Deutsche Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Die "Hessians" als Söldner?


Thèse de Bachelor, 2018

43 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Erörterung der Fragestellung
1.2. Quellen- und Literaturlage

2. Zu den Merkmalen eines Söldners – was macht einen Söldner aus
2.1. Lexikalische Annäherung
2.2. Die literarische Definition – Merkmale des Söldnertums
2.2.1. Der Ursprung der Söldnerkritik
2.2.2. Die zeitgenössische Darstellung der Söldner – Frommer Landsknecht oder gewalttätiger Trinker? Das Verhältnis des Söldnertums zur zivilen Lebenswelt
2.2.3. Der Prozess der Anwerbung
2.3. Kritische Hinterfragung der Merkmale eines Söldners
2.4. Kurze Zusammenfassung der Entwicklung des Söldnertums und Zwischenfazit

3. Die deutschen Subsidientruppen im Amerikanischem Unabhängigkeitskrieg
3.1. Überleitung „Soldatenhandel“
3.2. Die Subsidienverträge
3.3. Die Truppen der deutsche Fürstentümer
3.3.1. Die Truppen von Hessen-Kassel
3.3.2. Die Truppen von Braunschweig
3.3.3. Die Truppen von Ansbach-Bayreuth
3.4. Kurzes Zwischenfazit

4. Gesamtfazit

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Erörterung der Fragestellung

Die deutschen Hilfstruppen, die die Briten im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg einsetzten, wurden von den Amerikanern oftmals allgemein als Hessen, beziehungsweise als „Hessians“ bezeichnet. Diese Bezeichnung ist jedoch nicht ganz zutreffend, weil damit suggeriert wird, dass von den deutschen Truppen nur Hessen im Amerikanischem Unabhängigkeitskrieg eingesetzt wurden. Die Truppen der Hessen machten zwar zahlenmäßig gesehen die größte Gruppe aus (16.992 Mitglieder aus Hessen-Kassel und 2.422 aus Hessen-Hanau), allerdings gab es auch Truppen aus Braunschweig (5.723), Ansbach-Bayreuth (2.353), Waldeck (1.225) und Anhalt-Zerbst (1.160).[1] Die deutschen Truppen sollten gezielt negativ dargestellt werden.[2] Der Begriff „Hessen“ stammt ursprünglich aus England und kritisierte die Subsidienpolitik der deutschen Fürsten. Dieser Begriff wurde unter anderem in der amerikanischen Presse übernommen und nach und nach weiter ausgefeilt.[3] Diese unzutreffende Bezeichnung ist in der Forschung schon seit längerem bekannt und wurde hinreichend wiederlegt.[4] Sie diente vor allem als eine Art Propaganda gegen die deutschen Truppen, die als gewaltsame und gewissenlose Söldner dargestellt werden sollten.

Interessant sind hierbei vor allem die verschiedenen Bezeichnungen, die mit den „Hessians“ verbunden werden: Die Beschreibung der deutschen Subsidientruppen reicht von Söldner/ mercenaries, über Soldat/ soldier, oder verkaufte Landsleute, bis hin zu Hilfstruppen/ auxiliaries. Es ist auffällig, dass die deutschen Hilfstruppen in der älteren Literatur oftmals als Söldner, beziehungsweise mercenaries bezeichnet wurden.[5]

Die vorliegende Arbeit soll sich deshalb mit der Fragestellung auseinandersetzen, inwieweit die Bezeichnung Söldner für die deutschen Truppen zutreffend ist. Hierzu werde ich mich zunächst mit dem Begriff des Söldners näher befassen, um die verschiedenen Merkmale herauszuarbeiten, welche einen Söldner beschreiben. Diese werden abschließend kritisch hinterfragt.

Im Anschluss daran kommt der eigentliche Analyseteil, der sich mit den verschiedenen deutschen Truppen beschäftigt. Hierzu werden zunächst die Schreiben zwischen den jeweiligen Fürsten mit der britischen Krone genauer betrachtet, um die Grundbedingungen herauszuarbeiten. Das ist wichtig, weil man so sehen kann, was die deutschen Herrscher mit der britischen Krone verhandelt haben. Dabei wird beispielsweise beschrieben, wie viele Männer zur Verfügung gestellt werden sollten, und wie viel Werbegeld für jeden gezahlt wurde. Im weiteren Verlauf wird dann der eigentliche Prozess der Anwerbung untersucht, wodurch eine Verbindung mit dem Söldnertum hergestellt wird. Diese Frage ist gerade im Zusammenhang mit der Söldnerfrage von besonderer Bedeutung, da man hieraus beispielsweise eine bestimmte Motivation für den Eintritt in den Kriegsdienst ableiten kann. Zu guter Letzt folgen das Gesamtfazit und der weitere Ausblick.

