Die Frage, der ich in dieser Arbeit nachgehen werde, ist, inwiefern eine Wahrheitskommission die an sie gestellten Ansprüche erfüllen kann und von welchen Bedingungen dies abhängig ist. Dazu werde ich die offizielle Wahrheitskommission in Guatemala, die „Comisión para el Esclarecimiento Histórico“ (CEH) sowie die inoffizielle guatemaltekische Wahrheitskommission „Recuperación de la Memoria Histórica“ (REMHI) auf ihre Handlungschancen und strukturellen Begrenzungen hin untersuchen. Meine These ist, dass Wahrheitskommissionen ihrer Reichweite nur zu einem geringen Teil selbst bestimmen, und diese vielmehr durch die strukturellen Gegebenheiten des betroffenen Landes vorgegeben werden, wie Machtverteilung und gesellschaftspolitische Situation.
Das folgende Kapitel führt in das Thema ein und stellt die Hauptmerkmale von Wahrheitskommissionen vor. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Frage nach den strukturellen Voraussetzungen, die eine Wahrheitskommission erfüllen muss, damit eine erfolgreiche Arbeit möglich wird, wie Zusammensetzung und Planung des Arbeitsverlaufs. Da CEH und REMHI in Guatemala arbeiteten, beschäftigt sich Kapitel 3. der Arbeit mit landespolitischen Fragen. Neben der gesellschaftspolitischen Situation werden Ursachen sowie Verlauf des Bürgerkriegs erläutert. Die massiven Menschenrechtsverletzungen und die gesellschaftliche Polarisierung werden in diesem Rahmen besonders berücksichtigt.
Kapitel 4. verfolgt den Weg von der Idee einer offiziellen Wahrheitskommission für Guatemala bis zur Etablierung der CEH. Die Diskussion um die Einsetzung einer Wahrheitskommission wurde im Rahmen der Friedensverhandlungen geführt, so dass die Kräfteverhältnisse zwischen den einzelnen Akteuren und deren Einfluss auf das Mandat der Kommission hier deutlich zur Sprache kommen. Der nächste Abschnitt der Arbeit dient der Betrachtung der offiziellen Wahrheitskommission CEH. Der Schwerpunkt dieses Kapitels liegt auf dem Aufbau und der Struktur der Kommission und im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach dem Einfluss verschiedener Akteure auf die Handlungschancen der CEH. Darauf folgt der Vergleich mit der inoffiziellen Wahrheitskommission REMHI. Die unterschiedlichen Aufgabenstellungen, Arbeitsschwerpunkte und Kompetenzen stehen hier im Zentrum des Interesses. Das abschließende Resümee soll die anfangs gestellte Frage beantworten, welche Möglichkeiten Wahrheitskommission haben und wo ihre Grenzen liegen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Wahrheitskommissionen zwischen Anspruch und Realität
- 2.1 Entwicklung von Wahrheitskommissionen als vergangenheitspolitisches Instrument
- 2.2 Erwartungen an die Kommission
- 2.3 Zentrale Kategorien der Vergangenheitsaufarbeitung
- 2.3.1 Konfrontation mit vergangenen Verbrechen
- 2.3.2 Wahrheit und Versöhnung
- 2.3.3 Wahrheitskommissionen vs. juristische Strafverfolgung
- 2.4 Im Innern der Kommission: Probleme und praktische Umsetzung
- 2.4.1 Entstehungsbedingungen
- 2.4.2 Zusammensetzung
- 2.4.3 Methoden und Arbeitsablauf
- 3. Guatemala: Vom Bürgerkrieg zum Friedensprozess
- 3.1 Gesellschaftspolitische Situation
- 3.2 Konfliktursachen
- 3.2.1 Konquista und Kolonialzeit
- 3.2.2 Liberale Reformzeit - Beginn der „Bananenrepublik“
- 3.2.3 Demokratischer Frühling
- 3.3 Der bewaffnete Konflikt
- 3.3.1 Entstehung der Guerilla
- 3.3.2 Die „Politik der verbrannten Erde“
- 3.3.3 Demokratische Öffnung
- 4. Einsetzung einer Wahrheitskommission in Guatemala
- 4.1 Der Kampf um das lebendige Wiedererscheinen der „Verschwundenen“
- 4.2 Die Wahrheitskommission in den Friedensverhandlungen
- 4.2.1 Die Ausgangslage
