Das Potential von organisierten Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken am Beispiel der "Match Rider UG"

Eine Ermittlung der Zahlungsbereitschaften in der Rhein-Neckar Region, Deutschland


Bachelor Thesis, 2018

59 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Relevanz von innovativen Mobilitätsdienstleistungen

3. Begriffsklärung Mitfahrgelegenheiten
3.1. Organisierte Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken
3.2. Praxisbeispiel - Match Rider UG

4. Messung der Zahlungsbereitschaften
4.1. Die Kontingente Bewertungsmethode
4.2. Vorgehen
4.2.1. Festlegung der Grundgesamtheit
4.2.2. Stichprobenwahl
4.2.3. Fragebogendesign
4.2.4. Pretest des Fragebogens

5. Auswertung der Resultate
5.1. Datenerhebung
5.2. Überprüfung der Hypothesen
5.3. Fehleranalyse

6. Interpretation und Ausblick

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Zusammenfassung

Aufgrund von steigenden Mietpreisen in Städten leben wieder mehr Menschen in Vororten und werden zu Pendlern. Menschen, die sich dafür entschieden haben zu ihrem Arbeitsplatz zu pendeln stehen dann grundsätzlich vor der Frage, welches Verkehrsmittel sie hierfür nutzen. Da viele ländliche Gebiete vom Öffentlichen Personennahverkehr nicht ausreichend erschlossen und die Distanzen zum Fahrrad fahren zu groß sind, ist das Auto häufig das präferierte Fortbewegungsmittel. Vorteile des eigenen Autos sind neben der Verfügbarkeit Flexibilität, Bequemlichkeit und Zuverlässigkeit. Die Entscheidung, das Auto als Verkehrsmittel zu wählen, wirkt sich jedoch zulasten des Verkehrs zu den Hauptstoßzeiten und der Umwelt aus. Eine Möglichkeit diese Probleme zu lösen und zeitgleich die Vorteile des motorisierten Individualverkehrs beizubehalten, sind Fahrgemeinschaften. Technologischer Fortschritt und die Entwicklung der Sharing Economy bieten neue Möglichkeiten der Vermittlung zwischen Fahrer und Mitfahrer.

Die vorliegende Arbeit untersucht mittels der Kontingenten Bewertungsmethode die gesellschaftliche Bereitschaft Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken mithilfe von digitalen Plattformen zu nutzen. Als Praxisbeispiel dient dabei das Modell des Unternehmens „Match Rider UG“. Es wird in eine Umfrage, die in Heidelberg und Mannheim durchgeführt wurde, eingebunden. Für die Auswertung der Befragung wurden drei Hypothesen aufgestellt. Die Ergebnisse bestätigen die Annahmen über die Verteilung der Zahlungsbereitschaften und zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen dem Geschlecht und der Zahlungsbereitschaft sowie dem Alter und der Zahlungsbereitschaft auf. Das Herausfiltern psychologisch begründeter Verzerrungen der Studie legt dar, dass ein Priming-Effekt ausschlaggebend für unerwartet hohe Zahlungsbereitschaften der Befragten ist. Es geht hervor, wie markant sich verhaltensökonomische Verzerrungen auf die Ergebnisse von Umfragen auswirken können. Trotz der verzerrten Resultate wird die Bereitschaft der Gesellschaft, Mitfahrgelegenheiten zu nutzen deutlich und kann auch im Hinblick auf die aktuellen politischen Forderungen der EU Kommission nach einer Reduktion der Automobilabgase von Bedeutung sein. Diese Arbeit setzt letztlich einen Anreiz, um Forschungen auf dem Gebiet der kollaborativen Fortbewegung zukünftig mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildung 1: Altersverteilung

Abbildung 2: Vergleich der Orientierungswerte

Abbildung 3: Vergleich der ZB nach Geschlecht

Abbildung 4: Streudiagramm

Tabelle 1: Shared Mobility Konzepte

Tabelle 2: Demographische Daten zur Identifizierung der Zielgruppe

Tabelle 3: Vergleich der ZB/km von Auto- & ÖPNV-Fahrern

1. Einleitung

Mobilität nimmt heutzutage einen wichtigen Stellenwert in unserem Leben ein. Sie steht für Unabhängigkeit und dient als Grundlage für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (Zierer & Zierer, 2010). Dabei haben Menschen gegenwärtig die Möglichkeit, aus einer Vielzahl von Transportmöglichkeiten auszuwählen, um ihre Ankunftsziele zu erreichen. Sie selektieren, indem sie Kriterien wie Kosten, Reisezeit, Flexibilität, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Bequemlichkeit in ihre Entscheidung miteinbeziehen (Furuhata, et al., 2013).

Bisherige Mobilitätskonzepte können durch den Trend einer Sharing Economy in Kombination mit den neuesten Informationstechnologien ergänzt werden. Der kollaborative Konsum wird allgemein als weltverändernde Idee betrachtet und wurde mit einer stetigen Wachstumsrate für die kommenden Jahre bewertet. Dies gilt insbesondere auch für Sharing Economy Konzepte, die sich mit Fortbewegungsmöglichkeiten beschäftigen. Dabei spielt die digitale Vernetzung von Menschen durch neue Plattformen eine tragende Rolle (Li, et al., 2016). Auf Technologie basierte Shared Mobility Systeme bilden somit einen zentralen Part der Sharing Economy und erfahren seit einigen Jahren große Aufmerksamkeit (Teubner & Flath, 2015).

Neue innovative Mobilitätskonzepte sind besonders durch den Klimawandel und weitere Probleme des Verkehrsaufkommens motiviert. Beispielsweise sind Staubelastungen durch eine wachsende Bevölkerungsdichte besonders in Metropolregionen eine ernstzunehmende Herausforderung (Li, et al., 2016).

Laut einer aktuellen Studie des „Statistischen Landesamts Baden-Württemberg“ steigt der PKW Verkehr in Baden-Württemberg stetig. Im Jahr 2015 wurde der Höchststand von 8000 jährlich gefahrenen Kilometern pro Einwohner ermittelt und auch die Zahl der zugelassenen PKWs steigt. Grund dafür ist unter anderem der Bevölkerungszuwachs in Städten. Da der Straßenverkehr mit etwa einem Drittel einen erheblichen Teil zu CO2-Emissionen beiträgt, ist es nicht verwunderlich, dass auch hier ein Anstieg verzeichnet wurde. Seit 1990 stiegen die Kohlenstoffdioxid Emissionen um ca. 10%. Um die vom Bundesland gesetzten Energie- und Klimaziele zu erreichen, müsste innerhalb der folgenden fünf Jahre eine unrealistische Emissionsreduktion von 27% verzeichnet werden (Schmidtmeier, 2017).

