Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich


Mémoire (de fin d'études), 2005

134 Pages, Note: Gut


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Freie Radios in Österreich – Komplementärmedium zum öffentlich- rechtlichen und kommerziellen Rundfunk

3 Entstehung und Entwicklung der Freien Radios in Österreich ..
3.1 Piratenphase
3.2 Legalisierungsphase
3.3 Aufbauphase
3.4 Konsolidierungs- und Expansionsphase

4 Nicht-kommerzielle Radios in Österreich – Der schwierige, aber erfolgreiche Kampf um eine Lizenzvergabe
4.1 Überblick über die Sendestarts nicht-kommerzieller Radios in Österreich
4.2 Verein Freier Rundfunk Salzburg– Die Radiofabrik 107,5 MHz
4.3 Verein Freies Radio Wien – ORANGE 94.0 MHz
4.4 Freier Rundfunk Oberösterreich GesmbH – Radio FRO 105,0 MHz
4.5 Arbeitsgemeinschaft Offenes Radio – Radio AGORA 105,5MHz/106,8MHz/100,9 MHz .
4.6 Dachverband der Vorarlberger Kommunikationszentren – Pro-Ton 104,6 MHz/95,9 MHz
4.7 Verein Freies Radio Steiermark – Radio Helsinki 92,6 MHz
4.8 College & Community Radio Hollabrunn – Gym-Radio 94,5 MHz/102, MHz
4.9 Verein Freies Radio Innsbruck – Freirad 105,9 MHz

5 Exkurs: Die Geschichte Freier Radios anhand von drei internationalen Fallbeispielen
5.1 Community Radios in den USA – Die Mutter aller Freien Radios
5.1.1 Die Entstehungsgeschichte der Community Radios in den USA
5.1.1.1 Pacifica-Foundation
5.1.1.2 Radikal-demokratische Hörfunkstationen
5.1.1.3 Community Radios
5.1.2 Zum Selbstverständnis von Community Radios
5.1.3 Organisationsform
5.2 Freie Radios in Deutschland – Freie Meinungsvielfalt von Bayern bis nach Schleswig-Holstein
5.2.1 Die Entstehung von nicht-kommerziellen Lokalradios (NKL)
5.2.2 Der Bundesverband Freier Radios (BFR)
5.2.3 Grundsätze der Freien Radios in Deutschland
5.2.4 Forderungen der Freien Radios in Deutschland
5.2.5 Überblick über das Angebot Freier Radios in Deutschland
5.3 Freie Radios in der Schweiz – Die Erfolgsgeschichte der Gemeinschaftsradios
5.3.1 Unterscheidung zwischen Lokalradios und Gemeinschaftsradios
5.3.2 Die Entwicklung der Lokal- und Gemeinschaftsradios in der Schweiz
5.3.3 Finanzierung von Gemeinschaftsradios
5.3.4 Der UNIKOM-Verband
5.3.5 Mitglieder der UNIKOM-Radios in der Schweiz

6 Zum Untersuchungsdesign
6.1 Zur Methodologie – Zentrale Prinzipien qualitativer Sozialforschung
6.2 Das qualitative Interview
6.3 Expertenwissen und Experteninterview
6.3.1 Expertenwissen
6.3.2 Experteninterview
6.4 Datenerhebung
6.5 Datenauswertung
6.5.1 Zur Auswertungsstrategie
6.5.2 Zur Analyse
6.5.3 Ergebnisse

7 Freie Radios - Ein Erfolgsmodell mit finanziellen Problemen .

Literaturverzeichnis

Anhang

Eigene Berechnungen

Neun Argumente für ein Freies Radio

Interviewleitfaden für die acht Experteninterviews

Transkripttum Interview 1: Veronika Leiner, Geschäftsführerin von

Radio FRO.

Transkripttum Interview 2: Eva Kuntschner, Finanzkoordinatorin

von ORANGE 94.0 und Frank Hagen, zuständig für die

Aus- und Weiterbildung bei ORANGE 94.0

Transkripttum Interview 3: Angelika Hödl, Geschäftsführerin von

Radio AGORA...

Transkripttum Interview 4: Gerhard Schneider, Schriftführer im Vorstand

von Gym-Radio.

Transkripttum Interview 5: Markus Schennach, Geschäftsführer bei Freirad.

Transkripttum Interview 6: Norbert Hopfner, Schriftführer von Pro-Ton...

Transkripttum Interview 7: Martin Dopler, Obmann von Radio Helsinki

Transkripttum Interview 8: Wolfgang Hirner, Geschäftsführer

der Radiofabrik .

Vorwort

Die vorliegende Arbeit entstand als Folge meiner Beschäftigung mit dem Thema „Freie Radios in Österreich“ im Rahmen einer Seminararbeit. Sie beschäftigt sich in erster Linie mit der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich. Darüber hinaus soll ein Exkurs die Entstehungsstrukturen in den USA, Deutschland und der Schweiz vergleichen.

Die im empirischen Teil der Arbeit beschriebene Auswertung und Analyse von acht Experteninterviews soll die aktuelle politische und finanzielle Situation Freier Radios in Österreich reflektieren sowie ihr Selbstverständnis darstellen.

An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen acht Interviewpartnern für ihre kompetente und freundliche Gesprächsbereitschaft bedanken. Die Interviews waren für mich nicht nur inhaltlich, sondern auch persönlich hoch interessant. Der Dank geht an Veronika Leiner (Radio FRO), Eva Kuntschner sowie Frank Hagen (ORANGE 94.0), Angelika Hödl (Radio AGORA), Gerhard Schneider (Gym-Radio), Markus Schennach (Freirad), Norbert Hopfner (Pro-Ton), Martin Dopler (Radio Helsinki) und Wolfgang Hirner (Radiofabrik).

Besonderer Dank gilt Frau Professor Ingrid Paus-Hasebrink für ihre Geduld und rasche, unbürokratische Hilfestellung bei Fragen sowie der Studien-Assistentin Mag. Christina Ortner und den beiden wissenschaftlichen Projektmitarbeiterinnen Mag. Michelle Bichler und Mag. Eva Hammerer, die mir mit Literaturhinweisen und inhaltlichen Ratschlägen auch außerhalb der Sprechstundenzeiten zur Verfügung gestanden sind.

Des Weiteren möchte ich all jenen Leuten danken, die mittel- oder unmittelbar an der Fertigstellung der Diplomarbeit beigetragen haben und an eine positive Vollendung selbiger nie zweifelten.

Matthias Gruber, im März 2005

1 Einleitung

In der heutigen Zeit, wo die Befürchtung besteht, dass Medienkonzentration zu- und Meinungsvielfalt abnimmt, nehmen freie, nicht-kommerzielle Radios einen immer größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft ein. Die kommerziellen Medien können den Wunsch nach vermehrter Meinungsfreiheit und einem offenen Zugang zum Medium nicht gewährleisten. Wenn man die Meinungsvielfalt dem Markt überlässt, bedeutet dies, „dass sie ohne Zensureingriffe abstirbt“ (Brugger 2003, 84).

Die vorliegende Arbeit handelt also von einem Medium, das der dritten Säule in Österreichs Medienlandschaft zuzuordnen ist. Neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dem kommerziell privaten Sektor konnten die freien, nicht-kommerziellen Anbieter in jüngster Vergangenheit große Erfolge verzeichnen. Durch qualitative Sendetätigkeit und einer großen Programmvielfalt (es gab einige Preise für diverse freie Radiosender) konnte man die Bedeutung für das österreichische Mediensystem nachhaltig bestätigen (vgl. Brugger 2003, 81).

Artikulationsmöglichkeiten für Minderheitenthemen -und gruppen wurden und werden immer weniger. Freie Radios stellen dabei eine Plattform für derartige Belange dar. Als billiges, effizientes, (in der Zukunft hoffentlich) reichweitenstarkes und schnelles Medium können sie zur Wiederentdeckung eines Artikulationskanals beitragen, den man schon längst ausschließlich in staatlichen und kommerziellen Nutzungszusammenhängen glaubte (vgl. Thurner 1995, 269).