1.2. Quellen- und Literaturlage

Die Quellenlage würde ich allgemein als relativ gut beschreiben. So sind beispielsweise Subsidienverträge von Hessen-Kassel, Braunschweig und Hessen-Hanau kurz nach ihrem Abschluss in deutscher und in englischer Sprache erschienen. Auch die Sekundärliteratur hat sich schon im 19. Jahrhundert recht ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Seitdem sind zahlreiche Werke veröffentlicht worden, die sich mit den Subsidienverträgen im Detail auseinandersetzen. Als Beispiel hierfür sind unter anderen Friedrich Kapp, Edward Lowell oder Max von Eelking zu nennen. Vor allem für den Söldnerbegriff sind sehr viele Werke erschienen, die Aspekte der Entwicklung, den allgemeinen Merkmalen des Söldnertums sowie den Darstellungen in den zeitgenössischen Quellen umfangreich analysieren. Vor allem sind in der Sekundärliteratur zahlreiche wichtige Quellen im umfangreichem Maße ausgewertet worden, wie zum Beispiel die Analyse von Huntebrinker, die sich mit der Darstellung der Söldner in Flugblättern beschäftigt. Leider sind nur wenige Selbstzeugnisse der deutschen Söldner und der angeworbenen Truppenmitglieder überliefert. Besonders wichtig scheint mir auch das Werk von Burschel zu sein, der die Merkmale des deutschen Söldnertums im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts herausarbeitet; oder Westenfelder, der die Entwicklung des Söldnertums vom Beginn an bis heute zusammenfasst. Ich würde gerne detaillierter darlegen, warum die zuvor genannten und die anderen Werke, die in dieser Arbeit vorkommen, meiner Meinung nach relevant für das Thema sind. Zudem würde ich dies auch gerne mit Rezensionen belegen, aber aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit verzichte ich auf dieses Vorgehen.

2. Zu den Merkmalen eines Söldners – was macht einen Söldner aus

Der Söldner war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit eine typische Erscheinung. Es liegen zahlreiche Quellen zum Söldnertum vor, welche oftmals ein sehr negatives Bild zeichnen. In diesem Kapitel soll es darum gehen, einige Merkmale des Söldners oder Landsknechts herauszuarbeiten. Dabei werde ich mich dem Begriff auf lexikalischer Ebene nähern, um eine grobe Übersicht geben zu können. Im Anschluss daran werden einige Spezifika des Söldnertums, wie der Ursprung der Söldnerkritik, der Prozess der Anwerbung, oder das Verhältnis zur Zivilbevölkerung vertiefend herausgearbeitet werden. Zusätzlich sollen diese Merkmale aber auch kritisch hinterfragt werden. Dazu stützt sich diese Arbeit auf den Text von Sikora, der sich für einen variablen Söldnerbegriff ausspricht. Abschließend werden in einem kurzen Zwischenfazit die Ergebnisse des ersten Hauptkapitels zusammengefasst.

2.1. Lexikalische Annäherung

Da sich die Arbeit auf die amerikanische Geschichte bezieht, möchte ich etwas über den „deutschen Tellerrand“ hinaussehen und zumindest auch ein englisches Werk miteinbeziehen. Die Encyclopedia Britannica bezeichnet einen Söldner als einen spezialisierten Soldaten, der für jedes Land, oder jeden Staat kämpft. Hierbei spielen weder politische Interessen, noch persönliche Werte eine Rolle.[6] Der Söldner sei nur für den Kampf ausgebildet worden, und er zeichne sich durch seine Undiszipliniertheit, Brutalität, oder Trunkenheit aus. Außerdem sei er häufig desertiert, habe die Seiten gewechselt oder sogar die Bevölkerung ausgeraubt. Dieses Verhalten sei allerdings oftmals auf eine unterlassene Bezahlung zurückzuführen, denn wie sich am Beispiel der Schweizer Truppen zeige, könnten Söldner auch sehr effektiv eingesetzt werden. Sie nahmen hierbei die Rolle einer Eliteeinheit ein.[7]

Insgesamt ist der Artikel meiner Meinung nach etwas indifferent, da er die Linie zwischen Söldner und Soldat verschwimmen lässt, ohne dabei auf die Entwicklungen des Heeres einzugehen. Dabei kann nicht genau gesagt werden, worin die Unterschiede zwischen einem Söldner und einem Soldaten liegen. Auch die wechselnde Bezeichnung der Schweizer als Söldner, oder als gemietete/ angeheuerte Soldaten – hired soldier – sollte weiter ausgeführt werden.

