Vergil Aeneis IV, Die Auseinandersetzung zwischen Aeneas und Dido: Aeneas' Rede (331-363)


Exposé (Elaboration), 2000

18 Pages, Note: sehr gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

1 Einleitung

2 Einordnung der Textstelle aen. 4, 331-361 in den Kontext des vierten Buches der Aeneis

3 Gliederung der Verse 331-361

4 Interpretation der Textstelle aen. 4, 331-361

5 Zusammenfassende Interpretation der Textstelle aen. 4, 331-

6 Literarische Vorbilder
6.1 Odysseus
6.2 Jason:
6.2.1 Euripides
6.2.2 Apollonius von Rhodos
6.3 Theseus

7 Literaturverzeichnis
7.1 Primärliteratur
7.2 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Das vierte Buch der Aeneis, die der Dichter Vergil zwischen 29 und 19 v. Chr. geschrieben, aber nicht vollständig überarbeitet hat, könnte man als das „Dido-Buch“ bezeichnen, da es die Tragödie der karthagischen Königin Dido thematisiert, die, obwohl sie sich bereits verheiratet glaubt, von ihrem „Ehemann“ Aeneas verlassen wird und schließlich Selbstmord begeht.

Zur Auseinandersetzung zwischen Aeneas und Dido, in der sie ihn von seiner Entscheidung, wegzugehen, abbringen will, gehört auch die Texstelle aen. 4, 331-361. Aeneas antwortet hier auf die vorangegangene Rede Didos (296-330), und diese Erwiderung ist um so bedeutender, weil der Dichter so nicht nur Aeneas die einzige Möglichkeit in diesem Buch gibt, seine Entscheidung vor Dido zu rechtfertigen, sondern auch dem Leser, sie nachzuvollziehen.

Die Berühmtheit dieser Auseinandersetzung verbirgt die Tatsache, daß die dramatische Rolle des Helden in diesem Buch vergleichsweise klein ist. Während Vergil Aeneas in Buch II und III ausschließlich von der Eroberung Trojas und von seiner Irrfahrt bis an die afrikanische Küste berichten läßt, stellt er im vierten Buch von Anfang bis Ende Dido als tragische Königin in den Mittelpunkt, indem er sie ein Viertel des Buches sprechen läßt.[1] Deshalb sind auch die Verse 331-361 so ausschlaggebend für eine Charakterisierung des Helden der Aeneis. In den folgenden Kapiteln werden sie im Hinblick auf Aeneas` sofortige Reaktion und den Beweggrund, warum er Dido verläßt, genauer betrachtet.

2 Einordnung der Textstelle aen. 4, 331-361 in den Kontext des vierten Buches der Aeneis

Buch IV handelt von der Dido-Tragödie. Die verliebte Dido vertraut sich ihrer Schwester Anna aus Angst und Scham davor an, ihrem toten Gatten Sychäus untreu zu werden (5-30). Anna rät ihr zu der neuen Liebe (31-53), die immer stärker wird (54-89) und schließlich dazu führt, daß Aeneas und Dido zusammen bei einer Jagd (129-159) wegen des aufkommenden Unwetters in einer Höhle Unterschlupf suchen. Seit diesem Ereignis, das die Göttinnen Juno und Venus nicht ohne Hintergedanken eingefädelt haben, glaubt die Königin, verheiratet zu sein. Sie verheimlicht ihre Verbindung nicht mehr (160-172). Ihre Beziehung zu Aeneas wird im ganzen Land durch das personifizierte Gerücht, Fama, verbreitet (173-197), woraufhin sich Jarbas, der König der einheimischen Gaetuler und ein abgewiesener Freier, in einem Gebet bei Jupiter darüber beschwert. Das führt dazu, daß der Göttervater Aeneas durch den Götterboten Merkur ermahnt, nach Italien zu fahren (219-278). Obwohl er schon Reisevorbereitungen trifft, erzählt Aeneas Dido nicht von seinem Vorhaben, sie zu verlassen (279-295).

