Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Begriff Blended Learning in der Bildungswissenschaft
3. Chancen und Grenzen des Blended Learning im schulischen Kontext
3.1. Chancen des Blended Learning im schulischen Kontext
3.2. Grenzen des Blended Learning im schulischen Kontext
4. Abschlussbetrachtung
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Spätestens seit der sozial-liberalen Regierung der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts ist Bildung in Deutschland ein Thema, das sich quer durch die Gesellschaft und in verschiedenen Facetten einem hohen Stellenwert erfreut.
In Zeiten der Digitalisierung, in denen ganze Berufsbilder von der Bildfläche zu verschwinden drohen, demgegenüber jedoch im quartären Sektor neue Berufsbilder entstehen, erreicht das Thema Bildung einen neuen Stellenwert in der öffentlichen Diskussion.[1] Heute sind nicht Wenige der Meinung, Bildung schaffe Wohlstand. Ob dem so ist, sei dahingestellt. Demungeachtet erleichtert Bildung im deutschen Gesellschaftssystem den Zugang zu Arbeit. Es bleibt die Frage, in welcher Form Bildungsinstitutionen in Deutschland den digitalen Wandel mitgehen, wie sie diesen in ihren Unterricht integrieren, welche Methoden zur Anwendungen kommen, sowie welche didaktischen Begründungen für die ausgewählten Methoden ins Feld geführt werden.
״Es bedarf keiner Erläuterung, dass Konzepte des E-Leamings [...] zu einer ganz erheblichen Steigerung der Qualität der Lehre führen können. Wichtig in solchen Aussagen ist das Wort können, denn allein die Verfügbarkeit oder der Einsatz von Multimedia und Internet bringt noch keine didaktische Innovation hervor.“ (Reinmann-Rothmeier 2003, s. 13)
An welchen Stellen des Unterrichts können traditionelle Lernformen sinnvoll, also zielführend von neuen Lemformen abgelöst werden? In der Diskussion um dieses Thema fallen immer wieder Begriffe wie ,elearning‘, ,online-learning‘, ,web based training‘ und andere. Aus der Diskussion um diese Begriffe etablierte sich auch der Begriff Blended Learning, eine Art Symbiose aus Präsenzlehre und eLearning (vgl. Fredebeul, 2007, s. 11.).
Die vorliegende Arbeit geht der Leitfrage nach, welche Chancen und Grenzen Blended Learning im schulischen Kontext hat. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich um eine grundlegende Betrachtung handelt. Wer die gewonnenen Erkenntnisse vertiefen möchte, der findet am Ende dieser Arbeit weiterführende Themen zur Empfehlung.
Zum Beantworten der dieser Arbeit zugrunde liegenden Leitfrage, soll zunächst eine für diese Arbeit geltende belastbare Definition zum Blended Learning formuliert werden, nach der sich eine Debatte über die Chancen und Grenzen von Blended Learning im schulischen Kontext anschließt. Die Resultate dieser Debatte sollen anhand praxistauglicher Unter- richtsbeispiele[2] dargestellt werden. Es schließt sich im Fazit die Beantwortung der Leitfrage an. Außerdem wird ein Ausblick zum weiteren Verfolgen des Themas gegeben.
2. Der Begriff Blended Learning in der Bildungswissenschaft
Welchen Inhalt möchte das Kompositum Blended Learning, das auf Deutsch gemischtes Lernen heißt, vermitteln und was verbirgt sich inhaltlich hinter diesem Namen?
Da sich bis heute keine wissenschaftlich belastbare Definition finden lässt, auf die sich eine Vielzahl von Forschenden stützt, ist der beste Weg zur Findung einer solchen das Ausschlussverfahren. Hierzu sollen im Folgenden einige Begriffe, die mit Blended Learning in Verbindung gebracht werden, vorgestellt, aber vor allem voneinander abgegrenzt werden. Es soll am Ende dieses Prozesses eine zumindest für diese Arbeit belastbare Definition von Blended Learning Stehen.
