Handels- und steuerrechtliche Bilanzierung von Gebäuden bei Einzelunternehmen


Bachelorarbeit, 2018

70 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1 Bestimmung des Gebäudebegriffs
2.2 Abgrenzung gegen andere Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter
2.3 Ansatzvoraussetzungen

3. Bewertung von Gebäuden in Handels- und Steuerbilanz
3.1 Zugangsbewertung
3.1.1 Anschaffungskosten
3.1.2 Bilanzieller Ansatz zu Herstellungskosten
3.1.2.1 Bestimmung der Herstellungskosten
3.1.2.2 Abgrenzung von nachträglichen Herstellungskosten zu Erhaltungsaufwendungen
3.2 Folgebewertung
3.2.1 Planmäßige Abschreibung
3.2.1.1 In der Handelsbilanz
3.2.1.2 In der Steuerbilanz
3.2.2 Außerplanmäßige Abschreibung und Wertaufholung
3.2.2.1 Handelsbilanzielle Behandlung
3.2.2.2 Steuerbilanzielle Behandlung
3.3 Behandlung nachträglicher Herstellungskosten
3.4 Ausscheiden von Gebäuden aus dem Betriebsvermögen

4. Besondere Bilanzierungsfragen
4.1 Anschaffungsnahe Herstellungskosten
4.2 Bilanzielle Behandlung des Gebäudeabbruchs
4.3 Miete, Pacht und Leasing von Gebäuden

5. Zusammenfassung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Rechtsprechungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Überblick über die verschiedenen Gebäudebestandteile

Abbildung 2: Zuordnung der Gebäudeteile zum Betriebs- bzw. Privatvermögen

Abbildung 3: Zusammensetzung und Ermittlungsschema der Anschaffungskosten

Abbildung 4: Ermittlung und Aufteilung der AK für einzelne Gebäudeteile

Abbildung 5: Zusammensetzung der Herstellungskosten

Abbildung 6: Fälle nachträglicher Herstellungskosten

Abbildung 7: Wesentliche Verbesserung nach § 255 Abs. 2 S. 1 HGB

Abbildung 8: Prüfschema - nachträgliche HK oder Erhaltungsaufwand

Abbildung 9: Möglichkeiten der handelsrechtlichen Abschreibung

Abbildung 10: Vorschriften der steuerrechtlichen Gebäudeabschreibung

Abbildung 11: Lösung zur Abschreibung in HBil und StBil

Abbildung 12: Abschreibungsregeln der einzelnen/unterschiedlichen Gebäudeteile

Abbildung 13: Beispiel zur Abschreibung unterschiedlicher Gebäudeteile

Abbildung 14: Bestimmung einer voraussichtlich dauernden Wertminderung

Abbildung 15: Beispiel zur außerplanmäßigen Abschreibung und Wertaufholung

Abbildung 16: Ermittlung der nachträglichen HK sowie des Erhaltungsaufwands

Abbildung 17: Auswirkung nachträglicher HK in Handels- und Steuerbilanz

Abbildung 18: Abschreibung nach nachträglichen Herstellungskosten

Abbildung 19: Bilanzielle Behandlung des Gebäudeabbruchs

Abbildung 20: Ermittlung der Herstellungskosten bei einem Gebäudeabriss

Abbildung 21: Alternativen zum Gebäudekauf bzw. zur Gebäudeerstellung

Abbildung 22: Zurechnung eines geleasten Gebäudes

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Laut dem Statistischen Bundesamt existieren in Deutschland rund 2,2 Millionen Einzel-unternehmen, was rund 62 Prozent der Gesamtzahl aller deutschen Unternehmen ausmacht.[1] Sie agieren mit den unterschiedlichsten Geschäftskonzepten in den verschiedensten Branchen. Eine Sache haben die meisten Unternehmen allerdings gemeinsam. Zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigen sie entsprechende Räumlichkeiten, z. B. in Form eines Bürogebäudes, einer Produktions- oder Lagerhalle. Sofern der Unternehmer zur Buchführung verpflichtet ist, wovon in dieser Arbeit ausgegangen wird, muss er das Gebäude sowohl handels- als auch steuerbilanziell bewerten und in seiner Bilanz ausweisen. Voraussetzung ist allerdings, dass er wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes ist.

Daher besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit in der Klärung der Frage, wie Gebäude gemeinhin in der Handels- und Steuerbilanz zu bewerten sind und wo Bewertungsschwierigkeiten auftreten. Dabei soll der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes berücksichtigt werden. Sprich von der Zugangsbewertung bis hin zum Ausscheiden des Gebäudes aus dem Betriebsvermögen. Dadurch ist es möglich die einzelnen Bewertungsbereiche dahin gehend zu untersuchen, ob Unterschiede zwischen der handels- und steuerrechtlichen Gebäudebilanzierung bestehen und an welchen Stellen etwaige Differenzen auftreten.

Dafür werden die relevanten Rechtsgrundlagen des Handelsgesetzbuches (HGB) sowie des Einkommenssteuergesetzbuches (EStG) zugrunde gelegt. Hier besteht oftmals das Problem, dass diese in ihren Formulierungen zu unpräzise sind oder zu gewissen Sachverhalten keine Vorschriften existieren. Aus diesem Grund wird, soweit vorhanden, auf Verlautbarungen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) oder auf einschlägige Gerichtsurteile Bezug genommen. Darüber hinaus soll zur Problemlösung die herrschende Meinung der einschlägigen Fach- und insbesondere der Kommentierungsliteratur Berücksichtigung finden.

