancieren. Diese Chancengleichheit aber, die im Phänomen des American Dream gipfelte, erwies sich für viele Amerikaner als blanke Illusion.

Die sogenannte Doris Day – Sauberkeit, die von der amerikanischen Gesellschaft zum erstrebten Leitbild erhoben wurde, existierte letztlich nur in der Werbung. Ein Leitbild von Biederkeit durchsetzt, das in der Werbung massenhaft transportiert wurde, um von dort aus bestimmte gesellschaftliche Zirkel zu erreichen versuchte.

Die amerikanische Nation, die gestärkt aus dem zweiten Weltkrieg hervorging, war mit den Problemen einer einsetzenden Immigrationswelle eines sich auftuenden Rassismus und auch vielen anderen politischen Unwägbarkeiten konfrontiert. Die Ideale und Tugenden, aber ebenso der Glaube an eine sozial ausgeglichene Gesellschaftsformation schwanden angesichts solcher Tendenzen zusehends und wurde gerade bei jungen Menschen durch eine offenkundige Desillusionierung substituiert. In dieser widersprüchlichen, bis zu einem gewissen Grade auch vergifteten und unaufrichtigen Atmosphäre entstand die Beat Generation, eine Gruppe von Künstlern, die sich gegen jene Ambivalenz auflehnen sollte.

2. Das Wesen der Das Wesen der Beat Generation und das Wirken der Beatniks auf die Gesellschaft.

Will man einer literarischen Strömung oder aber Gruppierung eine möglichst konzise Definition oder Charakterisierung geben, gelingt dies in den meisten Fällen nicht. Generell gestaltet es sich als schwierig die unterschiedlichsten Wesensmerkmale einer Gruppierung zu einer bündigen und überzeugenden Definition zusammenzufassen, zumal wenn es sich um eine Verbindung von Künstlern handelt, die sich jeweils in sehr unterschiedlicher Weise entwickeln, wie es die Beatniks getan haben. Der Kern der Gruppe, der sich Mitte der 40er Jahre zum ersten Mal auf dem Campus der Columbia University konstituierte, bestand aus Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Borroughs. Es waren diese Vier, die die Beat Generation gründeten. Betrachtet man die einzelnen Biografien der Vertreter genauer, ist es interessant in welch frappanter Weise diese in ihrem Wesen, Charakteren und nicht zuletzt in ihrem Schreiben differierten.

William S. Borroughs, der zweifelsohne die Avantgarde im literarischen Sinne produzierte, provozierte mit seinen unverhüllten, teils obszönen und perversen Darstellungen eines Heroinsüchtigen im Drogenrausch in seinen wohl populärsten Romanen: The Naked Lunch (1959) oder aber Junkie (1953). Darstellungen teils sadomasochistischer und auch gewaltvoller hetero – und auch homosexueller Sexakte wurde als anstößig, pervers und ekelhaft empfunden. Die Wirkung auf die Gesellschaft und auch auf seine Leserschaft, die zu jenem Zeitpunkt noch nicht allzu groß war, wurde dennoch nicht verfehlt, denn er traf die neuralgischen Punkte einer prüden Gesellschaft.

Borroughs literarisierte seine eigenen Erfahrungen, die er im Umgang mit diversen Drogen hatte. Die sogenannte „Cut – Up – Methode“, eine narrative Collage, in der sich Erzähl – und Zeitebenen, Erzählperspektiven und Figurenkonstellationen auflösen, manchmal auch ineinander verweben, oder aber die Auflösung chronologischer Handlungsketten, erschweren es dem Leser der Handlung zu folgen. In seinen späteren Romanen The Wild Boys (1971) oder Ports of Saints (1973) wird er gemäßigter und kehrt zu traditionelleren Erzählformen zurück. Der Entwurf einer utopischen Gesellschaftsform, in der sich ausschließlich junge, homosexuelle Männer bekriegen und demütige, weißt immer noch aggressive aber auch gewaltsame Elemente auf. Borroughs blieb seinen Prinzipien und seinem Lebensstil weitgehend treu, wenngleich er in hohem Alter zusehends konservativer wurde und seine Vorliebe zu Schusswaffen immer wieder in Szene setzte.

Jack Kerouac wurde berühmt mit seinem Roman On The Road (1957), eine Aneinanderreihung von Erfahrungen eines Reisenden quer durch Amerika. Auch hier provozierten die sexuelle Freizügigkeit und die verschiedenen Detailbeschreibungen, die in ihrem Wesen dem prüden amerikanischen Volk nicht gefiel. Kerouac verfasste auch noch einen anderen Roman, in dem auch verschiedene Figuren der Beat Generation als Protagonisten auftauchten. Ganz anders als seine Kollegen Burroughs oder Ginsberg wurde Kerouac zunehmend reaktionär, mit der Folge, dass er sich immer mehr zurückzog und schließlich im Alkoholismus endete. Seine starke Neigung zu einem unreflektiertem Patriotismus führte zu starken Spannungen mit den anderen Mitgliedern der Gruppe.

