Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen im Nationalsozialismus


Hausarbeit, 2016

18 Seiten, Note: 1,7

Andreas Stadler (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Darwinismus und Sozialdarwinismus

3. Rechtliche Grundlagen
3.1. Gesetz zur Förderung von Eheschließungen
3.2. Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
3.3. Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens
3.4. Ehegesundheitsgesetz

4. Die Euthanasie von Menschen mit Behinderung

5. Euthanasie heute

6. Fazit

Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Thema dieser Hausarbeit ist der Umgang mit Menschen mit Behinderung in der Zeit des Nationalsozialismus. Zuerst möchte ich die Begriffe Darwinismus und Sozialdarwinismus theoretisch behandeln. Anschließend werden Gesetze aus der NS-Zeit präsentiert, die den Umgang mit Menschen mit Behinderungen vorschreiben und schließlich den Grundstein legen für die Euthanasie, die flächenhafte Vernichtung geistig und körperlich Behinderter. Im letzten Teil meiner Arbeit möchte ich außerdem noch kurz auf Euthanasie (Sterbehilfe) nach der Zeit des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik Deutschland eingehen.

2. Darwinismus und Sozialdarwinismus

Der Darwinismus ist eine von A. R. Wallace eingeführte Bezeichnung für die Evolutionstheorie, die von C. R. Darwin entdeckt wurde. Sie wird die Theorie der gemeinsamen Abstammung genannt. Nach dieser Theorie sind alle Organismen Nachkommen einer einzigen Art. Nach Darwin sind für die Evolution zwei Faktoren verantwortlich: Die genetische Variabilität und die Selektion. Aus Erkenntnissen aus der Populationsbiologie und der Vererbungslehre leitet Darwin den „Kampf ums Dasein“ ab. Dieser geht davon aus, dass es zu unterschiedlich erfolgreicher Fortpflanzung zwischen den Individuen kommen muss, wenn mehr Individuen einer Art geboren werden als durch die zur Verfügung stehenden Ressourcen getragen werden können. Darwin kam schließlich zu der Erkenntnis, dass der Kampf ums Dasein nicht zufällig manche Individuen überleben lässt, sondern dass Überleben und Fortpflanzungserfolg eines Individuums von seiner phänotypischen und damit hauptsächlich auch von seiner genotypischen Beschaffenheit abhängen. Durch natürliche Selektion wird also der unterschiedliche Fortpflanzungserfolg von Individuen einer Art begründet.

(vgl. http://www.spektrum.de/lexikon/biologie /darwinismus/16856)

Darwinismus wird häufig auch durch die Phrase „survival oft the fittest“ beschrieben. Dies soll heißen, dass Individuen, die durchsetzungsfähiger und robuster sind, einen größeren Fortpflanzungserfolg haben und somit eher überleben als Individuen, die schwächer sind. Anzumerken sei jedoch, dass die Phrase „survival oft he fittest“ auf Herbert Spencer (siehe Fortsetzung), der ein Sozialdarwinist ist, zurückzuführen ist, aber dennoch auch auf den klassischen (biologischen) Darwinismus anwendbar ist.

Der Philosoph Herbert Spencer gilt als Hauptbegründer des Sozialdarwinismus. Er geht von einer Zwei-Phasen-Lehre der menschlichen Evolution aus. Die erste Phase ist eine nicht ideale Übergangszeit, die schließlich in die zweite Phase übergeht, den idealen Endzustand, in der die Menschheit im ewigen Frieden lebt. Die erste Phase ist dadurch charakterisiert, dass durch Selektion das Minderwertige und Schlechte eliminiert wird. Spencer hält diese erste Phase für notwendig und gut, weil sie einem guten, erstrebenswerten Endziel dient. (vgl. Schurz, Gerhard: Evolution in Natur und Kultur. Eine Einführung in die verallgemeinerte Evolutionstheorie. Heidelberg 2011. S. 174ff)