Veränderungen im Mobilitätssektor sind daher in dieser Region von besonderem Interesse. Als potentieller Lösungsansatz können organisierte Mitfahrgelegenheiten als Shared Mobility Konzept angesehen werden. Um politische Entscheidungen hinsichtlich regionaler Regulierungen, Subventionen und Förderungsmaßnahmen treffen zu können, ist es jedoch, neben Beweisen für die Effektivität von Fahrgemeinschaften notwendig, das gesellschaftliche Interesse dieses Lösungsansatzes zu kennen (Erdogan, et al., 2015). Im Verlauf der vorliegenden Arbeit wird daher mithilfe der Kontingenten Bewertungsmethode (KBM) die Forschungsfrage adressiert, was Berufspendler in der Rhein-Neckar Region für organisierte Mitfahrgelegenheiten bereit sind zu bezahlen. Anhand eines Praxisbeispiels des regionalen Mobilitätsdienstleistungsanbieters „Match Rider UG“ werden dabei grundlegende Zusammenhänge verdeutlicht.

Der folgende Teil der Arbeit ist wie folgt strukturiert: Zunächst wird in Kapitel 2 die Relevanz von innovativen Mobilitätslösungen anhand von aktueller Literatur dargestellt. In Kapitel 3 liegt der Fokus folglich auf Mitfahrgelegenheiten und den Besonderheiten, die in Bezug auf Kurz- und Pendelstrecken zu beachten sind. Weiterführend wird in Kapitel 4 das Vorgehen der Fallstudie und die Gestaltung des Fragebogens beschrieben. Die Ergebnisse werden in Kapitel 5 dargelegt. Es wird eine detaillierte Datenanalyse vorgenommen. Abschließend beinhaltet Kapitel 6 eine Diskussion der vorliegenden Resultate bevor die Arbeit mit einem Fazit abschließt.

2. Relevanz von innovativen Mobilitätsdienstleistungen

„Das Auto ist nicht unbedingt das günstigste, schnellste, flexibelste und stressfreiste Verkehrsmittel. Manchmal ist das so, aber nicht immer. Die Gründe, weshalb wir Autos nutzen sind also nicht immer rational zu begründen. Ich glaube, dass ich frei bin, wenn ich ein Auto habe, aber eigentlich sitze ich im Gefängnis, in einem Stau, für eine halbe Stunde.“ (Anhang 1: Transkription Seite VIII Zeile 7-11)

Mobilität stellt in modernen Gesellschaften nicht mehr nur eine Möglichkeit dar, um von A nach B zu gelangen. Sie wird als Menschenrecht gehandelt und ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dennoch gibt es immer wieder aufkommende Probleme, die unter anderem durch das Wachsen von Städten und Metropolregionen entstehen. Straßen und Autobahnen erreichen zu Hauptzeiten ihre Kapazitätsgrenzen, wodurch Menschen täglich im Stau stehen, Parkplätze sind kaum zu finden und die Bahn kämpft mit Verspätungen und hohen Preisen. Hinzu kommen Umweltbelastungen, wie Emissionsabgase und Lärm. Besonders Großstädte stehen durch ihre hohe und stetig wachsende Bevölkerungsdichte vor der Aufgabe sich dieser Thematik zu widmen. Weltweit lebten im Jahr 2010 etwa 50% der Bevölkerung in Städten. Bis 2015 wurde zu diesem Zeitpunkt eine Steigerung auf 75% prognostiziert (Zierer & Zierer, 2010). Durch das steigende Verkehrsaufkommen in urbanen Regionen übersteigt die Nachfrage nach motorisiertem Individualverkehr das Angebot und die Kapazität von Straßen. Dies ist nicht nur der Fall, wenn es sich um fahrende Autos handelt. Durchschnittlich wird ein privater PKW innerhalb von Städten nur 30-45 min pro Tag verwendet. Dies führt dazu, dass Parkplätze hier zu Mangelware werden und die Verkehrsbelastung erhöht wird (Kohla & Fellendorf, 2015).

Die Komplexität der Anforderungen von Individuen an Mobilitätskonzepte erschwert jedoch die Lösung der Problematik. Bequemlichkeit, Schnelligkeit, Pünktlichkeit, Kosten sowie Komfort werden vorausgesetzt. Das zunehmende Umweltbewusstsein der Bevölkerung verlangt wiederum neue innovative Antworten (Zierer & Zierer, 2010). Ein vielfach verfolgter Lösungsansatz ist das Bauen von neuen Straßen oder Autobahnspuren. Bisherige Ergebnisse zeigen jedoch, dass durch Baustellen und darauffolgende Mehrnutzung keine Besserung der Situation entsteht. Der Unternehmensberater Daniel Goeudevert behauptet in den 1980er Jahren sogar, dass diese Initiative die Probleme verstärkt:

„Wer Straßen und Parkplätze sät, wird Verkehr und Stau ernten.“
(Zierer & Zierer, 2010)

Kürzlich wurde außerdem immer wieder auf eine neue Generation hingewiesen, die sich weniger für ein eigenes Auto zu interessieren scheint. Diese Aussage ist nach Schwedes jedoch bisher nur ein unverlässlicher Hoffnungsträger. Da individuelle Mobilität schon immer mit dem privaten Einkommen einhergeht, begründet er ein abnehmendes Interesse von Jugendlichen am privaten Besitz eines Autos auch hiermit (Schwedes, 2014). Kohla und Fellendorf (2015) finden jedoch bereits ein Jahr später eine tatsächliche Veränderung im Mobilitätsverhalten der 18- bis 35-Jährigen. Die ausgewerteten Deutschen Mobilitätspanels bestätigen die Hoffnung mit einem Rückgang des Führerschein- und PKW-Erwerbs in dieser Altersgruppe. Sie kompensiert den motorisierten Individualverkehr auf kurzen Strecken mit Rad- und Fußverkehr (Kohla & Fellendorf, 2015). Langfristige Trends empfehlen dennoch die Entwicklung für innovative und individuelle Mobilitätsformen, um dem Privatbesitz von Autos noch weniger Relevanz zu schenken (Schwedes, 2014).

