Leseprobe
Inhaltverzeichnis
Einführung
1. Definition von Information und Wissen
2.Konzept der Informations- und Wissensgesellschaft nach Peter Drucker
3. Einführung in die Wissensklufthypothese
3.1. Ausgangshypothese und Theoretische Begründung
3.2. Konzepterweiterung der Wissenskluftperspektive
4. Von der Wissenskluft zur Spaltung in der Verfügbarkeit und Nutzung von Massenmedien
4.1. Definition Digitale Spaltung
4.2. Soziale Relevanz der digitalen Spaltung
5. Dreistufiges Modell nach Wirth
Fazit
Literaturverzeichnis
EINFÜHRUNG
Die digitale Ungleichheitsforschung auch „Digital Divide“ genannt beschreibt das Phänomen der digitalen Spaltung als Folge einer unterschiedlichen Verteilung und Nutzung von technologischen Ressourcen in der Gesellschaft. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die meisten Aktivitäten von Kommunikation bis Online-Bewerbung medial im Internet abspielen, kann davon ausgegangen werden, dass eine digitale Ungleichheit Auswirkungen auf das soziale Leben hat und zu einer sozialen Benachteiligung führen kann. Mit dem Aspekt der Entstehung von neuen digitalen Ungleichheiten stellen sich für die Soziale Arbeit neue Herausforderungen. Es gilt Ungleichheiten zu beseitigen um die gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit wiederherzustellen. Um der digitalen und sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken, ist es daher wichtig Informationen für alle zugänglich zu machen, Medienkompetenz zu vermitteln aber auch eine zielgerichtete und strukturierte Selektion und Verarbeitung von Informationen zu fördern (Kutscher, 2010, S. 154).
Aus sozialwissenschaftlicher Sicht wird die moderne Gesellschaft durch den ansteigenden Informationsfluss und zunehmende Verfügbarbar von Massenmedien als „Informations- und Wissensgesellschaft“ verstanden. Jedoch existieren laut Wirth (1997) keinerlei Definitionen, die die Konstrukte „Information“ und „Wissen“ präzisieren und voneinander unterscheiden, obwohl sie für die Wissenskluftforschung unverzichtbar sind.
Deshalb werden einleitend im ersten Kapitel zunächst die Begriffe Information und Wissen nach Kuhlen (2004) definiert. Information gilt als die Vorstufe des Wissens, welche lebensdinglich und einen Gebrauchswert für den Nutzer haben muss um dann von ihm aus der Fülle von Informationen selektiert und aneignet werden zu können. Während Information einen Prozess des Wissenserwerbes beschreibt, ist Wissen ein Zustand. An die Definition von Information und Wissen schließt sich im zweiten Kapitel die Beschreibung des Konzeptes der Wissensgesellschaft nach Drucker (1969). Steinbicker (2001) schreibt in diesem Zusammenhang, dass die Gesellschaft einen sozialen und technologischen Wandlungsprozess unterliegt und sich von der industriellen Gesellschaft zu einer modernen Informations- und Wissensgesellschaft entwickelt hat. Informationen und insbesondere Wissen haben in der Gesellschaft eine zentrale Rolle eingenommen. Maass (2009) argumentiert, dass Wissen zu einem entscheidenden Innovations- und Produktionsfaktor geworden ist, der alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens durchdringt und dominiert. Hieraus ergeben sich für Drucker (1969) Wissensklüfte zwischen sozioökonomisch starken und schwachen Gruppen, die zur sozialen Ungleichsverteilung von politischer Teilhabe und Lebenschancen führen. In diesem Zuge widmet sich das folgende Kapitel der Wissenskluftforschung. Im ersten Teil des dritten Kapitels wird die traditionelle These der Wissenskluft nach Tichenor, Donohue und Olien (1970) beschrieben, die als Begründer der Wissensklufthypothese gelten.
Die Wissenskluftthese behauptet, dass die Zunahme des Informationsangebots eine gesellschaftliche Spaltung zwischen sozioökonomisch Benachteiligten und Begünstigten nach sich ziehe und folglich soziale Ungleichheiten verstärke, anstatt sie zu beseitigen. Aufgrund der Einseitig- und Lückenhaftigkeit der Wissenskluftthese von Tichenor, Donohue und Olien wurden die bestehenden Thesen unter anderem von Rogers, Nowak (1977) und Horstmann (1991) modifiziert und neben Bildung und Wissen um weitere Aspekte wie Innovation, Motivation, politische Teilhabe und Mediennutzung erweitert (Wirth, 1997). Diese werden im Kapitel 3.2. Konzepterweiterungen der Wissenskluftthese dargesellt.
