Der Eintritt des Parvenüs in die russische Literatur. Puškins Pikovaja dama


Term Paper (Advanced seminar), 2018

14 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Hintergrund

3. Biographie von Puskin

4. Pikovaja dama
4.1 Inhaltsangabe
4.2 Charakterisierung der Hauptfiguren
4.3 Zur Entstehungsgeschichte der Erzählung
4.4 Das Mysterium der Karten

5. Le Rouge et le Noir

6. Das Parvenü in der russischen Literatur

7. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wird ein Blick auf die russische Literatur geworfen, so kristallisieren sich eine Reihe von Schriftsteller wie Dostoevskij, Tolstoj, Nabokov heraus, die weltweit berühmt sind und große Anerkennung genießen. Nichtsdestotrotz stellt Puškin eine Schlüsselfigur dar, wenn insbesondere die russische Literatur des 19. Jahrhunderts anvisiert wird: Seine Erträge, seine Werke sowie sein Leben sind unumstritten von großer Bedeutung, die viele Male aufgegriffen und thematisiert wurden. Die Werke Puškins beschäftigten des Öfteren seine Nachfolger und dienten als Inspirationsquelle für unzählige Werke. So auch die Erzählung Pikovaja dama, die sowohl romantische, als auch realistische sowie fantastische Züge aufweist. Nicht nur die Handlung, sondern auch das Charakter des Protagonisten bildeten nach der Publikation interessante Diskussionsthemen, die unterschiedlich gedeutet und interpretiert worden sind.

Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit versucht das Thema dieses Werks aufzugreifen und den Eintritt des Parvenüs in die russische Literatur zu zeigen. Hierfür wir zunächst das russische Zarenreich im 19. Jahrhundert sowie auf die Biographie Puškins eingegangen, um relevante Hintergrundinformationen zu veranschaulichen. Daraufhin erfolgt eine Inhaltsangabe der Erzählung Pikovaja dama sowie die Charakterisierung der Hauptfiguren. Danach wird auf die Entstehungsgeschichte der Erzählung eingegangen und der Inhalt des Romans Le Rouge et le Noir, der mit Puškins Erzählung auffällige Parallelen aufweist, dargestellt. Im letzten Abschnitt richtet sich das Augenmerk auf die gesellschaftliche Stellung und Handlung des Protagonisten. Den Abschluss dieser Arbeit bildet eine Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.

2. Historischer Hintergrund

Nach der Ermordung des Zaren Paul I. zu Beginn des 19. Jahrhunderts, bestieg sein ältester Sohn Alexander I. den Thron, der von 1801 bis 1825 regierte. Um Alexanders Erziehung kümmerte sich seine Großmutter Katharina die Große, die ihn unter anderem auf das Herrscheramt vorbereitete.[1] Dies hatte zur Folge, dass er ebenfalls eine Vorliebe für die westlichen Ideologien entwickelte. Was die Innenpolitik betraf, beabsichtigte Alexander I. eine liberale Regierungsform zu schaffen. Er wollte seinem Volk Frieden und Glück bringen, indem er es reformierte. Aus diesem Grund plante er die Leibeigenschaft zu beseitigen, eine Verfassung zu schaffen und die Rede- und Pressefreiheit einzuführen. Es gelang dem Zaren allerdings nicht, seine Absichten in die Praxis umzusetzen, da er den Widerstand des Grundadels nicht überwinden konnte. An der schlechten Situation der Bauern änderte sich folglich auch unter der Regierung Alexanders nicht viel. Während der Regierungszeit des Zaren Alexander machten sich allerdings die ersten Stimmen der Opposition bemerkbar. Im Russischen Zarenreich breitete sich zunehmend die Idee des Westens (Aufklärung, Vernunft, Freiheit und Demokratie) aus, da viele junge russische Offiziere und Angehörige des Adels infolge der Napoleonischen Kriege (1972 bis 1815), auch Koalitionskriege genannt, mit dem westlichen Gedankengut in Berührung gekommen waren.[2] Als Alexander I. 1825 kinderlos starb und der älteste Bruder Konstantin aufgrund einer unstandesgemäßen Ehe auf die Thronfolge verzichtete, folgte ihm sein Bruder Nikolaus I. auf den Thron. Das Ausbleiben der innerpolitischen Reformen führte 1825 zum Dekabristenaufstand, der niedergeschlagen wurde. Auf die Anordnung des Zaren wurden die Aufständischen entweder hingerichtet oder nach Sibirien verbannt.[3] Nikolaus I. regierte bis 1855 äußerst autokratisch und unterdrückte jegliche Neuerungen der Gesetze.