Spencer war durch die Veröffentlichung seines erstes Hauptwerk Social Statics schon vor den Erkenntnissen Darwins der erste Philosoph, der die Gedanken des Sozialdarwinismus einführte. In der Folgezeit nahm jedoch der Einfluss des Sozialdarwinismus kontinuierlich zu. Rassenlehren wie sie vom Evolutionsphilosophen und Rassentheoretiker Ernst Haeckel oder dem Rassenhygieniker und Begründer der Eugenik Francis Galton formuliert wurden, gingen davon aus, dass es über- und unterlegene Menschenrassen gibt und dass die Rassenvermischung schädlich sei. Zusätzlich wurde die Lehre der Eugenik formuliert, die zur Gesunderhaltung der menschlichen Rasse Forderungen wie die Zwangssterilisation erbkranker und behinderter Menschen stellte. (vgl. Schurz, Gerhard: Evolution in Natur und Kultur. Eine Einführung in die verallgemeinerte Evolutionstheorie. Heidelberg 2011. S. 174ff)

Ernst Haeckel (1834 – 1919) war schließlich einer der ersten Sozialdarwinisten, der als Vorbild für die Ideologie der Nationalsozialisten diente. Bereits er setzte Nation und Rasse gleich und forderte die Reinhaltung der deutschen Rasse. (vgl. http://www.bpb.de/lernen/grafstat/rechtsextremismus/172883/m-02-08-rassismus-und-sozialdarwinismus)

Die Nationalsozialisten nutzten nun die Erkenntnisse des Darwinismus, des Sozialdarwinismus und der Eugenik, um die theoretische Grundlage des völkischen Rassismus zu manifestieren, welcher schließlich die Ermordung lebensunwerten Lebens im Zuge der Euthanasie rechtfertigen sollte. (vgl. http://www.scilogs.de /landschaft-oekologie/die-ns-ideologie-ist-nicht-darwinistisch/)

3. Rechtliche Grundlagen

Die wissenschaftliche Popularität des Sozialdarwinismus nutzten die Nationalsozialisten, allen voran Adolf Hitler nach ihrer Machtübernahme im Jahr 1933, um Gesetze zu erlassen, die es ermöglichen sollen, den Sozialdarwinismus auch in die Rechtsprechung des Deutschen Reiches zu integrieren. Diese Gesetze sind im Nachhinein als Grundlage der Euthanasie im Nationalsozialismus zu verstehen. Im Folgenden sollen die wichtigsten dieser Gesetze vorgestellt werden.

3.1. Gesetz zur Förderung von Eheschließungen

Nach dem Gesetz zur Förderung von Eheschließungen, welches von den Nationalsozialisten am 1. Juni 1933 erlassen wurde, sollte Jungvermählten nach ihrer Hochzeit ein Darlehen zur Beschaffung des Hausrates zugesprochen werden. Allerdings gab es nur ein Anrecht auf dieses Darlehen für Frauen, die bis zur Eheschließung berufstätig waren und danach bereit waren, ihren Beruf einzustellen. Außerdem wurde das Darlehen nicht erteilt, wenn die Eheschließung „nicht im Interesse der Volksgemeinschaft“ war. Dies war der Fall, wenn erbbiologische Gründe dagegensprachen, d.h. wenn ein Ehepartner z.B. eine körperliche oder geistige Behinderung hatte. (vgl. Reidegeld, Eckart: Staatliche Sozialpolitik in Deutschland. Band II: Sozialpolitik in Demokratie und Diktatur 1919 – 1945. 1. Auflage. Wiesbaden 2006. S. 380f)

3.2. Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933 formuliert nun zum ersten Mal konkret den Umgang mit Menschen mit Behinderung während der Zeit des Nationalsozialismus. Es grenzt Menschen mit Behinderung nicht nur aus wie das Gesetz zur Förderung von Eheschließungen vom 1. Juni 1933, sondern schreibt zum ersten Mal den körperlichen Eingriff auf Menschen mit Behinderung vor.

