"Die Familie Lowositz" von Auguste Hauschner - Eine Textanalyse


Trabajo, 2005

39 Páginas, Calificación: 2,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung.
- Der Umkreis des Werkes

2. Hauptteil
- Wiedergabe des Textinhalts
- Inhaltsanalyse
- Formanalyse
- Sprachanalyse

3. Schluss
- Zusammenfassung der Ergebnisse

4. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Der zu analysierende Roman „Die Familie Lowositz“ von Auguste Hauschner ist im Jahre 1910 im Egon Fleischel & Co Verlag in Berlin erschienen.[1]

Die Autorin Auguste Hauschner wurde am 12.2.1850 in Prag, als Auguste Sobotka geboren.[2] Sie wuchs in einer jüdischen Kaufmannsfamilie auf. Seit ihrer Hochzeit 1879 mit dem Fabrikanten und Maler Bruno Hauschner lebte sie in Berlin. Dort führte sie einen literarischen Salon und schrieb selbst zahlreiche naturalistische und gesellschaftskritische Romane, Erzählungen und Novellen.[3] Auguste Hauschner engagierte sich besonders für die „gesellschaftliche Gleichberechtigung der Juden und der Frauen“.[4] Dies ist auch in ihrem Roman „Die Familie Lowositz“ zu erkennen, worauf ich während der Textanalyse noch genauer zu sprechen komme.

Der Roman „Die Familie Lowositz“ spielt in Prag und in einer Zeit des starken nationalen Erwachens der Tschechen. Im Zuge der Industriellen Revolution im 19. Jahrhundert expandierte, wie auch andere europäische Zentren, Prag sehr stark und die tschechische Bevölkerung stieg gegenüber der Deutschen rasant an. In Anlehnung an die französische Revolution 1848 und die von ihr ausgehende Welle des Nationalismus, entflammten in Tschechien wieder die nationalen Leidenschaften. Daraufhin kam es zu Rivalitäten zwischen den Deutschen und den Tschechen um die Vorherrschaft in den böhmischen Ländern. Ein großer „Rivalitäts-Herd“ war daneben auch die Universität. Denn sie war gleichzeitig Bildungsstätte für die Deutschen und die Tschechen. Es bildeten sich auf beiden Seiten Studentenverbindungen und teils radikale Gruppen. Dabei kam es zunächst zu rein geistigen Auseinandersetzungen, doch im Laufe der Zeit wurden die Streitigkeiten aggressiver und frenetischer, welche sich zunehmend auch im tschechischen Volk verbreiteten. Das 1818 gegründete Nationalmuseum wurde in ein „aktives Zentrum der Bestrebungen um Erneuerung der tschechischen Nationalkultur“[5] verwandelt. Auch die Errichtung des Nationaltheaters 1868-1881[6] verstärkte das Nationalbewusstsein der tschechischen Bevölkerung. In den folgenden Jahrzehnten wollten die Tschechen um jeden Preis ihre nationale Unabhängigkeit erringen. Eine bezeichnende Maßnahme bildete das „Sprachen-Gesetz“, bei dem der Zwang vorherrschte, sich zu einer Sprache und somit zu „seiner“ Nation bekennen zu müssen bzw. zu sollen. Auch die Aufteilung der Prager Karls-Universität 1882[7] in eine deutsche und eine tschechische Universität war ein Symbol für die ethnischen Konflikte, die Prag zu dieser Zeit erschütterten.[8] Prag wurde für die tschechischen Künstler ein kultureller Mittelpunkt, da sie in ihren Arbeiten vorangetrieben und unterstützt worden. Doch die zahlreichen deutschsprachigen Künstler wie z.B. auch Franz Kafka mussten teils ihre Arbeiten in deutschen Kulturzentren wie Berlin oder Dresden vollbringen.[9]

