Aneignung und Umdeutung des öffentlichen Raumes durch Street Art am Beispiel Adbusting


Hausarbeit, 2018

36 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Forschungsansatz und Forschungsgegenstand
1.2 Aufbau der Arbeit

2. Annäherung an den Begriff des öffentlichen Raums
2.1 Henri Lefebvre und der Raum
2.2 Der öffentliche Raum
2.3 Die neoliberale Stadt und der Wandel des öffentlichen Raums
2.4 Werbung im öffentlichen Raum
2.5 Künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum

3. Annäherung an das Phänomen Street Art
3.1 Entstehung und Entwicklung
3.2 Der subversive Charakter der Street Art

4. Adbusting
4.1 Kommunikationsguerilleros im Kampf um öffentlichen Raum
4.2 Adbusting: Politische Kunst oder Vandalismus?
4.3 Raumaneignung und -umdeutung durch Adbuster anhand ausgewählter Beispiele

5. Das Beispiel Dies Irae

6. Kritische Reflexion

7. Konklusion

II. Literatur

Hinweis: Die Abbildungen, auf die sich der Text bezieht, wurden aus urheberrechtlichen Gründen für den Druck entfernt.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Titelblatt. Von Dies Irae verfremdetes Werbeplakat des Fachverbands für Außenwerbung.

Quelle: https://www.janun.de/veranstaltungen/ adbusting-workshop-werbung-entlarven/ Deckblatt

Abb. 2: Werbeflächen am Time Square in New York

Abb. 3: Shibuya Crossing in Tokio mit einer Vielzahl an Werbetafeln

Abb. 4: Shibuya Crossing in Tokio ohne Werbetafeln.

Bild von Nicolas Damiens, Grafikdesigner aus Frankreich, der in seinem Projekt „Tokyo without Ads“ ein Stadtbild der japanischen Metropole ohne Werbetafeln, visuell erfahrbar macht

Abb. 5: Berühmt gewordenes Rattenmotiv des Künstlers Banksy

Abb. 6: Von Adbustern umgestaltetes Werbeplakat des Fachverbands Außenwerbung

Abb. 7: Mit einfachem Filzstift verändertes Werbeplakat der CDU

Abb. 8: Verfremdeter Inhalt eines Werbeplakats und so geäußerte generelle Kritik an Werbung

Abb. 9: Vergleichsweise simpel gebustetes Werbeplakat, durch Platzierung des Wortes „Spam“

