Die Eliten Argentiniens und die Korruption


Facharbeit (Schule), 2017

24 Seiten, Note: 1,2

Lukas Heldmann (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Die Eliten Argentiniens und die Korruption
1.2 Definitionen von Elite und Korruption

2. Die Ursachen der Korruption
2.1 Formen von Korruption
2.3 Politische Ursachen der Korruption
2.4 Bedeutung der Tradition

3. Ausgewählte Korruptionsfälle mit Auswirkungen auf nationaler und internationaler Ebene
3.1 Das Zugunglück im Once-Bahnhof
3.2 Die Siemens-Schmiergeldaffäre
3.3 Der Odebrecht-Skandal

4. Die Korruptionsbekämpfung

5. Fazit

6. Ausblick

7. Quellennachweis

1. Einleitung

1.1 Die Eliten Argentiniens und die Korruption

„Argentiniens ‚Aasgeier‘ sitzen in der Regierung.“1 Der Journalist Stefan Biskamp bringt es ohne Umschweife auf den Punkt. Anhand der traurigen Geschichte vom Schicksal des zwölfjährigen niño cartoneando2 Rodrigo, eines von über hunderttausenden allein in Buenos Aires lebenden Müllsammlerkindern, zeigt er klar auf: Die Schuldigen der in Argentinien rund ein Jahrzehnt nach der Staatspleite herrschenden eklatanten Armut und des erneut drohenden Zahlungsausfalles sind nicht etwa die von Ex-Präsidentin Kirchner gern zitierten Aasgeierfonds3 , sondern vielmehr die grassierende Korruption. Letztere sowie Vetternwirtschaft, Klientelismus und Feudalherrschaft durchsetzen den Staatsapparat von oben nach unten und führen Argentinien in eine alarmierende Bedürftigkeit.4

Es sind vor allem Kinder wie Rodrigo, die letztlich unter der allgegenwärtigen Korruption als Hauptverursacherin der Armut leiden, denn sie müssen ein erbärmliches Leben im Müll, meist ohne Zukunftsperspektive führen.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung: Wie korrupt ist die Elite Argentiniens tatsächlich?

In der folgenden Abhandlung sollen Antworten betreffend des wirklichen Ausmaßes der Korruption mithilfe ausgewählter Beispielfälle vermittelt werden. Hierzu bedarf es zunächst der Klärung der Begriffe Elite und Korruption, um in einem zweiten Schritt die vielfältigen Ursachen der Käuflichkeit zu diskutieren. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich sodann mit den wichtigsten Korruptionsfällen, in deren Anschluss jeweils auf die nationalen und internationalen Folgen und Reaktionen eingegangen wird. Der nächste Abschnitt widmet sich etwaiger Lösungsmöglichkeiten im Sinne einer denkbaren Korruptionsbekämpfung. In den letzten beiden Kapiteln wird ein Fazit gezogen und abschließend ein kurzer Ausblick auf die Zukunft der Korruptionsentwicklung gegeben. Als Quellen der Seminararbeit dienen in erster Linie Internetartikel sowie Bücher.

1.2 Definitionen von Elite und Korruption

Im ersten Schritt werden die Schlüsselwörter Elite und Korruption näher definiert.

Der Begriff Elite, stammt aus dem Französischen: élire = auslesen. Er bezeichnet „eine Auslese darstellende Gruppe von Menschen mit besonderer Befähigung, besonderen Qualitäten; die Besten, Führenden; Führungsschicht, -mannschaft.“5

Der Terminus Korruption, kommt aus dem Lateinischen: corrumpere = korrumpieren. Er meint „Verhältnisse, in denen korrupte Machenschaften das gesellschaftliche Leben bestimmen und damit den moralischen Verfall bewirken.“6

Korrupt bezeichnet hierbei eine Person oder Sache die „bestechlich, käuflich oder auf andere Weise moralisch verdorben und deshalb nicht vertrauenswürdig“7 ist.

2. Die Ursachen der Korruption

„Du sollst keine Bestechung annehmen, denn die Bestechung blendet Klarsehende und kann die Worte Gerechter verdrehen.“8

Warum gibt es eine korrupte Elite in Argentinien? Die vielfältigen Ursachen der Korruption werden im Folgenden differenziert analysiert. Dabei werden zunächst die unterschiedlichen Formen der Korruption im Allgemeinen benannt, danach die historischen Wurzeln der Bestechung in Argentinien beleuchtet, gefolgt von den politischen und traditionellen Ursachen als Grundlage für die Entstehung dieses Phänomens.