Dem Einzelunternehmer soll mithilfe der vorliegenden Arbeit ein tiefgründiger Einblick in die Bilanzierung von Gebäuden ermöglicht werden. Darum wird z. B. auch das Mieten von Gebäuden berücksichtigt, da gerade ein Einzelunternehmer nicht immer über das nötige Kapital eines Kaufes verfügt. Damit ein so detaillierter Einblick im Rahmen dieser Arbeit möglich ist, beschränken sich die Ausführungen zum einen auf die Rechtsform „Einzelunternehmen“ und zum anderen auf Gebäude (keine Beachtung der Grundstücke).

2. Grundlagen

2.1 Bestimmung des Gebäudebegriffs

Zivilrechtlich bilden ein Grundstück und das darauf befindliche Gebäude nach Maßgabe der §§ 93, 94 BGB eine einheitliche Sache. Das ist handels- und steuerrechtlich nicht der Fall. Grundstücke und Gebäude können zwar in der Bilanz unter einem Posten zusammengefasst werden, sind aber getrennt zu behandeln. Sie stellen selbstständige Vermögensgegenstände (VG) bzw. Wirtschaftsgüter (WG) des Anlagevermögens[2] dar. Für diese VG/WG gelten unterschiedliche Bewertungsvorschriften. Zur Abgrenzung des VG/WG „Gebäude“ gegenüber anderen VG/WG, insbesondere Betriebsvorrichtungen sowie Außenanlagen, muss zunächst der Gebäudebegriff genauer bestimmt werden.

Weder im Handels- noch im Steuerrecht ist der Begriff „Gebäude“ definiert. Maßgebend zur Begriffsbestimmung sind die Abgrenzungsmerkmale des Bewertungsrechts. Diese gelten sowohl für die handelsrechtliche Bilanzierung als auch für die Steuerbilanz.[3] Nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen ist ein Bauwerk als Gebäude anzusehen, wenn es die folgenden Merkmale erfüllt:[4]

1. Schutz gegen Witterungseinflüsse durch räumliche Umschließung,
2. Aufenthalt von Menschen,
3. Feste Verbindung mit dem Grund und Boden,
4. Beständigkeit des Bauwerks,
5. Standfestigkeit.

Es ist nicht notwendig, dass das Bauwerk an allen Seiten Außenwände aufweist. Selbst wenn an sämtlichen Seiten die Außenwände fehlen, das Bauwerk aber vor (1) Witterungseinflüssen schützt, kann es sich um ein Gebäude handeln. Entscheidender ist, dass es eine Überdachung besitzt.[5] Ebenso muss das Bauwerk nicht explizit zum (2) Aufenthalt von Personen vorgesehen sein. Es ist ausreichend, wenn es ihnen möglich ist sich über einen längeren Zeitraum in dem Bauwerk aufzuhalten. Dabei soll das Betreten des Bauwerks durch normale Eingänge, also nicht nur durch eine Leiter oder Luke, möglich sein.[6] Ist der Aufenthalt hingegen lediglich kurzfristig, zum Beispiel durch das Unterbrechen eines automatisierten Betriebsvorgangs oder durch das Tragen spezieller Schutzkleidung nur für wenige Minuten möglich, handelt es sich aus bilanzieller Sicht nicht um ein Gebäude.[7] Von einer (3) festen Verbindung mit dem Grund und Boden ist auszugehen, wenn Teile des Konstrukts in das Erdreich eingefügt sind oder ein Fundament vorhanden ist, auf das das Bauwerk gründet. Es ist keine zwingende Voraussetzung, dass es tatsächlich fest mit dem Fundament verankert ist. Soweit die weiteren Gebäudemerkmale ebenfalls erfüllt sind, genügt es, wenn das Bauwerk durch sein Eigengewicht auf dem Fundament ruht (z. B. Bürocontainer auf Betriebsgelände).[8] Bei einem Baustellencontainer, der regelmäßig von einem Ort zu einem anderen versetzt wird, handelt es sich hingegen nicht um ein Gebäude. Hier ist die Vorrausetzung der (4) Beständigkeit nicht erfüllt.

Beständigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Bauwerk ortsfest ist und nicht einfach, ohne die Erbringung von größeren baulichen Maßnahmen, versetzt werden kann. Bei einem Baucontainer widerspricht allein die vorgesehene Zweckbestimmung der Ortsfestigkeit.[9] Die (5) Standfestigkeit eines Bauwerks ist anzunehmen, wenn eine feste Verbindung mit dem Grund und Boden besteht. Darüber hinaus muss ein Gebäude auch, nachdem als Betriebsvorrichtungen geltende Teile des Bauwerks entfernt wurden, standfest sein und darf nicht einstürzen.[10]

Erfüllt ein Bauwerk die aufgeführten Merkmale, ist es bilanziell ausnahmslos als Gebäude einzustufen und als solches zu behandeln.[11] Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich ober- oder unterhalb der Erdoberfläche befindet. So kann z.B. auch eine Tiefgarage oder der Gärkeller einer Brauerei aus bilanzieller Sicht ein Gebäude darstellen.[12]

2.2 Abgrenzung gegen andere Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter

Ein Gebäude besteht in der Regel aus unterschiedlichen Gebäudebestandteilen. Die unterschiedlichen Gebäudeteile können wiederum für verschiedene Zwecke genutzt werden. Grundsätzlich wird zwischen selbstständigen und unselbstständigen Gebäudeteilen differenziert. Unselbstständig ist ein Gebäudeteil dann, wenn er der eigentlichen Nutzung als Gebäude dient.[13] Wenn jedoch kein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem eigentlichen Gebäude und einzelnen Gebäudeteilen besteht, sind jene Gebäudeteile nach steuerlichen Gesichtspunkten als selbstständige Wirtschaftsgüter zu betrachten und zu bilanzieren.[14] In Abhängigkeit von der Art des Gebäudeteils sowie dessen Nutzung ergeben sich unterschiedliche Bilanzierungsvorschriften. Die steuerlichen Vorschriften zur bilanziellen Behandlung von Gebäudebestandteilen gelten auch für die Handelsbilanz.[15] Bei einem Gebäude ist aus bilanzieller Sicht nach den in Abbildung 1 dargestellten Bestandteilen zu unterscheiden beziehungsweise kann es sich aus diesen zusammensetzen.