Abb. 10: Aufwendig verfremdetes Werbeplakat der Firma Rügenwalder Mühle

Abb. 11: Von Dies Irae umgestaltete Bushaltestelle in Freital

Abb. 12: Weitere von Dies Irae umgestalte Bushaltestelle in Freital

Abb. 13: Von Dies Irae umgestaltete Werbefläche in Hamburg

Abb. 14: Von Dies Irae an der türkischen Botschaft in Berlin platziertes Plakat

Abb. 15: Von Dies Irae umgestaltetes Werbeflächen der WALL AG in Köln

Abb. 16: Von Dies Irae umgestalte Werbefläche von H&M

Abb. 17: Von Dies Irae umgestalte Werbefläche von VW

Abb. 18: Von Dies Irae umgestalte Werbefläche von Capri-Sun

Abb. 19: Plakat der Aktion „Your key to the city“

1. Einleitung

1.1 Forschungsansatz und Forschungsgegenstand

Das Phänomen Street Art hat längst Einzug gehalten in Orten auf der ganzen Welt, hat die äußere Erscheinung von Städten nachhaltig verändert und stellt sich heute als eine Kunstform dar, mit welcher neben zahlreichen unverfänglichen Intentionen vor allem auch Protest artikuliert wird. Beispielsweise gegen Gentrifizierung und andere kapitalistische Auswüchse, Krieg und Ungerechtigkeit oder Werbung im öffentlichen Raum. An diesen Punkt, den künstlerischen Protest gegen die inzwischen unvermeidbar gewordene Konfrontation mit Werbung im öffentlichen Raum, soll in der vorliegenden Arbeit angeknüpft werden. Werbeflächen nehmen immer größer werdende Areale des Öffentlichen in Beschlag und scheinen als Teil der alltäglichen Umgebung weitgehend akzeptiert. Botschaften der Reklame sind in unserer städtischen und kapitalisierten Lebenswelt zur Normalität geworden und gerade die viel frequentierten Räume, die sich in besonderem Maße für Werbung eignen, sind längst Hoheitsgebiet der PR-Abteilungen. Durch ihre Vielzahl und Wirkmächtigkeit im öffentlichen Raum ist kaum mehr Platz für andere Äußerungen und Botschaften. Das Machtgefüge des öffentlichen Raums der neoliberalen Stadt des 21. Jahrhunderts scheint also klar hierarchisiert, die Pole Position besetzen die werbenden Konzerne. Doch auch Werbetafeln sind nicht gefeit vor Street Art. Der öffentliche Raum fungiert in seiner Gesamtheit als Galerie der Street Artists und auch Werbeflächen im städtischen Außenbereich gehören dazu. Angeschlossen an die Darstellung der Rolle der Werbung im öffentlichen Raum ist demnach zu klären, welchen Einfluss Street Art auf das Stadtbild hat und haben kann. Als spezifisches Beispiel für künstlerische Eingriffe im Spannungsfeld öffentlicher Raum, Macht und Street Art, dienen sogenannte Adbuster, welche – zunächst für das Verständnis grundlegend – auf verschiedenste Art und Weise Werbung so verändern, dass die Intention der Werber ad absurdum geführt wird. Im Mittelpunkt der vorliegenden Ausarbeitung steht entsprechend folgende Forschungsfrage: Kann Adbusting als Mittel der Raumaneignung und Umdeutung einen Gegenpol zu den werbenden Konzernen darzustellen bzw. können Adbuster Machtverhältnisse im öffentlichen Raum in Frage stellen oder ihn gar durchbrechen und verändern? Gerade in einer globalisierten Welt, in welcher Macht und Einfluss der global agierenden Unternehmen und Konzerne immer augenscheinlicher wird, erscheint der Fokus auf diese Spielart der Street Art sinnvoll. Entsprechend der häufig geführten Debatten um die ethische Verantwortung jener Global Player steht auch die Frage im Raum, ob das Handeln der Adbuster moralisch gerechtfertigt ist. Darüber hinaus dient die Fokussierung auf Adbusting dazu ein wissenschaftlich bisher weitgehend ignoriertes Thema zu erarbeiten. Letztlich soll ein Beitrag dazu geleistet werden, dem in der Geographie noch in der Marginalität verharrenden Phänomen der Street Art und speziell dem Adbusting, mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei soll verdeutlicht werden, dass Street Art in der Auseinandersetzung mit der schillernden und zuletzt aufgeheizten Frage „Wem gehört die Stadt?“ und dem Aufkommen von „Right-to-the-city-Bewegungen“, insbesondere bei der Betrachtung von Raumaneignung, eine Rolle spielt und deshalb nicht außer Acht gelassen werden sollte.

1.2 Aufbau der Arbeit

Um der Thematik zu begegnen, wird zunächst der vielschichtige Begriff des Raums differenziert betrachtet. In einer definitorischen Annäherung werden hierbei grundlegende Ausführungen des Soziologen Henri Lefebvre dargestellt und erläutert. Darauf aufbauend zielt das weitere Vorgehen darauf ab, den für die Arbeit maßgeblichen Begriff des öffentlichen Raums zu skizzieren. Darüber hinaus soll der Wandel des öffentlichen Raums im neoliberalen Zeitalter dargestellt werden. Anknüpfend an dieses Grundverständnis soll gezeigt werden, welche Rolle Werbung im Machtgefüge des öffentlichen Raums einnimmt und welche Bedeutung ihr zugeschrieben werden kann. Überdies wird ein knapper Blick auf künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum geworfen. Im zweiten Teil der Ausarbeitung wird dann das Phänomen Street Art in den Fokus gerückt. Nach einer Darstellung der historischen Entwicklung, sowie einer kurzen Einführung in die verschiedenen Erscheinungsformen und dem Aufzeigen des subversiven Charakters der Street Art, wird das Phänomen Adbusting und sein Vorkommen im öffentlichen Raum detailliert und ausführlich veranschaulicht. Darauf aufbauend werden ausgewählte Arbeiten der beispielhaft ausgewählten Adbusting-Gruppe Dies Irae schlaglichtartig untersucht und in den Kontext der Ausarbeitung gestellt. Im letzten Teil der Arbeit sollen die gewonnenen Erkenntnisse dann neben einer kritischen Reflexion in eine abschließende Konklusion münden.