2.1 Formen von Korruption

Im Wesentlichen zeigt sich Korruption nach den Forschern Andvig und Fjeldstad9 auf vier verschiedene Weisen: Bestechung, Unterschlagung, Betrug sowie die formal unzulässige Erzwingung von Ressourcen für Dienstleistungen (Erpressung). Unter Bestechung versteht man den Prozess der Annahme meist in Form von Geschenken und Geldzahlungen für das Erbringen einer Dienstleistung durch eine öffentliche Amtsperson oder einen Politiker.

Unterschlagung bezeichnet das Entwenden öffentlicher Mittel durch Angestellte zur Privatnutzung. Dagegen beinhaltet Betrug die Manipulation von Daten durch öffentliche Amtsträger zu ihrem privaten Vorteil. Zuletzt umfasst Erpressung die vorsätzliche Entnahme von Geld oder anderen Ressourcen durch Zwang oder Gewalt.10

Dies vorausgeschickt, werden nun die Ursachen der Korruption erforscht.

2.2 Historische Wurzeln der Korruption

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2 : Buenos Aires um 1900

Die Wurzeln der Korruption reichen weit in die Vergangenheit Argentiniens zurück. Diese lässt sich hauptsächlich in fünf Zeitabschnitte untergliedern.

Die Kolonialzeit: Begonnen hat alles mit der Mentalität der Eroberer zur Kolonialzeit, in der Gold und Silber im Überfluss vorhanden waren. Ein Sprichwort lautete: No hay que producir, sino apropiarse de los productos. Um sich einer Sache zu bemächtigen, musste man nicht arbeiten, sondern schlau sein. Ein weiteres Phänomen der Kolonialzeit war der Schmuggel als Ausdruck der ständigen Missachtung von Gesetzen zur Umgehung von Handelsmonopolen. In dieser Zeit haben folgende Elemente die Beziehung zwischen Staat und Bürger stark beeinflusst und zugleich den Nährboden für korruptes Verhalten geschaffen: Die Hinwendung zu einer autoritären Führung, eine hohe Statusorientierung und feste Hierarchien. Weitere Faktoren waren Elitebildung sowie schließlich eine Art Obhuts- und Beschützerverhältnis zwischen Reich und Arm. Im Ergebnis hinterlässt die Kolonialzeit bis heute eine Nichtachtung des Rechtes durch den Staat, resultierend aus der schwierigen Umsetzung der Normen aus Europa.11

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3 : Darstellung eines Caudillos

Von der Unabhängigkeitserklärung zur Verfassung: Als nächster Zeitabschnitt folgte der Weg von der Unabhängigkeitserklärung 1816 zur argentinischen Verfassung 1853. Bereits nach Proklamation der argentinischen Unabhängigkeit setzte eine Phase von politischen Umstürzen, Putschversuchen und Bürgerkriegen ein, die sich in der gesamten Geschichte des Landes nicht ändern sollte. Die politischen Führer wollten nach Abzug der Kolonialmächte keine diktaturähnlichen Zustände mehr im Land und so galt die Epoche der Unabhängigkeit gleichzeitig als Befreiung von jeglicher staatlichen Kontrolle. Durch die argentinische Geschichte zieht sich ein Streit zwischen zwei Fronten: Land gegen Stadt, Föderalisten gegen Unitarier, Konservative gegen Progressive sowie Generäle gegen Demokraten. Im sogenannten “Caudillismo“12 lebt die archaische Struktur weiter. Caudillos waren meist Großgrundbesitzer, die ihr Kapital jedoch gezielt in Mietshäuser in der Hauptstadt investierten oder anderweitig verzinslich anlegten. Bis heute ist ihr Einflussbereich enorm.