Die digitale Spaltung (Kapitel 4) lässt sich in die traditionellen Thesen der Wissenskluftforschung einbetten. Laut Zillien (2009) scheint sich das Phänomen der Wissenskluft durch die massenhafte Verbreitung von digitalen Informations- und Kommunikationstechnologien zu wiederholen. Es zeigen sich alte Muster in der „neuen“ Gesellschaft. Die These der digitalen Spaltung behauptet, dass sich Unterschiede in der Verfügbarkeit und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien auf sozialer Ebene auswirken und ebenso zur sozialen Ungleichheiten führen.
Im ersten Abschnitt des vierten Kapitels wird das Phänomen der digitalen Spaltung und Ungleichheit definiert. Im zweiten Abschnitt werden die sozialen Auswirkungen der digitalen Spaltung thematisiert. Im abschließenden Kapitel wird das dreistufige Modell nach Wirth (1999) dargestellt, welches die Entstehungsursachen der digitalen Ungleichheit erklären soll. Im Anschluss folgt ein Fazit mit den wichtigsten Thesen zur digitalen Ungleichheit.
1. DEFINITION VON INFORMATION UND WISSEN
Vor der Erläuterung des Konzeptes der Informations- und Wissensgesellschaft nach Peter Drucker werden zunächst die Konstrukte Information und Wissen definiert und das Verhältnis zwischen dem steigenden Informationsfluss und Wissen in Bezug auf soziale Ungleichheiten dargestellt. Der Wissenskluftforscher Werner Wirth kritisiert an den führenden Wissensklufthypothesen wie die von Tichenor, Donohue und Olien die fehlende Präzisierung und die fehlenden Thesen zum zentralen Konstrukt Wissen, obwohl diese so essentiell für die Wissenskluftforschung seien (Wirth, 1997, S. 20). Des Weiteren führt Wirth die These an, dass eine Zunahme an Informationsangeboten in einer Gesellschaft auch zu einer Zunahme von Wissensklüften führe (Wirth, 1997, S. 20). Kommt es umgekehrt zu einer Stagnation oder einer Abnahme des Informationsflusses, bietet das die Möglichkeit Wissensdefizite auszugleichen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe Information und Wissen oft gleichgesetzt und synonym verwendet. Laut Maass (2009) existiert in den unterschiedlichen Wissensdisziplinen und -zweigen eine enorme Bandbreite an Begriffsdefinitionen von Information und Wissen. Am häufigsten wird der Informationsbegriff aus dem Lateinischen (lat. informatio, lt. in Form bringen) zitiert, welcher von Platon und Aristoteles geprägt wurde und damit eine Idee oder eine Vorstellung von einem Sachverhalt und dessen mentale Einprägung abstrakt meint (Maass, 2009, S. 15f.). Im Nachfolgenden wird ein Informations- und Wissensbegriff nach Kuhlen zugrunde gelegt. Der Informationswissenschaftler Rainer Kuhlen (2004) definierte den Informationsbegriffes wie folgt:
„Zur Information werden die Informationen erst, wenn jemand sie in einem bestimmten Kontext aufnimmt, sie verstehen, interpretieren, etwas mit ihnen anfangen kann, sei es direkt, z.B. um eine anstehende Entscheidung zu fällen, oder verzögert durch Aufnahme der Informationen in den schon vorhandenen eigenen Wissensbestand, mehr oder weniger damit rechnend, dass er/sie später auf sie wird zugreifen und sie dann wird verwenden können.“
In Verbindung dazu basiert Wissen für Kuhlen (2004) auf folgender Grundlage und Fähigkeit:
„Wissen entsteht durch Umsetzung von Daten über Informationen in interne Wissensstrukturen. Das ist nichts anderes als Lernen. Eine Information wird durch die Einbettung in bestehendes Wissen zu einer Wissenseinheit. Lernen heißt in erster Linie das Bilden von semantischen Relationen von den neuen Wissenseinheiten zu bestehenden oder auch nur die Erweiterung oder Einengung von bisherigen Werten schon vorhandener Wissenseinheiten.“
2. KONZEPT DER INFORMATIONS- UND WISSENSGESELLSCHAFT NACH PETER DRUCKER
Die Gesellschaft unterliegt einem sozioökonomischen Wandel und wendet sich „von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft (Steinbicker, 2001, S. 441). In der Soziologie spricht man in diesem Zusammenhang von einer neuen Entwicklungsstufe moderner Gesellschaften, in der Informationen und Wissen auf sozioökonomischer Ebene eine zentrale Stellung genießen und die alte Ordnung der Industriegesellschaft ablösen. Aus diesem sozialen und technologischen Wandlungsprozess resultiert einerseits ein Mehrwert für die Gesellschaft, andererseits birgt er neue soziale und gesellschaftliche Herausforderungen, die in sozialen Klüften und Ungleichheiten sichtbar werden (Steinbicker, 2001, S. 442).