Aeneas` Rede (331-361) ist die Konsequenz der Worte, mit denen sich Dido von sich aus an ihn wendet und ihn bittet, bei ihr zu bleiben (296-300). Er streitet ab, mit ihr verheiratet zu sein und gibt an, auf göttlichen Befehl hin nach Italien reisen zu müssen. Daraufhin klagt sie ihn der Treulosigkeit an und verwünscht ihn (362-392). Beide Dido-Reden klammern seine Worte geradezu ein und stellen sie dadurch als einziges Zeugnis seiner Meinung über die Geschehnisse in den Mittelpunkt des Buches. Der Trojaner ist zwar bewegt, will aber trotzdem nicht bleiben (393-407). Auch Anna, die ihn für ihre Schwester darum bittet (408-436), erreicht nichts mehr (437-449).

Weil sie zudem von Albträumen mit Visionen über den toten Sychäus und Aeneas gequält wird (450-473), läßt Dido im Palast für einen angeblichen Liebeszauber einen Scheiterhaufen erbauen und hält in einer Nacht einen Monolog über ihre bedauerliche Situation (522-553). Nachdem Merkur zur gleichen Zeit in einer Vision Aeneas erneut vor der arglistigen Dido gewarnt hat (554-570), reist dieser ab (571-583).

Daraufhin verflucht die Königin ihn und seine Nachkommen (584-629), worin die Römer einen Grund für die punischen Kriege und die Erfolge des Hannibal sahen. Danach begeht sie auf dem Scheiterhaufen durch das Schwert, das ihr Aeneas geschenkt hat, Selbstmord (630-692). Ihre Seele wird erst dadurch erlöst, daß Juno durch die Göttin Iris eine ihrer Locken dem Gott der Unterwelt weiht (693-705).[2]

3 Gliederung der Verse 331-361

Aeneas` Rede, die in Vers 333 beginnt, kann in zwei Hauptteile mit insgesamt sieben Teilabschnitten untergliedert werden. Die Verse 331 und 332 dienen dabei als kurze Einleitung der Rede, in der die Situation und die seelische Verfassung des Aeneas charakterisiert werden.

Teil 1 („Proömium“):

vv. 333-336:

- Beginn der Rede (tandem pauca refert)
- Didos Verdienste werden angesprochen.
- Aeneas bekennt ewiges Gedenken an Dido (dum memor ipse mei, dum spiritus hos regit artus).

Teil 2 (Rechtfertigung):

vv. 337-339:

- Abstreiten der heimlichen Flucht und der Ehe, der beiden Hauptvorwürfe
- Einleitung durch pro re pauca loquar, Beginn der Rechtfertigung

vv. 340-344:

- Karthago quasi als Teil des Fatums
- Hätte er selbst entscheiden können (meis...auspiciis), hätte er Troja nie verlassen.

vv. 345-350:

- vergleichende Gegenüberstellung seiner Bestimmung mit Didos
- Italien als göttlicher Befehl durch den Gryneischen Apoll und die lykischen Orakel
- Höhepunkt der Rede: hic amor, haec patria est (347)

vv. 351-355:

- Rücksichtnahme auf die Familie, den Vater und den Sohn (Anapher me – me)

vv. 356-359:

- Mahnung Merkurs (Epiphanie) als schließlich ausschlaggebender Punkt, Karthago zu verlassen

vv. 360-361:

- Aufforderung an Dido, mit den Klagen aufzuhören
- wieder Verweis auf sein Schicksal (non sponte)

