Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Marke im historischen Kontext
2.1 Ursprung des Markenwesens
2.2 Weiterentwicklung des Markenwesens
2.3 Relevante Funktionen der Marke in der Vergangenheit
3 Die Marke in der Gegenwart
3.1 Verändertes Markenverständnis
3.2 Relevante Funktionen der Marke in der Gegenwart
3.3 Anforderungen an erfolgreiche Marken
4 Diskussion der Relevanzverschiebungen
4.1 Wesentliche Veränderungen und deren Ursachen
4.2 Auswirkungen auf die Markenführung
4.3 Kritische Betrachtung von Chancen und Risiken
5 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Mit einem Rückblick auf die Menschheitsgeschichte wird schnell deutlich, dass Marken keine Erscheinung der jüngeren Vergangenheit sind. Neben zahlreichen Traditionsmarken, die im 19. und 20. Jahrhundert entstanden sind, wurden einzelne Erzeugnisse bereits vor tausenden Jahren mit Markierungen versehen. Auch wenn der Ausdruck ״Marke“ zu diesem Zeitpunkt noch nicht verwendet wurde, war das Kennzeichnen von Erzeugnissen schon in frühen Hochkulturen weit verbreitet.[1] Bis jener Ausdruck allerdings in den allgemeinen Sprachgebrauch aufgenommen wurde, vergingen mehrere Jahrtausende. Etymologisch gehen seine Wurzeln auf den germanischen Begriff ״Marka“ zurück, der ursprünglich Grenzsteine bezeichnete. Vom römisch-griechischen über den italienischen Sprachraum gelang der Begriff letztendlich in veränderter Form bis nach Frankreich. Dort wurde die sog. ״Kennzeichnung“ im 17. Jahrhundert als ״marque“ bekannt und wenig später als ״Marke“ ins Deutsche übersetzt.[2]
Die zugrundeliegenden Funktionen von Marken haben sich dabei im Zeitverlauf immer wieder weiterentwickelt und angepasst. Während einige Funktionen stets relevant waren, sind andere zunehmend in den Hintergrund gedrängt worden. Durch Einflüsse und Entwicklungen sind aber auch immer wieder neue Schwerpunkte hinzugekommen. Das Markenwesen ist historisch somit keinesfalls als statisches Gebilde, sondern vielmehr als dynamischer Prozess zu begreifen.[3] Auch wenn der Sinn und Zweck des Markierens von Produkten auf den ersten Blick relativ trivial erscheinen mag, lohnt sich eine tiefergehende Analyse der Funktionen von Marken. Während die großen Markenartikelhersteller noch vor einigen Jahrzehnten vornehmlich Industrieunternehmen waren, hat sich dieses Bild durch vielschichtige Einflüsse, wie die Technisierung, die Medialisierung, die Globalisierung oder veränderte Wertorientierungen immer weiter verschoben. In Anbetracht der Tatsache, dass heutzutage selbst Sportler[4] wie Cristiano Ronaldo oder Baumärkte wie Obi Markenstatus besitzen, ist die Frage nach den Funktionen von Marken und deren Relevanzverschiebungen nicht nur interessant, sondern von größter wissenschaftlicher Relevanz.[5]
Der beschriebene Wandel und die damit einhergehenden Relevanzverschiebungen in Bezug auf die Funktionen von Marken bilden den Mittelpunkt dieser Arbeit. Es wird darum gehen, grundlegende historische Verschiebungen zunächst zu erfassen sowie deren Ursachen zu benennen, um in einem weiteren Schritt die Auswirkungen auf Anbieter[6] zu identifizieren und zu interpretieren. Letztendlich soll diese Arbeit versuchen, Implikationen für die Markenführung der Gegenwart abzuleiten, indem sie danach fragt, wie Marken heutzutage im Vergleich zur Vergangenheit geführt werden müssen, um auch in Zukunft noch erfolgreich zu sein.
Um dem Umfang dieser Arbeit gerecht werden zu können, wird schwerpunktmäßig die Unternehmenssicht betrachtet. Unter dem Begriff ״Marke“ versteht diese Arbeit daher die klassischen Herstellermarken und klammert bspw. Handelsmarken bei der Betrachtung weitestgehend aus. Zusätzlich wird speziell in Bezug auf die historische Entwicklung des Markenwesens der Fokus auf Deutschland gelegt.
Inhaltlich wird das zweite Kapitel den historischen Hintergrund genauer beleuchten. Um ein besseres Verständnis für die Entwicklung des Markenbegriffs zu schaffen, wird zunächst ein Blick auf die geschichtlichen Wurzeln und die daran angeknüpften Entwicklungen des Markenwesens geworfen. Abschließend werden die vorherrschenden Funktionen von Marken in der Vergangenheit benannt.