Vor allem durch das 1879 verfasste Buch Martin Fierro von José Hernández lassen sich die tiefreichenden Wurzeln der Toleranz gegenüber Korruption in Textpassagen wie „Hacéte amigo del juez, no le des de que quejarse […]“13 erkennen. Der Begriff gauchada steht auch heute noch für Freundschaftsdienst. Nach dieser äußerst gewalttätigen Periode vor Inkrafttreten der argentinischen Verfassung setzte zunächst 1880, nach der Vertreibung der Ureinwohner aus der Pampa Humeda, eine Periode der wirtschaftlichen und politischen Stabilität ein.14

Immigration und Agrarexportmodell: Diese dritte Zeitspanne von 1880 bis 1930 lässt sich mit den Begriffen Immigration und Agrarexportmodell überschreiben. Nachdem es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in Europa gekommen war, emigrierten viele Europäer nach Amerika, vor allem wegen der großen Armut, politischer und religiöser Verfolgung sowie Naturkatastrophen und zur Umgehung des Militärdienstes. In dieser Zeit förderte Argentinien die Immigration durch Übernahme der Reisekosten sowie Hilfe bei der Arbeitssuche. Dadurch sollten die Einwanderer zum Bleiben bewogen werden, da die meisten Immigranten möglichst schnell mit dem erworbenen Geld wieder in ihre Heimat zurückkehren wollten. Doch die Idee des schnellen sozialen Aufstiegs der Neuankömmlinge scheiterte häufig: Die Einkommen waren gering, die Aufnahmebereitschaft seitens der Einheimischen sehr zurückhaltend. In der Folge entwickelten sich die Einwanderer oft zu Verbrechern oder wurden bestenfalls zu Proletariern. Argentinien verwandelte sich zu dieser Zeit in eine Welt abseits der Sittengesellschaft, was weiteren Nährboden für Korruption schuf. Mit der Eroberung einiger Gebiete Patagoniens verfügte das Land erstmals über genügend Agrarfläche um Export zu betreiben. Diese Phase des Landes bis 1930 zeichnete sich besonders durch wirtschaftlichen Aufschwung und politische Stabilität aus. Aber das sogenannte Agrarexportmodell verhalf lediglich großen Industrien zur Hochkonjunktur, für die kleinen Produktionsfirmen bedeutete es den Ruin. Ein gangbarer Entwicklungsweg konnte letztlich nicht gefunden werden, daher stieg in der Bevölkerung die allgemeine Frustration, was zu egoistischen und gesellschaftszersetzenden Verhaltensweisen führte. Vor allem in dieser Zeit übte die herrschende Elite, die einen Hang zum demonstrativen Reichtum hatte, die Kontrolle über alle Bereiche des politischen Lebens aus, wie z.B. die Präsidentschaftsnachfolge und Senatszusammensetzung. Hierbei schreckte sie auch vor Wahlbetrug nicht zurück. Bezeichnend für dieses System war, dass die Elite nicht nur von ihrer korrupten Rolle überzeugt war, sondern Kritiker gleichsam verachtete. Bald darauf entstand deshalb durch Nachfahren der Einwanderer Radikalismus als eine Bewegung gegen Korruption und Betrug des Regimes. Zusammen mit der Weltwirtschaftskrise im Jahre 1930 führte dieser Radikalismus zum Ende der Stabilität und läutete erneut eine Phase von politischer Gewalt ein.15

Importsubstitution16 und Peronismus: Die vierte Phase war die der Importsubstitution und des Peronismus. Nach Ende des zweiten Weltkriegs 1945 versuchte der argentinische Präsident, Juan Domingo Perón, das europäische Wirtschaftsmodell zu kopieren. Als Anhänger Mussolinis baute er einen Staat auf, in dem Korporatismus17 wie in Italien herrschte. Gewerkschaften verhalfen ihm zu politischer Macht, da er ihnen Einfluss in Politik und Gesellschaft ermöglichte. Die in dieser Zeit herrschende Importsubstitutionspolitik leistet jedoch durch den damit verbundenen Gewinntransfer der Korruption weiter Vorschub. Die peronistische Herrschaft führte im Ergebnis dazu, dass neuerdings Vetternwirtschaft und Unterschlagung kein Privileg der absoluten Führungselite mehr waren, sondern das gesamte politische Leben durchsetzten.18