Als weiteres Beispiel möchte ich nun die Definition aus der Enzyklopädie der Neuzeit anführen. Hierin wird ein Söldner als Krieger bezeichnet, der auf der Basis einer „gleichsam öffentlich-rechtlichen Verpflichtung Dienst leiste[t]“.[8] Der Prozess der Anwerbung sei im Vergleich zum Soldaten kaum abgrenzbar. Das entscheidende Merkmal habe in der Freiwilligkeit seines Dienstes gelegen: Im Gegensatz zu einem dienstverpflichteten Untertan konnte er sich freiwillig anbieten und war nicht aufgrund seiner sozialen, beziehungsweise lokalen Zugehörigkeit zum Militärdienst verpflichtet.[9] Daher könne davon ausgegangen werden, dass auch der eigene Profit eine wichtige Rolle gespielt habe. Jedoch sei dieser Punkt nicht das hervorstechende Merkmal des Söldnertums, da dieses sonst nicht mehr von anderen Militärformen abgegrenzt werden könne. Denn im Übergang vom Mittelalter in die Frühe Neuzeit habe es viele verschiedene Wehrformen gegeben, die alle Merkmale einer freiwilligen und einer verpflichteten Werbung aufweisen. Dies gilt auch für die Aussagen, die allgemeine Fremdheit des Söldners könne nicht als Merkmal gelten, falls der Auftraggeber in Beziehung zu diesem stand (verwandtschaftlich oder in einem Lehnsverhältnis).[10]

Ein Merkmal von bestimmten Söldnergruppen seien die Namen gewesen; diese hätten sich nämlich nach ihrer Volkszugehörigkeit benannt. Auch kam in der Frühen Neuzeit noch das Kriterium der Kleidung hinzu, da sie für Söldner einen gewissen Prestigefaktor mit sich gebracht habe.[11] Zusammenfassend beschreibt Rink, dass es schwierig ist sich auf bestimmte Kriterien festzulegen. In der neueren Forschung seien vor allem der materielle Gewinn beziehungsweise eine besondere Vergütung (bspw. in Form von Ländereien) und der Wunsch nach sozialem Aufstieg (Rangerhöhung) wichtige Kriterien.[12]

Insgesamt scheint diese Herangehensweise schon deutlich differenzierter zu sein als in der Encyclopedia Britannica, da der Begriff des Söldnertums viel genauer hergeleitet wird, und einzelne Motive kritisch hinterfragt werden. Allerdings fehlt hierbei das kritische Verhältnis zum Söldnertum und das zum Teil undisziplinierte Verhalten – wie z.B. Trunkenheit. Zudem wurde in keinem der beiden Lexika etwas darüber geschrieben, was für ein Leben der Söldner im Allgemeinen geführt hat. Gab es Söldner, die für eine gewisse Zeit über ein bürgerliches Leben geführt haben, oder haben sie sich komplett von der Gesellschaft abgegrenzt? Deshalb wird sich das nächste Kapitel noch einmal genauer mit verschiedenen Strömungen der Forschung auseinandersetzen.

2.2. Die literarische Definition – Merkmale des Söldnertums

Dieses Unterkapitel befasst sich intensiver mit einigen „typischen“ Merkmalen des Söldnertums. Zunächst wird erarbeitet, worauf oder, besser gesagt, auf wen die Söldnerkritik eigentlich zurückzuführen ist. Um das Verhältnis zwischen dem Söldnertum und der Bevölkerung beschreiben zu können, wird die Darstellung in zeitgenössischen Quellen anhand der Sekundärliteratur aufgezeigt und kritisch hinterfragt werden. Dabei wird auch analysiert, warum ein bestimmtes Verhalten als verwerflich galt. Auch soll bestimmt werden, ob man den Söldnern allgemein Gewalttätigkeit nachsagen kann. Abschließend ist es besonders wichtig zu klären, unter welchen Bedingungen die Menschen in das Söldnertum eintraten. Damit soll deutlich werden, welche Motive die Bewerber hatten sich für den Krieg rekrutieren zu lassen. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit die Männer dies freiwillig taten. Daher wird besonders der Prozess der Anwerbung im Fokus stehen.