2. Annäherung an den Begriff des öffentlichen Raums

2.1 Henri Lefebvre und der Raum

Um öffentlichen Raum zu thematisieren, ist es notwendig, eine Annäherung an den Begriff Raum voranzustellen – ein physisch-räumliches sowie soziales Konstrukt, das in zahlreichen Disziplinen unterschiedlich behandelt und diskutiert wird. Für die Problemstellung dieser Arbeit maßgeblich erscheint das Verständnis von Raum nach Henri Lefebvre. Der französische Soziologe und Philosoph erarbeitete vor allem in den 1960er und 1970er Jahren relevante Ansätze zur Produktion von Raum und ist mit seinem großen Einfluss auf die kritische Stadtforschung Bezugspunkt für die Recht-auf-Stadt-Bewegungen. Nach Lefebvre und seinem Werk „La production de l’espace“ aus dem Jahr 1974, wird Raum primär im Rahmen gesellschaftlicher Prozesse produziert. Raum stellt sich nach Lefebvre also weder als rein materiell noch als bloß gedanklich konstruiert dar, sondern ist stets das Ergebnis sozialer Praxis (vgl. Dünne u. Günzel 2006, S.330f.). Der Begriff ‚Produktion‘ bezieht sich dabei jedoch nicht auf die reine Produktion von Waren, sondern sowohl auf einzelne Subjekte und ihre Handlungsweisen und Interaktionen, als auch auf ökonomische Prozesse. Lefebvre entfaltet ein triadisches Konzept und unterscheidet zwischen drei dialektisch zusammenhängenden Dimensionen der Raumproduktion: Dem wahrgenommenen Raum, der Repräsentation des Raumes bzw. dem konzipierten Raum und dem erlebten Raum (vgl. Schmid 2011, S.37). Der wahrgenommene Raum bezieht sich einerseits auf die physische Beschaffenheit und die den Raum bestimmenden und von uns wahrgenommenen Elemente, und andererseits auf die sozialen Praktiken die auf dieser Materialität beruhen. Durch Interaktion von Menschen mit der physischen Beschaffenheit werde eine räumliche Struktur und Ordnung erlangt (ebd.). Es handele sich also um „durch Routine und Erfahrungen abgesicherte Praxis der Herstellung und Reproduktion von Räumen sowie das körperliche Erleben und Erleiden der Räume“ (Löw et al. 2008, S.53). Um den Raum jedoch als solchen wahrnehmen zu können, sei eine zweite Ebene notwendig: Die Dimension der Repräsentation des Raums bzw. der konzipierte Raum, der auf gesellschaftlichen Konventionen und Normen beruhe (vgl. Schmid 2011, S.36f.). Diese Ebene geht einher mit der Produktion von Machtverhältnissen und ist für die hier behandelte Thematik von entscheidender Bedeutung: „Konstruktionen oder Konzeptionen des Raumes stützen auf gesellschaftliche Konventionen ab, die festlegen, welche Elemente zueinander in Beziehung gesetzt und welche ausgeschlossen werden“ (Schmid 2011, S.37). Das bedeutet, dass die auf gesellschaftlichen Normen beruhende Produktion dieses konzipierten Raums einhergeht mit der Manifestierung von Macht. Der erlebte Raum als dritte Ebene der Triade, umfasst jenen Raum, den die Menschen in ihrem Alltagsleben in seiner Gesamtheit erfahren würden. Er könne begriffen werden als symbolischer Wert des Raums: „[…] overlays physical space, making symbolic use of ist objects“ (Lefebvre 1991, S.39). Zwar stellen die drei beschriebenen Dimensionen für sich bereits komplexe Systeme dar, den sozialen Raum als Ganzes produzieren und reproduzieren sie nach Lefebvre jedoch nur gemeinsam: „Relations between the three moments of the perceived, the conceives and the lived are never either simple or stable, nor are they positive in the sense in which this term might be opposed to negative, to the indecipherable, the unsaid, the prohibited, or the unconscious (Lefebvre 1991, S.46). Die Produktion sozialen Raums lässt sich so also begreifen als eine Verzahnung von Aneignungsprozessen, Raumvorstellungen und Raumrepräsentationen die alle zu seiner Produktion beitragen. Für die in dieser Arbeit behandelte Thematik ist dabei entscheidend, dass urbaner Raum nicht durch starre Merkmale besteht und entsteht, sondern sich in Interaktion und sozialem Aufeinandertreffen entwickelt. Dies führt zu der ersten Schlussfolgerung, dass es möglich sein muss, durch Aneignung von Raum seine Produktion mitzugestalten und Einfluss zu nehmen auf seine Aushandlung und Wahrnehmung.