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Abbildung 1: Überblick über die verschiedenen Gebäudebestandteile

Um unselbstständige Gebäudeteile handelt es sich z. B. bei Be- und Entlüftungsanlagen, Personenaufzügen, Sprinkleranlagen oder Beleuchtungs- und Heizungsanlagen.[16] Entscheidend ist, dass der Gebäudeteil primär der Gebäudenutzung und nicht der Ausübung des in dem Gebäude befindlichen Gewerbebetriebs dient. Wird in einem Gebäude beispielsweise Gemüse gezüchtet und die Sprinkleranlage dient der Bewässerung des Gemüses, ist sie als Betriebsvorrichtung zu behandeln. Sie ist somit selbstständig und unabhängig vom Gebäude zu bewerten. Unter Ladeneinbauten fallen z. B. Schaufensteranlagen, wozu auch eine spezielle Schaufensterbeleuchtung zählt.[17] Ist das der Fall, gilt die Beleuchtung nicht als unselbstständiger Gebäudebestandteil, sondern als Ladeneinbau.

Mietereinbauten sowie Scheinbestandteile (Einbauten zu einem vorübergehenden Zweck) sind ebenfalls eigenständig und getrennt von dem Gebäude zu behandeln. Die sonstigen selbstständigen Gebäudeteile werden in Abschnitt 2.3 ausführlich erläutert. Probleme bzw. Schwierigkeiten entstehen in der Bilanzierungspraxis häufig bei der Abgrenzung von Betriebsvorrichtungen gegenüber von Gebäuden. Vereinfacht gesagt lässt sich die Abgrenzungsfrage jedoch wie folgt lösen: Ist der Unternehmer unsicher darüber, ob es sich bei einem Bauwerk um ein Gebäude oder eine Betriebsvorrichtung handelt, ist die Entscheidung aufgrund der in Abschnitt 2.1 beschriebenen Gebäudemerkmale zu treffen. Er muss sich fragen und prüfen, ob alle Gebäudemerkmale von dem Bauwerk erfüllt werden. Ist das der Fall, handelt es sich um ein Gebäude. Sind hingegen nicht alle Merkmale erfüllt und wird mit dem Bauwerk das Gewerbe unmittelbar betrieben, ist es als Betriebsvorrichtung zu behandeln. Zur Vertiefung der Abgrenzung leistet unter anderem der Abgrenzungserlass der obersten Finanzbehörden der Länder[18] mit zahlreichen Beispielen sowie ein Beitrag von Schäfer-Elmayer/Stolz[19] Hilfestellung.

Bewertungstechnisch spielt die Abgrenzung eine sehr wichtige Rolle. Wohingegen bei dem Kauf eines Gebäudes Grunderwerbsteuer anfällt, ist dies bei Betriebsvorrichtungen nicht der Fall. Der Verkauf einer Betriebsvorrichtung ist z. B. umsatzsteuerpflichtig, der eines Gebäudes in der Regel nicht. Ebenso gelten für Gebäude und Betriebsvorrichtungen unterschiedliche Abschreibungsregelungen. Einzelheiten werden an späterer Stelle dieser Arbeit aufgezeigt. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass der Unternehmer die aktivierungspflichtigen Kosten einer Betriebsvorrichtung schneller erfolgswirksam, oder anders gesagt, gewinnmindernd berücksichtigen kann als die eines Gebäudes.[20]

2.3 Ansatzvoraussetzungen

Nachdem der Gebäudebegriff bestimmt und abgegrenzt ist, ist noch zu klären, unter welchen Voraussetzungen ein Gebäude in der Bilanz des Unternehmers ausgewiesen werden muss. Nach § 246 Abs. 1 S. 1 und 2 HGB sind Gebäude grundsätzlich in die Bilanz mit aufzunehmen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Unternehmer wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes ist. Darüber hinaus muss das Gebäude zum Betriebsvermögen gehören, denn Privatvermögen darf weder in der Handels- noch in der Steuerbilanz bilanziert werden.[21] Wird ein Gebäude insgesamt (einheitlich) für betriebliche Zwecke verwendet, gehört es in vollem Umfang zum notwendigen Betriebsvermögen. In diesem Fall ist ein Bilanzansatz zwingend notwendig. Dient es jedoch nicht nur betrieblichen, sondern auch außerbetrieblichen Zwecken, kann es aus bis zu insgesamt vier verschiedenen Wirtschaftsgütern bzw. Vermögensgegenständen bestehen.[22]

In Kapitel 2.2 wurde bereits darauf hingewiesen, dass die „sonstigen selbstständigen Gebäudeteile“ weiter untergliedert werden. Dabei handelt es sich um die vier selbstständigen Gebäudeteile, die in Abbildung 2 dargestellt sind. Anhand ihrer Nutzung/Funktion erfolgt eine Zuordnung zum Betriebs- oder Privatvermögen. Das bedeutet, dass für jeden Gebäudeteil gesondert geprüft werden muss, ob ein Bilanzansatz möglich bzw. notwendig ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Zuordnung der Gebäudeteile zum Betriebs- bzw. Privatvermögen