In Kapitel 2 der Arbeit erfolgt zunächst eine Definitionsbestimmung für Freie Radios, welche die wichtigsten Grundsätze der Charta Freier Radios Österreich erläutert. Die Forderungen des Verbandes Freier Radios in Österreich werden dokumentiert, eine tabellarische Gegenüberstellung Freier Radios mit öffentlich-rechtlichem und kommerziellem Rundfunk soll Unterschiede in Bezug auf die Unabhängigkeit und Freiheit von Staat, Markt und Kapital illustrieren.

Kapitel 3 widmet sich der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich. Es können dabei grundsätzlich vier Phasen unterschieden werden. Die Piratenphase[1], die Legalisierungsphase, die Aufbauphase und die Konsolidierungs- und Expansionsphase. Die Literaturrecherche in diesem Kapitel stützt sich großteils auf den „Endbericht vom Forschungsprojekt. Entstehung und Entwicklung freier, nichtkommerzieller Radios in Österreich“, der unter anderem von Andrea Grisold 2001 herausgegeben wurde und als einer der wenigen Fachpublikationen gilt. Freie Radios als nicht-kommerzielle Medien stellen nach wie vor ein Randthema in der österreichischen Medienlandschaft dar, was sich auch anhand der Literaturrecherche zeigte. Den großen Stellenwert, den Brugger für Freie Radios in der Gesellschaft sieht, hat sich in der Anzahl an Publikationen über das Thema noch nicht bestätigt.

Kapitel 4 widmet sich explizit der Entstehungsgeschichte jener Freien Radios in Österreich, die für die Datenanalyse im empirischen Teil herangezogen wurden. Das sind die Radiofabrik, ORANGE 94.0, Radio FRO, Radio AGORA, Gym-Radio, Pro-Ton, Radio Helsinki und Freirad. Bis auf das Burgenland, wo derzeit kein Freies Radio sendet, wurde in den übrigen acht Bundesländern Österreichs ein Freies Radio ausgewählt[2]. Neben einer Literaturanalyse wurde hier auch das Internet als Quellenlieferant herangezogen.

Kapitel 5 stellt einen Exkurs dar. Die Entwicklungsgeschichte Freier Radios wird anhand von drei internationalen Beispielen geschildert: Die USA, das Mutterland Freier Radios sowie die beiden Nachbarländer Österreichs, Deutschland und die Schweiz. Dabei sollen Parallelen und Differenzen zur Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich aufgezeigt und die relevantesten Fakten der dortigen freien Radio-Szene eruiert werden. Sowohl bestehende Fachpublikationen als auch das Internet dienten der Literaturrecherche.

Das Kapitel 6 umfasst den empirischen Teil, den Kernpunkt der vorliegenden Arbeit. In diesem Zusammenhang wurde folgende zentrale Forschungsfrage aufgestellt:

Wie sieht die politische und finanzielle Situation Freier Radios in Österreich zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus und wie stellt sich deren Selbstverständnis dar?

Da zur Beantwortung dieser Fragestellung eine qualitative Forschungsmethode (Experteninterviews) ausgewählt wurde, wird zunächst der Begriff „Qualitative Sozialforschung“ erläutert. Anschließend werden die zentralen Prinzipien qualitativer Sozialforschung, die während des gesamten Forschungsprozesses einzuhalten sind, benannt.

Bevor die eigentliche Datenerhebung im Unterkapitel 6.4 beschrieben wird, werden die verschiedenen Arten des qualitativen Interviews sowie deren Spezialform, das Experteninterview, vorgestellt, um eine möglichst hohe intersubjektive Nachvollziehbarkeit des eigenen Vorgehens zu gewährleisten. Den Abschluss dieses Kapitels bildet die Datenauswertung mit der Auswertungsstrategie, Analyse und Ergebnissen. Die Auswertungsstrategie beruht dabei auf einem Modellvorschlag von Michael Meuser und Ulrike Nagel.

Im letzen Kapitel (Freie Radios – Ein Erfolgsmodell mit finanziellen Problemen) wird die Beantwortung der zentralen Forschungsfrage aufgrund der Datenanalyse vorgenommen, die bedeutendsten Erkenntnisse und Errungenschaften dieser Analyse sollen zusammengefasst, ein Ausblick gewagt werden.

2 Freie Radios in Österreich – Komplementärmedium zum öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Rundfunk

Die Selbstdefinition der Freien Radios in der Charta des Verbandes Freier Radios Österreich lautet wie folgt: Freie Radios sind unabhängige, gemeinnützige, nichtkommerzielle [ sic ] , nicht auf Profit ausgerichtete Organisationen, die einen allgemeinen und freien Zugang zu Sendeflächen für Rundfunkveranstaltungen garantieren und bereitstellen, um die freie Meinungsäußerung zu fördern. Als drittes Standbein neben öffentlich-rechtlichen und kommerziell privaten RundfunkveranstalterInnen [ sic ] erweitern freie [ sic ] Radios die Meinungsvielfalt (Verband Freier Radios Österreich 1998).

Weitere Definitionsmerkmale, die in der Charta erwähnt werden stellen die nachfolgenden Punkte dar:

- Offener Zugang/Public Access
- Gemeinnützigkeit/Nichtkommerzialität
- Transparenz
- Partizipation
- Lokalbezug
- Unabhängigkeit
- Anspruch

Der offene Zugang ermöglicht prinzipiell jedem die Möglichkeit, eigene Sendungen zu gestalten bzw. zu produzieren. Besonders ethnische Minderheiten und Personen/Gruppen, die wegen ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung oder sexistischen und rassistischen Diskriminierung in den Medien kaum zu Wort gelangen (vgl . Verband Freier Radios Österreich, 1998). Fast alle Freien Radios sehen den Public Access als wichtigste Funktion. Verwirklicht wird dieses Prinzip auf zwei Ebenen (vgl. Hirner et. al 2000, 58):

- auf der Ebene der Programmgestaltung und
- auf der Ebene der Ausbildung

Der Public Access gewährt also eine partizipatorische Öffentlichkeit, produziert wird bei Freien Radios für eine lokale, also räumlich gesehen partikulare Öffentlichkeit. Es geht dabei weniger um eine kritische, als vielmehr um eine pluralistische Öffentlichkeit (vgl. Knoche 2003, 6).

Der offene Zugang kann von einem Freien Radio im ländlichen Raum wesentlich schwieriger umgesetzt werden, als von einem Freien Radio in einer Stadt. Grund dafür ist das geringere Organisationspotenzial in der Bevölkerung, am Land ist es schwerer die Bevölkerung zum Sendungsmachen zu aktivieren (vgl. Hirner 1999, 97).

Für Sepp Brugger, Jurist und Medienberater der Grünen, stellen Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit die wichtigsten Komponenten Freier Radios dar (vgl. Brugger 2003, 79f). Diese beiden signifikanten Eckpfeiler werden durch den offenen Zugang gewährleistet.

Freie Radios sind kein Privateigentum eines/r einzelnen, sie sind gemeinsam von ihren Nutzern getragene Organisationsformen, die hauptsächlich dem Prinzip der Gemeinnützigkeit dienen. Die Tätigkeit ist nicht auf Gewinn ausgerichtet und verfolgt das Prinzip eines werbefreien Radios ohne kommerzielle Produktwerbung (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Organisation und Auswahlkriterien für die einzelnen Sendungen/Sendeinhalte sind bei Freien Radios durchschaubar und nachprüfbar zu halten. „Die TrägerInnen [sic] freier [sic] Radios handhaben ihr Management, ihre Programmgestaltung und ihre Beschäftigungspraxis so, dass sie jede Form der Diskriminierung ausschließt; sie sind dabei gegenüber allen UnterstützerInnen [sic], dem Personal und den freiwilligen MitarbeiterInnen [sic] offen und verantwortlich. Sie fördern die Mitwirkung von Frauen in allen Bereichen“ (Verband Freier Radios Österreich 1998).