2.2 Der öffentliche Raum

Eine einheitliche Definition des öffentlichen Raums jenseits des konsentierten Alltagsverständnisses erscheint weder möglich noch sinnvoll. Normative Setzungen und Erwartungen, begriffliche Unklarheiten, aber vor allem eine fehlende eindeutige Abgrenzung aufgrund von Unschärfen, Mischformen und in der Praxis ineinander übergehende Bereiche, stehen dem entgegen – stattdessen wird in der Literatur zumeist auch für den öffentlichen Raum das als wesentlich eingestufte Merkmal des Raums hervorgehoben: „Die soziale Produktion des Raumes“ (Havermann u. Selle 2010, S.60) durch gesellschaftliche Aneignung und soziales Handeln. Öffentliche Räume werden demnach weder gebaut noch konstruiert. Sie stellen sich dar als „Synthese städtebaulicher, physischer Strukturen mit Prozessen des sozialen Handels und Verhaltens der Akteure [und] den daraus resultierenden Machtansprüchen“ (Hertzsch 2010, S.89). Erst handelnde Akteure füllen den öffentlichen Raum also mit Leben und jenen Attributen, die ihn für unser Alltagsverständnis als öffentlich generieren. Nach Havermann und Selle ist der öffentliche Raum „für städtisches Leben unverzichtbar und von zentraler Bedeutung. Öffentliche Räume prägen das Bild unserer Stadt, in ihnen findet öffentliches Leben statt, sie dienen als Transiträume und sie sind Orte des Aufenthalts, des Konsums, der Unterhaltung und der Erholung. Die unterschiedlichen Nutzungsanforderungen verlaufen dabei nicht immer konfliktfrei“ (Havermann u. Selle 2010, S.12). Städte sind nach Helten diejenigen Orte, an denen sich ob gesellschaftlicher Dynamiken ein Großteil gesellschaftlicher Zukunftsentwürfe und politischer Utopien manifestieren. Die daraus resultierenden Konflikte laufen entlang zahlreicher Auseinandersetzungen um Deutungshoheiten über die Ausgestaltung städtischer Räume und kumulieren in ständiger Divergenz zwischen neoliberaler Governance und Right-to-the-city-Bewegungen (vgl. Helten 2014, S.14). Darüber hinaus ist öffentlicher Raum nach Wehrheim „nur in seiner Differenz zum Privaten denkbar. Als Kern von Öffentlichkeit und des öffentlichen Raums gilt – im Unterscheid zur privaten Sphäre – eine freie, unkontrollierte Zugänglichkeit“ (Wehrheim 2011). Die allgemeine Zugänglichkeit stellt also – gerade im juristischen Diskurs zur Öffentlichkeit – eine notwendige Bedingung für öffentlichen Raum dar. Es ist der Bereich, in welchem wir uns frei bewegen können. Zum besseren Verständnis wird – trotz einer Vielzahl an theoretischen Herangehensweisen – auch in dieser Ausarbeitung öffentlicher Raum als derjenige (städtische) Raum betrachtet, welcher grundsätzlich zunächst für jeden gleichermaßen zugänglich ist. Dies können zum Beispiel Bahnhöfe, Grünanlagen oder Plätze und Straßen sein. Was macht diesen öffentlichen Raum nun besonders? Ein Ort den jeder aufsuchen kann, wird automatisch zum Ort des vielfältigen gesellschaftlichen Lebens, zum Ort des Austauschs, der zufälligen Begegnung, des Kennenlernens und der Begegnung mit Andersartigem. Öffentlicher Raum stellt sich somit als „normativ hoch aufgeladenes Ideal“ (Wehrheim 2011) dar, als „Emanzipationsversprechen der bürgerlichen Gesellschaft“ (ebd.), denn in dem für alle frei zugänglichen öffentlichen Raum begegnet man sich im Ideal auf Augenhöhe (vgl. ebd.). Der öffentliche Raum steht entsprechend für ökonomische, politische und soziale Integration und ist Hort aller gesellschaftlichen Schichten. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass der öffentliche Raum nicht länger als homogener Raum im Sinne eines nicht-privaten städtischen Raums begriffen werden kann, sondern sich vielmehr durch Verstädterung, Industrialisierung bis hin zu Gentrifizierungs- bzw. Segregationsprozessen und Privatisierungsmaßnahmen der jüngeren Vergangenheit, zu einem „Geflecht aus sich gegenseitig bedingenden oder aber voneinander abgegrenzten Teilsystemen“ (Müller 2017, S.38) entwickelt hat, einem Nebeneinander und Übereinander von öffentlichen, halb-öffentlichen und privatisierten Räumen. (vgl. ebd., S.33ff.). Der US-amerikanische Soziologe Richard Sennett beschreibt die Stadt bzw. den öffentlichen Raum als „Brennpunkt eines aktiven gesellschaftlichen Lebens, Austragungsort von Interessenskonflikt und Interessensausgleich und Schauplatz der Entfaltung menschlicher Fähigkeiten und Möglichkeiten“ (Müller 2017, S.41). Der Stadtraum habe sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts, in welchem „die Anzahl der Städte, die über eine Millionen Einwohner zählen von weltweit sechzehn auf beinahe vierhundert angestiegen“ (ebd., S.40) ist, jedoch „von einem umkämpften Ort des Konflikts und der Diskussion zu einem umkämpften und exklusiven Ort […], der auf die Funktionen Transport, Konsum und Repräsentation reduziert wurde“ (ebd., S.41), gewandelt. Gleichzeitig würden im Zuge der Globalisierung öffentliche Räume der postindustriellen Großstädte und Metropolen austauschbar werden, weil sie zunehmend ihr historisch gewachsenes Profil verlieren und sich – gerade in den Innenstadtbereichen – immer weiter angleichen (vgl. ebd., S.52). Diese „ökonomische Herrschaft“ böte nur noch „wenig Raum für individuelle Gestaltung und den gegenseitigen Austausch der Stadtbevölkerung“ (ebd., S.52). Um Bezug zu nehmen auf die Lefebvre‘sche Raumkonzeption kann festgehalten werden, dass öffentlicher Raum als physischer Raum, etwa durch Gebäude oder Symbole, zu einer Repräsentation von Raum transformiert wird. Gleichzeitig wird er durch die Nutzung und vor allem Aneignung von Menschen zu einem Raum der Repräsentation. Und schlussendlich kann öffentlicher Raum als ein Ort sozialer Praktiken aufgefasst werden, welcher kontinuierlich produziert und reproduziert wird.