Der Teil des Gebäudes, der eigenbetrieblichen Zwecken dient, stellt notwendiges Betriebsvermögen dar. Wohingegen der zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäudeteil als notwendiges Privatvermögen zu behandeln ist. Bei Gebäudeteilen, die weder notwendiges Betriebsvermögen noch notwendiges Privatvermögen darstellen, spricht man von neutralem Vermögen. Das bedeutet, dass es sich dabei entweder um gewillkürtes Betriebs- oder Privatvermögen handeln kann. Besteht ein gewisser objektiver Zusammenhang zwischen den zu fremden Wohn- und/oder Betriebszwecken vermieteten Gebäudeteilen und sind diese dafür bestimmt sowie geeignet den eigentlichen Betrieb zu fördern, dürfen sie als gewillkürtes Betriebsvermögen angesetzt werden. Der Unternehmer hat in diesem Fall ein Ansatzwahlrecht.[23] Voraussetzung ist allerdings, wie bereits erwähnt, dass die Gebäudeteile objektiv „betriebsdienlich“ sind. Die Beweislast liegt dabei beim Unternehmer.

Beispiel: Einzelunternehmer E ist Eigentümer eines 4-stöckigen Gebäudes. Im Erdgeschoss betreibt E ein Motorradfachgeschäft. Der 1. Stock, in dem sich Büroräume befinden, dient zur Verwaltung seines Betriebs. Den 2. Stock hat E an einen Zahnarzt vermietet, der darin seine Praxis betreibt. Während sich im 3. Stock die Wohnung von E befindet, ist der 4. Stock zu Wohnzwecken an dessen Nichte vermietet. Fraglich ist, welche Gebäudeteile E in der Bilanz ansetzen darf bzw. ansetzen muss.

Lösung: Das Erdgeschoss und der 1. Stock dienen unmittelbar zur Ausübung des Gewerbebetriebs von E. Die beiden Stockwerke stellen somit eigenbetrieblich genutzte Gebäudeteile dar, deren Ansatz und Ausweis in der Bilanz zwingend notwendig sind. Anders verhält es sich bei dem 3. Stock. Ein Ansatz ist nicht zulässig, da es sich hierbei um notwendiges Privatvermögen handelt. Die zu fremden Betriebs- (2.Stock) und Wohnzwecken (4. Stock) genutzten Stockwerke sind als neutrales Vermögen einzustufen. Ein Ansatz in der Bilanz ist möglich, sofern eine Behandlung als gewillkürtes Betriebsvermögen gerechtfertigt werden kann.

Ob und wann es Sinn macht einen Gebäudeteil dem Betriebs- oder Privatvermögen zuzurechnen, erläutert Siegmund.[24] Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass es für den Unternehmer prinzipiell vorteilhaft ist, ein selbst erstelltes Gebäude, das zum einen für fremde Wohnzwecke und zum anderen fremdbetrieblich genutzt wird, aus umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten insgesamt dem Betriebsvermögen zuzurechnen. Die ertragsteuerliche Zuordnung ist von dem zu erwartenden Wertverlauf des Gebäudes sowie einer etwaigen Veräußerung in der Zukunft abhängig.[25]

Eine Besonderheit gilt für den Fall, dass der Unternehmer ein Gebäude/Gebäudeteil an Arbeitnehmer vermietet. Wohingegen die Vermietung zu fremden Wohnzwecken entweder gewillkürtes Betriebs- oder Privatvermögen darstellt, ist bei der Vermietung aus betrieblichen Gründen an Arbeitnehmer des Unternehmers von einem eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteil auszugehen. Ein Ansatz in der Bilanz ist hier verpflichtend, da es sich um notwendiges Betriebsvermögen handelt.[26]

3. Bewertung von Gebäuden in Handels- und Steuerbilanz

3.1 Zugangsbewertung

3.1.1 Anschaffungskosten

Wird ein Gebäude nicht selbst erstellt, sondern von einem Dritten erworben, bezeichnet man die in diesem Zusammenhang entstehenden Kosten im Kontext der Bilanzierung als Anschaffungskosten (AK). Sie bilden im Rahmen des deutschen Handelsrechts einen der zentralen Bewertungsmaßstäbe. Im Steuerrecht ist neben den Anschaffungskosten auch eine Zugangsbewertung zum Teilwert denkbar. Dieser entspricht zum Anschaffungszeitpunkt jedoch häufig den entsprechenden Anschaffungskosten des Gebäudes.

Für die handelsrechtliche Bilanzierung sind die Anschaffungskosten in § 255 Abs. 1 HGB definiert als „Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen.“ Dazu zählen auch Anschaffungsnebenkosten sowie nachträgliche Anschaffungskosten. Vermindert werden müssen die Anschaffungskosten um etwaige Preisminderungen. Es dürfen jedoch nur Aufwendungen berücksichtig werden, die dem Gebäude einzeln zugeordnet werden können. Das bedeutet, dass sich die Anschaffungskosten auf Einzelkosten beschränken und eine Einbeziehung von Gemeinkosten nicht gestattet ist.[27]

Im EStG wird der Begriff „Anschaffungskosten“ hingegen nicht definiert. Für die Zugangsbewertung wird er in § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG jedoch als betragsmäßiges Ansatzkriterium genannt. Durch das Maßgeblichkeitsprinzip der Handels- für die Steuerbilanz sowie die Anmerkung in den Einkommensteuer-Hinweisen (EStH) gilt die handelsrechtliche Begriffsbestimmung für die Steuerbilanz gleichermaßen.[28] Das nachfolgende Schema veranschaulicht die Zusammensetzung der aktivierungspflichtigen Anschaffungskosten in Handels- und Steuerbilanz. Zudem dient es als vereinfachtes Ermittlungsschema der Gebäudeanschaffungskosten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Zusammensetzung und Ermittlungsschema der Anschaffungskosten