Wenngleich immer noch in der Soziologie und Wirtschaft rege diskutiert und brandaktuell, so wurden die Anfänge der gesellschaftstheoretischen Konzepte einer Informations- und Wissensgesellschaft bereits in den späten 1960er Jahre gelegt. Der Managementtheoretiker Peter Drucker begründete bereits 1969 in seinem Werk „The Age of Discontinuities“ das Konzept der Wissensgesellschaft und definierte Wissen darin als wesentliche Grundlage der modernen Wirtschaft und Gesellschaft und als Triebkraft des gesellschaftlichen Wirkens und der gesellschaftlichen Entwicklung (Drucker, 1969, S. 455F).
Er verortet den Beginn der historischen Entwicklung der Wissensgesellschaft in Amerika, West- und Mitteleuropa und Japan in der Zeit von 1860 und 1970, welche von technologischer und wirtschaftlicher Kontinuität und Diskontinuität geprägt ist (Rohrbach, 2008, S. 30). Die Diskontinuität meint nach Drucker die Entwicklung von neuen wissenstheoretischen Industriezweigen aus der eine Verschiebung der traditionellen Sektoren folgt. Demzufolge wird die Landwirtschaft von der Industrie abgelöst und im weiteren Verlauf wird die Industrie von der Wissenswirtschaft dominiert.
Die Kontinuität nach Drucker hingegen meint das Fortbestehen des vorhandenen technischen und wirtschaftlichen Gefüges, welches lediglich ausgebaut und weiterentwickelt wird (Drucker, 1969, S. 17-23). Der innovative Ausbau der Informationstechnik soll die Übertragung von Infos erleichtern und dazu dienen Informationen systematisch, gezielt und organisiert zu übertragen (Drucker, 1969, S. 55). Der Ausbau beinhaltet insbesondere die Entwicklung eines einheitlichen Übertragungsmediums, mit dem Informationen übermittelt und angewendet werden können (Rohrbach, 2008, S. 31).
Drucker beschreibt Elektrizität als Energiequelle für industrielle Arbeit, Information ist für ihn die Energiequelle für die Wissensgesellschaft und die „Energie für die geistige Arbeit“ (Drucker, 1969, S. 44).
Laut Drucker hat sich Wissen evaluiert und in seiner Produktivität verändert und hat die Erfahrung als Grundlage für Fähigkeiten und Fertigkeiten ersetzt. In diesem Zusammenhang unterteilt Drucker Wissen in drei Entwicklungsstufen. Charakteristisch für die erste Stufe ist die Übertragung des Wissens auf Werkzeuge, Erzeugnisse und sozioökonomische Prozesse. Die zweite Stufe beinhaltet eine Produktivitätssteigerung, die sich aus der ersten Stufe ergibt. Schließlich wird in der dritten Phase Wissen nicht mehr nur auf Werkzeuge übertragen, sondern auf Wissen selbst. Diese Fertigkeit setzt voraus zu begreifen welches Wissen notwendig ist und wie es anzuwenden ist (Steinbicker, 2001, S. 443).