Wie anfänglich schon beschrieben ist auch die Autorin Auguste Hauschner in Prag geboren und aufgewachsen. Somit wird der Roman sicherlich auch autobiographische Züge aufweisen bzw. werden persönliche Erlebnisse Hauschners in das Stück mit eingeflossen sein. Da mir allerdings keine ausführliche Biographie von Auguste Hauschner vorliegt, kann ich nicht aufzeigen, welche persönlichen Erfahrungen und Ereignisse in dem zu behandelnden Stück Niederschlag gefunden haben. Außerdem soll nicht die Biographie der Autorin im Mittelpunkt stehen, sondern es soll eine literarische und textnahe Analyse des Romans angefertigt werden. Somit werde ich in der vorliegenden Arbeit zunächst einen Überblick bezüglich des Inhalts geben und anschließend, entsprechend der Gliederungspunkte einer Textinterpretation, eine Inhalts-, Form- und Sprachanalyse hinsichtlich des Romans „Die Familie Lowositz“ durchführen.

2. Hauptteil

Der Roman „Die Familie Lowositz“ zeigt, mit den einzelnen Lowositzschen Familienmitgliedern, die Umgebung des Prager deutschjüdischen Großbürgertums, in der Zeit des nationalen Aufbegehrens der tschechischen Bevölkerung, aus unterschiedlichen Perspektiven. Dabei wird jeder von verschiedenen Konflikten bestimmt. Im Mittelpunkt stehen die jungen Camilla und Rudolf Lowositz, die mit unterschiedlicher „Sehschärfe“ die Probleme der Zeit mitbekommen, sie in ihr Leben einbeziehen oder aufnehmen und versuchen zu bewältigen. Sie stehen zwischen der deutschen und der tschechischen Seite und in ihrer „heimatlosen Welt“ fühlen sie sich teilweise angezogen wie abgestoßen von dem anderen Denken, dass ihnen oft nichts bleibt, als zwischen den beiden Milieus zu wandern. Neben diesen gesellschaftlichen und politischen Konflikten treten aber auch innerfamiliäre und individuelle Kontroversen auf, die auch wieder mit unterschiedlicher Intention aufgefasst und bewältigt werden. Nach langem Suchen geliebt zu werden und den gesellschaftlichen Zwängen, geehelicht zu sein, gerecht zu werden, heiratet Camilla Lowositz schlussendlich den Bekannten Felix Katzler. Rudolf Lowositz hingegen kann seine Ruhe in Prag nicht mehr finden. Durch die aggressiver werdenden Rivalitäten zwischen den beiden Nationen gerät er ins Visier der „Gegner“, die sein Wandeln zwischen den Konkurrenten nicht länger dulden wollen. Sie „treiben“ ihn aus der Stadt und aus dem Land. Rudolf sieht nur noch den Ausweg nach Deutschland zu gehen um dort sein Studium fortzuführen.

Auguste Hauschner möchte mit dem Roman „Die Familie Lowositz“ einerseits die fehlenden zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Familie aufzeigen, die sich teilweise so grausam entwickeln, dass Menschen daran zu Grunde gehen oder sich selbst eine Scheinwelt aufbauen, in der sie sich Glück bzw. glücklich sein einreden, schlussendlich aber meistens unglücklich sind. Andererseits möchte sie die erstarkende Judenfeindlichkeit zu der Zeit, in der das Stück handelt, darstellen und damit aufzeigen, wie sich Menschen, die diskriminiert werden fühlen, wie sie denken, wie unterschiedlich sie mit dieser Situation umgehen und inwiefern der tschechische Antisemitismus Leben beeinflusst bzw. zerstört. Daneben zeigt Hauschner auch die Nationalen und innerkulturellen Konflikte zwischen den Deutschen und den Tschechen auf und möchte darstellen, inwieweit der eigene Nationalstolz jeden einzelnen beeinflusst, ihn dazu drängt sich einer Gruppe anzuschließen und wie erbarmungslos sich die daraus resultierenden Intoleranzen und Fanatismen auswirken können.

