Im Sommer 2014 kam es zu einem Novum in der deutschen Außenpolitik: Erstmals beschloss eine deutsche Bundesregierung Waffenlieferungen an eine nichtstaatliche Gruppierung in einem aktiven Konflikt. Die Bewaffnung der kurdischen Peschmerga im Nordirak sollte den brutalen Vormarsch der Terrormiliz des sogenannten Islamischen Staates (IS) stoppen. Der deutsche Außenminister Steinmeier sprach in diesem Zusammenhang von einer „Rückkehr der Barbarei“, die es zu verhindern gelte (Süddeutsche Zeitung 2014a).
Die Bewaffnung von nichtstaatlichen Gruppierungen im Ausland kann für eine Regierung im Vergleich zu einem direkten militärischen Eingreifen Vorteile haben. Zum einen werden weniger finanziellen Ressourcen benötigt und keine eigenen Soldaten*innen in Gefahr gebracht. Zum anderen können Waffenlieferungen vor der eigenen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft potentiell leichter geheim gehalten werden. Das wohl prominenteste Beispiel hierfür ist die Bewaffnung der Contra-Rebell*innen in Nicaragua in den 1980er Jahren unter der Reagan-Doktrin. Gerade vor dem Hintergrund aktueller Debatten um „Interventionsmüdigkeit“, „Postheroische Gesellschaften“ und schrumpfende Verteidigungsbudgets scheint es deshalb nachvollziehbar, dass Waffenlieferungen an lokale Akteure für politische Entscheidungsträger*innen in Demokratien eine attraktive Option darstellen. Doch sind sie ethisch vertretbar?
Bislang existieren – mit Ausnahme des Artikels von James Pattison – kaum Arbeiten, die sich mit den ethischen Aspekten dieser Praxis auseinandersetzen (Pattison 2015a). Auch mit Hinblick auf die Debatte um „neue“ Konfliktformen galt die Aufmerksamkeit der Ethiker*innen hauptsächlich dem Einsatz von Drohnen und den durch sie möglich gewordenen targeted killings (z.B.: Finkelstein et al. 2012, Koch 2015, Chapa 2015, Macnish 2016, Himes 2016). Allgemein lässt sich jedoch beobachten, dass die zunehmende Auflösung der kontradiktorischen Zustände von „Krieg“ und „Frieden“ grundsätzliche Konsequenzen für traditionelle ethische Legitimationsmuster von Gewalt hat (Koch 2016). Typischerweise sind es genau solche Konflikte, in denen die Bewaffnung von nichtstaatlichen Akteuren stattfindet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Theorie vom gerechten Krieg
- The Ethics of Arming Rebels von James Pattison
- Risiken der Bewaffnung von Rebell*innen
- Schlussfolgerungen
- Der deutsche Fall: Waffen für die Peschmerga
- Der Kampf der irakischen Kurd*innen – ein gerechter Krieg?
- Zur Zulässigkeit von Waffenlieferungen
- Risiken der Bewaffnung
- Humanitäre Ausnahme?
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit setzt sich mit der ethischen Zulässigkeit von Waffenlieferungen an nicht-staatliche Akteure in bewaffneten Konflikten auseinander. Sie untersucht, ob diese Praxis im Lichte der Theorie vom gerechten Krieg und den ethischen Prinzipien von James Pattisons „The Ethics of Arming Rebels“ gerechtfertigt werden kann.
- Ethische Aspekte der Bewaffnung von Rebell*innen
- Anwendbarkeit der Theorie vom gerechten Krieg auf nicht-staatliche Akteure
- Analyse der deutschen Waffenlieferungen an die Peschmerga im Irak
- Kritik an Pattisons Ansatz und seine Relevanz für die Praxis
- Der Wandel des Krieges im 21. Jahrhundert und seine Auswirkungen auf die ethische Legitimation von Gewaltanwendung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema ein, indem sie die deutschen Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga im Jahr 2014 als Ausgangspunkt nimmt. Sie stellt die Problematik der Bewaffnung von nicht-staatlichen Akteuren im Kontext des internationalen Waffenhandels und der aktuellen Debatte um „Interventionsmüdigkeit“ dar. Anschließend werden die wichtigsten Forschungsfragen und der methodische Ansatz der Arbeit erläutert.
Kapitel 2 widmet sich der Theorie vom gerechten Krieg und ihrer Relevanz für die Bewertung von Waffenlieferungen an Rebell*innen. Die zentralen Kriterien des ius ad bellum und ius in bello werden beleuchtet, wobei auch die Kritik der Revisionistischen Theorie des gerechten Krieges berücksichtigt wird.
Kapitel 3 stellt James Pattisons Ansatz zur Bewaffnung von Rebell*innen vor. Pattison argumentiert, dass die Bewaffnung von Rebell*innen in den meisten Fällen ethisch fragwürdig ist und nur unter sehr spezifischen Bedingungen gerechtfertigt werden kann. Er analysiert die Risiken und potenziellen Folgen solcher Waffenlieferungen.
Kapitel 4 untersucht den deutschen Fall der Waffenlieferungen an die Peschmerga im Kontext der Theorie vom gerechten Krieg und Pattisons Ansatz. Dabei werden die ethischen Aspekte der Bewaffnung der Peschmerga und die Frage nach einer „humanitären Ausnahme“ behandelt.
Schlüsselwörter
Waffenlieferungen, nicht-staatliche Akteure, gerechter Krieg, ethische Legitimation, Bewaffnung von Rebell*innen, The Ethics of Arming Rebels, Peschmerga, Irak, IS, Interventionsmüdigkeit, humanitäre Ausnahme, Krieg im Wandel.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2017, Humanitäre Waffenlieferungen? Die Bewaffnung der kurdischen Peschmerga durch die Bundesrepublik Deutschland aus ethischer Perspektive, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/428812