2.3 Die neoliberale Stadt und der Wandel des öffentlichen Raums

Die im Zuge des neoliberalen Wandels angesprochene Veränderung öffentlicher Räume kulminiert in seiner zunehmenden Privatisierung und Kommodifizierung. Neoliberalismus kann dabei als „Sammelbegriff für die rein marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftskonzepte, die seit den 1970er Jahren international hegemonial wurden“ (Ginrich et al. 2011, S.427) verstanden werden. Auch im Bereich der Stadtentwicklung kann man im Zuge der Krise des Fordismus neoliberale Brüche ausmachen und nach Harvey, von der „unternehmerischen Stadt“ (Harvey nach Spoo 2010) sprechen. Entsprechend ist eine Art Leistungswettbewerb entstanden, in welchem Städte auf lokaler, regionaler und globaler Ebene miteinander konkurrieren. Hintergrund ist das stete Damoklesschwert drohender Kapitalabwanderung, Arbeitsplatzverluste und fehlenden Investitionen. Städte werden dadurch zunehmend als Produkt vermarktet, so dass sie als ‚Marke‘ erfassbar und in Szene gesetzt werden (vgl. ebd.). Die daraus resultierende wettbewerbs- und gewinnorientierte Stadtpolitik, hinterlässt auch entsprechende Spuren im öffentlichen Raum. Neben einem realen Flächenverlust öffentlicher Flächen, verändern sich auch Nutzung und Durchmischung des öffentlichen Raums. Denn nicht nur die auf direktem Wege gewinnbringenden Mechanismen wie die Veräußerung öffentlicher Flächen an profitorientierte Unternehmen sind Ausdruck dieser Entwicklung. Auch sollte, im Zuge der Attraktivierung der Marke Stadt, der öffentliche Raum als solcher zu einem „Ort des Erlebens und Erfahrens“ (Müller 2017, S.50) umgestaltet werden (vgl. ebd.). Neben der Belebung und ansprechenden Gestaltung sollte der öffentliche Raum fortan vor allem auch zum Konsum anregen. Ausdruck hierfür ist der vielerorts seit den 1990er Jahren zu verzeichnende Ausbau der Innenstädte zu konsum- und erlebnisorientierten Treffpunkten – samt zugangsbeschränkter Einkaufszentren und Einkaufspassagen (vgl. ebd., S.51). Zahlreiche Bereiche öffentlichen Lebens scheinen sich so inzwischen der Marktlogik unterworfen zu haben. Die fortschreitende Neoliberalisierung in Form von Privatisierung lässt Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem verschwinden, Funktionen des öffentlichen Raums werden zunehmend auf Privatflächen verlagert. Die Folge ist das Entstehen einer Scheinöffentlichkeit welche das grundlegende Prinzip öffentlicher Räume – die freie Zugänglichkeit – nicht mehr erfüllt (nie erfüllt hat?). Der Zutritt erfolgt an diesen Orten nur noch unter Erlaubnis und erfordert (beispielsweise in Einkaufszentren) darüber hinaus ein gewisses ökonomisches Kapital. Deutlich wird, dass öffentlicher Raum ein umkämpftes Terrain zu sein scheint. Dies äußert sich auch in der zunehmend diskutierten Frage „wem gehört die Stadt?