Trotz des Rückgangs des Führerschein- und PKW-Erwerbs der 18 bis 35 Jährigen steigt die Anzahl der PKWs auf den Straßen. Die Umweltbelastungen, die durch das stetig wachsende Verkehrsaufkommen weltweit entstehen, sind dabei nicht zu vernachlässigen. In der Europäischen Union sind 30 % des Gesamtenergieverbrauchs durch den Verkehr zu begründen (Kohla & Fellendorf, 2015). Der zunehmende Straßenverkehr ist also eine häufige Ursache von Umwelteffekten und führt zusätzlich zu gesundheitlichen Schäden für den Menschen. Umweltverschmutzungen, die durch Autoabgase entstehen, können sich beispielsweise in Form von Atemproblemen und Kopfschmerzen zeigen. Giftige Stoffe, die durch den Verkehr ausgestoßen werden können sogar Krebs oder Fehlgeburten hervorrufen (Levofsky & Greenberg, 2001). Scheinbar gegensätzlich zu diesen Angaben von Levofsky und Greenberg findet eine kürzlich in die Öffentlichkeit getretene Studie der RWTH[1] Aachen keinen ausschlaggebenden Effekt der Abgase auf die Gesundheit des Menschen. Ziel der Studie war es, anhand von 25 Testpersonen innerhalb von drei Stunden die funktionalen sowie die zellularen Reaktionen von gesunden Menschen auf verschiedene Stickstoffdioxid-Konzentrationen zu ermitteln. Der Fokus liegt dabei jedoch auf Kurzzeitbelastungen, wie sie beispielsweise an Arbeitsplätzen von Schweißern oder professionellen PKW Fahrern aufzufinden sind. Die Autoren finden nur geringe Veränderungen der Lungenfunktion (Brand, et al., 2016). Die alltägliche Aussetzung der Menschen, die in Großstädten leben erfordert weitere Studien mit einem Fokus auf der Langzeitbelastung.

Neben möglichen gesundheitlichen Schäden entstehen Umweltprobleme, wie saurer Regen, Emissionen von Treibhausgasen oder Wasserverschmutzung, die zum Wandel des Klimas beitragen. Bereits kleine Reduzierungen des Verkehrs zu Hauptzeiten können dabei die Umweltqualität positiv beeinflussen (Levofsky & Greenberg, 2001).

Nicht nur in Deutschland wird versucht das Problem der Verkehrsbelastung in Städten zu lösen. Besonders betroffen sind auch die Vereinigten Staaten. Ein-Personen-Fahrten führten hier zu gravierenden Stau- und Umweltproblemen. In den letzten Jahrzehnten stieg der Verkehr in Metropolregionen in den USA um 30%. Amerikaner verbringen somit insgesamt etwa Zwei Milliarden Stunden pro Jahr im Verkehr. Vergangene Bemühungen zur Reduzierung des Verkehrs fokussierten sich - neben der Erweiterung von Autobahnen - auf Spuren für Pendler und Busse des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Die Förderung von Mitfahrzentralen erfuhr eine hohe Aufmerksamkeit. Individuen greifen dabei jedoch tendenziell eher auf flexible Lösungen, wie On-Demand Modelle[2] (z.B. Taxi, Uber oder Lyft) zurück und weniger auf private Fahrgemeinschaften, die bereits existierende Fahrten anbieten (Levofsky & Greenberg, 2001).

Die Internationale Energie Agentur fand im Jahr 2005 heraus, dass die Ergänzung einer Person in Ein-Pendler-Fahrzeuge zu einer Einsparung von etwa 7,7 % des Treibstoff Konsums führt. Dies begründet eine Förderung von Fahrgemeinschaften auf Pendelstrecken (Caulfield, 2009). Mitfahrgelegenheiten erlauben es Haushalten so, den privaten Fuhrpark zu reduzieren und bieten so eine alternative Transportmöglichkeit ohne den Komfort des PKWs zu verlieren (Levofsky & Greenberg, 2001). Eine Studie aus dem Jahr 2016 findet einen signifikanten Effekt von Dienstleistungsanbietern für Mitfahrgelegenheiten auf die Reduktion des Automobilbesitzes von privaten Haushalten. Eine Verlagerung von Ein-Personen-Fahrten hin zu Fahrgemeinschaften ermöglicht zudem weniger Verkehrsaufkommen in Form von Stau in urbanen Regionen (Li, et al., 2016).

Neben den signifikanten CO2 Emissions- und Staureduzierungen werden Fahrgemeinschaften positive soziale Werte zugesprochen. Problematisch sind jedoch mögliche Verlängerungen der Strecke durch Wartezeiten oder Umwege sowie die Kommunikation zwischen Fahrer und Mitfahrer (Kamar & Horvitz, 2009). Eine detaillierte Erläuterung von Mitfahrgelegenheiten und Fahrgemeinschaften erfolgt in Kapitel 3.

3. Begriffsklärung Mitfahrgelegenheiten

Mitfahrgelegenheiten sind ungefähr so alt wie das Auto selbst. Insbesondere während des Zweiten Weltkriegs und anschließend durch die Energiekrise in den 1970er Jahren, erfuhr das Konzept große Aufmerksamkeit. Die US-amerikanische Regierung forderte zu dieser Zeit bspw., dass vier Arbeiter in einem Auto fahren sollten, um Energie für den Kriegsaufwand zu sparen (Teubner & Flath, 2015).

Im Allgemeinen beschreiben Mitfahrgelegenheiten die gemeinsame Reise von zwei oder mehr Personen in einem Auto, um die Kosten und Vorteile des privaten Autos zu teilen (Teubner & Flath, 2015). Im Englischen wird dabei zwischen zwei Begriffen unterschieden: Ridesharing beschreibt Mitfahrgelegenheiten basierend auf einzelnen Fahrten, wohingegen Carpooling als Fahrgemeinschaft auf einer regelmäßigen Basis definiert wird (Levofsky & Greenberg, 2001). Häufig werden die Begriffe auch im Deutschen verwendet. Die korrekte Verwendung wird dabei nur selten beachtet. Zur Vereinfachung und aufgrund der mangelnden Übersetzungsmöglichkeit ins Deutsche, werden die englischen Begriffe in dieser Arbeit nicht angewandt. Stattdessen werden die deutschen Begriffe Mitfahrgelegenheit und Fahrgemeinschaft in ähnlichem Zusammenhang verwendet. Mitfahrgelegenheiten betrachten die Mitfahrerseite und werden als die Möglichkeit bei einer anderen Person in einem PKW, eventuell unter Kostenbeteiligung, mitzufahren definiert. Unter einer Fahrgemeinschaft wird im Folgenden die gesamte Gruppe aller Mitfahrenden verstanden.