Als Ausgangspunkt der Diskussion zur Findung der Begriffsdefmition sind sogenannte traditionelle Lernformen zu nennen. Hierunter fallen Begriffe wie Frontalunterricht, die allgemeine Präsenzlehre, sowie zu dieser gehörende Sozialformen wie Gruppenarbeit, Stationsarbeit, Projektarbeit und viele weitere, auf die im Folgenden zunächst nicht näher eingegangen werden soll.
Es muss in einem nächsten Schritt der schier omnipräsente Begriff eLearning[3] eingeführt werden. ״Wenn von e-Leaming die Rede ist, sollte man nachfragen, was genau damit gemeint ist, denn der Begriff ist - wie die meisten ,bouzz words’ - weder allgemein gültig definiert, noch wird er einheitlich verwendet“ (Reinmann-Rothmeier, 2003, s. 31). Es soll also mit einer Erklärung begonnen werden.
Das kleine e zu Beginn steht für electronic. Der Begriff bezieht sich also auf das Lernen mit elektronischen, technischen Hilfsmitteln, wie zum Beispiel mit den Medien Computer oder Tablet. ״Medien sind Vermittler von Botschaften im Rahmen von KommunikationsProzessen. In ihrer Spezifik wenden sie sich - zum Teil zumindest - vorrangig an ein bestimmtes Sinnessystem.“ (Brandstätter 2008, s. 126). Da sich die elektronischen Medien rasant weiterentwickeln, sollten auch Handys heute zum Bereich des eLearnings gezählt werden. ״Dabei ist es von Bedeutung, dass die Informations- und Kommunikationstechnologien mit den Lernprozessen selbst unmittelbar verbunden sind und nicht nur rudimentäre Hilfsmittel darstellen.“ (Fredebeul 2007, s. 7).
Traditionellen Lemformen und hierbei vor allem der Präsenzlehre liegen eine Interaktion zwischen SuS (Schülerinnen und Schülern) und Lehrkraft zu Grunde. Beim eLearning ist dies nicht der Fall. Der größte Unterschied zwischen den zunächst genannten traditionellen Lemformen und dem eLearning ist, dass letzteres nicht die Anwesenheit von Lernerinnen und Lehrkraft zur gleichen Zeit am gleichen Ort zur Voraussetzung macht. ״Dieses gleichzeitige Interagieren im materiellen, sinnlich fassbaren Raum macht den wesentlichen Unterschied zwischen konventionellen Lemformen und eLearning aus.“ (Fredebeul 2007, s. 7).
Nicht nur weitreichender, sondern vor allem detailreicher als Fredebeuls Ansatz ist die Definition von eLearning des E-Leaming-Centers der Universität Wien, die in Strasser, 2011 wie folgt formuliert ist:
״Eine etwas weiter gefasste Definition von eLearning umfasst alle digitalen Medien (Websites, CD-Rom, Onlinedokumente, Video, Audio, etc.), die für Lehr- und Lemzwecke erstellt werden. eLearning kann somit als Oberbegriff für didaktische Gestaltungsmodelle verwendet werden, die neue Informations- und Kommunikationstechnologien nutzen, um den kontinuierlichen Zugriff auf Leminhalte zu erleichtern und Online-Zusammenarbeit und -Austausch zu ermöglichen.“
Es müssen nach diesem Ansatz für den schulischen Bereich ebenso Schulserver, die den Austausch von Lehr-, und Lemmaterialien in einem rechtssicheren Raum ermöglichen, sowie allgemein cloudgestützte Lehr- und Lernmöglichkeiten in den Fassungsbereich des eLearnings mit einbezogen werden.