Betrachtet man anfänglich den Titel „Die Familie Lowositz“ erweckt er den Eindruck, dass es sich hier um einen Roman über diese Familie handelt und das die einzelnen Familienmitglieder beschrieben werden könnten, welches Verhältnis sie zu einander haben, wie sie leben, vielleicht auch wie sie bisher lebten, welche Probleme sie haben und was sie „Besonders“ macht. Dieses „Vorurteil“ wird im Roman bestätigt. Man lernt die Familie und die Familienbestandteile kennen und erfährt auch die Beziehungen der einzelnen Personen zueinander. Jedoch wird kein positives Beispiel sondern eher ein Negatives aufgezeigt, denn in der Familie fehlen jegliche zwischenmenschlichen Beziehungen wie Vertrauen, Wärme, Herzlichkeit und Geborgenheit. Diese Brüchigkeit des innerfamiliären Verhältnisses wirkt sich auf jedes Familienmitglied unterschiedlich aus und führt zu verschiedenen Konflikten. Somit setzt an dieser Stelle eine andere Betrachtungsweise der Erwartungen in Bezug auf den Titel ein, denn man erkennt, dass die Probleme so tief greifend sind, dass man diese hintergründigen Angelegenheiten auf die vordergründigen Themen und Vorkommnisse des Textes beziehen muss um die Intention und einige Handlungsabläufe des Romans zu erkennen und letztlich auch zu verstehen.

Der Roman „Die Familie Lowositz“ von Auguste Hauschner ist in fünfzehn Kapitel unterteilt und ohne vorbereitende oder einleitende Worte, demnach expositionslos kommt man im ersten Kapitel direkt in das Geschehen. Camilla Lowositz ist in ein Buch vertieft, worin es um eine Liebesszene geht. Unterbrochen wird sie durch ihre Stiefschwester Mathilde Eidlitz, die sie zu der täglich gewohnten Nachmittags-Jause ruft. Herr und Frau Lowositz sind dabei nicht anwesend und werden somit dem Leser auch noch nicht vorgestellt. Doch durch die ironische und heuchelnde Frage „Trinkt Frau Lowositz nicht mit uns Kaffee?“[10] der anwesenden Gouvernante Fräulein Lasker ist eine erste Anspielung hinsichtlich Frau Lowositz erkennbar. Rudolf Lowositz erfährt ebenfalls keine aussagekräftige Vorstellung und nimmt nur kurz und gehetzt an der Jause teil, da er Kurt von Leschner bei den Schulaufgaben behilflich ist. Doch auch Camilla Lowositz scheint das all nachmittägliche Ritual eher langweilig, aufgezwungen und mühsam, da sie darauf drängt zu der Familie Bär gehen zu dürfen um ihre Cousine und Freundin Ottilie zu sehen.

Durch die Beschreibung des Familienlebens der Bärs: „das Leben war dort so friedlich und gemütlich. Man war so zärtlich zueinander, man saß Hand in Hand, nannte sich mit Kosenamen und bewunderte sich gegenseitig.“[11] erkennt man eine weitere Anspielung und man bemerkt schon an dieser Stelle die Gegensätzlichkeit des Zusammenlebens und somit ein erstes Kernproblem. Verstärkt wird diese Erkenntnis durch die Anmerkung: „[Camilla] fühlte sich in der Familie Bär heimischer als bei sich zu Hause“[12]. Im weiterem Verlauf des ersten Kapitels kommt es zu einer Darstellung der Mahlzeiten bei den Lowositzens, wobei ein direkter Vergleich zu den der Bärs gezogen wird und man die Gegensätzlichkeit erkennen kann. „Bei den Mahlzeiten bei Lowositzens ging es nie lebhaft zu. Frau Jettka lehnte meist wie ermüdet in ihrem Stuhl, und die Worte fielen ihr nur schwer und langsam von den Lippen. (...) Herr Lowositz hielt das Schweigen im Familienkreise für ein Erfordernis der Vaterwürde. Den Kindern war das ungefragte Mitreden verboten.“[13]