Innerhalb der Konzepte wird zwischen unorganisierten und organisierten Mitfahrgelegenheiten differenziert. Ersteres beinhaltet das gemeinsame Fahren von Familien, Kollegen, Nachbarn oder Freunden und besteht schon seit geraumer Zeit. In der Geschichte der unorganisierten Mitfahrgelegenheiten ist auch das Trampen, als Mitfahrt ohne persönliche Beziehung einzuordnen. Trotz vielfacher Nutzung lässt sich das Modell durch limitierte und ineffiziente Formen der Kommunikation schlecht skalieren. Organisierte Mitfahrgelegenheiten werden hingegen von Agenturen verwaltet, die Möglichkeiten des Fahrten-Matchings bereitstellen, ohne dass sich die relevanten Personen zuvor kennen müssen. Unter Fahrten-Matching ist das Zusammentreffen von geeigneten Fahrern und Mitfahrern zu verstehen. Aufgrund der Anwendungsmöglichkeit für jedermann hat dieses Modell ein hohes Potential zur Skalierung. Auch Vereinbarungen vor der tatsächlichen Fahrt, die durch Dienstleistungsunternehmen ermöglicht werden, sind Hauptcharakteristika von organisierten Mitfahrgelegenheiten, wohingegen das Rufen eines Taxis oder Trampen typischerweise direkt auf der Straße stattfinden (Furuhata, et al., 2013).

Heutzutage erlauben Plattformen Fahrern, ihre Fahrten online anzubieten. Diese Informationssysteme haben dabei geholfen, vorherige Probleme, die Fahrgemeinschaften limitiert haben, zu beseitigen. Das Vertrauen gegenüber Fremden wird durch Bewertungssysteme, aussagekräftige Profile und Überprüfungen der Nutzer durch die Angabe von Führerscheindetails ermöglicht. Zudem erleichtern automatisierte Buchungs- und Zahlungssysteme den Vorgang und reduzieren so Transaktionskosten. Nennenswerte Plattformen der vergangenen Jahre sind „BlaBlaCar“ oder „Carpooling.com“. Bisher wurden von diesen Anbietern jedoch noch keine neuen Konzepte für Mitfahrgelegenheiten auf Kurzstrecken entworfen (Teubner & Flath, 2015). Das allgemeine Prinzip folgt dem Ablauf des Veröffentlichens von Fahrten der jeweiligen Fahrer, woraufhin Mitfahrer diese Fahrten buchen können. Durch die begrenzte Anzahl von täglichen Fahrten und die bisher überwiegende Verbindung zwischen Großstädten, sind Mitfahrgelegenheiten noch immer ein Nischenprodukt. Dennoch eröffnen heutige Informationssysteme durch Monitoring und Fahrten-Matching in Echtzeit neue Möglichkeiten dieses Modell zu erweitern. Echtzeit Monitoring beschreibt die Sichtbarkeit des aktuellen Fahrerstandorts für den Mitfahrer. Die Einbeziehung dieser technischen Mittel kann die Nutzung der existierenden Ressourcen verbessern und zu neuen Geschäftsmodellen führen (Teubner & Flath, 2015). Nach Aussage der „Carpooling.com GmbH“ liegt die durchschnittliche Distanz für Fahrgemeinschaften in Europa bei ca. 200 Kilometer. Diese Zahl zeigt deutlich die Nutzung für zwischenstädtische Strecken. Auf innerstädtischen Fahrtwegen hingegen konnten sich Mitfahrgelegenheiten bisher noch nicht durchsetzen (Teubner & Flath, 2015).

Innerhalb von organisierten Mitfahrgelegenheiten lässt sich zwischen einseitigem und zweiseitigem Fahrten-Matching unterscheiden. Ein repräsentatives Beispiel für ersteres sind Shuttle Service Anbieter. Ein ausschlaggebendes Merkmal ist, dass der Service Anbieter hier alle Entscheidungen über die Fahrt trifft. Der Mitfahrer entscheidet schließlich nur noch, ob er an der angebotenen Fahrt teilnimmt oder nicht. Typischerweise können Mitfahrer entlang der Strecke ein- und aussteigen. Die Zeiten können dabei variieren. Anfragen zur Buchung sind in der Regel im Voraus zu stellen. Anbieter, die sich auf Mitfahrgelegenheiten spezialisieren, vermitteln zwischen dem individuellen Autofahrer und dem Mitfahrer. Sie stellen keine zusätzlichen Verkehrsmittel zur Verfügung, sondern nutzen den individuellen Reiseplan des jeweiligen Fahrers und bieten die unbesetzten Plätze für Mitfahrer an. Diese Form der Vermittlung von Fahrgemeinschaft nennt sich zweiseitiges Matching. Der Wert des Dienstleistungsanbieters ist abhängig von der Effektivität der Vermittlung. Dabei haben Agenturen mit einem klassischen Henne-Ei-Problem zu kämpfen. Um Fahrer zu akquirieren, sollte eine Vielzahl von Mitfahrern die Plattform nutzen. Mitfahrer wählen jedoch eine Plattform nach der Anzahl von Fahrerangeboten. Das Design der Mitfahrzentrale sollte sowohl für Fahrer als auch für Mitfahrer attraktiv sein (Furuhata, et al., 2013). Zweiseitige Märkte werden bisher häufig von einer Plattform bedient. Dies ist bspw. bei „eBay“ oder „AirBnB“ der Fall. Es entsteht eine The-Winner-takes-it-all Dynamik[3] . Diese lässt sich nicht über einen Gleichgewichtspreis steuern. Anbieter müssen individuell attraktive Preise für beide Seiten des Marktes gestalten. In der Regel wird dabei eine Seite aufgefordert eine Transaktionsgebühr zu bezahlen, wohingegen der Subventionsseite keine Gebühren erhoben werden. Im Fall von Mitfahrzentralen sind Gebühren Zahlende meist die Mitfahrer. Derzeit bieten die meisten Plattformen eine kostenlose Nutzung an und erheben erst bei einer Buchung Gebühren (Teubner & Flath, 2015).