2.2.1. Der Ursprung der Söldnerkritik

Wie bereits erwähnt, hätten die Söldner, laut den zeitgenössischen Darstellungen, größtenteils niedere Motive für den Eintritt in das Kriegsgeschäft: Der Söldner sei ein Trinker und Spieler, seine Motive für den Krieg seien nur selten ehrenhaft.[13] All diese Vorurteile sollen in ihrem Kern auf den italienischen Philosoph und Politiker[14] Niccolo Machiavelli (1469-1527) zurückgehen. Seine Ansichten wurden im Laufe der Zeit immer wieder übernommen und weiter verbreitet. Jedoch besteht beispielsweise laut Frank Westenfelder ein gewisses Problem bei Machiavelli: Dieser sei zwar ein großer Philosoph gewesen, aber vom Krieg habe er leider wenig verstanden. Vor allem aber zeichne sich Machiavelli leider auch dadurch aus, dass er die historischen Fakten seinen politischen Vorstellungen anpasste und die Tatsachen somit verdrehte.[15] Demnach kann man in dieser Hinsicht nicht wirklich von einer glaubwürdigen und objektiven Quelle sprechen. Einige der Motive entstammen aus dem Werk „Il Principe/ Der Fürst“. Dabei wird man zudem auch noch in Bezug auf die quellenkritische Analyse mit einem weiteren Problem konfrontiert, da die Umstände, unter denen das Werk verfasst worden ist, nicht ganz klar sind: Machiavelli befand sich zur Zeit der Abfassung in einer kritischen Situation, weil er seiner politischen Ämter enthoben worden war und ohne Arbeit in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Also bot er sich dem damaligen Medici als Berater an. Somit ist es fragwürdig, ob er die Schrift vielleicht nur verfasste, um diesem Medici zu gefallen und sich somit finanziell zu regenerieren.[16] Nichts desto trotz möchte ich die Ansichten Machiavellis kurz schildern, da seine Beschreibungen sozusagen den Grundstein für die zeitgenössischen Ansichten über das Söldnertum bilden, und somit als Spiegel der Ansichten innerhalb der damaligen Bevölkerung dienen können:

Machiavelli bezieht sich in seinem Werk auf die Bildung eines Staates und beschreibt diesen Prozess. Die Basis eines funktionierenden Staates läge in seinen Gesetzen und seinem Militär. Das Militär bestünde entweder aus eigenen Truppen, aus fremden Truppen oder aus gemischten Truppen. Wenn ein Herrscher seinen Staat auf fremde Truppen aufbauen würde, dann sei dies gefährlich. Dies gelte sowohl für Söldner als auch für Hilfstruppen. Die Söldner beschreibt er wie folgt:[17]

„Sie sind uneins, ehrgeizig, undiszipliniert, treulos, tapfer unter Freunden, feig gegen Feinde, und haben weder Gottesfurcht noch Redlichkeit, und so verschiebt sich der Untergang nur so lange, als sich der Angriff verschiebt. In Friedenszeiten wirst du von ihnen, im Kriege von Feinden geplündert. Nicht Liebe noch sonst, irgendein anderes Motiv – nur der Sold knüpft sie an den Dienst, und dieser ist nicht groß genug, um ihnen zum Tode für dich Luft zu machen…“.[18]

Auch bei den Hauptleuten gäbe es nur zwei Arten, die beide dem Ganzen schaden würden: Diese seien entweder gut oder schlecht. Die schlechten würden dem Herrscher, wie schon aus der Bezeichnung hervorgeht, schaden. Aber auch die guten Hauptleute seien nur daran interessiert ihren eigenen Vorteil auszunutzen und würden letztlich nur versuchen den Herrscher oder irgendjemand anderes zu hintergehen.[19]

Interessant dürfte für diese Arbeit nicht nur Machiavellis Kritik an den Söldnern sein, er kritisierte nämlich ebenfalls den Einsatz von Subsidien-/ Hilfstruppen: Die seien noch gefährlicher als Söldnertruppen, sie könnten nur demjenigen nutzen, der sie zur Verfügung stellt. Problematisch sei vor allem, dass sie gesammelt einem anderen Herrscher unterstehen, und sich der Kriegsherr daher von dem anderen Herrscher abhängig macht. Vor allem aber seien die Miets-/ Söldnertruppen noch keine zusammengehörende Einheit und bräuchten somit mehr Zeit sich gegen den Kriegsherrn aufzulehnen. Die Hilfstruppen aber unterstünden einem fremden Herrscher als Ganzes. Folglich seien Mietstruppen – Söldner – noch besser, da sie mehr Zeit bräuchten, um sich gegen den Kriegsherrn aufzulehnen. Ein weiser Fürst könne sich allerdings nur auf eigene Truppen verlassen, da ein Sieg mit fremden Truppen nie ein wahrer Sieg sei. Bei Mietstruppen bestünde die Gefahr, dass sie sich früher oder später gegen den Fürsten richten. Dasselbe gelte auch für die Hilfstruppen, aber diese könnten sich noch schneller gegen den Herrscher wenden. Auf Dauer würde man sich außerdem bei einem Sieg der Hilfstruppen vom Truppenlieferanten abhängig machen.[20]