Ein Rückgriff, der sich nicht linear in das Handlungsgeschehen einordnen lässt und Lästereien sowie kritisierenden Gespräche der Verwandten und Bekannten zusammenfasst, gibt einige Informationen über die „Zustände im Lowositzschen Haus“[14]. Der Leser wird in ein Teil der Familiengeschichte eingeführt. Man erfährt, dass Jettka Lowositz die bereits zweite Frau von Eduard Lowositz ist, dass sie ihr erstes Kind verloren hat und seitdem ab und an in eine Heilanstalt müsse und das ihre Stieftochter Mathilde bereits eine geschiedene Frau ist. Obwohl der Leser im ersten Kapitel direkt in das Geschehen eintaucht und sich selbst orientieren muss, da ,wie schon erwähnt, keine eindeutige Einführung in die Familie und die Umstände gegeben ist, sind teilweise bereits einige Tendenzen und Motive zu erkennen. So spürt man bei einem Sonntagsessen im Hause Lowositz ein verständnisvolles, liebenswürdiges aber dennoch merkwürdiges Verhältnis zwischen Frau Jettka Lowositz und ihrem Sohn Rudolf. „Ihre Blicke kreuzten sich. Sie liebten es, sich geistig von den anderen fern zu halten und sich heimlich zuzulächeln. Zwar wusste einer nicht, was sich der andere dabei dachte. Aber sie glaubten sicher einander zu verstehen.“[15] Im absoluten Gegensatz dazu steht das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter. Camilla sehnt sich nach Wärme, Liebe, Geborgenheit und wird enttäuscht. „Wenn doch jetzt die Tür aufginge, ihre Mutter käme, setzte sich auf das Bett und hätschelte und streichelte sie zärtlich...Sie fühlte sich einsam und verlassen.“[16] Besonders deutlich wird ihre Sehnsucht nach innigem Familienleben auch als Camilla glücklich und freudig von einem Fest zurückkehrt und euphorisch ihre Erlebnisse jemanden mitteilen möchte. „Die Mutter hatte sich bereits zurückgezogen. Der Vater ging, mit auf dem Rücken verschränkten Armen, nachdenklich auf und ab. Mathilde lag halb schlafend auf dem Kanapee...“[17] Sie wird abgewiesen: „Geh, gib mir Ruh mit deinen Dummheiten“[18], gerügt und bestraft. Dies setzt Camilla so sehr zu, dass sie sogar die Freundschaft mit Ottilie in Frage stellt und ihr alles „plötzlich in einem trüben Licht“[19] erscheint. Doch Camilla lässt sich aus dieser unerfüllten Gefühlsnot nicht so stark beeinflussen, dass sie ihr einfaches und naives Ziel, geliebt zu werden, nicht aufgibt. Sie geht sogar so weit, dass sie sich in ihrer eigenen „kleinen Welt“ einen Aberglauben erschafft: „...die Vor- und Nachmittage könnten sich nicht gleichen. Erlebe sie am Morgen etwas Angenehmes, so stieß ihr am Abend sicher etwas Verdrießliches zu, und umgekehrt“[20].

Im ersten Kapitel erkennt man durch u.a. die Metapher „mit heißen Blicken sah er zu...“[21] oder als ihm ein junges Mädchen anrempelt „lief ihm wieder Feuer durch die Adern“[22], dass sich auch Rudolf nach der Liebe seht, doch ist sie dabei eher eine Art Lust bzw. erotische Begierde.

Die Familie und die Familienverhältnisse werden zwar nicht offenkundig und direkt im ersten Kapitel dargestellt und aufgezeigt, doch durch zahlreiche Andeutungen und Anspielungen werden einige Probleme, Konflikte und Charaktereigenschaften beschrieben und dargestellt, die sich während des Romans teilweise noch zum Thema entwickeln. Und somit könnte man behaupten, dass das erste Kapitel bei genauerem Hinschauen eine gewisse Einführung in den Roman und die Familie ist.