In Bezug auf die Partizipation heißt es in der Charta der Freien Radios Österreich, dass Trainings-, Produktions- und Verteilungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, Freie Radios ermutigen und fördern die lokale Szene und laden zur aktiven Beteiligung ihrer Hörer ein (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Freie Radios sehen sich als Kommunikationsmittel im lokalen und regionalen Raum und unterstützen die regionale Entwicklung, damit fungieren sie auch als fördernde Plattformen für regionalbezogene Kunst- und Kulturschaffende in denen es für Künstler Auftritts- und Verbreitungsmöglichkeiten gibt. Außerdem soll eine Auseinandersetzung mit überregionalen Themen stattfinden. Freie Radios arbeiten untereinander aktiv zusammen, z.B. durch Programmaustausch (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

In puncto Unabhängigkeit sind Freie Radios im Besitz, in der Organisationsform, in der Herausgabe und in der Programmgestaltung nicht von staatlichen, kommerziellen und religiösen Institutionen und politischen Parteien abhängig (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Freie Radios treten für freie Meinungsäußerung, Meinungsvielfalt, Gleichberechtigung, Menschenwürde und Demokratie ein und fördern somit eine selbstbestimmte, solidarische und emanzipatorische Gesellschaft (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Zu den Forderungen des Verbandes Freier Radios Österreich zählt vor allem ein triales Rundfunksystem, also die Dreiteilung der vorhandenen Frequenzen auf die drei Sektoren öffentlich-rechtlicher, kommerzieller und gemeinnütziger freier Rundfunkveranstalter (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Als zweite Forderung ist der Rechtsanspruch auf öffentliche Förderungen zu nennen, da Freie Radios auch öffentliche Aufgaben erfüllen. Bezüglich der urheberrechtlichen Abgaben genießen Freie Radios einen Sonderstatus, der ihrem gemeinnützigen Charakter entspricht (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Des Weiteren sind Mitarbeiter Freier Radios in ihrer journalistischen Tätigkeit mit Mitarbeitern anderer Medien gleichgestellt. Bei Erarbeitung von Gesetzen, Gesetzesänderungen und internationalen Verträgen, die das Medien- und Fernmeldewesen betreffen, haben die Vertreter der Freien Radios Recht auf Mitbestimmung und Stellungnahme (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Zu guter Letzt fordert der Verband Freier Radios Österreich die Errichtung eines Bundesmedieninstitutes als Expertengremium und die Einrichtung eines parlamentarischen Medienausschusses (vgl. Verband Freier Radios Österreich 1998).

Freie Radios verstehen sich als „Komplementärmedien“ (alternative Inhalte, besondere Aufgabenstellung, besondere Zielgruppen), sie wollen sich nicht als vollgültige Mitbewerber in den etablierten Märkten der Massenmedienindustrie einfügen, sondern sehen sich lediglich als (notwendige) Ergänzung (vgl. Kopper 1984, 133ff; Hirner et. al 2000, 58).

Diese „Komplementärmedien“ wollen einen Markt für alternative Medien konstituieren, darüber hinaus einen Markt für eine „Gegenöffentlichkeit“. Sie treten nicht in einen ökonomischen Wettbewerb zu primären Märkten gewinnorientierter Medienproduktion (vgl. Kopper 1984, 133ff; Hirner et. al 2000, 59).

Alternativbewegungen machten den Terminus „Gegenöffentlichkeit“ seit Mitte der 60er Jahre zum politischen Begriff einer gesellschaftskritischen Herangehensweise an bestehende Institutionen der Massenmedien und der Politik. Diese Bewegungen richteten sich nicht explizit gegen Öffentlichkeit, sondern gegen die herrschenden Formen der durch privatkapitalistische und/oder öffentlich-rechtliche Medien hergestellten Öffentlichkeiten (vgl. Stamm 1988, 134).

Bei Freien Radios spielt die „Gegenöffentlichkeit“ insofern eine Rolle, da sowohl die Funktion der Schaffung einer Öffentlichkeit für die eigene „alternative“ Lebenswelt erfüllt wird, als auch der Aspekt des Erreichens eines größeren Publikums eine Rolle spielt (vgl. Wagner 2003, 32).

Werbeeinnahmen sind bei Freien Radios irrelevant, den Formatierungs- und Quotendruck der kommerziellen Anbieter ist man beim freien Rundfunk nicht ausgesetzt (vgl. Brugger 2003, 80).

Aufgrund der starken Konzentrationstendenzen im kommerzialisierten Medienmarkt können Freie Radios auch ein Gegengewicht zu Kommerzialisierung und Konzentration des Mediensystems bilden. Sie treten damit zwar nicht in einen ökonomischen, aber dafür partiell in einen publizistischen Wettbewerb bei der Herstellung von Öffentlichkeit (vgl. Hirner et. al 2000, 59).

Was die Haltung österreichischen Regierungsparteien gegenüber freien, nicht-kommerziellen Radios in Österreich betrifft, ist bis dato ein weitgehendes Desinteresse, ja gar eine ablehnende Haltung festzustellen. Indiz dafür ist, dass es immer noch keine gesetzliche Verankerung der Freien Radios im Regionalradiogesetz von 1993 gab, bzw. im seit April 2001 geltenden Privatradiogesetz gibt (vgl. Knoche 1997, 18f).

Der Wunsch nach freien, nicht-kommerziellen Radios löste zu Beginn der neunziger Jahre bei vielen Politikern „nur ein Kopfschütteln aus“ (Brugger 2003, 81).

Durch eine bloße Stellungsnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes vom 24. April 1998 werden Freie Radios definiert und unter folgenden Punkten zusammengefasst (vgl. Bundeskanzleramt zit. nach Grisold et. al 2001, 9):

- Prinzip der Werbefreiheit, keine klassische Warenwerbung
- Prinzip der Gemeinnützigkeit, nicht Gewinn orientiert
- Prinzip des offenen Zugangs, grundsätzlich können alle Radio machen

Nicht-kommerzielle Radios, alternative Zeitungen und Zeitschriften und nicht-kommerzielle Internetplattformen sind Teil des gesamtgesellschaftlichen „Dritten Sektors“ (neben Staat und Markt), der auch unter dem Namen „Non-Profit-Sektor“ bekannt ist, welcher in den letzten Jahren international an Bedeutung gewonnen hat (vgl. Knoche 2000, 10; Brugger 2003, 81).

Als freies Medium sind Freie Radios weitgehend unabhängig von Staat, Markt und Kapital. Tabelle 1 soll die idealtypische Freiheit/Unabhängigkeit nicht-kommerzieller Radios zu öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Radios darstellen:

Tabelle 1: Idealtypische Freiheit/Unabhängigkeit nicht-kommerzieller Radios in Abgrenzung zu öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Radios

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Knoche 2003, 5ff.

Freie Radios fungieren als Mittler zwischen Staat, Markt und Gesellschaft und können somit einen Beitrag zur Entwicklung einer so genannten Zivilgesellschaft beitragen (vgl. Hirner et. al 2000, 59).

Unter Zivilgesellschaft versteht man jene Gesellschaftsform, die nicht vollständig von kommerziellen Interessen geprägt ist. In diesem Zusammenhang haben Freie Radios als Bestandteil der Non-Profit-Organisationen die Chance, für einen grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel im Mediensystem zu sorgen (vgl. Hirner et. al 2000, 59).

Neben dem kulturellen und politischen Potenzial des „Dritten Sektors“ ist sein arbeitsmarktpolitischer Stellenwert – im engeren Sinn für den Journalismus – nicht zu unterschätzen. Bei nicht-kommerziellen Freien Radios geht es in erster Linie um eine Neubestimmung von journalistischer bzw. medialer Berufsarbeit (vgl. Hirner et. al 2000, 60).