Ein Paradoxon ist die Tatsache, dass während der Regierungszeit von Nikolaus I. die Literatur und das intellektuelle Leben in Russland erblühten wie nie zuvor. Die 30er und 40er Jahre des 19. Jahrhunderts, die als „goldenes Zeitalter“ (zolotoj vek) in die russische Literatur eingehen sollten, haben Schriftsteller wie Puschkin, Lermontov und Gogol' hervorgebracht, die die Grundlage der klassischen russischen Literatur bilden und weltweit Bekanntheit genießen.[4] In dem nächsten Kapitel soll das Lebens des Dichters Puskin kurz dargestellt werden.

3. Biographie von Puskin

Der russische Dichter Aleksandr Sergeevic Puskin erblickte am 26. Mai 1799 als Sohn eines ehemaligen Gardeoffiziers, der aus einem alten Adelsgeschlecht stammte, in Moskau das Licht der Welt. Da sich der Unterricht bei den häufig wechselnden, aus Frankreich stammenden Hauslehrern in der Regel nur oberflächlich gestaltete, lernte er das Lesen und Schreiben der russischen Sprache bei seiner Großmutter Marija Alekseevna Gannibal.[5] Von 1811 bis 1817 besuchte er das neu eröffnete Lyzeum in Zarskoje Selo[6], das ursprünglich junge russische Edelleute für den Staatsdienst vorbereiten sollte. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Gedichte Puskins, die in den handgeschriebenen Schülerzeitschriften publiziert wurden.[7] Im Jahre 1817 wurde der Dichter von seinem Vater, der vor den hohen Kosten des Gardedienstes zurückschreckte, in das Kollegium für auswärtige Angelegenheiten gegeben. Im selben Jahr begann er sein Märchenpoem Ruslan i Ljudmila[8] zu schreiben, das 1820 veröffentlicht wurde und ihm zum Durchbruch verhalf. Neben der Liebeslyrik verfasste der Dichter auch die ersten politischen Schriften. Aufgrund seiner satirischen Epigramme, in denen er sowohl das absolutistische Regime als auch die Leibeigenschaft kritisch betrachtete, fiel Puskin in Ungnade und wurde aus der Stadt Sankt Petersburg verbannt. Folglich unternahm er eine Reise in den Kaukasus und hielt seine Eindrücke in seiner romantischen Dichtung Kavkazskij plennik, die 1821 erschien, fest. Im Jahre 1823 fing Puskin an, den Roman Evgenij Onegin zu schreiben, in dem er Blagoi (1952: 26) zufolge die „tatsächliche russische Welt“ schildert. Als Nikolaus I. neuer Zar wurde, fand eine Audienz zwischen Puskin und dem frisch gekrönten Zaren statt. Da dieser den Dichter als einen der klügsten Männer Russland betrachtete, hebte er 1826 die Verbannung Puskins auf und übernahm persönlich die Zensur seiner Werke.[9] 1881 fand in Moskau seine Trauung mit der neunzehnjährigen Natal'ja Goncarova statt. Nachdem er sich ab 1830 zunehmend der Prosa zuwandte, schrieb er zahlreiche phantastisch-realistische Werke wie z. B. den Versroman Kapitanskaja docka, der 1836 in seiner eigenen Zeitschrift Sovremennik erschien und den Pugacev-Aufstand[10] thematisiert. Die letzten Jahre des Dichters waren vermehrt von Geldnot und Unruhe geprägt: Im Laufe des Jahres 1836 hofierte der französische Gardekavalerist Georges d'Anthès in äußerst auffallender und provozierender Form Natal'ja Goncarova und zog somit Puskins Zorn auf sich, der folglich einen beleidigenden Brief an den Adoptivvater des Gardekavaleristen schickte. Die darauf erfolgende Duellforderung d'Anthès nahm er an. Im Duell, das am 27. Januar 1837 stattfand, wurde Puskin durch einen Bauchschuss schwer verletzt. Zwei Tage später, am 29. Januar 1837, erlag der Dichter im Alter von 38 Jahren seiner Schussverletzung und wurde auf dem Friedhof in Svjatye Gory, heute Puskinskie Gory, beigesetzt.[11]