Bei dem Anschaffungspreis handelt es sich in der Regel um das vertraglich festgelegte Entgelt, das für den Erwerb eines bereits vorhandenen Gebäudes zu entrichten ist. Zu den aktivierungspflichtigen Anschaffungsnebenkosten, die nicht im Kaufpreis enthalten sind, zählen alle Aufwendungen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Gebäudekauf stehen. Dabei unterscheidet man zwischen internen (Herstellung der Betriebsbereitschaft) und externen Nebenkosten (Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht).[29] Um typische externe Nebenkosten handelt es sich bei der Grunderwerbsteuer. Gleiches gilt für die Grundbuchgebühren, die anfallen, um den Eigentümerwechsel einzutragen sowie die Notargebühren zur Beurkundung des Kaufvertrages. Darüber hinaus können beispielsweise Vermessungskosten oder Maklerprovisionen entstehen.[30]

Beispiel: Einzelunternehmer E erwarb in 16 ein 4-stöckiges Gebäude (Nutzung gemäß dem Beispiel in Abschnitt 2.3). Der notariell beurkundete Kaufvertrag kam am 01.04.16 zustande. Übergang von Nutzen und Lasten fand zum 01.05.16 statt. Der Grundbucheintrag erfolgte am 12.09.16. Den Gebäudekaufpreis von 500.000 € zahlte E am 01.09.16. Neben dem eigentlichen Kaufpreis fielen Maklergebühren i. H. v. 13.700 €, Notarkosten i. H. v. 3.000 € sowie Grundbuchgebühren i. H. v. 500 € an. Wobei 500 € der Notarkosten und 200 € der Grundbuchgebühren der Grundschuldeintragung zuzurechnen sind (bei allen Preisen handelt es sich um Nettopreise). Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe E die Gebäudeanschaffungskosten in der Bilanz ausweisen muss.

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Abbildung 4: Ermittlung und Aufteilung der AK für einzelne Gebäudeteile

Die Grunderwerbsteuer fällt grundsätzlich beim Erwerb eines Gebäudes an und muss prozentual über den Gebäudekaufpreis ermittelt werden. Jedoch existiert kein einheitlicher Prozentsatz. Im Gegenteil, er ist für jedes Bundesland separat geregelt. Da sich das Gebäude von E in Würzburg (Bayern) befindet, beträgt die Grunderwerbsteuer 3,5 % des Gebäudekaufpreises, also 17.500 € (3,5 % von 500.000 €). Bei der Berechnung der Gebäudeanschaffungskosten dürfen keine Finanzierungsaufwendungen berücksichtigt werden. Dazu zählen auch die Notar- und Grundbuchgebühren zur Eintragung der Grundschuld.[31] Nachdem die Anschaffungskosten des gesamten Gebäudes ermittelt sind, muss eine Aufteilung der Gebäude-AK auf die einzelnen Gebäudeteile erfolgen. Die Aufteilung hat dabei im Allgemeinen nach dem Verhältnis der Nutzfläche, d. h. der Nutzflächen der Gebäudeteile im Vergleich zum Gesamtgebäude, zu erfolgen.[32] Im Beispiel beträgt die gesamte Gebäudenutzfläche 600 qm.

Die Aufteilung der gesamten Anschaffungskosten in Höhe von 534.000 € auf die selbstständigen Gebäudeteile ist Abbildung 4 zu entnehmen. Danach müssen 289.250 € (Motorradfachgeschäft + Verwaltungsräume) für die eigenbetrieblich genutzten Gebäudeteile als Anschaffungskosten aktiviert werden. Erfolgen muss die Aktivierung dann, wenn der Unternehmer die wirtschaftliche Verfügungsgewalt bzw. die tatsächliche Sachherrschaft über das Gebäude erlangt hat.[33] Im Beispiel ist dies zum Zeitpunkt vom Übergang von Nutzen und Lasten, also am 01.05.16, der Fall. Der Gebäudeteil i. H. v. 89.000 €, der eigenen Wohnzwecken dient, darf nicht aktiviert und in der Bilanz ausgewiesen werden.

Die aktivierten Gebäudeanschaffungskosten bilden die Basis für die Folgebewertung. Das bedeutet, dass sie zum einen die Grundlage (Bemessungsgrundlage) für die zukünftigen, planmäßigen Abschreibungen und zum anderen auch die Wertobergrenze für etwaige Zuschreibungen darstellen. Um einen Sonderfall der nachträglichen Anschaffungskosten handelt es sich bei den sogenannten „anschaffungsnahen Herstellungskosten“. Details diesbezüglich werden an späterer Stelle (Kapitel 4.1) erläutert.

3.1.2 Bilanzieller Ansatz zu Herstellungskosten

3.1.2.1 Bestimmung der Herstellungskosten

Erstellt der Unternehmer ein Gebäude selbst, stellen die Herstellungskosten (HK) den Bewertungsmaßstab dar. Handelsrechtlich werden sie in § 255 Abs. 2 HGB definiert. Danach kann man die Gebäude-HK unterteilen in: „Herstellungskosten im engeren Sinne“ und „Herstellungskosten im weiteren Sinne“. Im EStG ist der HK-Begriff nicht definiert. Daher ist, analog zu den Anschaffungskosten, auch bei den Herstellungskosten die Legaldefinition des Handelsgesetzbuchs für die steuerbilanzielle Behandlung maßgeblich.[34] Die Vorgaben des § 255 Abs. 2 und 3 HGB werden für die Steuerbilanz um die Vorschriften des § 6 Ab. 1 Nr. 1b EStG sowie die Angaben der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) ergänzt (vgl. R 6.3 EStR).