Nicht profitorientiert zu arbeiten bedeutet, dass den Medienarbeitern und den nicht-kommerziellen Medienorganisationen die Chance eröffnet wird, gesellschaftlich sinn- und wertvolle bzw. notwendige Arbeit zu leisten, die für kommerzielle Medienunternehmen als „nicht marktfähig“, und deshalb als nicht profitabel angesehen und aus diesem Grunde auch nicht geleistet wird. Hierbei handelt es sich um Arbeit, die gesellschaftliches Engagement und demokratische Partizipation erfordert bzw. ermöglicht (vgl. Hirner et. al 2000, 60).

Bei Freien Radios besteht also die Möglichkeit, politisches, kulturelles sowie soziales Engagement als gesellschaftlich nützliche „Berufsarbeit“ zu legitimieren und durch entsprechende Bezahlung zu fördern (vgl. Hirner et. al 2000, 60).

Freie Radios zählen zu den nicht-kommerziellen Medien, diese sind „non-mainstream-orientiert“, d.h. inhaltlich soll nicht eine abstrakte Vielfalt von Informationen und Meinungen präsentiert werden, sondern es sollen jene Themen aufgegriffen werden, die von den Mainstream-Medien vernachlässigt oder gar ausgegrenzt werden. Mit anderen Worten werden politische, soziale und wirtschaftliche Funktionen erfüllt, die von den beiden restlichen Sektoren – öffentlicher und kommerzieller – unzureichend wahrgenommen werden (vgl. Dorer 1995a; Hirner et. al 2000, 59).

Des Weiteren fungieren Freie Radios auch als Sprachrohr für gesellschaftliche Gruppen, welche in öffentlich-rechtlichen sowie in kommerziellen Medien eine untergeordnete Rolle spielen (Frauen, Senioren, Jugendliche). Von ihrem Anspruch können Freie Radios als so genannte „affirmative access stations“ bezeichnet werden, diese fasst Jankowski (1995, 84) folgendermaßen zusammen: „such stations are committed to supporting particular groups, particularly those lacking a „voice“ in the media (...)“. Eine Korrektiv[3] - bzw. Ergänzungsfunktion soll idealerweise für eine Verbesserung der Teilnahme dieser medial benachteiligten Menschen am öffentlichen Leben sorgen (vgl. Hirner et. al 2000, 58).

Dieses Selbstverständnis als Korrektiv- bzw. Ergänzungsfunktion, das die Herausbildung eines „trialen Rundfunksystems“ vermuten lässt, zeigt deutliche Auswirkungen auf die Programmstrukturen Freier Radios.

Zwei Tendenzen lassen sich hierbei feststellen:

- das Sichtbarwerden einer (sub-) kulturellen Vielfalt – besonders im Bereich der Musikszene
- die Festlegung von Sendeschienen für gesellschaftliche Gruppen und deren Themen, die ansonsten kaum massenmediale Aufmerksamkeit finden (vgl. Hirner et. al 2000, 58)

Das Prinzip des Public Access wird dadurch zum Teil beschränkt und produkt- bzw. Zielgruppen orientiert umgesetzt. Diese Umsetzung von öffentlichem Zugang erfordert die Entstehung von Sendeschienen und Redaktionen und verweist damit auf Professionalisierungstendenzen im Laienjournalismus[4] (vgl. Hirner et. al 2000, 58).

Offener Zugang in diesem Zusammenhang bedeutet also auch die Vermittlung von Medienkompetenz. Diese wird den österreichischen Sendungsmachern von Freien Radios in Form von Schulungen angeboten. Workshops zu Radiotechnik/Programmgestaltung stehen hierbei im Vordergrund, des Weiteren werden Kurse zum Thema journalistische Arbeitstechniken bzw. Medienrechtworkshops angeboten. Diese Ausbildungsmöglichkeiten sind sowohl von zeitlichen, als auch von personellen Ressourcen abhängig (vgl. Hirner et. al 2000, 58).

Inhaltlich decken Freie Radios ein sehr breites Programmspektrum ab. Im Juni 2000 wurden die Freien Radios einer Programmstrukturanalyse auf Sendungsebene unterzogen. An erster Stelle stehen dabei die Kultursendungen (50,6 %) wobei hier auch Musiksendungen, die sich thematisch mit Musik auseinandersetzen, als Kultursendungen codiert wurden. Es folgen Sozialthemen (10,7 %) und Frühstücksradio (7,6 %). Politik/Kultur/Soziales sind als Diskussionssendungen gestaltet (7,2 %). Unter dem Punkt „Rest“ wurden weitere 19 Kategorien zusammengefasst, darunter Themen wie Wirtschaft, Tierschutz oder Entwicklungspolitik. Auffallend ist, dass die städtischen Freien Radios inhaltlich breiter sind als ihre ländlichen Kollegen. Graphik 1 illustriert das Ergebnis (vgl. Hirner et. al 2000, 56f).

Graphik 1: Sendungsinhalte Freier Radios in Prozent der Gesamtsendezeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hirner et. al 2000, 56f.

Freie Radios senden insgesamt in 20 verschiedenen Sprachen, 76 % der Sendungen werden in deutscher Sprache, 14,5 % mehrsprachig und 9,4 % aller Sendungen in einer Fremdsprache moderiert. Die mehrsprachigen Sendungen werden bzw. wurden hauptsächlich von den Volksgruppensendungen Radio AGORA und Radio MORA ausgestrahlt. Sendungen in einer Fremdsprache können als städtisches Phänomen bezeichnet werden, da keine einzige fremdsprachige Sendung im Programm der ländlichen Radios Salzkammergut und freequENNS vorzufinden ist. Bei den Fremdsprachen dominieren Türkisch und Sprachen des ehemaligen Jugoslawiens (vgl. Hirner et. al 2000, 57; Verband Freier Radios Österreich 2003).

Der Anteil der Sendungen, in denen unterschiedliche Musikrichtungen zu hören sind, liegt bei knapp 50 %. Betrachtet man jedoch Sendungen, die sich thematisch mit Musik auseinandersetzen, so machen Sendungen mit „Musikmix“ nur noch 10 % aus, gefolgt von Elektronischer Musik (8,9 %) und Blues/Jazz (7,9 %). Es folgen HipHop, Experimental, Underground/Alternative, Worldmusic sowie österreichische Bands (vgl. Hirner et. al 2000).

Die Medienproduktion erfolgt unter freiwilliger, größtenteils ehrenamtlicher Mitarbeit (ca. 1.500 Mitarbeiter in ganz Österreich), auf wichtige Marktdaten wie Reichweite, Werbemarktvolumen, Werbemarktanteile wird verzichtet. Ökonomische Prämissen im marktwirtschaftlichen Sinn sind selten ein Thema bei nicht-kommerziellen Medienmachern, wichtig ist, unter welchen betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten die Medienproduktion weiterhin aufrechterhalten bzw. verbessert werden kann (vgl. Dorer 1995a; Brugger 20031, 82; Verband Freier Radios Österreich 2003).

Wer macht nun Freies Radio? Ein Großteil der Programmmacher sind Einzelpersonen. Bei den Vereinen und Institutionen, die auf Sendung gehen handelt es sich vorwiegend um Kulturvereine, Jugendzentren, Religionsgemeinschaften sowie feministische Gruppierungen und öffentliche Institutionen (vgl. Hirner et. al 2000, 60f).

Freie Radios müssen in der Regel mit einem geringen Kostenaufwand wirtschaften, um keine Verluste zu machen, was den meisten Radios gelingt. 1999 dominierten auf der Ertragsseite Subventionen mit durchschnittlich 78 %. Weitere wichtige Einnahmequellen waren die AMS-Förderung (8 %) bzw. der Verkauf von Sendezeiten (5 %). Mitgliedsbeiträge, Spenden, Abonnements und Sponsoring spielten eine sehr geringe Rolle (vgl. Hirner et. al 2000, 59).

Auf der Habenseite dominieren eindeutig die Personalkosten (40 %); Investitionskosten (24 %), Büro- und Sachkosten (14 %) sowie Übertragungskosten (12 %) sind ebenfalls von Bedeutung (vgl. Hirner et. al 2000, 59).

