Die Rede des Augustus (Seneca, apocol. 10-11)


Referat (Ausarbeitung), 2001

21 Seiten, Note: gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Gliederung der Rede

3. Interpretation

4. Die Bedeutung des Augustus und seiner Rede für die Apocolocyntosis des Seneca S. 17

5. Literaturverzeichnis
5.1 Textausgaben
5.3 Sekundärliteratur

1. Einleitung

Mit seiner Apocolocyntosis, die als menippeische Satire im Jahre 54 anonym veröffentlicht wurde, bringt Seneca seine abwertende Haltung gegenüber Claudius deutlich zum Ausdruck. Schließlich war er von Claudius verbannt worden und musste nach dessen Tod die Leichenrede verfassen, die sein Schützling Nero vortrug.

Zu dieser Satire gehören auch die Worte des Augustus in den Kapiteln 10 und 11. Seneca stellt Claudius den ersten Princeps als Ankläger entgegen, der im Gegensatz zu ihm eher die gute Seite des Prinzipates repräsentierte.

Die Augustusrede entblößt Claudius als Mörder in der eigenen Familie und in den dem Kaiserhaus nahestehenden Kreisen, seine Herrschaft sogar als Katastrophe. Zweifellos verleiht sie dadurch der Apocolocyntosis einen ernsteren Ton. Sie ist letztendlich ausschlaggebend für Claudius` Verbannung aus dem Himmel.[1]

Außerdem kann man hier etwas über die Einstellung Senecas zum ersten Princeps erfahren. Obwohl kaum direkte Aussage über ihn gemacht werden, kann Augustus anhand seiner eigenen Worte indirekt charakterisiert werden.

In den nächsten Punkten wird genauer betrachtet, wie die Worte des Augustus in einer Satire gestaltet sind sowie welche Bedeutung sie für die Handlung und Seneca selbst haben.

2. Gliederung der Rede

Bis auf den ersten Satz enthalten die Kapitel 10 und 11 nur die Rede des Augustus, die sich wie folgt untergliedern lässt.

exordium:

- Wendung zu den Senatoren, captatio benevolentiae (10, 1)
- Erwähnen der Verdienste um Rom (10, 2)

narratio:

- Claudius, ein Mörder (10, 3)

divisio:

- Beschränkung auf domestica mala; publicas clades werden aus Zeitgründen übergangen (10, 3)

argumentatio:

- Der Urgroßvater klagt an (10, 4)
- Anrede an Iuppiter (10, 4)
- Mythenbeispiel Iuppiter (11, 1)
- Tötung der Messalina (11, 1)
- Morde in der Familie, Einzelfälle (11, 2)
- Wendung zu den Senatoren: Claudius – ein Gott? (11, 3)
- Bitte an die Senatoren, captatio benevolentiae (11, 4)

conclusio:

- Beschlussantrag (11, 5)
- Abstimmung und Ausweisung des Claudius (11, 6)

3. Interpretation

Gleich zu Beginn des zehnten Kapitels wird mit tunc der Wendpunkt der Geschehnisse stark hervorgehoben. Wenn bisher die Chancen für eine Apotheose des Claudius nicht schlecht standen, wie in 9, 6 geschrieben steht (et videbatur Claudius sententiam vincere), so sind sie durch das energische Auftreten des Augustus gesunken. Seine Rede ist die längste in der ganzen Apocolocyntosis. Seneca verleiht ihr dadurch um so mehr Gewicht.

Nun aber erhebt sich Augustus, um nachdrücklich zu protestieren. Das surrexit, verbunden mit einem Dativ des Zweckes (sententiae suae loco dicendae), betont sein Auftreten. Er will sein Votum ausführlicher begründen, während die Senatoren, die einem Vorredner zustimmten, im Sitzen votierten.[2]

Dabei wartet er, bis ihm das Wort zugeteilt wird. Das knappe loco stammt aus der senatorischen Geschäftssprache, wie in Ciceros de legibus steht. Der Senator soll an der richtigen Stelle das Wort ergreifen, wenn er darum gebeten wird (ut loco dicat id est rogatus[3]).

Seneca verweist den Leser mit summa facundia auf die angeborene Redegabe des Augustus, die Tacitus in seinen Annalen bestätigt:

et Augusto prompta ac profluens, quae deceret principem, eloquentia fuit[4]

Der Kaiser besaß also eine schlagfertige und fließende Beredsamkeit, wie sie einem Fürsten gut ansteht. Nach Suetons Augustusbiographie kommt noch eine klare und treffsichere Ausdrucksweise hinzu.[5]

Das trifft auch für diese Rede zu. Nachdem er die anderen Götter kurz angesprochen hat, führt er seine Verdienste um Rom an, argumentiert und stellt daraufhin seinen Beschlussantrag. Seine Rede enthält Pathos, bittere Ironie, Fragen an den Angeklagten, emphatisches Verstummen, alliterierende Parallelismen und juristische Formelemente, aber auch diverse sprichwörtliche und volkstümliche Redensarten.[6]