In Anbetracht der Tatsache, dass Puskin Begründer der modernen russischen Literatur war und die Literatur seines Landes wie kein anderer Dichter prägte, wurde er von seinen Zeitgenossen zur Sonne der russischen Dichtung erklärt.[12] So bezeichnete ihn Dostoevskij in seiner berühmten Puskin-Rede, die er 1880 anlässlich der Einweihung des Puskin-Denkmals in Moskau hielt, als eine außerordentliche, einzigartige, prophetische Erscheinung.[13] Während seiner schriftstellerischen Laufbahn verfasste er zahlreiche Werke, unter denen auch Pikovaja dama subsummiert werden kann. Im folgenden Abschnitt soll der Inhalt dieser Erzählung wiedergegeben, die Entstehungsgeschichte erläutert und die Hauptfiguren charakterisiert werden.

4. Pikovaja dama

4.1 Inhaltsangabe

In der Erzählung Pikovaja dama, die im Jahre 1833 verfasst und 1834 in der renommierten Monatszeitschrift Bibliotéka dlja ctenija publiziert wurde, handelt es sich um die Geschichte und das Schicksal eines jungen deutschen Ingenieurs.

Beim Kartenspiel (Pharo) erzählt der Graf Tomskij eine Anekdote über seine Großmutter Anna Fedotovna, die in ihrer Jugend eine erhebliche Summe an den Herzog von Orléans verloren hatte. Da ihr Gatte nicht gewillt war, für ihre Schulden aufzukommen, begab sie sich zum Herzog von Saint-Germain und bat diesen um Hilfe. Anstatt der Gräfin die von ihr erbetene Summe zu leihen, habe der Herzog drei magische Spielkarten verraten, dank derer sie das verlorene Geld zurückgewonnen hätte. Obwohl Anna Fedotovna das Geheimnis nicht einmal ihren vier Söhnen, die leidenschaftliche Spieler gewesen sind, mitteilte, tat ihr der verschuldete Caplickij solchermaßen leid, dass sie ihm die drei Karten, auf die er nacheinander setzen sollte, verriet. Der Protagonist Germann, ein junger deutscher Ingenieur, der sich nie an den abendlichen Kartenspielen beteiligt, ist von dieser Geschichte zutiefst beeindruckt. Um hinter das Geheimnis der drei Karten zu kommen, gewinnt er das Vertrauen Lisavetas, der Pflegetochter der Gräfin und dringt in die Gemächer der alten Dame ein. Er bedrängt sie mit Bitten, ihm die Karten zu verraten. Als Anna Fedotovna jedoch die genauen Karten nicht preisgeben möchte, sieht er die Lösung darin, sie mit einer Waffe zu bedrohen. Sein Plan geht aber - entgegen seiner Vorstellungen - nicht auf: die Gräfin stirbt und nimmt das Geheimnis mit ins Grab. In der Nacht erscheint sie dem stark alkoholisierten Hermann als Geist und nennt die drei Karten:

Drei, Sieben und Ass (trojka, semerka, tuz). Mit dieser geheimnisvollen Kartenfolge hofft Germann den großen Coup im Kartenspiel zu landen und gewinnt tatsächlich zwei Tage in Folge. Am dritten Tag jedoch setzt er nicht das Ass, sondern die Pique Dame und verliert somit nicht nur das väterliche Erbe, sondern auch seinen Gewinn und seinen Verstand.