- 4.2.2 Die erste Phase der Friedensverhandlungen
- 4.2.3 Die UN als Vermittler im Friedensprozess
- 4.2.4 Kritik an der Vertragsunterzeichnung
- 4.2.5 Der Friedensschluss
- 5. Offizielle Wahrheitsfindung: „Comisión para el Esclarecimiento Histórico“ (CEH)
- 5.1 Struktur und Arbeitsweise
- 5.1.1 Aufgabenstellung
- 5.1.2 Zusammensetzung
- 5.1.3 Rechtliche Verankerung
- 5.1.4 Zeitlicher Rahmen
- 5.1.5 Methodik und Beweisfindung
- 5.2 Das Verbot, Namen zu nennen
- 5.3 Reaktionen von Regierung, Militär und Guerilla
- 5.4 Der Abschlussbericht „Memoria del Silencio“
- 5.4.1 Inhalte und Schlussfolgerungen
- 5.4.2 Der öffentliche Akt und seine Folgen
- 5.5 Bleibende Effekte
- 6. Inoffizielle Wahrheitsfindung: „Recuperación de la Memoria Histórica“ (REMHI)
- 6.1 Der Akteur katholische Kirche
- 6.2 Entwicklung der Projektidee
- 6.3 Struktur und Arbeitsweise
- 6.3.1 Zusammensetzung
- 6.3.2 Die animadores
- 6.3.3 Methodik und Beweisfindung
- 6.3.4 Reaktionen von Militär, Regierung und Guerilla
- 6.4 Der Abschlussbericht „Nunca más“
- 6.4.1 Inhalte und Schlussfolgerungen
- 6.4.2 Der öffentliche Akt und seine Folgen
- 6.4.3 Bleibende Effekte
- 7. Hoffnung auf Versöhnung: Was können Wahrheitskommissionen erreichen?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Handlungschancen von Wahrheitskommissionen am Beispiel Guatemala. Sie analysiert, inwiefern eine Wahrheitskommission die an sie gestellten Erwartungen erfüllen kann und welche strukturellen Bedingungen diese beeinflussen.
- Entwicklung und Bedeutung von Wahrheitskommissionen als Instrument der Vergangenheitsaufarbeitung
- Analyse der zentralen Kategorien der Vergangenheitsaufarbeitung: Wahrheit, Versöhnung, Strafverfolgung
- Untersuchung der strukturellen Bedingungen für den Erfolg von Wahrheitskommissionen: Machtverhältnisse, gesellschaftliche Situation
- Detaillierte Betrachtung der offiziellen guatemaltekischen Wahrheitskommission „Comisión para el Esclarecimiento Histórico“ (CEH)
- Vergleich mit der inoffiziellen Wahrheitskommission „Recuperación de la Memoria Histórica“ (REMHI)
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 führt in das Thema Wahrheitskommissionen ein und stellt deren Bedeutung als Instrument der Vergangenheitsaufarbeitung dar. Es werden zentrale Kategorien der Vergangenheitsaufarbeitung wie Wahrheit, Versöhnung und Strafverfolgung sowie die strukturellen Voraussetzungen für den Erfolg von Wahrheitskommissionen beleuchtet.
Kapitel 2 analysiert die gesellschaftspolitische Situation in Guatemala sowie die Ursachen und den Verlauf des Bürgerkriegs. Es wird dabei auf die massiven Menschenrechtsverletzungen und die gesellschaftliche Polarisierung eingegangen.
Kapitel 3 verfolgt den Weg von der Idee einer offiziellen Wahrheitskommission für Guatemala bis zur Etablierung der CEH und beleuchtet die Rolle der Wahrheitskommission in den Friedensverhandlungen.
Kapitel 4 befasst sich mit dem Aufbau und der Struktur der CEH und untersucht den Einfluss verschiedener Akteure auf deren Handlungschancen.
Kapitel 5 vergleicht die CEH mit der inoffiziellen Wahrheitskommission REMHI und beleuchtet deren unterschiedliche Aufgabenstellungen, Arbeitsschwerpunkte und Kompetenzen.
Schlüsselwörter
Wahrheitskommission, Guatemala, Bürgerkrieg, Vergangenheitsaufarbeitung, Wahrheit, Versöhnung, Strafverfolgung, Menschenrechtsverletzungen, CEH, REMHI, Friedensprozess, Memoria del Silencio, Nunca más
- Quote paper
- Nicole Rehberg (Author), 2005, Zwischen Wahrheitsfindung und Versöhnung - Handlungschancen von Wahrheitskommissionen am Beispiel Guatemala, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42251