Das zweite Kapitel knüpft nicht chronologisch an den Handlungsverlauf der ersten Szene an. Daraus resultierend kann man von einer analytischen Form des Romans sprechen. Den größten Handlungsschauplatz im zweiten Kapitel bietet Rudolfs Schule. Dabei werden für den weiteren Verlauf des Buches wichtige und ausschlaggebende Motive dargestellt, wie Judenfeindlichkeit bis hin zum Judenausschluss, Respektlosigkeit und Abhängigkeit. Jedes Unterrichtsfach stellt dabei ein Motiv bzw. Problem dar und geht mit den unterschiedlichen Charakteren der Lehrer einher. Doch auch schon vor dem Unterrichtsbeginn von Rudolf Lowositz wird ein erstes Thema dargestellt. Rudolf trifft sich mit seinen „siebzehn jüdischen Kollegen“[23] vor der Tür des Klassenzimmers um den Schluss des Religionsunterrichts abzuwarten. Durch den Satz und das Symbol: „Immer sah er dann an sich herab, als trüge er noch den gelben Lappen angeheftet“[24] wird deutlich das sie regelrecht aus der Gemeinschaft ausgeschlossen sind. Denn den gelben Lappen[25] mussten die Juden bereits im Mittelalter tragen um sich von den Christen äußerlich zu unterscheiden.

In der ersten Stunde haben sie Latein bei Herrn Heinrich Maschek, der nur Assistenzlehrer ist und zusätzlich noch als Privatlehrer arbeiten muss um notdürftig seine Familie ernähren zu können, wodurch er selbst auch abgemagert ist und immer den gleichen Anzug tragen muss. Während eines Diktates lässt Rudolf Wenzel Ptatschek und Kurt von Leschner abschreiben. Herr Maschek, nimmt diesen Betrug war, doch dabei zerreist es ihn innerlich. Denn auf der einen Seite ärgert er sich in hohem Maße über die Schüler, deren Hintergehung er längst durchschaut hat, doch auf der anderen Seite ängstigt es ihn die Jungen abzustrafen und dabei sein Ansehen beim Direktor zu verlieren. Da Kurt von Leschners Vater dem Stadthaltereirat angehört und bei der Anstellung der Lehrkörper mitbestimmt, bestraft er während der Arbeit nicht Rudolf „um Kurt von Leschners willen“[26]. Dieses Motiv der Abhängigkeit zu einer Person höheren Amtes verstärkt sich im Laufe des Romans zu einem konkretisierten Thema. Zahlreiche Personen werden sich einer solchen Abhängigkeit unterziehen, um ihre „eigene Haut zu retten“ oder selbst aufzusteigen, doch auf diese Geschehnisse werde ich an gegebener Stelle aufmerksam machen.

Das die Schüler Respekt und Ehrfurcht gegenüber dem Mathematiklehrer Professor Krasa haben, zeigt der Satz: „Der Eintritt von Professor Krasa trieb sie insgesamt auf ihre Plätze“[27]. Professor Krasa steht nicht nur äußerlich im Gegensatz zu Professor Maschek sondern auch charakterlich. „Alles war rund an ihm und hängend“[28], er wirkt erhaben, selbstbewusst und mag es Boshaftigkeiten in den Mathematikunterricht mit einzubringen. So stellt er zu Beginn der Stunde eine Textaufgabe, bei der er die „Israeliten“ gegenüber den Christen diskriminiert. Als der Professor bemerkt, dass Rudolf darauf „finster“[29] reagiert, stellt er ihm eine weitere Textaufgabe. Obwohl Herr Krasa versucht, Rudolf mit Zwischenreden durcheinander zu bringen, löst er die Aufgabe. Dies reizt den Mathematiklehrer derartig auf, dass er jeden einzelnen „jetzt ohne die Glaubensbekenntnisse zu scheiden“[30] der Klasse nach vorne holt und sie unter höhnischen Bemerkungen prüft. Dadurch kann man erkennen, dass seine anfängliche Feindlichkeit gegenüber Juden, durch ein Ärgernis derart transformiert ist, dass er nun feindselig gegen einen gesamten Menschenstamm, die Schüler, ist. Auch dieses Motiv zeigt sich im Handlungsverlauf deutlich wieder, wird thematisiert und zu dem schicksalhaften Ende führen.