Im Zuge der zunehmenden Wichtigkeit von Wissen und der Entdeckung seines Potentials hat das Wissen eine zentrale Rolle in der Gesellschaft eingenommen und wird als Schlüsselressource verstanden, die es einem erleichtert ökonomisches Kapital zu vermehren und Arbeit zu beschaffen. Drucker begreift Wissen demzufolge als zentralen Innovations- und Produktionsfaktor (Steinbicker, 2001, S. 444).
So beschreibt Drucker in seiner frühen Gesellschaftstheorie drei zentrale Aspekte und Tendenzen, die charakteristisch für die Wissensgesellschaft sind. Die erste Umstrukturierung vollzieht sich auf der bildungstheoretischen Ebene. In diesem Zuge gewinnt Bildung an wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Relevanz und wird als gesamtgesellschaftliche Ressource verstanden, die durch finanzielle Zuwendungen gefördert wird und zu einem Anstieg von ausgebildeten Fachkräften führt.
Diese Tendenz hat zur Folge, dass sich der Fokus der Wirtschaftssektoren auf die Wissenswirtschaft verlagert. Die Verlagerung auf die Optimierung der Arbeitsprozesse durch systematisches Anwenden und Organisieren von Wissen verlangt eine rasche Verbreitung und Weiterentwicklung der Informationstechnik, die eine Steigerung der Produktivität im Bildungs- und Wirtschaftssystem zum Ziel hat (Rohrbach, 2008, S. 32).
Wissen und Bildung wird in der Gesellschaft als Ressource und als soziales sowie kulturelles Kapital verstanden und bietet viele Aufstiegsmöglichkeiten. Es steht jedem Bürger zu und wird vom Sozialstaat in der Gemeinschaft verteilt. Da Bildung aber leistungsabhängig ist, ist sie aufgrund von individuell unterschiedlichen Sozialstrukturen und Sozialisationsentwicklungen dennoch unterschiedlich verteilt. Wirth (1997) führt hierzu an: „Arbeiterkinder kommen vergleichsweise selten, Kinder von Angestellten und Beamten häufiger in den Genuss von höhere Bildung“. Ein höherer Bildungsstatus ist dem zufolge mit größerer Macht und gesellschaftlicher Teilhabe und Mitbestimmung verknüpft. Dieser Faktor trägt laut Wirth maßgeblich zur Wissenskluft und sozialen Ungleichheit bei und stellt einen wichtigen Faktor dar (Wirth, 1997, S. 25f.).
Wissen ist ein fundamentalen Innovations- und Produktionsfaktor, der alle Sektoren durchdringt und dominiert. Daher kommt der Wissensarbeit und dem -management eine größere Bedeutung zu. Wissensmanagement beinhalten die Fähigkeit Wissen strategisch, prozess- und systemorientiert zu analysieren und zu verarbeiten (Maass, 2009, S. 7f).
3. EINFÜHRUNG IN DIE WISSENSKLUFTFORSCHUNG
Die Wissenschaftler Tichenor, Donohue und Olien (1970) gelten als die Begründer der traditionellen Wissensklufthypothese. Das folgende Kapitel gibt einen ersten Einblick in die Wissenskluftforschung, ihre zentralen Konstrukte und Thesen. Das Kapitel 3.2. beschäftigt sich mit den Konzepterweiterungen der Wissenskluftperspektive auf andere Indikatoren.
3.1. AUSGANGSHYPOTHESE UND THEORETISCHE BEGRÜNDUNG
Durch die rasche Diffusion der Informations- und Kommunikationstechnologien und der daraus resultierenden digitalen Spaltung gewinnt die Wissenskluftforschung an gesellschaftlicher Relevant und Aktualität. Die Wissensklufthypothese aus den 1970er Jahren dient in diesem Zusammenhang oft als Bezugspunkt in der Entstehung digitalen Ungleichheitsforschung. Zillien argumentiert, dass die Diskussionen über Entstehung digitale Spaltung und digitale Ungleichheit zu einem Aufleben der Wissensklufthypothese geführt haben (Zillien, 2009, S. 70).
Der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Phillip J. Tichenor und die beiden Soziologen George A. Donohue und Clarice N. Olien gelten als die Begründer der Wissensklufthypothese. Sie veröffentlichten 1970 in einer Fachzeitschrift den Aufsatz „Mass Media Flow and Differential Growth in Knowledge“ und legten darin die Thesen zur Wissenskluft zugrunde.
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