Man kann in diesen Aussagen schon einiges von den Zuschreibungen aus dem Kapitel der lexikalischen Definitionen erkennen. Besonders die Aspekte der Treulosigkeit, die angeblich fehlende tiefere Gesinnung in den Krieg zu ziehen und die Undiszipliniertheit fallen auf. Die Frage ist allerdings, inwiefern dieses Bild wirklich stimmt. Daher werde ich im Folgenenden auf das Verhältnis des Söldners/Landsknecht zur Bevölkerung und die Darstellung in den zeitgenössischen Quellen eingehen.

2.2.2. Die zeitgenössische Darstellung der Söldner – Frommer Landsknecht oder gewalttätiger Trinker? Das Verhältnis des Söldnertums zur zivilen Lebenswelt

Für dieses Kapitel ist zunächst das Werk von Huntebrinker wichtig. Dieser hat die Darstellung der Söldner in Flugblättern untersucht und somit das allgemein vorherrschende Bild in der Bevölkerung näher herausgearbeitet. Laut Huntebrinker sei Geld als Motiv für den Krieg in der damaligen Gesellschaft als unehrenhaft angesehen worden. Ehrenhafte Motive für den Krieg waren vor allem die Verteidigung des Landes gegen Feinde. Hierfür habe es im 16. Jahrhundert Darstellungen zu zwei Söldnertypen gefunden: Zum einem der Schweizer Reisläufer, der unter französischen Dienst stehe, weil es dort eine gute Bezahlung gäbe. Zum anderen der deutsche Landesknecht, der für das Reich kämpft, um es gegen Feinde zu verteidigen. Diese beiden Typen wurden in Flugblättern und Liedern dargestellt. Der Kriegsknecht sei eher eine Art Vollstreckungspersonal des Staates, wie etwa ein Henker.[21]

Zudem habe die Bevölkerung und auch die Obrigkeit eine große Abneigung gegen die „gartenden Knechte“ verspürt, also Söldner, die nicht im Dienst standen und auch nicht in das bürgerliche Leben zurückgekehrt waren. Ein Grund für die Ablehnung bestand zunächst darin, dass diese keiner Arbeit nachgingen, aber auch zugleich ein verschwenderisches Leben mit Alkohol oder Glücksspielen führten. Zudem fürchtete sich die Bevölkerung vor Raubüberfällen, da die Söldner keiner Beschäftigung nachgingen. Diese Art von Müßiggang wurde ohnehin als moralisch verwerflich angesehen, sogar als Bedrohung für die soziale Ordnung. Zusätzlich konnten Knechte ohne Dienstherr nicht kontrolliert werden, und es konnte leicht zu Aufständen kommen.[22]

Aber auch am Verhalten der Knechte innerhalb der Truppe gab es einiges zu kritisieren: Zunächst das Glücksspiel: Auf dem sogenannten Mummplatz spielten die Söldner mit Würfeln und Karten. Das moralisch Verwerfliche sei hierbei, dass die Söldner mit Geld spielten, und somit ihr Einkommen verspielt werden konnte. Beim Spiel kam es häufig zu starken Auseinandersetzungen zwischen den Knechten. Dies wurde zusätzlich auch noch durch den Konsum von Alkohol verstärkt. Huntebrinker beschreibt in diesem Zusammenhang auch die Praxis von Trinkspielen (Das Zutrinken), bei denen es darum ging, genauso viel zu trinken wie das Gegenüber. Die Kritik am Glücksspiel und am Alkohol bestand darin, dass es einen von der Arbeit abhielt. Zudem spielte auch der Aspekt des Ehrverlustes eine nicht unbedeutende Rolle, da man beim Trinken schneller die Beherrschung verliert und dazu übergeht Pürgeleien anzufangen.[23] Das wohl auffälligste Merkmals des Söldners sei seine Kleidung gewesen; dabei wurde kritisiert, dass es nicht gut sei, in teurer und auffälliger Kleidung herumzustolzieren.[24]

Insgesamt spricht Huntebrinker von einer ambivalenten Darstellung, bei der Söldner entweder als Männer eine Art Vorbildfunktion einnahmen (das eigene Land verteidigen), oder als absolutes Gegenteil nämlich „notorische Trinker und Spieler“ galten, die ein Leben im völligen Überfluss führen. Oftmals ließe sich jedoch nur ein einseitiges, beziehungsweise negatives Bild rekonstruieren.[25]