Wiederum im gegensätzlichen Sinne verläuft die Geschichtsstunde bei Professor Doktor Wohanek. Der Vergleich der Schüler mit einem Eichhörnchen zeigt seine Zierlichkeit und ruhige Art. Resultierend aus der Eintönigkeit seiner Unterrichtsführung ist der Großteil der Schüler psychisch nicht anwesend bzw. aufmerksam. Sie schlafen oder spielen Karten und zeigen ihm dadurch genauso wenig Respekt, wie sie ihn selbst von dem Mathematiklehrer Professor Krasa erhalten haben.

Den ersten Teil des zweiten Kapitels kann man als eine Schlüsselstelle bezeichnen, da hier das erste Mal auch gesellschaftliche Probleme dargestellt sind. Die Verhaltensweisen und Charaktere der einzelnen Lehrkörper dienen dabei als Hilfsmittel und Symbol die Konflikte darzustellen.

Auch im zweiten Teil des Kapitels werden diese Motive wieder aufgenommen. Rudolf trifft sich nach der Schule mit Doktor Markus, bei dem er eigentlich die englische Sprache lernt. Doch Rudolf ist abwesend und zerstreut, da er immer noch an die Vorkommnisse in der Schule denkt. Er möchte wissen: „Was macht unseren Glauben eigentlich so verhasst, Herr Doktor?“[31] und auf einmal schwenkt der Nachhilfeunterricht um in eine Unterhaltung über Religionen und Gesellschaft. Doktor Markus versucht Rudolf zu erklären, dass an dieser Unbeliebtheit am wenigsten der Glaube Schuld hat, sondern „im letzten Grund ist es ein Instinkt, aus dem heraus die andere Rasse uns so feindlich ist. So wie es Tiere gibt, die sich im Naturzustand bekriegen...“[32]. Mit seiner Aussage „Das Gesetz kann uns gleiche Rechte geben, gewiss, gleichgestimmt kann es uns nicht machen (...) In den Niederungen wuchern die Vorurteile.“[33] definiert er den Zustand näher und unterstreicht damit eine gewisse Hoffnungslosigkeit, die man auch als Prophezeiung auslegen könnte. Denn diese Ausführung lässt sich nicht zwingend auf die Judenfeindlichkeit der Christen beziehen, sondern zeigt gleichzeitig allgemeine Aspekte, die die Menschen tragen und welche zu Intoleranzen bis hin zu Feindlichkeiten führen. Damit stellt die Autorin die Brüchigkeit und die Fragwürdigkeit der zwischenmenschlichen Beziehungen, im Allgemeinen und unabhängig der Religion, dar. In seiner weiteren Erklärung wechselt Doktor Markus erneut die Ebene und kommt von der allgemeinen auf eine weltliche Ebene: „Es gibt eine Höhe, in der die Geister gleich sind.“[34]. Er verdeutlicht, dass es charaktervolle Persönlichkeiten gegeben hat, die großen Einfluss auf ihre Zeitgenossen und die Nachwelt hatten, so auch Christus. Denn „nur von der Reinheit der Gesinnung und von der Menschenliebe (...) war [er] ein großer Mensch“[35]. Doktor Markus entfacht dadurch eine „Glut der Schwärmerei“[36] in Rudolf und er sieht daraufhin ein Bild vor seinen Augen. „Weit hinten (...) sah er ein Kreuz aufgerichtet, sah er die blutende Gestalt des Menschen, der sich geopfert hatte, weil er glaubte, damit die Menschheit zu erlösen.“[37] Rudolf bewundert Christus ehrfürchtig „und es drängte ihn, sich vor ihm hinzuwerfen, sich ihm zu geloben.“[38] Die darauf folgende Metapher, die Luft ist „schwer von Ahnung und Erwartung“ deutet auf eine zukunftsungewisse Vorausdeutung. In Zusammenhang mit dem Bild könnte man hier auch die Voraussage sehen, dass sich Rudolf selbst um seinetwillen opfern wird. Dass Rudolf diese Unterhaltung und Erfahrung nachhaltig beeindruckt zeigt, dass er sich vornimmt das Drama „Christus der Menschensohn, Drama in fünf Akten und ein Vorspiel“ zu schreiben. Doch auch menschlich hat es ihn so stark berührt, dass er sich gelobt „nur reinen Herzens an diese Aufgabe zu gehen“[39], welches vermuten lässt, dass auch Rudolf selbst nach Reinheit strebt.