Im Gegensatz zu dieser Auffassung vertreten einige sogar die Meinung, dass diese Rede keine Syntax hat und nicht zum Stil des historischen Augustus passt, der offiziell eigentlich keine umgangssprachlichen Elemente gebrauchte. Wiederum andere fassen sie als Parodie der Redeweise des Princeps auf. Doch gerade weil Seneca eine Satire schreibt, innerhalb der er trotz des ernsten Themas der Augustusrede keinen Stilbruch akzeptieren konnte, hat er die Gestaltung des offiziell und des inoffiziell agierenden Kaisers in eins gefasst. Er behandelt ihn mit ironischer Distanz, indem er seine Rede mit satirischen, halb komischen Elementen durchsetzt.[7]

Der Auftritt des jüngsten Gottes in der Götterversammlung wird als außergewöhnliche Begebenheit dargestellt. Auf die neue Situation weist er sofort im ersten Satz hin:

ego..., p. c., vos testes habeo, ex quo deus factus sum, nullum me verbum fecisse.

Seit seiner Apotheose hat er geschwiegen, und nun gibt er bei der Verhandlung über Claudius seine Zurückhaltung auf.

Er beginnt mit einer captatio benevolentiae, bemüht sich um das Wohlwollen der Senatoren. Eden sieht in seinem Kommentar darin sogar eine Behauptung des „Senatsneulings“, er verwende dieselbe diplomatische Diskretion wie in seinem Leben zuvor.[8]

Bisher hat er sich ausschließlich um seine persönlichen Dinge (meum negotium) gekümmert. Seneca stellt das meum sogar noch vor, um dies besonders zu betonen. Aber diese Angelegenheiten veranlassen ihn jetzt, sein Schweigen zu brechen, weil er als erster römischer Princeps, als Oberhaupt der iulisch-claudischen Familie persönlich betroffen ist.

Seneca beabsichtigte sehr wahrscheinlich einen Vergleich des himmlischen Senats mit dem, den er selbst erlebt hat. Wer nicht zum Reden verpflichtet war, hat geschwiegen, um möglichst bald wieder zu seiner Arbeit zurückzukehren.[9]

Augustus jedoch kann sich nun nicht länger zurückhalten und verschafft seinem Unmut Luft:

non possum amplius dissimulare et dolorem, quem graviorem pudor facit, continere.

Mit dolorem drückt er seinen Schmerz über das Treiben des Claudius, sein Vorhaben, Gott zu werden, und den Antrag des Diespiter aus. Der Schmerz wird durch sein Schamgefühl (pudor) über das, was aus seinem Reich geworden ist, noch verschlimmert.[10] Nach Otto Weinreich sieht der erste Princeps sein Lebenswerk bedroht.[11]

Das Ansehen des Herrscherhauses und vornehmlich sein eigener Ruf liegen ihm am Herzen. Deshalb hat Seneca möglicherweise bewusst das zweideutige Verb dissimulare gebraucht. Zum einen deutet er damit auf den Ehrgeiz bzw. Egoismus des Herrschers in bezug auf seine ehemaligen Leistungen hin, dass er sich nicht weiter verstellen wird, zum anderen, dass er nicht länger schweigen wird.[12]

Des Kaisers Entrüstung spiegelt sich in den folgenden rhetorischen Fragen wider, die seine Verdienste um Rom angeben:

in hoc terra marique pacem peperi? ideo civilia bella compescui? ideo legibus urbem fundavi, operibus ornavi, ut…?

Sowohl in seinem Tatenbericht (res gestae divi Augusti = Monumentum Ancyranum) als auch bei Sueton findet man diese Taten ausführlich wieder[13], nämlich:

- die Sicherung des Friedens,
- die Unterdrückung der Bürgerkriege,
- die gesetzliche Fundierung der Stadt
- und das Errichten von Bauwerken.

Stilistisch hebt Seneca die Empörung des ersten Princeps durch die Anapher ideo...ideo und das in hoc hervor. Die Reihe der Verben im Perfekt (peperi, compescui, fundavi, ornavi) betont die Leistungen des Kaisers.

[...]


[1] Binder, S. 149 f.

[2] Bücheler, S. 58

[3] Cicero, de legibus 3, 18, 40

[4] Tac. ann. 13, 3, 4

[5] Suet. Aug. 86, 1

[6] Schönberger, S. 78

[7] ebenda, S. 78

[8] Eden, S. 116

[9] Heinze, S. 68

[10] Schönberger, S. 78

[11] Weinreich, S. 100

[12] Wolf, S. 29

[13] Bauer, S. 60

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Die Rede des Augustus (Seneca, apocol. 10-11)
Hochschule
Universität Osnabrück
Veranstaltung
Seminar
Note
gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
21
Katalognummer
V42214
ISBN (eBook)
9783638403030
Dateigröße
571 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rede, Augustus, Seminar
Arbeit zitieren
Silke Gellhaus (Autor:in), 2001, Die Rede des Augustus (Seneca, apocol. 10-11), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42214

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