Unter „Herstellungskosten im engeren Sinne“ versteht man die „Herstellung“ eines neuen, bisher noch nicht existierenden, Gebäudes. Um „Herstellungskosten im weiteren Sinne“, die man auch als nachträgliche Herstellungskosten ansehen kann, handelt es sich, wenn ein bereits bestehendes Gebäude „erweitert“ oder „wesentlich verbessert“ wird. Gegenstand dieses Abschnitts sind allerdings die Herstellungskosten im engeren Sinne. Die nachträglichen Herstellungskosten werden an späterer Stelle in Abschnitt 3.3 behandelt.

Nach Wortlaut des § 255 Abs. 2 und 3 HGB setzen sich die HK eines Gebäudes aus Einzelkosten und, im Gegensatz zu den AK, auch aus angemessenen Teilen der Gemeinkosten zusammen. Einzelkosten sind im Vergleich zu den Gemeinkosten jene Kosten, die dem Gebäude direkt zugeordnet werden können.[35] Zudem wird dem Unternehmer für bestimmte Kosten ein Aktivierungswahlrecht eingeräumt, wodurch er die Höhe der HK teilweise beeinflussen kann. Abbildung 5 zeigt, wie sich die Herstellungskosten eines Gebäudes in Handels- und Steuerbilanz grundsätzlich zusammensetzen können.

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Abbildung 5: Zusammensetzung der Herstellungskosten

Nummer (1a) bis (2d) bilden die Pflichtbestandteile bzw. Wertuntergrenze der Gebäude-HK. Eine Aktivierung der entsprechenden Aufwendung ist unerlässlich. Sofern aber der Unternehmer bei dem Gebäudebau selbst mitarbeitet, darf er den Wert seiner eigenen Arbeitsleistung nicht als Herstellungskosten geltend machen. Fahrtkosten des Bauherrn, wie beispielsweise zur Materialbeschaffung, für Behördengänge oder Notarbesuche stellen hingegen aktivierungspflichtige Herstellungskosten dar.[36] Wird ein betriebseigener LKW des Unternehmers während der Bauphase für Zwecke der Gebäudeherstellung verwendet, so sind die in dieser Zeit anfallenden Abschreibungsbeträge (2c) anteilig als Herstellungskosten zu aktivieren. Für die Positionen (4a) bis (4e) besteht dagegen ein Ansatzwahlrecht. Sie können entweder als Gebäude HK aktiviert oder direkt gewinnmindernd als Aufwand beziehungsweise als Betriebsausgabe verbucht werden. In der Steuerbilanz muss die Ausübung des Wahlrechts jedoch analog zur Handelsbilanz erfolgen.[37]

Werden z.B. die Verwaltungsgemeinkosten in der Handelsbilanz (HBil) angesetzt, so ist ein Ansatz in der Steuerbilanz (StBil) ebenfalls notwendig. Wird hingegen in der HBil auf eine Aktivierung verzichtet, dürfen sie auch in der StBil nicht als Herstellungskosten berücksichtig werden. Faktisch gilt das Wahlrecht folglich nur in der Handels- und nicht in der Steuerbilanz. Eine Besonderheit besteht bei den Fremdkapitalzinsen (4e). Häufig verfügt ein Einzelunternehmer nicht in voller Höhe über die notwendigen finanziellen Mittel um ein Gebäude zu erstellen. Wird zur Realisierung und Finanzierung des Baus Fremdkapital aufgenommen, dürfen die dafür zu entrichtenden Zinsen aber nur angesetzt werden, sofern das Fremdkapital ausschließlich zur Finanzierung der Gebäudeerstellung genutzt wird.[38] Andernfalls besteht für Fremdkapitalzinsen ein Aktivierungsverbot.

Vereinfacht ausgedrückt zählen zu den Herstellungskosten eines Gebäudes also alle Ausgaben, die dazu bestimmt und geeignet sind das Gebäude für den ihm zugedachten Zweck nutzbar zu machen. Dazu gehören die eigentlichen Bauaufwendungen in Form von Baumaterial oder die Bauleistungen der Bauhandwerker sowie die Baunebenkosten (Aufwendungen für Bauplanung, Honorare für Architekten oder Statiker).[39] Sofern das erstellte Gebäude aus „sonstigen selbstständigen Gebäudeteilen“ im Sinne des Abschnitts 2.3 besteht, muss eine Aufteilung der gesamten Herstellungskosten auf die einzelnen Gebäudeteile durchgeführt werden. Dabei erfolgt die Aufteilung grundsätzlich wie bei den Anschaffungskosten.

Zu Differenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz kommt es im Rahmen der Zugangsbewertung i. d. R. weder bei der Herstellung eines Gebäudes noch bei der Anschaffung eines bereits bestehenden Gebäudes. Das liegt zum einen daran, dass identische Bilanzierungswahlrechte gelten und zum anderen die Wahlrechtsausübung in der Steuerbilanz gleichermaßen der in der Handelsbilanz zu erfolgen hat. Zudem werden durch die Maßgeblichkeit der Handels- für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 S. 1 EStG) die Ansatzkriterien und die Kriterien der Zugangswertermittlung ins EStG übernommen.

Bei der handelsrechtlichen Wahlrechtsausübung muss der Unternehmer stets die Konsequenzen für die Steuerbilanz im Hinterkopf haben. Wählt er die Bewertungsobergrenze, so hat dies nicht nur einen höheren handelsrechtlichen, sondern auch steuerlichen Gewinn und somit höhere Ertragsteuern zur Folge.