Im dritten Kapitel wird der Gegenwartsbezug hergestellt, indem zuerst die grundlegenden Veränderungen des Markenverständnisses ermittelt werden. Daraufhin werden die vorherrschenden Funktionen von Marken aus heutiger Sicht dargestellt, wobei auch auf die Sicht der Nachfrager[7] eingegangen wird, die für ein umfassendes Verständnis unverzichtbar ist. Mit Bezug auf die zuvor formulierten Leitfragen, werden darüber hinaus notwendige Anforderungen an erfolgreiche Marken in der Gegenwart ermittelt.
Das vierte Kapitel diskutiert letztlich die Relevanzverschiebungen der Markenfunktionen. Insbesondere wird es darum gehen, die Folgen der genannten Verschiebungen zu untersuchen. Eine kritische Betrachtung sich ergebender Chancen und Risiken rundet die Diskussion ab.
Im Fazit werden die grundlegenden Erkenntnisse dieser Arbeit noch einmal aufbereitet und Handlungsempfehlungen für den Umgang mit der vorgestellten Problemstellung abgegeben.
2 Die Marke im historischen Kontext
2.1 Ursprung des Markenwesens
Auf der Suche nach den Ursprüngen des Markenwesens, können erste Pionierbewegungen, wie bereits angedeutet, schon vor über 5000 Jahren beobachtet werden. So bedienten sich hochentwickelte Kulturen der Ikonographie um die Herkunft und den Ursprung von Waren zu kennzeichnen. Im alten Ägypten wurden bspw. Ziegelsteine mit Symbolen versehen, um die Ziegel von guten und etablierten Handwerken aus der Anonymität zu heben.[8]
Diese Idee wurde im Mittelalter entscheidend weiterentwickelt, als Wappen und Siegel stark an Bedeutung gewannen, um Eigentum besser schützen bzw. zuordnen zu können. Es war Gildenmitgliedern u.a. vorgeschrieben, ihre Waren zu markieren, um die konsistente Qualität ihrer Arbeit nach außen hin zu kennzeichnen.[9] Ab dem 13. Jahrhundert waren sog. Hausmarken weit verbreitet. Siegel wurden als Zeichen für Willenserklärungen genutzt, Königshäuser verwendeten Wappen als Daseinszeichen und das Zunftwesen entwickelte Zunftmarken als Urheberzeichen. Speziell die Zünfte nutzten das Markieren von Produkten, um sich von minderwertiger Qualität zu distanzieren und den eigenen Ruf zu schützen. In diesem Kontext wurde ein regelrechtes Marken- und Schauwesen geschaffen, das die qualitative Güte manifestieren sollte und den Urheber von Produkten kenntlich machte.[10]
2.2 Weiterentwicklung des Markenwesens
Einer der bedeutendsten Meilensteine bei der Fortentwicklung des Markenwesens lässt sich mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert in Verbindung bringen. Im Vergleich zu vorangegangenen Epochen ist auffällig, dass Produkte und Erzeugnisse immer häufiger eigene Markennamen erhielten und der stets enge Herkunftsbezug bei der Namensgebung der Produkte zunehmend in den Hintergrund gedrängt wurde. Bei den ersten Markenartikeln nach heutigem Verständnis handelte es sich um Sachleistungen des täglichen Bedarfs. Gekennzeichnet waren diese durch Massenfertigung, eine standardisierte Beschaffenheit, eine einheitliche Verpackung und Verkaufsmenge sowie die Preisbindung für Händler.[11]
Bis zum Beginn des ersten Weltkrieges entstanden in Deutschland zahlreiche Marken, die auch heute noch bekannt sind. So wurde Z.B. Milka im Jahre 1901, Persil im Jahre 1907 oder Nivea im Jahre 1911 gegründet. Immer mehr Marken gelang es sich dauerhaft zu etablieren, sodass aufgrund des zunächst mangelnden Rechtsschutzes auch vermehrt Kopien und Imitate auf den Markt strömten. Durch die Folgen der beiden Weltkriege war die Industrie Ende der 1940er Jahre zunächst schwer gezeichnet. Die Veränderung der politischen Situation legte jedoch den Grundstein für eine freie Marktwirtschaft und immens hohe Wachstumsraten.[12] Dies begünstigte in der Folgezeit die heimische Wirtschaft und damit auch die Entwicklung des Markenwesens. Darüber hinaus erfolgten in der Zwischenzeit auch rechtliche Anpassungen, sodass Z.B. das sog. ״Warenzeichen“ durch das Warenzeichengesetz im Jahre 1935 Rechtsschutz erlangte.[13] Erste strategische Markenkonzepte entstanden jedoch bereits ab den 1920er Jahren, wobei der Markenartikel als Objekt des Handels angesehen wurde und eine einwandfreie technisch-materielle Qualität garantiert werden sollte. Auffällig ist, dass frühe Markenkonzepte lediglich Güter in Form von Produkten als Marken verstanden. Der Stellenwert von Dienstleistungen im Markenkontext stieg erst nach dem zweiten Weltkrieg.[14]