Ein weiterer Unterschied von organisierten Mitfahrgelegenheiten sind Agenturen, die sich auf die Vermittlung zwischen Fahrern und Mitfahrer fokussieren (z.B. „BlaBlaCar“) und diejenigen, die sich als Dienstleistungsunternehmen (z.B. „Taxi“ oder „Uber“) mit angestellten Fahrern, welche mit den angebotenen Fahrten ihren Lebensunterhalt bestreiten, verstehen. Da der zweite Fall jedoch nicht unter die Definition von Fahrgemeinschaften, d.h. das Teilen der Fahrtkosten fällt, wird in dieser Arbeit nicht näher auf das Thema eingegangen (Furuhata, et al., 2013).

Um das Konzept von organisierten Mitfahrgelegenheiten besser verständlich zu machen, wird dieses in der folgenden Grafik anhand von nennenswerten Anbietern von anderen Formen der Shared Mobility abgegrenzt.

Tabelle 1: Shared Mobility Konzepte

Abbildung in dieser leseprobe nicht enthalten

Quelle: verändert nach Teubner & Flath, 2015

In der Grafik wird zwischen der Nachfrageseite und dem Angebot von Fortbewegungsmöglichkeiten unterschieden. Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf Mitfahrgelegenheiten, die im Feld (2) oben rechts veranschaulicht werden. Um ein besseres Verständnis zu ermöglichen, werden auch die weiteren Modelle kurz erklärt. Dabei wird aufgrund der Relevanz für diese Arbeit insbesondere auf die Nachfrageseite eingegangen.

Für den Fall, dass Nachfrager aktiv ein Auto fahren unterscheiden wir die Shared Mobility Konzepte Carsharing und Autovermietung. Das Carsharing Modell erfährt derzeit besonders viel Aufmerksamkeit in Großstädten. Nachfrager erhalten hier eine Mitgliedschaft beim gewählten Anbieter und haben so mithilfe eines Smartphones Zugriff auf eine Reihe von PKWs, die in einem begrenzten Gebiet frei bewegt werden können (Teubner & Flath, 2015). Studien belegen jedoch, dass Carsharing Modelle bisher nur einen positiven Effekt auf den Verkehr haben, wenn diese an Abhol- und Rückgabestationen gebunden sind. Sogenannte free floating Systeme, die das Abstellen des PKWs an beliebigen Stellen in einem eingegrenzten Bereich ermöglichen, reduzieren das motorisierte Individualverkehrsaufkommen hingegen nicht (Kohla & Fellendorf, 2015). Traditionelle Autovermietungen (7) bieten die Möglichkeit ein einziges Auto über einen längeren Zeitraum zu verwenden. Lediglich die Abhol- und Rückgabestation wird dabei festgelegt. Seit einigen Jahren gibt es Plattformen (8), die diese Form der Vermietung mit einem privaten PKW ermöglichen. Wenn sich Nachfrager für eine passive, d.h. Beifahrer-Rolle entscheiden, können sie zwischen einem Chauffeur Service oder der Hop on/off Variante entscheiden. Erstere wird dabei in Deutschland primär von Taxiunternehmen angeboten. International gehören aber auch Unternehmen wie Uber, die es ermöglichen private PKWs für die Chauffeurfahrten zu nutzen, zu dieser Kategorie. Das Angebot, private PKWs für Sharing Mobility Konzepte zu verwenden, erhöht die Effizienz von vorhandenen Ressourcen und wird deshalb häufig von der Politik gefördert (Teubner & Flath, 2015).

Die Vermittlungsagentur für Fahrgemeinschaften mit privaten PKWs, hat dabei folgende Möglichkeiten, Preise zu setzen und Transaktionsgebühren zu erheben. Katalogpreise lassen Fahrer oder Mitfahrer bei der Veröffentlichung der Fahrt oder Fahrtensuche einen Höchstpreis angeben, den die andere Partei als gegeben ansieht. Regelbasierte Preise werden durch die Vermittlungsagentur anhand von einer Kostenkalkulation festgelegt. Typischerweise basiert diese Kalkulation auf der Distanz der angebotenen oder gesuchten Strecke. Bei verhandlungsbasierten Preisen ist die Vermittlungsagentur nicht in die Preissetzung involviert. Fahrer und Mitfahrer einigen sich privat (Furuhata, et al., 2013).

Beim Bezahlungsmechanismus lässt sich zwischen zwei Varianten unterscheiden: Direkte Bezahlung erfolgt, wenn der Mitfahrer den Fahrer ohne das Einbeziehen weiterer Organisationen bezahlt. Bezahlung über eine dritte Partei erfolgt, wenn ein Finanzdienstleistungsunternehmen, wie z.B. „PayPal“, involviert ist. Diese Form der Bezahlung wird besonders von Vermittlungsagenturen genutzt, um eine Transaktionsgebühr zu erheben. Wechselgeld wird hier im Gegensatz zur direkten Bezahlung nicht benötigt. Zudem kann die Sichtbarkeit der Transaktion für alle Parteien von Vorteil sein (Furuhata, et al., 2013).

Nach der Abgrenzung des Konzeptes der Mitfahrgelegenheit von weiteren Shared Mobility Angeboten und der Erläuterung des Preis- sowie Zahlungsmechanismus, lassen sich drei Zielmärkte für private Angebote von Fahrgemeinschaften identifizieren:

1. Fahrgemeinschaften auf eine kurzfristige Nachfrage (z.B. „flinc“),
2. Fahrgemeinschaften auf Pendelstrecken (z.B. „MatchRiderGO“; siehe Kapitel 3.2.) und
3. Fahrgemeinschaften auf Langstrecken (z.B. „BlaBlaCar“) (Furuhata, et al., 2013).

Gegenstand dieser Arbeit ist primär die Auseinandersetzung mit der Zielgruppe der Pendler. Im folgenden Schritt wird dieser Markt detailliert analysiert.

3.1. Organisierte Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken

Im vorangestellten Kapitel wurden die privaten Shared Mobility Angebote nach passiven Fortbewegungsmöglichkeiten für die Nachfrageseite unterschieden. In Deutschland sind private On-Demand Services jedoch nicht erlaubt, weshalb sich hier auf Kurzstrecken einzig die Lösung von Mitfahrgelegenheiten etablieren kann. Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) verhindert, dass Unternehmen, wie „Uber“ in den Markt für Mitfahrgelegenheiten auf Kurzstrecken eintreten. Im Sinne des § 1 Abs. 2 PBefG darf das „Gesamtentgeld die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteig[en]“ sofern keine Genehmigung für ein Taxengewerbe vorliegt. Diese Genehmigung erfordert, dass das örtliche Taxengewerbe in seiner Funktionsfähigkeit nicht bedroht wird. Nachrangig werden bei der Vergabe von Genehmigungen diejenigen behandelt, die „das Taxengewerbe nicht als Hauptbeschäftigung zu betreiben beabsichtigen“ (vgl. § 13 Abs. 5 PBefG).