Dass der Begriff eLearning diversitär aufzufassen ist, zeigt im Vergleich zu zuvor genanntem Zitat eine Anmerkung aus dem Jahr 2005, in der gesagt wird ״der Begriff eLearning soll als Sammelbegriff für nahezu jedes Bildungsangebot verwendet werden, das mit der digitalen Welt in Verbindung gebracht wird.“ (Seufert / Euler 2005, s. 6). Eine Fortführung dieser Arbeit unter Maßgabe dieser Definition würde den Rahmen, der diese Ausführungen begrenzt, sprengen. Eine Eingrenzung des Begriffes ist deshalb unabdingbar. Eine HinWendung zu den Formen des eLearning soll bei dieser Eingrenzung helfen. Doch welche Formen können unter dem Namen eLearning zusammengefasst werden und an welcher Stelle beginnt die Hinführung zum gesuchten Begriff Blended Learning? Es soll sich zunächst dem ersten Teil der vorangegangenen Frage gewidmet werden.
,,Aufgrund des semantisch sehr global anmutenden Terminus .E-Learning', bedarf es sicherlich einer terminologischen Einteilung, um die einzelnen Formen des E-Leamings verständlich zu machen. Dewe und Weber zieht [sic] eine von Back et al. (1998) und Reinmann-Rothmeier entworfene Unterscheidung heran:
- E-Learning by distributing׳. Hier wird die Funktion der Distribution von Informationen ange- sprechen, bei der die Lernenden Information selbstgesteuert aufnehmen, verarbeiten und umsetzen.
- E-Learning by interacting: In diesem Verständnis von E-Leaming interagieren die Lernenden - vielleicht zusätzlich unterstützt durch Teletutoren - mit dem System, das möglichst Rückmeldungen gibt um somit auch als Lemen durch Feedback bezeichnet wird.
- E-Learning by collaborating: Bei dieser komplexesten Form übernehmen die neuen Medien die Funktion, kollaborative und kooperative Arbeitsprozesse zwischen den Lernenden in einer Lemumgebung anzustoßen." (Strasser 2011, s. 13)
Folgende Grafik aus Reinmann-Rothmeier, 2003, s. 33 gibt eine visuelle Zusammenfassung der oben genannten Formen des eLearning mit der Eingliederung der Sicht des Ler- nenden und der Funktion der Medien in eine Abbildung:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Diese Untergliederung des eLeamings lässt sich ebenso in Fredebeul, 2007, S.10 finden und soll für diese Arbeit als grundlegend ausreichend angesehen werden. Für die drei Formen des eLearnings sind Medien als Transmitter oder Vermittler von Wissen gefragt. Es handelt sich also jeweils um ein mediengestütztes Lernarrangement. Dass Medien den Unterricht stützen und nicht komplett tragen, zeigt wiederum, dass weiterhin Lehrkräfte von Bedarf sind.
״Der Einsatz von E-Leaming-Medien per se bewirkt [jedoch] noch keine nachhaltige Veränderung der Lehr- und Lempraxis. Um E-Leaming über einmalige Versuche von medienaffinen Einzelpersonen hinaus im Geschäftsbetrieb einer Bildungsorganisation effektiv und längerfristig zu verankern, sind umfassende Konzepte notwendig" (Wippermann 2008 zitiert nach Spary (Hg.) 2014, s. 76).
Welche Konzepte kommen hierfür in Frage? An dieser Stelle bietet es sich an, die inhaltliche Hinführung zum Blended Learning[4] einzuleiten, denn in einem nächsten Schritt müssen die traditionellen Lernformen mit den genannten Formen des eLearning zusammengeführt werden.
Innerhalb des Blended Learning können drei verschiedene Formen der Verknüpfung von Präsenzlehre und eLearning[5] formuliert werden. Diese sind in Anlehnung an Fredebeul, 2007 (S. 12) und Reinmann-Rothmeier, 2003 (S. 33) die folgenden:
- Anreicherung tradierter Lernformen
- Virtuelle Ausrichtung
- Intégratives Arrangement
Wiederum soll eine Grafik das Verständnis der Verzahnung genannter eLearning-, wie traditioneller Lemformen erleichtern (Grafik aus Fredebeul, 2007, s. 13):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Anreicherung tradierter Lernformen wird als das Hinzufügen von eLearning-Elemen- ten zu bestehenden traditionellen Konzepten verstanden, (vgl. Fredebeul, 2007, s. 12).