Dieses Bild zeichnet sich auch in dem Aufsatz von Kaiser ab; dort wird beschrieben, dass die privaten Memoiren mehrheitlich von negativen Auseinandersetzungen mit Söldnern berichten. Allerdings waren, so Kaiser, die positiven Erfahrungen wahrscheinlich weniger „memoirenwürdig“ als die negativen. So finden sich in den Memoiren eines Gutsbesitzers und Kriegsherren aus dem 17. Jahrhundert unterschiedliche Verhaltensweisen von Söldnern: Beispielsweise wurde dem Gutsherrn im Jahr 1636 Getreide gestohlen. Aber im Jahr darauf nahm sich ein Söldneroffizier ein Pferd und brachte ihm dies überraschender Weise, nach dem Krieg, wieder zurück. Huntebrinker nennt ein weiteres Beispiel, bei dem Söldner jemanden aus einer brennenden Stadt retteten. Das Verhältnis zwischen Bauern und Söldnern sei von beidseitiger Gewalt geprägt gewesen, und beide Seiten hätten dies als Vorwand genutzt, um sich gegeneinander zu verteidigen. Gerade in Friedenszeiten habe es aber häufig einen guten Kontakt zwischen Söldnern und der Bevölkerung gegeben. Im 16. Jahrhundert bildete sich beispielsweise auch das Bild des frommen und ehrenhaften Landsknechts heraus. Extreme Gewalt gegen die Bevölkerung habe es oft aber auch nur aufgrund von bestimmten Notsituationen gegeben. Einige Söldner wurden auch aufgrund ihres Dialekts, oder einer anderen Sprache (bspw. Englisch oder Spanisch) als fremd angesehen.[26]

Viele Söldner erschufen sich jedoch auch eine eigene Lebenswelt und wollten sich durch ihr Auftreten von der Bevölkerung abgrenzen. Dies zeigt sich sowohl an ihrem Erscheinungsbild (auffällige Kleidung) als auch in ihrem Verhalten. So demütigten sie beispielsweise ihre Quartiergeber oder quälten die Bevölkerung. Die Söldner übernahmen hierbei, so Kaiser, Verhaltensmuster des Adels:[27] Die Ausübung von Gewalt war eine Art Machtdemonstration, mit der die Überlegenheit der Knechte gegenüber der gemeinen Bevölkerung demonstriert wurde; sie verdeutlichten ihre höhere Stellung, um von der Bevölkerung respektiert zu werden. Dies zeige sich auch dadurch, dass die Söldner oftmals willkürlich Gnade walten ließen oder sogar Almosen an Bedürftige gaben. Jene Willkür sei ein typisches Merkmal von sozial höhergestellten Schichten jener Zeit.[28] Teilweise kämen natürlich auch niederere Motive in Frage: So hielten die Befehlshaber ihre Truppen nicht einmal davon ab in der Bevölkerung zu plündern, da sie an der Beute beteiligt wurden.[29]

Die Frage, die jetzt noch offen bleibt, ist, inwieweit die Söldner nach einem Krieg in die zivile Lebenswelt zurückkehrten. Kaiser spricht hier von einem System, welches zu beiden Seiten hin offen war. Soll heißen, dass es sowohl möglich war in die militärische Lebenswelt einzutreten als auch sie wieder zu verlassen. Laut Kaiser kehrten die meisten Söldner in ein bürgerliches Leben zurück. So ließen sie sich beispielsweise auch nach geschlagener Schlacht an dem Ort nieder, an dem gekämpft worden war. Sie halfen die zerstörten Gemeinden wiederaufzubauen und wurden dort auf Dauer ansässig. Es gäbe aber auch Beispiele, bei denen sich die Bevölkerung den Söldnern anschloss, die ihr Dorf verwüstet hatten. Oftmals bestand so die Möglichkeit der eigenen Lebenswelt zu entfliehen.[30]

2.2.3. Der Prozess der Anwerbung

Bei der Fragestellung, woran man einen Söldner möglicherweise festmachen kann, welche Motive es für ihn gibt, ist es wichtig den Prozess der Anwerbung genauer zu betrachten. Interessant ist hierbei die klar strukturierte Organisation des Heeres: Zunächst beauftragte der Kriegsherr einen Truppenführer, der die Position eines Stellvertreters einnahm, indem er mit der Organisation und Leitung der Truppe beauftragt wurde.[31] Burschel beschreibt hierbei eine weitreichende Hierarchie, wonach der Kriegsherr einem Obristen – Oberst – die Leitung übergab, der dann die Organisation an die Hauptleute weitergab. Diese versuchten in Erfahrung zu bringen, wo man am besten Leute rekrutieren konnte. Im Anschluss führten sie Verhandlungen mit den jeweiligen lokalen Herrschern, da eine Erlaubnis für das Werben erforderlich war.[32] Die Hauptleute vollzogen allerdings nicht den Umschlag, sprich das Rühren mit der Werbetrommel in den Städten, hierfür beauftragten sie ihre Unteroffiziere:

Sofern der örtliche Herrscher eine Erlaubnis erteilte, wurde die Werbetrommel möglichst auffällig gerührt, teilweise wurden sogar Werbebüros eingerichtet.[33] Bei den Anwerbungen kam es zu verschiedenen Schwierigkeiten: So hatten die Schreiber aufgrund der unterschiedlichen Dialekte einige Namen falsch notiert. Mit dem Namen wurden einige zusätzliche Vermerke gemacht, wie zum Beispiel das Kleidergeld oder die Waffen, die vom Bewerber mitgebracht wurden. Der Bewerber erhielt ein sogenanntes Laufgeld, eine Art Kostgeld, um zum Musterplatz zu gelangen. Dieser lag oftmals weit entfernt von den Orten, in denen er angeworben wurde. Zusätzlich diente das Laufgeld auch gewissermaßen als eine Art Präventionsmaßnahme, da es die Söldner von Raubüberfällen in der Bevölkerung abhalten sollte. Die Bevölkerung in der Nähe der Musterplätze wurde gewarnt, damit sie genügend Lebensmittel zur Verfügung stellten und die Preise nicht anhoben. Außerdem sollten sie den Truppen einen Unterschlupf anbieten. Diese Maßnahmen dienten alle dazu, gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Söldnern und der Bevölkerung zu vermeiden. Da die Vorauszahlung von Geld aber nicht einen friedlichen Kontakt zur Bevölkerung garantierte, wurde ungefähr ab dem Anfang des 16. Jahrhunderts eine Art vorläufiger Artikelsbrief[34] ausgestellt. Dieser legte fest, dass die Knechte rechtzeitig zur Musterung erscheinen und bis dahin der Bevölkerung nichts tun, sowie die Wirte bezahlen sollten, ansonsten drohte eine Entlassung aus der Truppe.[35] Das Laufgeld war aber auch deswegen eine Notwendigkeit, weil viele der Knechte zum Zeitpunkt ihrer Anmeldung sehr wenig Geld hatten. Die Höhe des Laufgeldes war hierbei abhängig von den Fähigkeiten der Söldner (beziehungsweise von den verschiedenen Typen). Selbst wenn einige nicht zur Musterung erschienen, war es für den Kriegsherrn immer noch günstiger, als die Musterung vor Ort durchführen zu lassen.[36]

[...]


[1] Vgl. Boatner, Mark: German Mercenaries; Encyclopedia of the American Revolution; New York 1974; S 426.

[2] Vgl. Rosengarten, Joseph: The German Soldiers in the Wars of the United States; Philadelphia 1890; S 58.

[3] Vgl. Auerbach, Inge: Die Hessen in Amerika 1776-1783; Darmstadt, Marburg 1996; S 110 f.

[4] Vgl. beispielsweise Boatner: German Mercenaries; S 424.

[5] Vgl. ebd.

[6] Vgl. N.N. „Mercenary“; Britannica Academic; Encyclopedia Britannica 2017; auf: http://academic.eb.com/levels/collegiate/article/mercenary/52083 (Stand: 17.11.17).

[7] „Swiss soldiers were hired out on a large scale all over Europe by their own cantonal governments and enjoyed a high reputation.”; ebd.

[8] Rink, Martin: „Söldner“; Enzyklopädie der Neuzeit 12 (Stuttgart 2010); S 175.

[9] Vgl. hierzu auch Rink, Martin: „Werbung“, Enzyklopädie der Neuzeit Online, auf: http://referenceworks.brillonline.com/entries/enzyklopaedie-der-neuzeit/werbung-a4752000# (Stand: 17.11.17): „Gemeinhin werden die solcherart angeworbenen Soldaten [die ihren Dienst freiwillig anbieten] als Söldner bezeichnet.“

[10] Vgl. Rink; „Söldner “; S 174-176.

[11] Im weiteren Verlauf geht Rink noch auf Gruppen außerhalb von Deutschland, sowie die Entwicklung des Söldnertums zum Soldaten und zum Freiheitskämpfer ein (vgl. ebd. S 176-183). Dies soll aber in diesem Kapitel nicht behandelt werden, da diese Entwicklung nicht maßgeblich für diese Arbeit ist.

[12] Vgl. ebd. S 176; S 183.