Graphik 2 veranschaulicht die Subventionsaufteilung für das Jahr 1999. Dabei setzt sich der Löwenanteil aus Bundesmitteln zusammen (69 %), gefolgt von Mitteln der Bundesländer (13 %), Mitteln der Gemeinden bzw. Städte (10 %) und EU-Mitteln (5 %) (vgl. Hirner et. al 2000, 59).

Graphik 2: Subventionen nach Subventionsgeber 1999

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Hirner et. al 2000, 59.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass freie, nicht-kommerzielle Radios durch den prinzipiell offenen Zugang die Möglichkeit bieten, Öffentlichkeit für jene Gruppen und Themen herzustellen, die in den kommerziellen Medien nicht zu Wort kommen. Die Möglichkeit, sich und seine Positionen einer breiten Zuhörerschaft zu präsentieren bzw. mitzuteilen ist ein wichtiger und wie der Verfasser der Arbeit meint richtiger Schritt in eine diskursfähige Gesellschaft (vgl. Grisold et. al 2001, 12; Brugger 2003, 83).

3 Entstehung und Entwicklung der Freien Radios in Österreich

Grundsätzlich kann die Entstehungsgeschichte in vier Phasen eingeteilt werden, wobei diese Phasen sich teilweise überlappen. Die Piratenphase (1987) machte den Anfang, obwohl es bereits 1979 kurze Störungen des Monopols gegeben hatte, die handelnden Personen hatten aber nichts mit der späteren Entwicklung der Freien Radios zu tun.

Die Legalisierungsphase dauerte von 1991 bis 1997, sie beginnt mit der Gründung von Vereinen und endet 1997 mit den erfolgreichen Vergaben von Lokalradiolizenzen an Freie Radios.

Von 1998-1999 fand die Aufbauphase statt, bei der die Freien Radios mit zum Teil sehr beschränkten finanziellen Mitteln auf Sendung gingen. Ab 1999 wird von einer Konsolidierungs- und Expansionsphase gesprochen. Auf der einen Seite kommt es innerhalb der lizenzierten Radios zu einer Konsolidierungsphase im Programmbereich, auf der anderen Seite kommt es zu einer Expansion, da vier weitere Freie Radios eine eigene Lizenz erhalten (in Salzburg und Hallein gemeinsam mit einem kommerziellen Anbieter) (vgl. Grisold et. al 2001, 44).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Grisold et. al 2001, 44.

3.1 Piratenphase:

Piratenradio, nach eigenem Selbstverständnis ein Freies Radio mit politisch-partizipatorischem Anspruch (vgl. Buchholz 2001, 471), hat in Österreich eine lange Tradition, gleichzusetzen mit dem Monopol des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Bereits in der 1. Republik gab es aufgrund der Unzufriedenheit mit der RAVAG (Radio-Verkehrs-AG → Vorgänger des heutigen ORF), Piratenradios des sozialdemokratischen Freien Radiobundes. Es gab Forderungen nach Legalisierung proletarischer Radiosender (Arbeiter-Radiobund), die SPÖ ging aber auf diese Forderungen nicht ein, da sie auf eine stärkere Einbindung in die RAVAG setzte (vgl. Brunner-Szabo 1995, 194ff; Danmayr 1995, 284).

Die ersten Radiomacher der 2. Republik waren die Macher von Ö-Frei. Es handelte sich dabei um einen seit Dezember 1979 in Graz illegal sendeten Stadtsender, der Österreich „aus dem engmaschigen elektronischen Mediennetz“ herausbrechen wollte (Sedlaczek 1980, 7). Nach vier Sendungen á 15 Minuten gelang es der Post, die Piraten anzupeilen und den Sender zu beschlagnahmen. Die Piraten konnten jedoch nicht festgenommen werden. Sie waren nicht nur gegen das ORF-Monopol, sondern wollten auch die Idee des Freien Radios umsetzen (vgl. Sedlaczek 1980, 7).

Ö-Frei ist ein demokratischer Sender und kämpft für die Aufhebung des Monopols und eine freie Lizenzvergabe. (...) Ö-Frei will eine freie Redaktion einrichten, so dass jeder, der Lust, Zeit und Ideen hat, eigene Sendungen produzieren kann. Ö-Frei ist kein Bevormundungsrundfunk. Verantwortlich ist der Macher und nicht der Sender!“ (Ö-Frei Flugblatt zit. nach Sedlaczek 1980, 7).

Ö-Frei, eine Initiative junger Menschen aus diversen politischen Lagern, merkte kritisch an, dass in einer ausschließlich privatwirtschaftlich strukturierten Medienlandschaft Meinungsfreiheit nichts anderes als Verlegerfreiheit bedeutet. Die ökonomisch Mächtigen verfügen auch über die Medienmacht (vgl. Sedlaczek 1980, 8).

1987 sendete Radio Sozialfriedhof und Radio Sprint in Wien über Studentenstreiks und die Demonstration gegen Sozialabbau. Radio ÖGB-Österreich geht’s blendend berichtete über die Situation der verstaatlichten Industrie in Linz und Radio Rücktritt brachte eine Berichterstattung über die Anti-Waldheim-Demonstration unter dem Motto „Go, Kurti, go“ am Stephansplatz (1988). Hinter all diesen Radios verbarg sich eine einzelne Gruppe von Piraten, die in Kontakt mit der Föderation Europäischer Freier Radios (FERL) stand (vgl. Profil zit. nach Grisold et. al 2001, 45).

Im Februar 1989 veranstaltete die FERL ein Roundtable-Gespräch zum Thema Medienfreiheit in Österreich und Europa. Das Gespräch wurde unter dem Sendungsnamen „Radiofrühling“ live auf 103,5 MHz übertragen, allerdings nur wenige Minuten. Nach Eintreffen der Funküberwachung wurde der Sender beschlagnahmt, doch kurz danach meldete sich Radio Notwehr auf derselben Frequenz und brachte prominente Stellungnahmen (Konstantin Wecker, Friedrich Dürrenmatt, Dietmar Schönherr) zur Notwendigkeit Freier Radios in Österreich (vgl. Falter zit. nach Grisold et. al 2001, 46).

Im Juni 1992 zählte man in Wien bereits 25 Radiogruppen, die insgesamt 40 Stunden gestalteten. Neben einem täglichen Kulturveranstaltungsprogramm gab es ein Frühstücksradio und sonntags eine Gemeinschaftssendung der Radiopiraten. Im Herbst/Winter 1992/93 konnte man wöchentlich ein 55-Stunden-Programm hören, montags bis freitags von 17 bis 24 Uhr und am Wochenende von 14 bis 24 Uhr. Die Sendungen, die damals ausgestrahlt wurden, hatten zum Großteil sehr interessante Namen und waren für damalige Verhältnisse sehr zeitgenössisch und modern. ANNA – die AN deren NA chrichten, RAMS – Kunst- und Experimentalradio, Audiomax – Studentenradio, Sisters in Voice – Frauen- und Lesbenradio, Archäopterix – Umweltschutz- und Fahrradmagazin, Bastard – Schülerradio [ sic ] und Hotzenplotz - Unterhaltungsmagazin (vgl. Danmayr 1995, 285).

Ende 1992 verschärfte sich die Verfolgungssituation durch die Funküberwachung dramatisch. Grund war der Regionalradiogesetzentwurf, der Freie Radios nicht vorsah. In der Zeit von 1991 bis 1993 (längste Piratenphase, erster Sendetag war der 31. März 1991) wurden in Wien insgesamt 34 Sendeanlagen beschlagnahmt. Radio Boiler startete ein 15-minütiges Wochenmagazin und bekam prompt Unterstützung von anderen Radiogruppen. Diese individuellen Radioinitiativen schlossen sich 1992 zur „Pressure Group für Freie Radios“ zusammen, eine Plattform, um die organisatorischen Tätigkeiten besser zu kooperieren (vgl. Danmayr 1995, 285).