Ebenso wie die Anschaffungskosten bilden die Herstellungskosten die Basis für die Folgebewertung. Zudem ist erwähnenswert, dass eine Aktivierung der Herstellungskosten nicht erst nach der Fertigstellung des Gebäudes zu erfolgen hat. Der Bau eines Gebäudes dauert meist mehrere Monate, unter Umständen auch über ein Jahr. Daher kann es vorkommen, dass zum Jahresabschluss das Gebäude noch nicht fertiggestellt ist. In diesem Fall sind die bis dato angefallenen Kosten in der Bilanz als „Anlagen im Bau“ zu aktivieren und auszuweisen. Nach Fertigstellung muss eine Umbuchung auf die Position „Gebäude“ erfolgen.[40]

3.1.2.2 Abgrenzung von nachträglichen Herstellungskosten zu Erhaltungsaufwendungen

Eine wichtige Rolle spielt die Differenzierung zwischen nachträglichen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand. Während Erhaltungsaufwendungen erfolgswirksam und gewinnmindernd, also als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, ist nachträglicher Herstellungsaufwand aktivierungspflichtig. Durch die vorgeschriebene Aktivierung können sich die Abschreibungssätze sowie die Nutzungsdauer eines bestehenden Gebäudes erhöhen, was wiederum Einfluss auf die Steuerbelastung hat. Es ist daher unerlässlich, die beiden Begriffe voneinander abzugrenzen. Nach Meinung von Schubert/Hutzler[41] ist dies in der Theorie relativ einfach. Demnach sind alle baulichen Maßnahmen, die nicht dem HK-Begriff des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entsprechen, als Erhaltungsaufwand einzustufen. In der Praxis bereitet die Abgrenzung jedoch häufig Schwierigkeiten.

Wird ein bisher noch nicht existierendes Gebäude erstellt, d. h. handelt es sich um die Erstherstellung eines Gebäudes, so stellt sich die Abgrenzungsfrage wohl kaum. Problematischer ist es allerdings, wenn es sich um Baumaßnahmen an bereits bestehenden Gebäuden handelt. Oft wird in diesem Zusammenhang von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen gesprochen. Nachträgliche Herstellungskosten können nach Maßgabe und Wortlaut des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB durch verschiedene Szenarien entstehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Fälle nachträglicher Herstellungskosten

Fall 1: Nach IDW RS IFA 1[42] führt eine bauliche Maßnahme an einem bestehenden Gebäude in zwei Fällen zur Herstellung eines neuen Gebäudes und somit zu Herstellungskosten. Zum einen bei einem technischen und zum anderen bei einem wirtschaftlichen Vollverschleiß. Ein technischer Vollverschleiß liegt vor, wenn wesentliche Gebäudeteile derart abgenutzt sind, sodass das Gebäude unbrauchbar ist. Ist ein Gebäude in seiner bisherigen Funktion nicht mehr nutzungsfähig, so spricht man von wirtschaftlichem Vollverschleiß. Vollverschleiß bzw. Unbrauchbarkeit ist gegeben, wenn das Gebäude an den für die Nutzbarkeit und die Nutzungsdauer bestimmenden Teilen schwere Substanzschäden aufweist.[43] Dabei handelt es sich insbesondere um die folgenden Gebäudeteile:[44]

- Fundamente,
- tragende Innen- und Außenmauern,
- Geschossdecken,
- Dachkonstruktion.

Beispiel: Unternehmer Müller hat in seinem Betriebsvermögen eine alte Produktionshalle, die aufgrund ihres Zustandes nicht mehr für Produktionszwecke verwendet werden kann. In 2010 entscheidet er sich die Substanzschäden am Fundament, den tragenden Mauern sowie der Dachkonstruktion durch Baumaßnahmen beseitigen zu lassen, um das Gebäude anschließend für Verwaltungszwecke zu nutzen. Werden also durch bauliche Maßnahmen und unter Verwendung noch vorhandener sowie brauchbarer Teile die Substanzschäden eines bestehenden Gebäudes behoben, entsteht ein neues Gebäude. Die dabei anfallenden Aufwendungen stellen aktivierungspflichtige Herstellungskosten dar.

Fall 2: Ebenso sind Aufwendungen, die der Erweiterung eines bestehenden Gebäudes dienen als nachträgliche Herstellungskosten und nicht als Erhaltungsaufwand einzuordnen. Fraglich ist, was unter der Erweiterung eines Gebäudes zu verstehen ist. Nach Auffassung des BMF[45] liegt eine Erweiterung in den nachstehenden Fällen vor:

- Aufstockung oder Anbau.
- Vergrößerung der nutzbaren Gebäudefläche.
- Vermehrung der Gebäudesubstanz.

Von einer Aufstockung oder einem Anbau spricht man, wenn eine oder mehrere Etagen auf dem vorhandenen Gebäude errichtet werden bzw. ein Anbau daran errichtet wird. Auch ohne Aufstockung/Anbau kann eine Vergrößerung der Nutzfläche erfolgen, und zwar durch Ausbau der vorhandenen Fläche. Das wohl am häufigsten vorkommende Beispiel dürfte hierfür der Ausbau des bisher ungenutzten Dachbodens darstellen.[46] Wird hingegen eine Außentreppe errichtet, eine Alarmanlage eingebaut oder werden zusätzliche Trennwände eingesetzt, handelt es sich hierbei um eine Substanzmehrung, ohne dass zugleich die nutzbare Gebäudefläche vergrößerst wird.[47]