Lizaveta dahingegen heiratet einen wohlhabenden liebenswerten Mann und nimmt eine Pflegetochter bei sich auf.

4.2 Charakterisierung der Hauptfiguren

In Pikovaja dama können insgesamt drei Hauptfiguren gefunden werden. Eine von ihnen ist Anna Fedotovna. Sie ist eine alte Gräfin, die zwar ihre Schönheit im Laufe der Jahre verloren hat, jedoch alle Gewohnheiten ihrer Jugend beibehielt. Bereits bei ihrem ersten Auftritt wird ihre Angst vor dem Tod deutlich: Die zur Hofdame ernannte Gräfin möchte keineswegs informiert werden, wenn eine ihrer Altersgenossinen stirbt und keine Romane lesen, in denen der Held die Mutter oder den Vater umbringt.[14] Ferner verfügt sie über äußerst egoistische und launenhafte Charakterzüge. Ihren Bediensteten gegenüber verhält sie sich despotisch und kommandiert sie nach Belieben rum. Die von der Gesellschaft verwöhnte reiche Aristokratin kleidet sich nach der Mode der siebziger Jahre und wohnt liebend gern Bällen bei, wo sie stets in einer Ecke des Ballsaals Platz nimmt und ihr Vermögen zur Schau trägt.[15]

[...]


[1] vgl. Lauer 2009: 99.

[2] vgl. Hoetzsch 1949: 105.

[3] vgl. Basilewitsch 1949: 171.

[4] vgl. Waegemans 1998: 79.

[5] vgl. Puskin 1988: XIII.

[6] Gegenwärtig trägt die Stadt den Namen Puskins.

[7] Einige dieser Gedichte wie Mon portrait (1814) oder Stances (1814) verfasste Puskin auf Französisch (Lauer 2009: 185).

[8] In Russland setzte die Literaturepoche der Romantik mit Puskins Verserzählung Ruslan i Ljudmila (1820) ein, die die Gattungsbezeichnung romanticeskaja poema erhielt, weil sie Motive der russischen Volkskultur aufgreift und zu Literatur umformt (Waegemans 1998: 84).

[9] vgl. Lavrin 1969: 42.

[10] Der Pugacev-Aufstand (1773-1775), auch Russischer Bauernkrieg genannt, war ein Bauernaufstand unter der Führung des Don-Kosaken Emel'jan Pugacev, der sich gegen das Russische Reich richtete.

[11] Vor seinem Tod richtet er einen Brief an den Zaren und bitten ihn um Vergebung, Begleichung seiner Schulden und für seine Frau und Kinder zu sorgen. Der Zar sichert ihm zu, dass er die Familie unter seine Obhut nehmen wird (Puskin 1988: XXV).

[12] vgl. Blagoi 1952: 9.

[13] vgl. Müller 1998: 42.

[14] vgl. Pouchkine 1995: 33f.

[15] vgl. Pouchkine 1995: 51.

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Details

Title
Der Eintritt des Parvenüs in die russische Literatur. Puškins Pikovaja dama
College
Johannes Gutenberg University Mainz
Grade
2,0
Author
Year
2018
Pages
14
Catalog Number
V426467
ISBN (eBook)
9783668707665
ISBN (Book)
9783668707672
File size
568 KB
Language
German
Keywords
Puskin, Puschkin, Pikovaja, Dama, Parvenüs, Russland, Literatur, Eintritt
Quote paper
M.o.A. Fatma Betül Akcora (Author), 2018, Der Eintritt des Parvenüs in die russische Literatur. Puškins Pikovaja dama, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/426467

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