Die Pressure Group versuchte die österreichische Medienpolitik mitzugestalten. Zentrale Ziele waren die Verankerung Freier Radios im Regionalradiogesetz, die Einrichtung eines Finanzierungstopfs, der sich aus einem Prozentsatz der Werbeeinnahmen kommerzieller Radiostationen zusammensetzt, sowie eine besondere Berücksichtung Freier Radios bei der Erstellung von Frequenznutzungsplänen und bei der Vergabe von Frequenzen. Auch hielt man an ein legales Freies Radio in Wien fest (vgl. Danmayr 1995, 285).

Im März 1993 kam es zu mehreren Hausdurchsuchungen von mutmaßlichen Radioaktivisten, im Juli musste daraufhin der regelmäßige Sendebetrieb eingestellt werden. Die Heraufsetzung der Höchststrafe für illegales Senden im Fernmeldegesetz wurde von ATS 5.000,-- auf ATS 100.000,-- vorgenommen und sollte die Piratenzeit beenden (vgl. Kurier zit. nach Grisold et. al 2001, 47; Verband Freier Radios Österreich 2003; Hirner 2000).

Von diesem Zeitpunkt an konzentrierten sich die Piraten in ganz Österreich auf die legale Arbeit zur Umsetzung ihrer Forderung nach Freiem Radio in Österreich. Es war aber auch eine Strategie der Wiener Piraten, Initiativen in den Bundesländern sowohl finanziell als auch technisch zu unterstützen, um das Projekt „Freie Radios“ in ganz Österreich voranzutreiben bzw. zu verwirklichen (vgl. Grisold et. al 2001, 47f).

Für Salzburg ist in der Piratenphase das Radio Bongo 500 zu erwähnen, das Ende 1992 wöchentlich mit einem halb- bis einstündigen Programm auf Sendung ging (vgl. o.V. 1992, 12). Gegen die Piraten wurde von Anfang an von Seiten der Behörden hart vorgegangen. Bis Ende Juni 1993 konnte dennoch wöchentlich ein Programm ausgestrahlt werden, ohne dass ein Sender beschlagnahmt wurde. Am 28. Juni 1993 wurden zwei Radiomacher verhaftet und der Sender beschlagnahmt. Das Ende der Piratenzeit in Salzburg war erreicht (vgl. o.V. 1993, 17).

In den anderen Bundesländern ließen sich ebenfalls unterschiedliche Piratenaktivitäten beobachten. Radio AGORA sendete in Kärnten über zwei Jahre vom italienischen Boden aus, in Graz sendete Radio ZARG, in Linz die Offene Radiofrequenz. In Vorarlberg waren gleich mehrere Sender am Werk, nämlich Radio Free Gsiberg, Radio Föhn, Radio Mikrowelle oder Radio Lästig, in Innsbruck sendete der Radiator. Spätestens im Herbst 1993 stellten alle Piratenradios ihren Betrieb ein, um ihre Energien auf die Legalisierung, d.h. für die Bewerbung einer Lizenz zu verwenden (vgl. Hirner 2000).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Piratenradios die Rolle des „Steigbügelhalters“ für kommerzielle Radios in Österreich spielten, da die meisten Tageszeitungen Interesse am Fall des ORF-Monopols hatten, um selber kommerzielle Radios machen zu können (vgl. Grisold et. al 2001, 49).

3.2 Legalisierungsphase

Neben der illegalen Sendetätigkeit gab es von Beginn an medienpolitische Aktivitäten der Radiopiraten. Im Dezember 1991 wurde ein gemeinsam mit den Grünen und der FERL ausgearbeiteter alternativer Gesetzesentwurf für Privatradios präsentiert. Die vorhandenen freien Frequenzen sollten im gleichen Verhältnis zwischen kommerziellen und Freien Radios aufgeteilt werden. In den Vorbemerkungen des Gesetzesentwurfes § 1 wurden Freie Radios so definiert:

„Freie Radioveranstalter sind unabhängige Gruppen oder Einzelpersonen, die selbst Angehörige einer ethnischen, kulturellen, politischen, sozialen oder anderen Minderheit sind oder deren Radioprogramm vor allem diesen Minderheiten als Medium dient. Da der Betrieb eines freien [ sic ] Radios nicht auf Gewinn orientiert ist, wird es sich hierbei vor allem um lokale Radios mit kleineren Versorgungsgebieten handeln, die gleichzeitig aber alle Voraussetzungen bieten, um die aktive Beteiligung am lokalen, regionalen, politischen und kulturellen Geschehen zu ermöglichen“ (Entwurf für ein Privatradiogesetz zit. nach Grisold et. al 2001, 50).

§ 5 legte die Aufgaben von Freien Radios fest:

„Die freien Radioveranstalter haben insbesondere den Auftrag, ethnischen, kulturellen, sozialen und anderen Minderheiten oder benachteiligten Bevölkerungsgruppen den Zugang zum Recht auf freie Meinungsäußerung zu sichern und zur Stärkung der demokratischen Diskussion auf lokaler Ebene beizutragen“ (Entwurf für ein Privatradiogesetz zit. nach Grisold et. al 2001, 50).

Die Finanzierung der Freien Radios war über einen Radiofonds vorgesehen, der sich aus einer 3 %igen Abgabe aus Werbeeinnahmen von ORF und kommerziellen Radios speisen sollte. Aus diesem Fonds sollten zwei gleiche Einlagen gebildet werden, und zwar eine zur Ausgleichsförderung und eine zur Randlagen- und Qualitätsförderung, doch der alternative Entwurf wurde von den Regierungsparteien in keiner Form behandelt, geschweige denn berücksichtigt (vgl. Grisold et. al 2001, 51).

Wesentlich zur Durchsetzung der Interessen Freier Radios in Österreich hat das Freie Radio AGORA (versteht sich als Volksgruppen bzw. Minderheitenradio) in Klagenfurt beigetragen. Im Herbst 1989 hatte dieses Radio bei der Postdirektion Klagenfurt einen offiziellen Antrag auf Erteilung einer Sendelizenz für ein nicht-kommerzielles mehrsprachiges Radio in Südkärnten gestellt. Aufgrund der Tatsache, dass dieser Antrag wegen der österreichischen Rechtslage keine realistischen Chancen hatte, legte man gleichzeitig vor der Europäischen Menschenrechtskommission in Strassburg Beschwerde gegen das Rundfunkmonopol des ORF ein. Im Gegensatz zu den Klägern Radio Melody GmbH, Wilhelm Weber und Jörg Haider ging es Radio AGORA nicht um die Durchsetzung von kommerziellen Radios, sondern um die Durchsetzung nicht-kommerzieller Minderheitenradios (vgl. Peissl 1995, 279).

Neben der Klage beim Europäischen Gerichtshof (wurde stattgegeben, der EUGH erkannte im November 1993 einstimmig in allen Beschwerdefällen auf eine Verletzung des Art. 10 EMRK, vgl. Hirner 2000) setze Radio AGORA noch andere Schwerpunkte. Piratenradio wurde von Italien aus gemacht[5], man war maßgeblich an vielen Aktionen der Freien Radios, wie der Erstellung eines alternativen Privatradiogesetzes oder der Veranstaltung des FERL-Kongresses 1991 in Wien und St. Primus, beteiligt (vgl. Grisold et. al 2001, 50).

Entscheidend bei der Durchsetzung von Freiem Radio in Österreich war die gute Zusammenarbeit der einzelnen freien Radioinitiativen untereinander, welche seit Beginn der Piratenphase bestand und im Jahr 1993 durch die Gründung der IG Freies Radio institutionalisiert wurde. Auch die juristischen Schritte (Gang zum Verfassungsgerichtshof) waren für die Entstehung Freier Radios in Österreich von großer Bedeutung (vgl. Grisold et. al 2001, 54).