“ und der an Fahrt aufnehmenden Forderung nach einem „Recht auf Stadt“. Schon Lefebvre schrieb hierzu: „The right to the city manifests itself as a superior form of rights: right to freedom, to individualization in socioalisation, to habitat and inhabit. The right to the oeuvre, to participation and appropriation (clearly distinct from the right to property), are implied in the right to the city“ (Lefebvre 1996, S.174). Das Recht die Stadt zu benutzen, am Leben in der Stadt und seiner Ausgestaltung aktiv teilzuhaben und das Recht bei der Entwicklung der Stadt mitzubestimmen, fordern ob der zunehmenden Kommodifizierung öffentlicher Räume immer mehr Gruppierungen. Zusammengefasst werden die lose miteinander verknüpften Protestbewegungen unter dem von Lefebvre postulierten Label „Right-to-the-city“. Gemein ist ihnen das Ziel, die neoliberale Hegemonie aufzubrechen. Widerhall finden um das Thema neoliberale Stadt kreisende Prozesse zudem beispielsweise in Auseinandersetzungen um Verdrängung im Zuge von Aufwertungsprozessen, verschiedenen Widerstandsbewegungen gegen zuvörderst vermeintlich profitorientierte Strategien seitens der Stadtpolitiken oder einer wachsenden Kritik an der Verschiebung sozialstaatlicher Verantwortung hin zu privatwirtschaftlicher Vereinnahmung städtischer Räume.

2.4 Werbung im öffentlichen Raum

„Außenwerbung: Denn als wahres Massenmedium spannt sie ein Netz von mehreren hunderttausend Out of Home-Werbeträgern über ganz Deutschland. Auf Straßen und Plätzen der Städte, entlang der Autobahnen, an Bahnhöfen, Flughäfen sowie im Linien-, Nah- und Fernverkehr steht sie im permanenten Kontakt mit der Bevölkerung. Immer, überall, 24 Stunden an jedem Tag des Jahres, unausweichlich, unübersehbar […] Diese Art der Kommunikation im öffentlichen Raum kann nicht überhört oder abgeschaltet werden. Verankern Sie Werbebotschaften im Kopf der Konsumenten. […] Die prominent platzierten Außenwerbeflächen sind ein Blickfang und werden von den Menschen immer wahrgenommen, bewusst oder unbewusst“ ( Fachverband Außenwerbung o.j.).

Dieses Zitat des Fachverbands für Außenwerbung verdeutlicht, welchen Stellenwert Werbung im öffentlichen Raum heute besitzt. Außenwerbung kann definiert werden als „Werbung an öffentlichen Straßen, Plätzen oder an für ein größeres Publikum zugänglichen Stellen mit öffentlichem Charakter. Außenwerbung im weiteren Sinne ist alle Werbung außerhalb geschlossener Räume, Außenwerbung im klassischen Sinn nur das Plakat“ (Wirtschaftslexion Gabler o.J.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Aneignung und Umdeutung des öffentlichen Raumes durch Street Art am Beispiel Adbusting
Hochschule
Universität Münster
Note
1,3
Jahr
2018
Seiten
36
Katalognummer
V426491
ISBN (eBook)
9783668754362
ISBN (Buch)
9783668754379
Dateigröße
652 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Street Art, Adbusting, öffentlicher Raum, Werbung, Stadtgeographie
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Aneignung und Umdeutung des öffentlichen Raumes durch Street Art am Beispiel Adbusting, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/426491

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