Die virtuelle Ausrichtung hingegen ist das Gegenteil der Anreicherung tradierter Lernformen. Hier nehmen virtuelle Lemphasen den Großteil des Unterrichts ein. Die konventionellen Lernformen ergänzen die virtuellen.
Das integrative Arrangement gewichtet die eLearning-Anteile ebenso hoch wie die Anteile konventioneller Lemformen. Man könnte an dieser Stelle zugespitzt von Blended Learning in Reinform sprechen.
Während der bis hierher erläuterten Begriffen ist deutlich geworden, dass die Definition des Begriffs Blended Learning vielseitig sein kann. Somit ist es angebracht der Definition selbst den Raum einzugestehen, der nötig ist, damit auch die folgenden Kapitel ausreichend Rückbezug nehmen können. Die Definition des Kompositums Blended Learning für den schulischen Bereich soll für diese Arbeit wie folgt lauten:
Blended Learning, zu deutsch gemischtes Lernen, ist eine Lernform, deren Ziel es ist die Vorzüge des eLearnings, und hierunter fallend eLearning by distributing, eLearning by interacting, sowie eLearning by collaborating, in traditionelle Lemformen wie Präsenzlehre und den dazugehörigen Sozialformen (bspw. Gmppenarbeit) didaktisch angemessen, sinnvoll und effektiv zu integrieren.
Da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Ansatz des Blended Learning bereits vollumfassend in deutschen Schulen zur Anwendung kommt, was zu einem Großteil mit der fehlenden digitalen Ausstattung der Schulen, aber auch mit der fehlenden fachlichen Kompetenz der Lehrkräfte in einen Zusammenhang zu bringen ist und damit begründet werden kann, darf Blended Learning weiter als pädagogische Innovation für den Regelunterricht gelten. Blended Learning kann den Unterricht verändern und weiterentwickeln. ״Aus der Veränderungsperspektive geht es um das Konsolidieren, Optimieren und Erneuern auf einem höheren Entwicklungsniveau. Innovationen werden als Investitionen auf die nächste Periode getätigt, um auch in dieser die Bildungs- und Organisationsziele bestmög- lieh erreichen zu können“ (Seufert, Meier 2013; Iberer 2010 a zitiert nach Spary (Hg.) 2014, s. 76). In welcher Form kann also Blended Learning zu Anwendung gebracht werden, um Bildungsziele bestmöglich zu erreichen?
Daraus ergibt sich die Frage, die in den nächsten Kapiteln beantwortet werden soll: Welche Chancen und Grenzen hat das Blended Learning im schulischen Kontext?
[...]
[1] Vgl. Vortrag von Richard David Precht im Rahmen der Veranstaltung ״Bildung vs. Wissen“ des Stuttgarter Dialogs über Wirtschaft und Gesellschaft, https ://www.youtube ■com/watch?v=ZXhu- g e43tk (letzter Aufruf am 22.02.2018, um 13:54h)
[2] Mit Blick auf die Beispiele sei vorab konzediert, dass sich das Spektrum der Auswahl dieser allein auf die Unterrichtspraxis in der Schule beschränkt.
[3] Eigentlich müsste der Begriff eTeaching genannt werden, da aus der Perspektive der Lehrer argumentiert wird. Gleiches gilt für Blended Learning - Blended Teaching.
[4] Da das Blended Learning traditionelle Lemformen mit den drei genannten Formen des eLe- amings verbindet, sollte auf Deutsch eigentlich nicht vom Blended Learning, sondem eher vom ״hybride(n) Lemarrangement" (vgl. Fredebeul 2007, s. 12) gesprochen werden.
[5] Unter das eLearning fallen an dieser Stelle selbstverständlich alle drei zuvor genannten Unter- gliedemngen: E-Leaming by distributing, E-Leaming by interacting und E-Leaming by collaborating.
- Arbeit zitieren
- Niklas Werner (Autor), 2018, Chancen und Grenzen des Blended Learning im schulischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/421334
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