Die IG Freies Radio, später in Verband Freier Radios Österreich (VFRÖ) umbenannt, wurde im März 1993 in Linz gegründet. Zu Beginn war noch keine eigene Struktur zu erkennen und die Verbandsarbeit war nur eingeschränkt möglich. Die Arbeit beschränkte sich auf gegenseitige Hilfestellung bei Lizenzanträgen, Informationsaustausch und Verfassungsgerichtshofsklagen. Ab 1995 wurden die medienpolitischen Aktivitäten verstärkt, (Podiumsdiskussionen, Pressekonferenzen, Stellungnahme zu Gesetzesentwürfen etc.).

Im Frühjahr 1996 wurden Unterstützungserklärungen für Freie Radios gesammelt, der Verband forderte, dass die Hälfte aller Frequenzen auf regionaler und lokaler Ebene den freien, nicht-kommerziellen Radios zur Verfügung stehen sollte. Die Finanzierung sollte aus dem Länderanteil der Rundfunkgebühr und den Werbeeinnahmen kommerzieller Sender sowie des ORF erfolgen (vgl. APA-Journal Medien zit. nach Grisold et. al 2001, 55).

Im Mai 1996 kam es zunächst zu einem Gespräch des Verbandes Freier Radios Österreich mit Kulturminister Kurt Scholten (SP, konnte sich eine Drittelfinanzierung von Seiten des Bundes aus dem Kulturbudget vorstellen, unter der Bedingung, dass sich Länder und Gemeinden beteiligen) (vgl. Presseaussendung VFRÖ zit. nach Grisold et. al 2001, 55) und Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer (VP), dieser konnte sich die Finanzierung Freier Radios auf öffentlichen Mitteln nicht vorstellen (vgl. Baratsits[6] zit. nach Grisold et. al 2001, 55).

Bei der im März 1997 beschlossenen Regionalradiogesetzesnovelle kam es wieder nicht zur gesetzlichen Verankerung der Freien Radios, diesmal wurden sie aber in § 19 RRG erwähnt (auf Initiative der ÖVP zurückführend).

Bei der Konzeption und Vergabe von lokalen Hörfunklizenzen sollen (...) „auch so genannte „freie Radios“ [ sic ] (nicht kommerziell [ sic ] orientierte Programme) Berücksichtigung finden können“ (Erläuterte Bemerkungen zum Regionalradiogesetz zit. nach Grisold et. al 2001, 56).

3.3 Aufbauphase

Über 300 Bewerber hatten sich bis zur Bewerbungsfrist am 15. Juni 1997 (die Frist begann am 1. Mai 1997) um insgesamt acht Regional- und 40 Lokallizenzen beworben. Von zwölf freien Radiobewerbern erhielten immerhin fünf eine Lizenz, zwei teilten sich eine Lizenz in Form einer Anbietergemeinschaft mit einem kommerziellen Radio oder wurden in Form eines Sendefensters integriert (vgl. Grisold et. al 2001, 56).

Eine Lizenz erhielten folgende Freie Radios:

- in Wien das Freie Radio Wien (heute: ORANGE 94.0)
- in Linz Radio FRO
- im Ennstal Radio CCW (heute: freequENNS)
- im Salzkammergut das Freie Radio Salzkammergut
- in Bludenz Radio Pro-Ton
- im Burgenland das viersprachige Radio MORA (Deutsch/Kroatisch/Ungarisch/Roma) in Kooperation mit einem kommerziellen Anbieter
- in Kärnten das zweisprachige (Deutsch/Slowenisch) nicht-kommerzielle Radio AGORA gemeinsam mit Radio KOROTAN (heute: Radio Dva)
- in Salzburg die Radiofabrik in Form eines 5-stündigen Sendefensters/Woche beim kommerziellen Radio Arabella

Radio Aufdraht im Waldviertel und Freirad in Innsbruck erhielten keine Lizenz, sie gingen erneut zum Verfassungsgerichtshof (vgl. APA-Journal Medien zit. nach Grisold et. al 2001, 56f).

Anfang 1999 gab es dann die ersten Subventionszusagen von Seiten des Bundeskanzleramtes (vom Staatssekretariat für Kunst und Medien, Abteilung II/8), Projektförderungen wurden zugesichert, notwendige Investitionskosten sollten aber nicht übernommen werden. Dies stellte ein großes Problem vor allem für die Radios im ländlichen Raum dar, überhaupt auf Sendung zu gehen (vgl. Grisold et. al 2001, 57).

Der früheste Sendestarttermin war der 1. April 1998, laut Regionalradiogesetz hatten die lizenzierten Radios genau ein Jahr Zeit, um auf Sendung zu gehen (1. April 1999). Sollte dies nicht geschehen, wäre ein Lizenzentzug die Folge gewesen. Als erstes Freies Radio ging die Radiofabrik in Form eines 5-stündigen Programmfensters bei Arabella „on air“ (Juli 1998). Die Radiofabrik hatte es jedoch am einfachsten, da sie vertraglich festgelegt das Sendestudio vom kommerziellen Anbieter Radio Arabella verwenden durfte und deshalb noch keine eigene Infrastruktur aufbauen musste (vgl . Hirner 2000).

Als zweites Freies Radio folgte im Sommer 1998 ORANGE 94.0 in Wien, danach Radio FRO und Radio AGORA im Herbst 1998. Freies Radio Salzkammergut und freequENNS gingen erst im Frühjahr 1999 auf Sendung (vgl. Raunig/Wassermair zit. nach Grisold et. al 2001, 57).

Lange Zeit gelassen, um auf Sendung zu gehen, haben sich die ländlichen Radios Radio Salzkammergut (31. März 1999) und freequENNS (1. April 1999). Auch in Bregenz schaffte es Radio Pro-Ton in Kooperation mit einem kommerziellen Sender termingerecht zum 30. April (vgl. Hirner 2000).

Als letztes Freies Radio ging das mehrsprachige Minderheitenradio Antenne 4/Radio MORA aufgrund technischer Schwierigkeiten am 4. April 1999 auf Sendung. Die Behörde hatte eine zusätzliche Zeit eingeräumt. (vgl. a3 Boom zit. nach Grisold et. al 2001, 57).

Trotz der fehlenden gesetzlichen Verankerung in der Novelle des RRG von 1997 und der damit verbundenen schwierigen finanziellen Situation haben es alle Freien Radios geschafft, fristgerecht auf Sendung zu gehen. Das war mit einem extrem hohen finanziellen Risiko der Radiomacher verbunden; sie mussten für die Investitionen teilweise hohe Kredite aufnehmen, für diese sie persönlich hafteten (vgl. Hirner 2000).

3.4 Konsolidierungs- und Expansionsphase

Im Jahr 1999 gelang es dem VFRÖ außerdem für die Freien Radios sehr günstige Urheberrechtsverträge abzuschließen (mit den Urheberrechtsgesellschaften AKM, LSG und Austro-Mechana). Jenen Radios, die bei der Lizenzvergabe leer ausgingen, oder nur ein Fensterprogramm hatten (Radiofabrik), arbeiteten im Jahr 1999 mit sehr viel Energie daran, eine eigene Lizenz zu erhalten. Durch die gesetzliche Möglichkeit eines eigenen Eventfunks, nutzte man die Chance, den Anspruch auf eine eigene Frequenz noch stärker zu untermauern (vgl. Grisold et. al 2001, 58).

Die bestehenden Freien Radios befinden sich deshalb in einer Konsolidierungsphase, da „die Wichtigkeit Freier Radios als publizistische Ergänzung, als Forum für Gruppen und Personen, die in den kommerziellen Medien nicht zu Wort kommen, als Plattform für österreichische Musiker und Kulturschaffende immer mehr erkannt wird“ (Hirner 2000).

Als ein Rückschlag muss der Sendestopp von Radio MORA betrachtet werden, der mehrsprachige Sendebetrieb musste aufgrund von Subventionskürzungen seitens des Bundeskanzleramtes im August 2000 eingestellt werden. Für 2001 wurde eine Beschwerde beim Europarat durchgeführt, aufgrund der gänzlichen Einstellung der Bundessubventionen. Das widerspreche nämlich den Rahmenkonventionen um Schutz nationaler Minderheiten. Österreich hatte sich in dieser Konvention verpflichtet, Angehörige einer nationalen Minderheit den Zugang zu Medien zu erleichtern (vgl. APA-Journal Medien zit. nach Grisold et. al 2001, 58f; Hirner et. al 2000, 60).

