Mit der technischen Errungenschaft der Dampflokomotive wurde bereits im frühen 19. Jahrhundert der Grundstein für die Entwicklung einer revolutionären Raum-, Zeit- und Geschwindigkeitserfahrung gelegt, die bestimmend für die Wahrnehmung des neuen Zeitalters der Industrialisierung war. Künstler und Dichter des neunzehnten Jahrhunderts suchten gleichermaßen nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten und innovativen Bild- und Sprachdynamiken, um die große Kraft und Schnelligkeit der Maschine, und das revolutionierte Verhältnis von Technik, Mensch und Natur ästhetisch angemessen darzustellen. Es ist daher kaum verwunderlich, dass es in beinah allen Künsten zu unterschiedlichen medialen Verarbeitungen des Wahrnehmungswandels von Raum-, Zeit- und Geschwindigkeit gekommen ist.
Dessen ungeachtet gibt es in der Forschung bislang nur wenige Beiträge, die sich mit den verschiedenen ästhetischen Adaptionen von moderner Geschwindigkeitserfahrung im frühen 19. Jahrhundert in einer interdisziplinären Weise auseinandersetzen und das Motiv der Eisenbahn in Text und Bild vergleichend untersuchen. Doch gerade im Hinblick auf die Frage, ob es den Zeitgenossen des frühen 19. Jahrhunderts denn gelungen ist, die innovative Geschwindigkeit der Eisenbahn und die neuen Wahrnehmungs- und Sehweisen darstellungsästhetisch angemessen auszudrücken, ist eine medienvergleichende
Analyse von zentraler Bedeutung. Diese Arbeit macht es sich zur Aufgabe, die aufgeworfene Frage zu beantworten und einen Teil dazu beizutragen, die Lücke in der Forschung zu schließen. Durch eine vergleichende Analyse einiger exemplarisch ausgewählter Arbeiten aus der bildenden Kunst und der Lyrik soll aufgezeigt werden, dass Dichter und Künstler sich bis auf einige wenige Ausnahmen gleichermaßen schwertaten, neue Ausdrucksmöglichkeiten für die innovative Geschwindigkeit der Eisenbahn zu finden und sich von traditionellen Bild- und Sprachmustern zu lösen.
Auf welche Weise setzen sich die Künstler und Dichter des frühen 19. Jahrhunderts mit der technischen Innovation der Eisenbahn und der Wahrnehmung ihrer Geschwindigkeit und Bewegung auseinander? Wie reagieren sie inhaltlich auf die Geschwindigkeitsrevolution und mit welchen stilistisch-ästhetischen Mitteln und Formen stellen sie den Wahrnehmungswandel dar? Welche Bedeutung und welche Funktion hat die Eisenbahn in Text und Bild? Und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede bestehen letztendlich zwischen den ästhetischen Geschwindigkeitsdarstellungen in Kunst und Lyrik?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Veränderung der Wahrnehmung von Raum und Zeit durch die technische Innovation der Eisenbahn
- Eisenbahn- und Geschwindigkeitsdarstellungen in der bildenden Kunst
- William Turner – „Rain, Steam and Speed – The Great Western Railway“ (1844)
- Carl Spitzweg „Gnom, Eisenbahn betrachtend“ (1848)
- Eisenbahn- und Geschwindigkeitsdarstellungen in der Lyrik des frühen 19. Jahrhunderts
- Adelbert von Chamisso – „Das Dampfroß“ (1830)
- Justinus Kerner - „Im Eisenbahnhofe“ (1852)
- Die Strophen 1 – 3: Beschreibung der Eisenbahn und der Bahnhofsatmosphäre
- Die Strophen 4 - 8: Verlust der Poesie und einstiger naturnaher Reiseformen
- Die Strophen 9 – 11: Fortschrittskritik des lyrischen Ichs
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Geschwindigkeit und Eisenbahn in der bildenden Kunst und Lyrik des frühen 19. Jahrhunderts. Ziel ist es, die ästhetischen Adaptionen der neuen Geschwindigkeitserfahrung durch einen medienvergleichenden Ansatz zu analysieren und die Frage zu beantworten, ob es den Künstlern und Dichtern gelang, die innovativen Wahrnehmungs- und Sehweisen adäquat auszudrücken.
- Veränderung der Raum- und Zeitwahrnehmung durch die Eisenbahn
- Darstellung von Geschwindigkeit in der Malerei (Turner, Spitzweg)
- Darstellung von Geschwindigkeit in der Lyrik (Chamisso, Kerner)
- Medienvergleichende Analyse von Bild und Text
- Ästhetische Adaptionen moderner Geschwindigkeitserfahrung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und beschreibt den historischen Kontext der Eisenbahnentwicklung im frühen 19. Jahrhundert, betont die revolutionäre Veränderung der Raum-, Zeit- und Geschwindigkeitserfahrung und führt das zentrale Forschungsdesiderat aus, nämlich die bisherige Lücke in der interdisziplinären Auseinandersetzung mit der ästhetischen Verarbeitung des Eisenbahnmotivs in Bild und Text zu schließen.
Die Veränderung der Wahrnehmung von Raum und Zeit durch die technische Innovation der Eisenbahn: Dieses Kapitel beleuchtet die tiefgreifenden Auswirkungen der Eisenbahn auf die Wahrnehmung von Raum und Zeit. Es wird detailliert auf die Beschleunigung des Reisens, die neuen räumlichen Erfahrungen und die Veränderung des Landschaftsbildes eingegangen, unterstützt durch Zitate von Victor Hugo, der die impressionistische Wirkung der schnell vorbeirauschenden Landschaft beschreibt. Die Faszination der Zeitgenossen für die neue Geschwindigkeit und die Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen werden hervorgehoben.