Ära Menem: Nach dem Ende der Militärdiktatur (1976 – 1983) stand Argentinien in der fünften Periode von 1991 bis 1999 unter der Führung des Präsidenten Carlos Menem. In dieser Zeit festigte sich die Korruption im Unterbewusstsein der Bevölkerung weiter und entwickelte sich zur täglichen Normalität in Politik, Gesellschaftsleben und im Wirtschaftssektor. Zwar gab es demokratische Wahlen zur Besetzung höherer Staatspositionen, doch die gewählte Regierung distanzierte sich gezielt von rechtsstaatlichen Kontrollmechanismen. Aus Angst vor einer wiederkehrenden Diktatur, wie der von 1976 bis 1983, und wirtschaftlicher Instabilität leisteten deshalb die meisten Bürger keinen Widerstand. Bestechung bedeutete in dieser Ära des wirtschaftlichen Aufschwungs nur notwenige Kontakte zu schaffen und die Wirtschaft anzukurbeln. Die Importöffnung brachte ein weiteres Phänomen mit sich, dass sich bereits im kolonialen Erbe entwickelte: Den psychologischen Konditions-mechanismus. Dieser führte dazu, dass man fremde Dinge viel mehr wertschätzte als eigene. „Wer sich von den Schaufenstern verführen lässt, verliert Hemmungen vor illegalen Versuchungen, und auch die Hemmschwelle der eigenen Käuflichkeit sinkt. Deshalb ist die Zunahme der Frivolität direkt proportional zum Anstieg der Korruption. Die Regierung Menem hat die Entladung der kollektiven Immoralität ermöglicht, die seit unseren Ursprüngen aufgestaut war.“19

Schlussendlich lässt sich statuieren, dass der Korruption in Argentinien eine bedeutende historische Dimension zukommt. Angesichts der geschichtlichen Entwicklungen kann man durchaus von einer Kultur der Korruption sprechen.

[...]


1 Biskamp, Stefan: Argentiniens „Aasgeier“ sitzen in der Regierung (2014), https://www.welt.de/wirtschaft/article130104393/Argentiniens-Aasgeier-sitzen-in-der-Regierung.html, (Stand: 12.06.2017).

2 „vom Papiersammeln lebendes Kind.“

3 „Aasgeierfonds“: Amerikanischer Hedgefond NML Capital.

4 Vgl. Biskamp (2014).

5 „Elite“ auf Duden online. http://www.duden.de/rechtschreibung/Elite#Bedeutung2 (Stand: 12.06.2017).

6 „Korruption“ auf Duden online. http://www.duden.de/rechtschreibung/Korruption (Stand: 12.06.2017).

7 „korrupt“ auf Duden online. http://www.duden.de/rechtschreibung/korrupt (Stand: 12.06.2017).

8 Altes Testament, 2. Mose 23.8

9 Vgl. Andvig, Jens/ Fjeldstad, Odd-Helge: Corruption. A Review of Contemporary Research (2001), https://www.cmi.no/publications/861-corruption-a-review-of-contemporary-research (Stand: 23.08.2015)

10 Vgl. Oberson, José. Korruption: Ursachen, Auswirkungen und Bekämpfungsstrategien: Systemische Korruption in Lateinamerika Teil 1, Bern 2003: Kit10.1info. S.13-15

11 Vgl. Kolmhofer, Martin. Institutionelle Korruption in Argentinien: Wirtschaftliche Ursachen und Auswirkungen. Norderstedt: Grin Verlag GmbH, 2003, S.34-46

12 Die bedingungslose Gefolgschaft gegenüber einem charismatischen Führer, dem man seine Loyalität gibt und von dem man im Gegenzug entsprechende Gefälligkeiten erwartet.

13 Pablovsky, Daniel: Hacete amigo (2013), https://www.pagina12.com.ar/diario/elpais/1-217136-2013-04-02.html (Stand: 10.10.2017)

14 Vgl. Kolmhofer (2003) S.47-56

15 Vgl. Kolmhofer (2003) S.57-72

16 Abgestützt durch mengenmäßige Importbeschränkung sollten weniger entwickelte Länder geschützt durch Zölle und Quoten selbstständig die bisher importierten Industriegüter erzeugen.

17 Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen an politischen Entscheidungsprozessen.

18 Vgl. Kolmhofer (2003) S.73-78

19 Aguinis, Marcos: El atroz encanto de ser argentinos, Buenos Aires 2001

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Eliten Argentiniens und die Korruption
Note
1,2
Autor
Jahr
2017
Seiten
24
Katalognummer
V427662
ISBN (eBook)
9783668717213
ISBN (Buch)
9783668717220
Dateigröße
1383 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Korruption, Argentinien, Eliten Argentiniens, Geldwäsche in Argentinien, Siemens Skandal
Arbeit zitieren
Lukas Heldmann (Autor:in), 2017, Die Eliten Argentiniens und die Korruption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/427662

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