[...]


[1] vgl. Deckblatt, Hauschner, „Die Familie Lowositz“

[2] vgl. http://www.geo.uni-bonn.de/cgi-bin/kafka?Rubrik=prager_deutsche_literatur&Punkt=autoren&Unterpunkt=hauschner

[3] vgl. http://www.geo.uni-bonn.de/cgi-bin/kafka?Rubrik=prager_deutsche_literatur&Punkt=autoren&Unterpunkt=hauschner

[4] http://www.geo.uni-bonn.de/cgi-bin/kafka?Rubrik=prager_deutsche_literatur&Punkt=autoren&Unterpunkt=hauschner

[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Prags

[6] http://www.hotels-prague.biz/sights/nationaltheatre_de.htm

[7] http://library.fes.de/fulltext/afs/htmrez/80278.htm

[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_Prags

[9] Auch Auguste Hauschner ging nach Berlin und führte dort einen literarischen Salon.

[10] Hauschner, Kapitel 1, S. 3

[11] Hauschner, Kapitel 1, S. 6

[12] Hauschner, Kapitel 1, S. 6

[13] Hauschner, Kapitel 1, S. 17

[14] Hauschner, Kapitel 1, S. 7

[15] Hauschner, Kapitel 1, S. 20

[16] Hauschner, Kapitel 1, S. 15

[17] Hauschner, Kapitel 1, S. 29

[18] Hauschner, Kapitel 1, S. 29

[19] Hauschner, Kapitel 1, S. 30

[20] Hauschner, Kapitel 1, S. 17

[21] Hauschner, Kapitel 1, S. 13

[22] Hauschner, Kapitel 1, S. 14

[23] Hauschner, Kapitel 2, S. 31

[24] Hauschner, Kapitel 2, S. 33

[25] konnte auch ein anderes Kennzeichen sein, so z.B. auch ein gelber Ring

[26] Hauschner, Kapitel 2, S. 37

[27] Hauschner, Kapitel 2, S. 39

[28] Hauschner, Kapitel 2, S. 40

[29] Hauschner, Kapitel 2, S. 40

[30] Hauschner, Kapitel 2, S. 42

[31] Hauschner, Kapitel 2, S. 52

[32] Hauschner, Kapitel 2, S. 53

[33] Hauschner, Kapitel 2, S. 53

[34] Hauschner, Kapitel 2, S. 53

[35] Hauschner, Kapitel 2, S. 54

[36] Hauschner, Kapitel 2, S. 54

[37] Hauschner, Kapitel 2, S. 54-55

[38] Hauschner, Kapitel 2, S. 55

[39] Hauschner, Kapitel 2, S. 58

Final del extracto de 39 páginas

Detalles

Título
"Die Familie Lowositz" von Auguste Hauschner - Eine Textanalyse
Universidad
University of Dusseldorf "Heinrich Heine"
Calificación
2,7
Autor
Año
2005
Páginas
39
No. de catálogo
V42468
ISBN (Ebook)
9783638404907
Tamaño de fichero
545 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Familie, Lowositz, Auguste, Hauschner, Eine, Textanalyse
Citar trabajo
Carolin Spangenberg (Autor), 2005, "Die Familie Lowositz" von Auguste Hauschner - Eine Textanalyse, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42468

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