Demnach kann, „wer erbkrank ist, […] durch chirurgischen Eingriff unfruchtbar gemacht (sterilisiert) werden, wenn nach den Erfahrungen der ärztlichen Wissenschaft mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, daß seine Nachkommen an schweren körperlichen oder geistigen Erbschäden leiden werden.“ (http://www.documentarchiv.de/ns/erbk-nws.html)

Als erbkrank gelten dabei Menschen, die an folgenden Krankheiten leiden:

1. angeborenem Schwachsinn,
2. Schizophrenie,
3. zirkulärem (manisch-depressivem) Irresein,
4. erblicher Fallsucht,
5. erblichem Beitstanz (Huntingtonsche Chorea),
6. erblicher Blindheit,
7. erblicher Taubheit,
8. schwerer erblicher körperlicher Mißbildung

Außerdem können auch Alkoholiker sterilisiert werden. (vgl. http://www.documentarchiv.de/ns/erbk-nws.html)

Diagnostizierte ein Arzt eine der aufgelisteten Krankheiten, wurde ein Antrag auf Unfruchtbarmachung erstellt, über den dann das eigens dafür eingerichtete Erbgesundheitsgericht zu entscheiden hatte.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Beispiel eines Antrags auf Unfruchtbarmachung (Quelle: http://www. museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/pages/medien/abb/390/4292_6264.jpg)

2.3. Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens

Ziel des Gesetzes über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens, das am 3. Juli 1934 erlassen wurde, war es, das kommunale und staatliche Gesundheitswesen in der lokalen Instanz der Gesundheitsämter zu vereinigen. Als Leiter eines solchen Gesundheitsamtes war ein staatlicher Amtsarzt vorgesehen oder ein hinreichend qualifizierter Kommunalarzt. Aufgaben dieser Gesundheitsämter waren einerseits die Aufgaben, bis dahin von den Kreisärzten wahrgenommen wurden und andererseits Aufgaben der Erb- und Rassenpflege. Dazu gehörten u.a. Eheberatung und gesundheitliche Volksbelehrung im Sinne der „Ausbreitung erbbiologischer und rassekundlicher Kenntnisse“. (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Kreisarzt)

Ziel dieser Maßnahme war es, den staatlichen Gesundheitsschutz, kommunale Gesundheitspflege und nationalsozialistische Erb- und Rassenpflege zu reichseinheitlichen Pflichtaufgaben zu machen. Dadurch hatte das NS-Regime eine bessere Kontrolle über das Gesundheitswesen im Deutschen Reich. (vgl. https://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2010030132131/1/TennstedtGVG.pdf)

Dennoch wurde das Gesetz aufgrund seiner Vorzüge in Bezug auf die Vereinheitlichung erst im August 2006 vom Deutschen Bundestag als Bundesrecht aufgehoben. In Österreich ist es sogar heute noch geltendes Recht, wobei sich die Aufgaben natürlich nach der NS-Zeit geändert haben und rassistische Aspekte entfielen. (vgl. http://www.neuburg-schrobenhausen.de/index.php?id=762,92)

2.4. Ehegesundheitsgesetz

Das Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes, auch kurz genannt Ehegesundheitsgesetz, welches am 18. Oktober 1935 in Kraft trat, sollte nun den Umgang mit Menschen mit Behinderung in der Ehe endgültig beschreiben. Anlässlich des „Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich 1938 wurden die Bestimmungen zur Eheschließung zwar noch aus dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch herausgelöst und das nationalsozialistische Ehegesetz formuliert. Dabei gab es aber keine inhaltlichen Veränderungen mehr. (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Ehegesetz_(Deutschland))

Gemäß dem Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit ist eine Ehe in folgenden Fällen verboten:

1. „wenn einer der Verlobten an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Krankheit leidet, die eine erhebliche Schädigung der Gesundheit des anderen Teiles oder der Nachkommen befürchten läßt,“
2. „wenn einer der Verlobten entmündigt ist oder unter vorläufiger Vormundschaft steht,“
3. „wenn einer der Verlobten, ohne entmündigt zu sein, an einer geistigen Störung leidet, die die Ehe für die Volksgemeinschaft unerwünscht erscheinen läßt,“
4. „wenn einer der Verlobten an einer Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses leidet.“

(http://www.verfassungen.de/de/de33-45/ehegesundheit35.htm)

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen im Nationalsozialismus
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2016
Seiten
18
Katalognummer
V423987
ISBN (eBook)
9783668697171
ISBN (Buch)
9783668697188
Dateigröße
803 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Menschen, Euthanasie, Behinderung, Drittes Reich, Nationalsozialismus
Arbeit zitieren
Andreas Stadler (Autor:in), 2016, Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423987

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