Die primären Motivationen, um Fahrgemeinschaften zu bilden sind Kosten- und CO2 Emissionseinsparungen. Doch auch das Ziel, durch Mehr-Personen-Fahrten weniger Autos auf den Straßen zu haben, kann besonders auf Kurz- und Pendelstrecken die Bereitschaft von Fahrern und Mitfahrern erhöhen (Kamar & Horvitz, 2009).

Nach der Definition der „Bundesagentur für Arbeit“ sind Pendler diejenigen, „deren Arbeitsort sich vom Wohnort unterscheidet“ (Bundesagentur für Arbeit, 2011). Im Jahr 2017 wird in Deutschland eine Rekordzahl an Pendlern von 59,4% der Erwerbstätigen verzeichnet. Als Grund für die erhöhten Pendlerzahlen werden auch steigende Mietpreise in Großstädten und eine dadurch entstehende Abwanderung in suburbane Regionen betrachtet (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2017). Da kleinere Städte oder suburbane Räume schlechter durch den ÖPNV angebunden sind, profitieren sie am meisten von Fahrgemeinschaften (Teubner & Flath, 2015).

Im Jahr 2015 von Teubner und Flath veröffentlichte Studien haben ergeben, dass sogenannte Multi-Hop Modelle für innerstädtische Mitfahrgelegenheiten das höchste Potential mitbringen, um im Wettbewerb zu bestehen. Unter Multi-Hop Lösungen für Fahrgemeinschaften ist die Möglichkeit zu verstehen, auf einer Strecke optimal zwischen Fahrern und weiteren Mobilitätsformen zu wechseln. Aus diesem Grund wird empfohlen Multi-Hop Suchmaschinen in bestehende Plattformen für Mitfahrgelegenheiten einzubauen, um das Angebot zu erweitern und die Koordination für Mitfahrer zu erleichtern (Teubner & Flath, 2015).

Einzelne Konzepte, die sich auf die Verbindung verschiedener Verkehrsmöglichkeiten fokussieren, gibt es bereits. Auf dem deutschen Markt verbinden Unternehmen, wie „moovel“, Informationen über Individual- und öffentlichen Verkehr. Als Dienstleistungsunternehmen von „Daimler“ werden dem Kunden bei „moovel“ primär interne Mobilitätslösungen vorgeschlagen. Diese können direkt, d.h. ohne Weiterleitung, über die Plattform gebucht werden (Flügge, 2016).

Eine größere Anzahl von verfügbaren Fahrten bietet Mitfahrern eine bessere Auswahlmöglichkeit. Typischerweise werden zusätzlich mehrere Start- und Ziel-Punkte, sowie eine Auswahl der Abfahrtszeiten und Treffpunkte von Nachfragern präferiert (Teubner & Flath, 2015). Im vorangegangenen Kapitel wurde bereits die The-Winner-takes-it-all Dynamik des Marktes identifiziert. Aus diesem Grund raten Teubner und Flath (2015) dazu, dass verschiedene Mobilitätsanbieter kooperieren, um das Angebot an Fahrten für potentielle Mitfahrer zu erhöhen. Der Europäische Markt erfährt derzeit eine solche Konzentration, während es in den Vereinigten Staaten nach wie vor eine Vielzahl verschiedener lokaler Anbieter gibt. Weite Distanzen limitieren hier das Potential der Konzentration (Teubner & Flath, 2015).

Als weitere Schwierigkeit stellt sich die Vermarktung der Vermittlungsagenturen heraus. Pendler müssen über neue Anbieter informiert werden, um diese nutzen zu können. Bisher wurden neue Konzepte jedoch nicht ausreichend beworben und konnten daher nicht am Markt bestehen. Sofern Pendler jedoch von Fortbewegungsmöglichkeiten wissen, können sie ihre Entscheidungen basierend auf Faktoren wie Zeit und monetären Ersparnissen treffen. Zuverlässigkeit spielt bei der Wahl eine entscheidende Rolle. Pendler sind nicht bereit dazu, ihr Auto zu Hause zu lassen, wenn sie nicht wissen, ob sie auch für den Rückweg eine Fahrgemeinschaft finden. Außerdem setzen sie Flexibilität für die Transportmöglichkeit voraus (Levofsky & Greenberg, 2001). Viele weitere Herausforderungen stehen Anbietern von Vermittlungen für Fahrgemeinschaften gegenüber. Der vermeintliche Eingriff in die Privatsphäre ist dabei ein Hauptbedenken potentieller Teilnehmer. Risiken des Austauschs privater Reiseinformationen gegenüber Fremden gehören dabei genauso dazu wie die systematische Datensammlung der Vermittlungsagentur (Furuhata, et al., 2013).

Das Design eines idealen Modells für Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken bringt folglich eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Vermittlungsagenturen müssen zusätzlich zu bisher erwähnten Faktoren variierende Präferenzen der Nachfrager einbeziehen. Die Verwendung der Plattform sollte deshalb zuverlässig und einfach in der Bedienung sein (Kamar & Horvitz, 2009).

Im folgenden Kapitel wird das Praxisbeispiel „Match Rider UG“ erklärt, das mithilfe der App „MatchRiderGO“ versucht die beschriebenen Probleme zu lösen.

3.2. Praxisbeispiel - Match Rider UG

„Match Rider UG“ ist ein deutsches Unternehmen, das organisierte Mitfahrgelegenheiten für Pendler über eine App anbietet. Im Interview mit der Gründerin Katina Schneider wird die Bedeutung, aber auch Komplikationen, der innovativen Mobilitätsdienstleistungsunternehmen deutlich. Probleme, die es im Mobilitätssektor zu lösen gilt, wurden im Verlauf dieser Arbeit bereits deutlich gemacht. Ein Modell, das Kriterien wie Zuverlässigkeit, Geschwindigkeit, Bequemlichkeit und günstige Preise erfüllt, wird gesucht. „Match Rider UG“ hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Bedürfnisse zu bedienen und zeitgleich das Verkehrsaufkommen in Pendlerregionen zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen hat Frau Schneider gemeinsam mit ihren Partnern ein Modell für organisierte Mitfahrgelegenheiten auf spezifisch ausgewählten Pendel- und Kurzstrecken als neue, bequeme Mobilitätsform entwickelt (Anhang 1: Transkription Seite IV Zeile 31-36).