In Anbetracht der Tatsache, dass seit Anfang 2000 radikal verschlechterte politische Voraussetzungen für eine ausreichende dauerhafte Subventionierung seitens der Bundesregierung für Freie Radios gegeben sind[7], werden die Realisierungschancen für Freie Radios in Österreich in Zukunft mehr als bisher davon abhängen, inwieweit es den Freien Radios gelingt, sich über Eigenfinanzierungsmaßnahmen (Mitgliedsbeiträge, Spenden, Veranstaltungen, Workshops, Sponsoring etc.) eine ausreichende wirtschaftliche Basis zu schaffen (vgl. Hirner et. al 2000, 60).

Eine Mischfinanzierung mit relativ hohem Anteil an Eigenfinanzierung ist die einzige Möglichkeit, dass in Österreich Freie Radios ihre selbst gesetzten Aufgaben und Ziele umsetzen können und somit einen unverzichtbaren Beitrag zur Entwicklung einer Zivilgesellschaft mit Komplementärmedien leisten, die nicht von Profit- und Kommerzialisierungsinteressen bestimmt ist (vgl. Hirner et. al 2000, 60).

Trotz dieser trüben Finanzierungsaussichten kann von einer Expansionsphase gesprochen werden (Radio Helsinki und Gym-Radio – College & Communityradio Hollabrunn, das erste nicht-kommerzielle Schulradio gingen 2000 „on air“ und erhielten vorläufig für ein Jahr befristete Bildungsfunklizenzen, Radio Freirad in Innsbruck ging Mitte Juni 2002 auf Sendung). Das Freie Radio Hallein plante im Jahre 2001 den Sendebetrieb aufzunehmen, das Projekt konnte jedoch nicht realisiert werden. Die Konsolidierungs- und Expansionsphase wird sicherlich noch geraume Zeit in Anspruch nehmen (vgl. Grisold et. al 2001, 59; Hirner et. al 2000, 56).

4 Nichtkommerzielle Radios in Österreich – Der schwierige, aber erfolgreiche Kampf um eine Lizenzvergabe

Dieses Kapitel beleuchtet die konkrete Entstehungsgeschichte Freier Radios in Österreich, die gegenwärtig „on air“ sind. Um einen besseren nationalen Überblick zu erhalten, wurde dabei pro Bundesland ein Freies Radio berücksichtigt und nicht alle aktuell sendenden, zwölf Freien Radios. Eine intersubjektive Vergleichbarkeit pro Bundesland würde sonst verloren gehen. Im empirischen Teil dieser Arbeit erfolgt die Analyse und Auswertung der acht mit einem Vertreter des jeweiligen Freien Radios durchgeführten Experteninterviews. Dabei sollen inhaltliche Parallelen und Unterschiede aufgezeigt werden. Die Ausnahme stellt das Burgenland dar, Radio MORA musste seinen Sendebetrieb einstellen.

Somit bleiben acht Freie Radios. In Niederösterreich, wo aktuell zwei Freie Radios ihr Programm ausstrahlen (Gym-Radio und Campusradio; Radio aufdraht hat den Status einer Initiative), fiel die Entscheidung zugunsten von Gym-Radio aus, da dieses am längsten besteht und sich auch von den beiden am besten etabliert hat. Ähnliches trifft auf Oberösterreich[8] zu, wo die Entscheidung für Radio FRO und gegen Radio Salzkammergut getroffen wurde. In der Steiermark ist eine andere Situation gegeben: Zwar sendet freequENNS in Liezen (April 1999) fast ein Jahr länger als Radio Helsinki in Graz (März 2000), doch aufgrund der urbanen Struktur von Radio Helsinki wurde das Interview mit einem Vertreter dieses Radios durchgeführt. Den chronologischen Beginn macht die Radiofabrik in Salzburg, die seit Oktober 1998 ihr Programm über den Äther schickt[9]. Die Präzisierung bei den Ausführungen ist auf das unterschiedlich zur Verfügung gestellte Material zurückzuführen.

Zuvor soll eine Tabelle den Überblick über den Sendestart aller Freien Radios, unabhängig davon, ob der Sender gegenwärtig „on air“ ist, veranschaulichen.

4.1 Überblick über die Sendestarts nicht-kommerzieller Radios in Österreich

Tabelle 1 illustriert den Sendestart der nicht-kommerziellen Radioanbieter Österreichs. Das Freie Radio Hallein ist mit seinem Projekt gescheitert (für Juli 2001 geplant), das Freie Radio Freistadt ging als jüngstes nicht-kommerzielles Radio am 1. März 2005 „on air“.

Tabelle 2: Überblick über die Sendestarts nicht-kommerzieller Radios in Österreich

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Grisold et. al 2001, 59f.

[...]


[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die weibliche Form ausgespart. Dies soll jedoch in keiner Weise eine Diskriminierung darstellen. Piraten bedeutet demnach auch Piratinnen.

[2] In Oberösterreich senden aktuell drei Freie Radios, in Niederösterreich und der Steiermark zwei und in den übrigen Bundesländern gibt es jeweils ein Freies Radio.

[3] Korrektiv bedeutet zur Besserung dienend, zurechtweisend (vgl. Kienle 1964, 234).

[4] Von Laienjournalismus sprach man früher bei Kleinpublikationen von kulturellen und/oder sozialen Basisinitiativen. Als synonyme Bezeichnung zu Laienjournalismus heute bezeichnet Fabris den Do it yourself -Journalismus. Mit Hilfe des Internets können auch Informationen zu sperrigen Themen von Nicht-Profis recherchiert werden. Datenbanken ermöglichen ein entdeckendes Lernen, das Nebeneinander von Profis und Amateuren im Journalismus wird durch den Gebrauch des Internets gewährleistet (vgl. Fabris 1997).

[5] Siehe dazu Seite 15.

[6] Es handelt sich dabei um ein Interview, das von Grisold et.al mit Alexander Baratsits geführt wurde.

[7] Die neu gewählte schwarz-blaue Regierung hat die Förderungen, die vom Staatssekretariat für Kunst und Medien, Abteilung II/8 für beinahe alle Freien Radios geflossen sind, ab 2001 ersatzlos gestrichen.

[8] Zum Zeitpunkt der Interviewdurchführung hatte das Freie Radio Freistadt noch nicht seinen offiziellen Sendestart.

[9] Siehe dazu Seite 19.

[10] Die beiden kirchlichen Radios Radio Stephansdom und Radio Maria werden den nicht-kommerziellen Radios zugeordnet, sind jedoch nicht Mitglied im Verband Freier Radios Österreich (vgl. Hirner et. al 2000). Die in rot gehaltenen freien Radiosender sind gegenwärtig „on air“.

Fin de l'extrait de 134 pages

Résumé des informations

Titre
Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich
Université
University of Salzburg  (Kommunikationswissenschaft)
Note
Gut
Auteur
Année
2005
Pages
134
N° de catalogue
V42852
ISBN (ebook)
9783638407878
Taille d'un fichier
873 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich und bietet einen internationalen Vergleich (Deutschland, Schweiz, USA). Als Methode wurden insgesamt neun qualitative Experteninterviews durchgeführt.
Mots clés
Entstehungs-, Entwicklungsgeschichte, Freier, Radios
Citation du texte
Matthias Gruber (Auteur), 2005, Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/42852

Commentaires

  • invité le 6/11/2013

    bitte noch agnes ich habe etwas vergessen.ich habe ein Expose daruber

Lire l'ebook
Titre: Die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte Freier Radios in Österreich



Télécharger textes

Votre devoir / mémoire:

- Publication en tant qu'eBook et livre
- Honoraires élevés sur les ventes
- Pour vous complètement gratuit - avec ISBN
- Cela dure que 5 minutes
- Chaque œuvre trouve des lecteurs

Devenir un auteur