Eisenbahn- und Geschwindigkeitsdarstellungen in der bildenden Kunst: Dieses Kapitel analysiert die künstlerischen Darstellungen der Eisenbahn bei William Turner und Carl Spitzweg. Es untersucht Turners „Rain, Steam and Speed“ als Beispiel für die dynamische Darstellung von Bewegung und Geschwindigkeit, und Spitzwegs „Gnom, Eisenbahn betrachtend“ als Kontrast dazu, welches die kontemplative Betrachtung der neuen Technologie zeigt. Der Vergleich der beiden Bilder soll die unterschiedlichen ästhetischen Ansätze zur Darstellung der Eisenbahn hervorheben.
Eisenbahn- und Geschwindigkeitsdarstellungen in der Lyrik des frühen 19. Jahrhunderts: Dieser Abschnitt befasst sich mit der lyrischen Auseinandersetzung mit dem Thema Eisenbahn bei Adelbert von Chamisso und Justinus Kerner. Die Analyse von Chamissos „Das Dampfroß“ und Kerners „Im Eisenbahnhofe“ untersucht, wie die Dichter die neue Technologie und die damit verbundenen Veränderungen der Gesellschaft und der Wahrnehmung poetisch verarbeiten. Es wird insbesondere auf die unterschiedlichen Perspektiven und die kritische Auseinandersetzung mit dem Fortschritt eingegangen.
Schlüsselwörter
Eisenbahn, Geschwindigkeit, Wahrnehmung, Raum, Zeit, Bildende Kunst, Lyrik, 19. Jahrhundert, Turner, Spitzweg, Chamisso, Kerner, Industrialisierung, Fortschritt, Moderne, Ästhetik.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Darstellung von Geschwindigkeit und Eisenbahn in der bildenden Kunst und Lyrik des frühen 19. Jahrhunderts
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Geschwindigkeit und Eisenbahn in der bildenden Kunst und Lyrik des frühen 19. Jahrhunderts. Sie analysiert die ästhetischen Adaptionen der neuen Geschwindigkeitserfahrung durch einen medienvergleichenden Ansatz und befasst sich mit der Frage, ob Künstlern und Dichtern der adäquate Ausdruck der innovativen Wahrnehmungs- und Sehweisen gelang.
Welche Künstler und Dichter werden analysiert?
Die Arbeit analysiert die Werke von William Turner ("Rain, Steam and Speed"), Carl Spitzweg ("Gnom, Eisenbahn betrachtend"), Adelbert von Chamisso ("Das Dampfroß") und Justinus Kerner ("Im Eisenbahnhofe").
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Veränderung der Raum- und Zeitwahrnehmung durch die Eisenbahn, die Darstellung von Geschwindigkeit in Malerei und Lyrik, einen medienvergleichenden Ansatz von Bild und Text, und die ästhetischen Adaptionen moderner Geschwindigkeitserfahrung. Insbesondere wird die kritische Auseinandersetzung mit dem Fortschritt in der Lyrik untersucht.
Welche Aspekte der Eisenbahn werden untersucht?
Die Arbeit untersucht die Auswirkungen der Eisenbahn auf die Wahrnehmung von Raum und Zeit, die Beschleunigung des Reisens, die neuen räumlichen Erfahrungen und die Veränderung des Landschaftsbildes. Sie analysiert, wie die Faszination der Zeitgenossen für die neue Geschwindigkeit und die Suche nach neuen künstlerischen Ausdrucksformen sich in Kunst und Literatur niederschlugen.
Wie wird die Analyse durchgeführt?
Die Analyse erfolgt durch einen medienvergleichenden Ansatz, der Malerei und Lyrik gegenüberstellt. Die Werke der genannten Künstler und Dichter werden im Detail analysiert, um die unterschiedlichen ästhetischen Ansätze zur Darstellung der Eisenbahn und der Geschwindigkeit zu beleuchten und zu vergleichen. Der Fokus liegt auf der Interpretation der jeweiligen künstlerischen und poetischen Mittel.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit untersucht, ob und wie Künstler und Dichter die durch die Eisenbahn ausgelösten Veränderungen der Wahrnehmung von Raum und Zeit und die neuen Geschwindigkeitserfahrungen ästhetisch verarbeitet und adäquat zum Ausdruck gebracht haben. Die Ergebnisse zeigen unterschiedliche ästhetische Ansätze und kritische Reflexionen des Fortschritts auf.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Eisenbahn, Geschwindigkeit, Wahrnehmung, Raum, Zeit, Bildende Kunst, Lyrik, 19. Jahrhundert, Turner, Spitzweg, Chamisso, Kerner, Industrialisierung, Fortschritt, Moderne, Ästhetik.
Gibt es eine Zusammenfassung der einzelnen Kapitel?
Ja, die Arbeit enthält eine Zusammenfassung der Einleitung, eines Kapitels zur Veränderung der Wahrnehmung von Raum und Zeit durch die Eisenbahn, eines Kapitels zu Eisenbahn- und Geschwindigkeitsdarstellungen in der bildenden Kunst, eines Kapitels zu Eisenbahn- und Geschwindigkeitsdarstellungen in der Lyrik des frühen 19. Jahrhunderts und eines Schlusskapitels (Fazit).
- Arbeit zitieren
- Sabrina Rutner (Autor:in), 2017, Das Motiv der Eisenbahn in der bildenden Kunst und der Lyrik des frühen 19. Jahrhunderts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/426484