Frau Schneider teilt die Zielgruppe des Unternehmens in Fahrer und Mitfahrer ein. Sie werden differenziert angesprochen und müssen nicht die gleichen Eigenschaften besitzen. Beide sind jedoch Pendler und haben somit das tägliche Bedürfnis eines zuverlässigen Mobilitätsangebots (Anhang 1: Transkription Seite IV Zeile 40-46).

Das Produkt des Unternehmens ist die App „MatchRiderGO“. Mithilfe dieser App wird die Dienstleistung der Vermittlung von Fahrgemeinschaften angeboten. „MatchRiderGO“ basiert auf einem Strecken- und Haltestellen Prinzip, ähnlich wie es der ÖPNV anbietet. Diese Haltestellen, wie z.B. S-Bahn Stationen, werden Match Points genannt und befinden sich entlang der regulären Route eines Fahrers. Sie eignen sich gut zum Ein- und Aussteigen der Mitfahrer. Die „Match Points“ wurden in Zusammenarbeit mit der Universität Stuttgart anhand von verschiedenen Variablen, wie Verkehrsknoten, Beleuchtung oder Überdachung ermittelt (Anhang 1: Transkription Seite V Zeile 26-51).

Fahrer können über „MatchRiderGO“ ihre tägliche Pendelfahrt verbindlich als Mitfahrgelegenheit anbieten. Für dieses Angebot erhalten sie von „Match Rider UG“ eine garantierte Bezahlung von 0,10 €/km, unabhängig davon, ob jemand mitfährt oder nicht. In einem zweistündigen Intervall zu den Stoßzeiten morgens und abends stehen mit 10-12 Fahrern, Fahrten im 10-Minutentakt zur Verfügung. Durch die regulären alltäglichen Fahrten der Fahrer entsteht keine zusätzliche Verkehrsbelastung.

Mithilfe der App „MatchRiderGO“ können Mitfahrer einen Start- und einen Ziel- „Match Point“ wählen und so die Mitfahrgelegenheit buchen (Anhang 1: Transkription Seite V Zeile 15-21). Die Mitfahrer bezahlen für die gewählte Strecke nach eigenen Berechnungen des Unternehmens 0,15 € pro Kilometer. Anhand von Vergleichen mit ÖPNV Preisen der Zielregionen, einer Break-Even Analyse[4] und der Identifizierung der bestmöglichen Kommunizierbarkeit, wurde diese Zahl ermittelt. Der Preis befindet sich noch in einer Testphase (Anhang 1: Transkription Seite VI Zeile 7-32). Um regelmäßige Fahrten anbieten zu können und Planungssicherheit für Mitfahrer zu generieren, liegt der derzeitige Fokus des Unternehmens auf der Akquise der Fahrer (Anhang 1: Transkription Seite VII Zeile 32-42).

Die Wettbewerber von „Match Rider UG“ auf dem deutschen Markt sind primär das Unternehmen „flinc AG“ und die von „SAP“ entwickelte Plattform „twogo“. Beide Modelle sind für Mitfahrgelegenheiten auf Kurzstrecken konzipiert, unterscheiden sich jedoch in einigen Aspekten von „MatchRiderGO“. „Flinc AG“ arbeitet im Gegensatz zu „Match Rider UG“ mit einem Mitfahrer-orientierten Ansatz. Das bedeutet, dass die Fahrer Mitfahrende an einem Startort abholen und sie bis zum Zielort bringen. Mithilfe dieser Plattform können unabhängig von der Strecke, Fahrten angeboten, gebucht und anschließend in bar bezahlt werden. Transaktionsgebühren werden dabei bisher nicht erhoben. Die Zielgruppen des Geschäftsmodells des Unternehmens sind Gemeinden oder Großunternehmen, die gegen ein hohes Verkehrsaufkommen oder eine Parkplatzüberlastung steuern möchten.

Im Unterschied zu „MatchRiderGO“ und „flinc“ bietet „twogo“ sowohl für Fahrer als auch für Mitfahrer eine Filteroption bei der Veröffentlichung oder der Suche nach einer Fahrt, mittels der sich die Bereitschaft eines Umweges einstellen lässt. Durch diese Implikation kann das Konzept als Mischung aus Fahrer und Mitfahrer orientierten Ansatz verstanden werden. Bisher spricht „SAP“ ausschließlich Großunternehmen mit dem Modell an. Diese Mobilitätslösung kann für Unternehmen von Interesse sein, um den Fuhrpark zu reduzieren oder den Gemeinschaftsgedanken im Unternehmen zu fördern. Das Zusammentreffen von Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen kann bspw. zu innovativen Ideen auf Basis einer gemeinsam erfahrenen Unternehmenskultur führen (Anhang 1: Transkription Seite VI Zeile 50-51; Seite 4 Zeile 1-12).

Frau Schneider erwähnt zum Ende des Interviews die Relevanz von politischer Unterstützung, um Mitfahrgelegenheiten für die Bevölkerung attraktiver zu machen. Besonders die notwendigen Verhaltensänderungen von Menschen erfordern Rahmenbedingungen aus der Politik. Für Mitfahrgelegenheiten auf Kurzstrecken bedeutet dies, reservierte Parkplätze und Fahrspuren für Fahrgemeinschaften oder eine Maut, um in die Stadt zu fahren. Ob positive Anreize oder Sanktionen hier besser wirken, sei politischen Entscheidungsträgern überlassen (Anhang 1: Transkription Seite VIII Zeile 4-25).