[13] Hierzu später mehr, vgl. dort beispielsweise die Darstellungen bei Huntebrinker.

[14] Die Bezeichnungen variieren stark und werden oftmals diskutiert, deshalb beschränke ich mich für diese Arbeit auf die oben genannten Bezeichnungen.

[15] Westenfelder, Frank: Eine kleine Geschichte der Söldner. Historische Gestalten auf dem Weg in die Moderne; Sankt Augustin 2011; S 9.

[16] Vgl. hierzu bspw. Höffe, Otfried: Der Fürst; Berlin 2012; S 5 f.

[17] Vgl. Machiavelli, Niccolo; Floerke, Hans: Il Principe/ Der Fürst; Berlin 1920; S 41.

[18] Ebd. S 41f.

[19] Ebd. S 42.

[20] Vgl. ebd. S 46 f.

[21] Vgl. Huntebrinker, Jan Wilhelm: Fromme Knechte und Garteteufel; Konstanz 2010; aus: Blauert, Andreas; Dinges, Martin; Häberlein, Mark; u.a. Konflikte und Kultur 22; S 102 – 110.

[22] Vgl. ebd. S 122 f., S 177-198; S 177: „Knechte die keiner Arbeit nachfolgen und dies nicht aus Krankheit, sondern aus Müßiggang tun sollen nicht geduldet werden“.

[23] An anderer Stelle wird hierzu gesagt, dass der Sold wahrscheinlich zum Leben ausgereicht hätte, wenn die Söldner ihn in ihrer Freizeit nicht verspielt und vertrunken hätten; vgl. Hitz, Benjamin: Kämpfen um Sold. Eine Alltags- und Sozialgeschichte schweizerischer Söldner in der Frühen Neuzeit; Köln 2015; S 101.

[24] Vgl. ebd. S 130-141.

[25] Vgl. ebd. S 168-171; S 171: „Mit einer Betrachtung der Gruppe aus dieser Perspektive lässt sich zwar ein wichtiges, aber nur einseitiges Bild der zeitgenössischen Wahrnehmung rekonstruieren.“

[26] Vgl. Kaiser, Michael: Die Söldner und die Bevölkerung. Überlegungen zu Konstituierung und Überwindung eine Lebensweltlichen Antagonismus; in: Kroll, Stefan: Militär und ländliche Gesellschaft in der Frühen Neuzeit; Münster 2000; S 80-90.

[27] Kaiser bezeichnet Raub als das „Adelichste Exercitium“; ebd. S 96.

[28] Vgl. Kaiser: Die Söldner und die Bevölkerung S 80-103

[29] Burschel beschreibt hierbei, dass die Aussicht auf Beute eines der entscheidenden Motive für den Eintritt in das Militär war, besonders in den unteren sozialen Schichten; vgl. Burschel, Peter: Söldner im Nordwestdeutschland des 16 und 17 Jahrhunderts. Sozialgeschichtliche Studien; Göttingen 1994; S 207.

[30] Kaiser; Die Söldner und die Bevölkerung; S 102-108.

[31] Vgl. Kapser, Cordula, “Militärverwaltung”; Enzyklopädie der Neuzeit Online; auf: http://dx.doi.org/10.1163/2352-0248_edn_a2750000 (Stand: 5.12.2017).

[32] Allerdings gab es auch oftmals heimliche Werbungen, wenn der Herrscher keine Erlaubnis erteilt hatte, oder man ihn nicht damit behelligen wollte. Vgl. Ausführungen am Ende dieses Unterkapitels.

[33] Burschel; Söldner im Nordwestdeutschland; S 104 f.

[34] Der Artikelsbrief war eine Art Vereidigung, bei dem die Knechte dem Kriegsherrn die Treue schworen.

[35] Vgl. Baumann, Reinhard. Landesknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg; München 1994; S 54-56.

[36] Vgl. Baumann, Reinhard: Das Söldnerwesen im 16. Jahrhundert am bayrischen und süddeutschen Beispiel; München 1978; S 102.

Fin de l'extrait de 43 pages

Résumé des informations

Titre
Deutsche Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Die "Hessians" als Söldner?
Université
University of Münster
Note
2,0
Auteur
Année
2018
Pages
43
N° de catalogue
V428213
ISBN (ebook)
9783668726642
ISBN (Livre)
9783668726659
Taille d'un fichier
728 KB
Langue
allemand
Mots clés
deutsche, truppen, amerikanischen, unabhängigkeitskrieg, hessians, söldner
Citation du texte
Maximilian Hake (Auteur), 2018, Deutsche Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Die "Hessians" als Söldner?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428213

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