Neal Cassady, in den Ginsberg unsterblich verliebt war verfasste selbst überhaupt keine Literatur, inspirierte aber durch seine Erfahrungen die Gruppe, insbesondere das Schaffen von Jack Kerouac. Allen Ginsberg, der als der Intellektuelle unter den Mitgliedern galt, wurde vor allen Dingen als Lyriker und Essayist bekannt. Mit seiner deutlichen, ungeschminkten, teils hemmungslosen Lyrik provozierte er ebenso wie Borroughs, wobei – im Gegensatz zu den anderen Beatniks hier die politische Komponente hinzutritt. Der Ausdruck Beat Generation wurde von Kerouac geprägt und sollte von nun an die Gruppe immer begleiten. Geht man den Ursprüngen des Begriffes „Beat“ auf den Grund, so ist folgendes festzustellen:

Das Wort Beat bedeutet im Englischen unter anderem „schlecht, verbraucht, ruiniert“. Wenn jemand konstatiert „I am Beat“, dann ist die Konnotation dieser Wendung in jedem Fall mit Niederlage, Enttäuschung oder aber Resignation verbunden. Diese Assoziation trifft auf viele Mitglieder der Beat Generation zu, da sie gewissermaßen allesamt enttäuschte Gemüter waren, die sich enttäuscht vom Nachkriegsamerika, gegen das sie rebellierten, zeigten. -. Sie waren Gestrandete, die letztlich überlebten, indem sie Drogen verkauften, sich in diverse kriminelle Handlungen verwickelten und sich manchmal auch prostituierten, um das Geld für Drogen zu bekommen.

John Clellon Holmes, ein Schriftstellerfreund von Jack Kerouac, versuchte in einem Essay eine Verbindung zwischen der Beat generation und der Lost Generation herzustellen. Die Lost Generation, eine Gruppe von Schriftstellern, der unter anderem Gertrude Stein und Ernest Hemmingway angehörten, war eine Verbindung von Künstlern, die sich nach dem ersten Weltkrieg nach Paris zurückzogen, dort eine Existenz aufbauten, um sich durch diesen Akt von der amerikanischen Kultur und deren Traditionslinien deutlich zu distanzieren. Hier ist vielleicht ein Überschneidungspunkt zwischen den beiden literarischen Strömungen zu finden. Holmes konstatiert:

„It is a postwar generation and, in a world which seems to mark its cycles by its wars, it is already being compared to that other postwar geberation, which itself lost.”[1]

Der Autor dieses Artikels arbeitet sehr scharfsinnig die Unterschiede, aber auch Schnittpunkte der Lost – und Beat Generation heraus und kommt zu dem Schluss:,

„ But the wild boys of today are not lost. They are flushed, often scoffing, always intend faces elude the word, and it would sound phony to them…Furthermore, the repeatedinventory of shattered ideals and laments about the mud in moral currents, which so obsesses the Lost Generation….They were brought up in these ruins and no longer notice them.”[2]

Wie der Autor richtig festhält geht es den Beatniks nicht darum irgendetwas zu illustrieren, etwa jedwede Missstände aufzudecken, sondern vielmehr ihre ganz eigenen, spezifischen Erfahrungen zu literarisieren. Viele Werke sind deshalb von einer starken Authentizität geprägt.

[...]


[1] This is the Beat Generation, by John Clellock Holmes veröffentlicht in: The New York Times Magazine, November 1, 1952

[2] Ebd.

Excerpt out of 27 pages

Details

Title
Der Beatnik Allen Ginsberg als Repräsentant der Beat Generation. Der homosexuelle Aspekt in seinem Leben und seiner Lyrik
College
LMU Munich  (Institut für Neure Deutsche Literatur)
Course
Underground und Popkultur
Grade
2
Author
Year
2001
Pages
27
Catalog Number
V42076
ISBN (eBook)
9783638401951
ISBN (Book)
9783640203536
File size
578 KB
Language
German
Keywords
Beatnik, Allen, Ginsberg, Repräsentant, Beat, Generation, Aspekt, Leben, Lyrik, Underground, Popkultur
Quote paper
Sven Weidner (Author), 2001, Der Beatnik Allen Ginsberg als Repräsentant der Beat Generation. Der homosexuelle Aspekt in seinem Leben und seiner Lyrik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42076

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