Erfüllt der neue Gebäudebestandteil die Funktionen des bisherigen Gebäudebestandteils jedoch in ähnlicher Weise, so liegt keine Substanzmehrung, die zu Herstellungskosten führt, vor. Die Kosten sind dann als Erhaltungsaufwendungen einzustufen, da sie lediglich zur Erhaltung und nicht zu einer Erweiterung der Funktionsfähigkeit des Gebäudes bestimmt sind.[48] Das ist beispielsweise bei der Vergrößerung/Verkleinerung von Fenstern der Fall. Gleiches gilt für die Anbringung einer zusätzlichen Fassadenverkleidung.[49] Letztendlich muss aber immer von Fall zu Fall entschieden werden, ob eine Erweiterung im Sinne des § 255 Abs. 2 S. 1 HGB vorliegt, beziehungsweise in Abhängigkeit davon, in welcher Art und Weise das Gebäude seitens des Unternehmers genutzt wird. Wird z. B. ein Flachdach durch ein Satteldach ersetzt, kann es sich um Herstellungskosten oder um Erhaltungsaufwand handeln. Betreibt der Unternehmer in dem Gebäude ein Hochlager, lässt sich in diesem Fall eine Substanzmehrung durchaus begründen. Der Umbau des Dachs ist als nachträglicher Herstellungsaufwand einzustufen und somit aktivierungspflichtig, da durch den Umbau die Nutzungsmöglichkeit erweitert wird. Wohingegen ein Ladenbetreiber, für den die Höhe des Raumes nicht zwangsläufig von wirtschaftlichem Belang ist, den Umbau als Erhaltungsaufwand ausweisen kann.[50]

[...]


[1] Vgl. Statistisches Bundesamt Deutschland (2017).

[2] Anm.: Sie können auch Gegenstand des Umlaufvermögens sein, vor allem, wenn sie zum Verkauf bestimmt sind.

[3] Vgl. R 7.1 Abs. 5 EStR (2012).

[4] Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder (2013), Tz. 2.

[5] Vgl. BFH (1962), Rn. 10.

[6] Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder (2013), Tz. 2.4.

[7] Vgl. BFH (1991), Rn. 8.

[8] Vgl. BFH (1988b), Rn. 13.

[9] Vgl. BFH (1986), Rn. 7.

[10] Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder (2013), Tz. 2.7.

[11] Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder (2013), Tz. 1.2-2.1.

[12] Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder (2013), Tz. 2.2.

[13] Vgl. R 4.2 Abs. 5 S. 1 EStR (2012).

[14] Vgl. R 4.2 Abs. 3 EStR (2012).

[15] Vgl. Schubert, W./Andrejewski, K. C. (2018), § 253 HGB, Rn. 411.

[16] Vgl. H 4.2 Abs. 5 EStH (2016).

[17] Vgl. R 4.3 Abs. 3 Nr. 3 EStR (2012) i. V. m. H 4.3 EStH (2016).

[18] Vgl. Oberste Finanzbehörden der Länder (2013), Tz. 1.2-1.3 und Anlage 1-2.

[19] Vgl. Schäfer-Elmayer, P./Stolz, R. (2015), Rn. 42-85.

[20] Vgl. Scheffler, W. (2014), S. 104.

[21] Anm.: Die Begriffe „Betriebs- und Privatvermögen“ sind durch das Steuerecht geprägt und existieren so im HGB

nicht. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden sie für die Handels- und Steuerbilanz gleichermaßen verwendet.

[22] Vgl. R 4.2 Abs. 4 EStR (2012).

[23] Vgl. R 4.2 Abs. 9 EStR (2012).

[24] Vgl. Siegmund, O. (2007), S. 1149-1154.

[25] Vgl. Siegmund, O. (2007), S. 1149-1150.

[26] Vgl. R. 4.2 Abs. 4 S. 2 EStR (2012).

[27] Vgl. BFH (1988a), Rn. 22.

[28] Vgl. H 6.2 EStH (2016).

[29] Vgl. Hoffmann, W.-D./Lüdenbach, N. (2017), § 255 HGB, Rn. 24-28.

[30] Vgl. Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen (2015), S. 2.

[31] Vgl. Wilke, H. (2009), S. 241.

[32] Vgl. R. 4.3 Abs. 6 EStR (2012).

[33] Vgl. Harms, J. E./Marx, F. J. (2017), S. 84.

[34] Vgl. Ehmcke, T. (2017), § 6 EStG, Rn. 380.

[35] Vgl. Müller, S./Kreipl, M. (2014), § 255 HGB, Rn. 104.

[36] Vgl. BFH (1995), Rn. 11.

[37] Vgl. § 255 Abs. 3 Satz 1 HGB sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG.

[38] Vgl. R.3 Abs. 5 EStR (2012).

[39] Vgl. Kudert, S./Sorg, P. (2017), S. 32.

[40] Vgl. Schubert, W./Huber, F. (2018), § 247 HGB, Rn. 561.

[41] Vgl. Schubert, W./Hutzler, A. (2018), § 255 HGB, Rn. 390.

[42] Vgl. IDW (2018), RS IFA 1, Rn. 4.

[43] Vgl. BMF (2003), Rn. 18.

[44] Vgl. Ronig, R. (2017), Rn. 26.

[45] Vgl. BMF (2003), Rn. 20-22.

[46] Vgl. Ronig, R. (2017), Rn. 35-38.

[47] Vgl. BMF (2003), Rn. 22.

[48] Vgl. Müller, S./Kreipl, M. (2014), § 255 HGB, Rn. 87.

[49] Vgl. BFH (1979), Rn. 5.

[50] Vgl. Müller, S./Kreipl, M. (2014), § 255 HGB, Rn. 88.

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Handels- und steuerrechtliche Bilanzierung von Gebäuden bei Einzelunternehmen
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt; Würzburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
70
Katalognummer
V427096
ISBN (eBook)
9783668712812
ISBN (Buch)
9783668712829
Dateigröße
4744 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bilanzierung, Gebäudebilanzierung, HGB, EStG
Arbeit zitieren
Daniel Büdel (Autor:in), 2018, Handels- und steuerrechtliche Bilanzierung von Gebäuden bei Einzelunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427096

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