4 Interpretation der Textstelle aen. 4, 331-361

Wie bereits erwähnt, ist diese Rede die einzige des Aeneas im vierten Buch. Gleichzeitig ist sie der Höhe- und Wendepunkt, da sie dem Leser einen Einblick in die seelische Verfassung verschafft sowie seine Sichtweise der Geschehnisse darstellt. Diese Antwort gab oftmals Anlaß zur Diskussion. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sie zu deuten. Einerseits kann man sich auf Didos Seite stellen und einen nichtswürdigen Betrüger in Aeneas sehen. Andererseits kann man die gesamte Schuld bei Dido suchen, weil sie diejenige ist, die auf die Ehe drängt. Dazwischen liegen viele verschiedene Meinungen.[3] Vielleicht bringt die Einleitung, die der Dichter der Rede voranstellt, etwas Licht ins Dunkel:

ille Iovis monitis immota tenebat

lumina et obnixus curam sub corde premebat (331-332)

„IOVIS MONITIS bene praescribit ne ei det impietatem sane...“.[4] Diese Worte gebrauchte Servius im fünften Jahrhundert n. Chr. in seinem Kommentar, um die einleitenden Verse Vergils zu beschreiben. Sie charakterisieren die Situation und seelische Verfassung des Helden. Er ist entschlossen, Jupiters Befehl (iovis monitis) zu befolgen und gegenüber Didos Klagen standhaft zu sein.[5] Der Dichter stellt Aeneas ähnlich wie bei seiner Rede an die Trojaner nach dem Seesturm im ersten Buch dar. Dort heißt es premit altum corde dolorem (1,209), hier heißt es obnixus curam sub corde premebat (332). Seine wahren Gefühle bleiben verborgen. Statt des Schmerzes verbirgt er diesmal seine Liebe (cura), die er unterdrücken muß, um seinem Fatum folgen zu können. Das zusätzliche obnixus („mit aller Macht“) und die Abwehrhaltung des Körpers (immota tenebat lumina) offenbaren eine große Selbstbeherrschung. Während der beiden Reden hält diese Körperhaltung, das sich Wehren gegen die eigenen Gefühle und Reaktionen auf Dido, an. Dieser Zustand, Aeneas` Situation, wird noch mehr durch die Imperfektformen tenebat – premebat, die gleichzeitig einen Reim darstellen, untermauert.[6]

„Vergil deutet an, daß Aeneas auch jetzt, nachdem ihn Dido von sich aus angesprochen hat (304), erst noch schweigt und erst nach Zögern (tandem, 333) eine Antwort gibt.“[7] Der Dichter hebt außerdem zweimal hervor, „daß Äneas nur wenig sagen will: tandem pauca refert – pro re pauca loquar. Dahinter verbirgt sich das Gefühl, daß Worte hier ohnmächtig sind, daß mit Worten hier nichts auszurichten ist. Diese pauca des Aeneas stehen in bewußtem Gegensatz zu den plurima, die Dido zwar nicht vorgebracht hat, aber vorbringen könnte (IV 333 f.).“[8]

[...]


[1] Mackie, The characterisation of Aeneas, S.77

[2] Suerbaum, Vergils Aeneis, S. 58 f.

[3] Pöschl, Die Dichtkunst Virgils, S. 45 f.

[4] Serv. ad Verg. aen. 331-332

[5] Loretto, Aeneas zwischen Liebe und Pflicht, S. 30

[6] Glücklich, Interpretationen und Unterrichtsvorschläge zu Vergils Aeneis, S. 70

[7] ebenda

[8] Pöschl, Die Dichtkunst Virgils, S. 46

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Vergil Aeneis IV, Die Auseinandersetzung zwischen Aeneas und Dido: Aeneas' Rede (331-363)
Université
University of Osnabrück
Cours
Seminar
Note
sehr gut
Auteur
Année
2000
Pages
18
N° de catalogue
V42213
ISBN (ebook)
9783638403023
Taille d'un fichier
584 KB
Langue
allemand
Mots clés
Vergil, Aeneis, Auseinandersetzung, Aeneas, Dido, Aeneas, Rede, Seminar
Citation du texte
Silke Gellhaus (Auteur), 2000, Vergil Aeneis IV, Die Auseinandersetzung zwischen Aeneas und Dido: Aeneas' Rede (331-363), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42213

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