4. Messung der Zahlungsbereitschaften

Das Problem des Preises hat in der bisherigen Literatur zum Thema Mitfahrgelegenheiten deutlich weniger Aufmerksamkeit erhalten als die Optimierung des Zusammentreffens von Fahrer und Mitfahrer. Dies motiviert die Auseinandersetzung mit der monetären Bewertung des Konzepts durch zukünftige Teilnehmer. Typischerweise sind Nutzer von Mitfahrgelegenheiten eher durch das Teilen der Reisekosten und einen positiven Beitrag zur Umwelt motiviert, als durch eine Profitsteigerung (Furuhata, et al., 2013). Des Weiteren ist zu beachten, dass verschiedene Zielgruppen möglicherweise unterschiedliche Zahlungsbereitschaften aufweisen, jedoch monetär nicht differenziert angesprochen werden können. Besonders wenn eine große Auswahl möglicher Fahrer für eine gesuchte Strecke zur Verfügung stehen, können Faktoren wie das Geschlecht oder das Alter eine tragende Rolle bei der Bildung der Fahrgemeinschaft spielen (Furuhata, et al., 2013). Folglich haben Mitfahrzentralen drei Herausforderungen zu bewältigen: Das Design eines attraktiven Mechanismus sollte den Preis und die Glaubwürdigkeit der Teilnehmer beachten. Eine Möglichkeit, um ein vertrauensvolles System gegenüber unbekannten Reisenden zu bilden, sind detaillierte Angaben im Profil der Fahrer und Mitfahrer. Multi-Hop Fahrten anzubieten, um so Mitfahrgelegenheiten mit weiteren Transportmöglichkeiten zu kombinieren, erhöht zusätzlich das Interesse für potentielle Teilnehmer (Furuhata, et al., 2013). Das Vertrauen spielt eine tragende Rolle bei der Zahlungsbereitschaft und kann von Vermittlungsagenturen für Fahrgemeinschaften durch Bewertungssysteme oder klare Profilangaben beeinflusst werden. Eine Studie belegt zudem, dass eine persönliche Beziehung zwischen Fahrer und Mitfahrer ein Hauptfaktor für erfolgreiche Fahrgemeinschaften ist (Furuhata, et al., 2013).

Um die monetäre Bewertung von potentiellen Nutzern organisierter Fahrgemeinschaften auf Pendelstrecken zu ermitteln, wird in dieser Arbeit die Kontingente Bewertungsmethode angewandt. Folgende Hypothesen sind dabei für eine Befragung von Relevanz:

Hypothese 1: Frauen haben eine höhere Zahlungsbereitschaft als Männer.

Eine Studie aus Irland findet im Jahr 2009 heraus, dass Frauen sowie Menschen in Partnerschaften eher dazu bereit sind, Mitfahrgelegenheiten zu nutzen als Männer (Caulfield, 2009). Von Interesse ist daher, ob die Geschlechter sich auch in der Höhe der Zahlungsbereitschaft unterscheiden.

Hypothese 2: Jüngere Pendler haben eine höhere Zahlungsbereitschaft als ältere.

Aufgrund der Vertrautheit mit technischen Hilfsmitteln, wie Apps, wird davon ausgegangen, dass Pendler zwischen 20 und 40 Jahren eine höhere Zahlungsbereitschaft haben als ältere. Personen diesen Alters haben weniger Hemmungen davor, ihre Kontodaten anzugeben und sind durch die Nutzung von „AirBnB“, „BlaBlaCar“ oder „eBay“ bereits vertraut mit der Sharing Economy (Hawlitschek, et al., 2016). Frau Schneider schätzt die Altersgruppe, die von Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken angesprochen wird ebenfalls auf Ende Zwanzig bis Anfang Vierzig ein. Wissenschaftlich fundierte Ergebnisse gibt es hierfür bisher jedoch nicht (Anhang 1: Transkription Seite V Zeile 7-11).

Hypothese 3: Personen, die mit dem ÖPNV fahren haben eine höhere ZB als Personen, die bereits mit dem Auto fahren.

Pendler, die den ÖPNV als Fortbewegungsmöglichkeit nutzen, haben eventuell kein eigenes Auto und sind deshalb bereit für die Vorteile einer Mitfahrgelegenheit mehr zu bezahlen. Eine Bestätigung dieser Hypothese würde das Modell der organisierten Mitfahrgelegenheiten in Frage stellen, da die ursprüngliche Motivation der Stau- und Abgasreduktion hierdurch widersprüchlich wird. Für das Carsharing Modell wurde bereits herausgefunden, dass ein erhöhtes Risiko dafür besteht, dass primär Personen, die zuvor den ÖPNV nutzen, zu Kunden werden. Dies kann insbesondere in städtischen Regionen zu einem erhöhten Verkehrsaufkommen führen (Rid, et al., 2018).

Vorherige Studien haben den Effekt herausstellen können, dass Web Applikationen die Nachfrage nach Mitfahrgelegenheiten sowohl für Fahrer als auch für Mitfahrer positiv beeinflussen. Die Kosten des Parkens und der Benzinpreise sind dabei signifikant entscheidend. Auch der Unterhaltungsfaktor eines sympathischen Mitfahrers wird von Befragten teilweise positiv bewertet. Dieses Ergebnis hängt jedoch nicht signifikant mit der Nachfrage nach Fahrgemeinschaften zusammen. Mitfahrer präferieren besonders auf Pendelstrecken häufig Lesen oder Schlafen gegenüber einer Unterhaltung mit dem Fahrer. Ein besonders interessanter Befund ist, im Bezug auf Hypothese 3, der signifikante Effekt des Autobesitzes für das Interesse an einer Mitfahrgelegenheit. Besonders Mitfahrer ohne ein eigenes Auto sind demnach dazu bereit, bei fremden Fahrern mitzufahren (Erdogan, et al., 2015).

Eine Studie von „Earnest & Young“ findet heraus, dass Smartphone basierte Mitfahrgelegenheiten dennoch im Vergleich zu alternativen Möglichkeiten, das höchste Potential für den Verzicht auf ein eigenes Auto haben (EY, 2012).

[...]


[1] RWTH = Rheinisch Westfälische Technische Hochschule

[2] On-Demand Modelle bieten Mitfahrern die Möglichkeit, eine Fahrt auf Nachfrage direkt zu buchen.

[3] Eine The-Winner-takes-it-all Dynamik beschreibt die Tendenz vieler zweiseitiger Märkte, von einem dominanten Unternehmen bedient zu werden (Teubner & Flath, 2015).

[4] Anhand einer Break-Even Analyse wird ermittelt, wie viel Gesamtumsatz ein Unternehmen machen muss, um die Kosten zu decken und Gewinne zu erzielen.

Excerpt out of 59 pages

Details

Title
Das Potential von organisierten Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken am Beispiel der "Match Rider UG"
Subtitle
Eine Ermittlung der Zahlungsbereitschaften in der Rhein-Neckar Region, Deutschland
College
University of Heidelberg
Grade
1,3
Author
Year
2018
Pages
59
Catalog Number
V420942
ISBN (eBook)
9783668698284
File size
1921 KB
Language
German
Keywords
potential, mitfahrgelegenheiten, pendelstrecken, beispiel, match, rider, eine, ermittlung, zahlungsbereitschaften, rhein-neckar, region, deutschland
Quote paper
Rebecca Reimers (Author), 2018, Das Potential von organisierten Mitfahrgelegenheiten auf Pendelstrecken am Beispiel der "Match Rider UG", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/420942

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