Bis zum Ende der 1980er Jahre entwickelte sich der Markenbegriff nur langsam weiter. So wurden bspw. kaum begriffsbezogene Forschungsarbeiten verfasst. Die Marke galt lange Zeit als ein Marketinginstrument unter vielen[15] und entwickelte sich erst mit Beginn der 1990er Jahre entscheidend fort.[16]
Die rechtliche Basis für die heutige Bedeutung von Marken wurde im Jahre 1995 geschaffen, als der juristische Begriff ״Marke“ mit der Änderung des deutschen Markengesetzes eingeführt wurde. Er löste das ״Kennzeichen“ ab und hob zusätzlich die Bindung von Marken an den Geschäftsbetrieb auf. Seitdem sind Marken ein selbständiges Vermögensrecht, das durch jede natürliche oder juristische Person angemeldet werden kann.[17]
2.3 Relevante Funktionen der Marke in der Vergangenheit
Zusammenfassend galt der Herkunfts- und Eigentumsnachweis bis zur Industrialisierung als die wichtigste Funktion von Marken. Im Zentrum stand der Zeichenbegriff, der typisch für diese frühe Zeit war, da Marken sich primär auf grafische Merkmale beschränkten, ohne einem juristischen Rahmen zu unterliegen. Es gab zwar noch keine strategisch tiefgreifenden Konzepte, jedoch ist anzumerken, dass mit der Verwendung von Zeichen bzw. Marken (im weiteren Sinne) auch damals schon feste Absichten verfolgt wurden.[18]
Erst ab dem 19. Jahrhundert nahm die strategische Ausrichtung bei der Verwendung von Marken langsam zu. Die Kennzeichnung stand zwar auch zu diesem Zeitpunkt weiterhin im Vordergrund, wobei neben der Identifizierung von Produkten, insbesondere die Unterscheidbarkeit von anderen Produkten gewährleistet werden sollte. Durch den zunehmenden Verlust des persönlichen Kontaktes zu Konsumenten, nutzten Hersteller ihre Marken intensiv zur Stärkung des persönlichen Vertrauens sowie zur Risikominimierung. Dabei versuchten sie ihre Produkte mit Hilfe von Marken begehrenswerter zu machen und den eigenen Warenabsatz gegenüber herkömmlichen Produkten gezielt zu steigern.[19] Ab den 1920er Jahren kann ein auf Distribution und Handel basierendes Markenverständnis beobachtet werden. Der Terminus ״Marketing“ wurde zu dieser Zeit, insbesondere im deutschen Sprachraum, in Verbindung mit der Verbreitung und dem Verkauf von Markenartikeln jedoch kaum verwendet. Stattdessen wurde der Ausdruck ״Absatzwirtschaft“ verwendet, welcher exemplarisch den Fokus auf die Distribution und den Absatz von Gütern widerspiegelt.[20]
In der Nachkriegszeit wurden bekannte Marken wieder in das Bewusstsein der Konsumenten zurückgerufen. Sie fungierten zunächst aber relativ unspezifisch, da es primär darum ging, die steigende Nachfrage auf den ungesättigten Märkten zu befriedigen. Die Nachfrage wurde mittels undifferenzierter und unsystematischer Push-Kommunikation[21] weitestgehend unpersönlich bearbeitet. Marken sollten durch ihre Bekanntheit in erster Linie das Konsumentenvertrauen stärken.[22] Ab den 1960er Jahren stieg die Verbraucherorientierung aufgrund des wachsenden Konkurrenzdrucks und einem erweiterten Produktangebot langsam an. Erste Markenforscher wie Mellerovicz legten den Fokus des Markenverständnisses daher weniger auf die Warendistribution, wobei sie sich immer noch sehr eng am Produkt und seiner physischen Kennzeichnung orientierten. Von besonderer Bedeutung für Markenartikel war in diesem Kontext die Qualität, die als festes Charakteristikum angesehen wurde. Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Markenartikel fortwährend anstieg, erscheint diese qualitative Konnotation gerechtfertigt.[23] Neben der angedeuteten Merkmalsorientierung, bei der Forscher wie Mellerovicz versuchten Markenartikel anhand spezifischer Merkmalskataloge zu definieren, war auch der Hinweis auf die Markenherkunft weiterhin relevant.[24] Erst später, ab den 1970er Jahren, verschob sich das Markenverständnis zusehends von einer angebots- zu einer nachfrageorientierten Sicht. Begründet werden lässt sich dies mit einem verstärkten Wettbewerb bzw. einer zunehmenden Sättigung der Nachfrage sowie der mangelnden Unterscheidbarkeit der homogenen Güter. Durch die steigende Bedeutung der Konsumentenperspektive entstanden neue Strömungen, die Z.B. funktions- oder wirkungsorientierte Schwerpunkte setzten und so die Differenzierbarkeit von Marken sicherstellen sollten. Dabei wurden einzelne Funktionen der Marke für Markteilnehmer bestimmt und systematisiert bzw. die Konsumentensicht in Bezug auf die Wahrnehmung und den Wirkungsgrad von Marken analysiert, um letztlich den Absatz von Marken zu fördern.[25]
In der anschließenden Dekade verschärfte sich die Wettbewerbsorientierung. Insbesondere fand eine Zielgruppenerweiterung statt, sodass fortan auch die Öffentlichkeit als wichtiger stakeholder galt. Bis in die 1990er Jahre verstärkte sich die Umfeldorientierung der Unternehmen weiter und bezog sich neben Zulieferern oder dem Handel nun auch auf andere Bereiche wie bspw. zivilgesellschaftliche Institutionen. Die Beziehungsfunktion von Marken wurde in diesem Kontext immer bedeutsamer. Darüber hinaus wurden Marken zunehmend auch in damals wirtschaftsfremden Bereichen wie Z.B. dem Sport etabliert.[26] Das angesprochene Beziehungsmarketing wurde bis in die 2000er Jahre immer weiter intensiviert und im Rahmen des sog. ״Relationship Marketing“ systematisch professionalisiert. Ausgelöst durch die rasante Entwicklung des Internet gewann die Netzwerkfunktion von Marken in den Folgejahren im Rahmen der strategischen Markenführung an Relevanz. Alle stakeholder (insbesondere die Mitarbeiter) galten von nun an als aktive Kommunikatoren, die in einem interaktiven Austauschprozess mit Unternehmen und Marken stehen sollten.[27]
[...]
[1] Vgl. Schütz (2002), s. 84.
[2] Vgl. Kluge/Seebold (2002); Köster (2006).
[3] Vgl. Meffert (2005), s. 9 ff.
[4] Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Differenzierung, wie Z.B. Sportler/innen, verzichtet. Sofern nicht ausdrücklich anders bezeichnet gelten entsprechende Begriffe im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
[5] Vgl. Hegele-Raih (2005); Meffert (2005), s. 9 ff.
[6] Die Begriffe Anbieter, Hersteller und Unternehmen werden im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet und stehen für die Produzenten klassischer Herstellermarken.
[7] Mit dem Begriff Nachfrager ist im Rahmen dieser Arbeit der Konsument der klassischen Herstellermarke gemeint. Er wird auch als Kunde oder Konsument bezeichnet.
[8] Vgl. Hellwig (2008), s. 4.
[9] Vgl. Esch (2014), s. 1.
[10] Vgl. Schutz (2002), s. 86 ff.
[11] Vgl. Hellmann (2002).
[12] Vgl. Prießnitz (2006), S.17.
[13] Vgl. §4 Warenzeichengesetz (1935).
[14] Vgl. Adjouri (2014), s. 28 f.
[15] Neben Werbung, Verkaufsförderung oder Rabattpolitik.
[16] Vgl. Kuß (2013), s. 256.
[17] § 14 Deutsches Markengesetz (MarkenG).
[18] Vgl. Köster (2006), s. 16.
[19] Vgl. Esch (2014), s. 1 ; Weber (2010), s. 25.
[20] Vgl. Kuß (2013), s. 5.
[21] Der Informationsfluss wird vom Sender gesteuert und verläuft meist nur in eine Richtung.
[22] Vgl. Bruhn (2014), s. 15 f.
[23] Vgl. Mellerovicz (1963), s. 39.
[24] Vgl. Köster (2006), s. 15 f.
[25] Vgl. Baumgarth (2008), s. 28.; Berentzen (2010), s. 17.
[26] Vgl. Bruhn (2014), s. 16 f.
[27] Vgl. Bruhn (2014), s. 18.