Die Verschriftlichung des psychologischen Vertrages

Eine Erhebung zur Überprüfung der Sicht von Mitarbeitern und Management eines Unternehmens der IT-Branche


Masterarbeit, 2017

68 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Zusammenfassung

1 Einleitung

2 Konzepte und Theorien - Der psychologische Vertrag und seine Wirkung auf Mitarbeiter und Organisation
2.1 Der psychologische Vertrag und seine Merkmale
2.1.2 Inhalt und organisationale Vertragspartner
2.1.3 Typen des psychologischen Vertrages
2.1.4 Dynamik und Entwicklung des psychologischen Vertrages
2.2 Der psychologische Vertrag und sein Einfluss auf Arbeitszufriedenheit, Commitment und Identifikation
2.3 Analyse des psychologischen Vertrages
2.3.1 Analyse im Rahmen schriftlicher Mitarbeiterbefragungen
2.3.2 Gemeinsame Analyse in Mitarbeitergesprächen

3 Methode
3.1 Untersuchung zur Verschriftlichung des psychologischen Vertrages in einem Unternehmen der IT-Branche
3.2 Vorstellung der MT AG
3.3 Mitarbeiterbefragung zum Thema Verschriftlichung des psychologischen Vertrages
3.3.1 Konzeption des Fragebogens
3.3.2 Durchführung der Mitarbeiterbefragung
3.4 Befragung des Managements zur Verschriftlichung des psychologischen Vertrages

4 Ergebnisse
4.1 Ergebnisse der Mitarbeiterbefragung zur Verschriftlichung des psychologischen Vertrages
4.2 Das sagt die Führungsebene - Ergebnisse der Interviews mit dem Management

5 Diskussion – Auswertung der Ergebnisse
5.1 Die Verschriftlichung des psychologischen Vertrages - eine kritische Betrachtung aus Sicht der Mitarbeiter
5.2 Auswertung der Ergebnisse aus Sicht der Führungskräfte
5.3 Zusammenfassung: Auswirkung der Verschriftlichung des psychologischen Vertrages auf die Mitarbeiterbindung
5.4 Umsetzung in der Praxis
5.4.1 Vorgehen und systematische Gestaltung psychologischer Verträge
5.4.2 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Streudiagramm: Antworten zu Frage Nr. 10 der Mitarbeiterbefragung

Abbildung 2. Säulendiagramm: Bewertungen zu Frage Nr. 16 der Mitarbeiterbefragung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1

Tabelle 2

Zusammenfassung

Die vorliegende Masterthesis behandelt die Untersuchung der Fragestellung, ob ein Verschriftlichen des psychologischen Vertrages zu einer Steigerung der organisationalen Bindung beitragen kann, wobei eine Gegenüberstellung der Sichtweisen von Mitarbeitern vs. Management erfolgt. Den Einstieg in das Thema gibt eine theoretische Betrachtung und Erläuterung der Merkmale des psychologischen Kontraktes, einschließlich der Möglichkeiten seiner Analyse im Rahmen der Beschäftigungsbeziehung. Im Fokus der Arbeit steht die Überprüfung, inwieweit die Verschriftlichung des impliziten Vertrages zu einer Steigerung von Transparenz sowie zu weniger Vertragsbrüchen und -verletzungen führt und ob sich dies positiv auf die Arbeitszufriedenheit und das organisationale Commitment der Beschäftigten auswirkt. Es werden eingesetzte Methoden zur Untersuchung der Fragestellung sowie die Konzeption und Durchführung verwendeter Erhebungsinstrumente erläutert. Dies beinhaltet eine Vorstellung des IT-Dienstleisters MT AG, in welchem die entsprechenden Untersuchungen durchgeführt werden. Die Erfassung der Meinungen der Mitarbeitenden zu dem Thema erfolgt mittels eines selbst-konzipierten Fragebogens. Als mitarbeiterseitige Zielgruppe definiert und befragt werden festangestellte IT-Fachkräfte der MT AG. Die Einstellungen der Manager der IT-Fachabteilungen der MT AG werden im Rahmen teilstrukturierter Interviews erhoben. Daran anknüpfend folgt die Darstellung der Untersuchungsergebnisse, welche anschließend diskutiert und verglichen werden. Eine Bestätigung der Hypothesen nicht eindeutig möglich, da sich kein eindeutiges Meinungsbild ergibt. Ein Teil der Beschäftigten bekundet allerdings Interesse an der Verschriftlichung und lässt mutmaßen, dass diese durchaus positive Auswirkungen haben könnte. Den Schluss bilden Maßnahmenempfehlungen zur systematischen Gestaltung psychologischer Verträge sowie eine Erläuterung der Voraussetzungen, welche für eine wirksame Anwendung in der Beschäftigungsbeziehung berücksichtigt werden sollten.

1 Einleitung

Die Beziehung zwischen Mitarbeitern und Organisationen ist immer mit gegenseitigen Annahmen und Hoffnungen verbunden. Diese subjektiven und häufig impliziten Erwartungshaltungen beeinflussen das Verhalten von Arbeitnehmern ebenso, wie ihre Motivation, Zufriedenheit, Loyalität und ihr Commitment gegenüber dem Arbeitgeber. Ein Arbeitsverhältnis lässt sich keinesfalls auf eine ökonomische Rechtsbeziehung reduzieren, sondern beinhaltet gleichermaßen eine soziale Komponente, bestehend aus gegenseitigen Verpflichtungen, Angeboten und Erwartungen. Diesen sozialen Austausch zwischen Beschäftigten und Organisation thematisiert der psychologische Vertrag (Huf, 2011).

Qualifizierte Mitarbeiter sind der zentrale Erfolgsfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum von Unternehmen. Der herrschende Mangel an IT-Experten auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland setzt viele Organisationen unter Druck. Gute Fachkräfte können es sich leisten hohe Ansprüche zu stellen und ihren Arbeitgeber auswählen (Rechsteiner, 2016). Der Arbeitsmarkt der IT-Branche hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Bewerbermarkt mit Angebotsüberschuss entwickelt, IT-Spezialisten befinden sich in einer starken Position (App, Merk & Büttgen, 2012). Als Gründe dafür können die gute konjunkturelle Situation und die fortschreitende Digitalisierung genannt werden. Hinzu kommt, dass als Folge der demografischen Entwicklung und des vielseitig kritisierten Bildungssystems in Deutschland, die Zahl der IT-Fachkräfte in den kommenden Jahren weiter abnehmen wird (Lohaus & Rietz, 2015). So überstieg die Nachfrage nach Arbeitnehmern in der IT-Branche mit 13.500 Stellenangeboten die Vakanzen des Vorjahres um 19 Prozent (Bundesagentur für Arbeit, 2017). Laut der Internetplattform Stack Overflow sind nur neun Prozent der Softwareentwickler aktiv auf der Suche nach einer neuen Stelle und gerade mal 14 Prozent der Entwickler fanden ihre derzeitige Anstellung über Stellenportale (der Stack Overflow IT-Recruiter Report, 2017). Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen ist es in der heutigen Zeit eine Herausforderung, sich bei zunehmendem Fachkräftemangel und Konkurrenzdruck zu behaupten und qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden (Honal, 2014).

Gerade in der IT ist es deshalb wichtiger denn je, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Wer es schafft, wertvolle Talente und Leistungsträger langfristig zu binden, hat einen erheblichen Wettbewerbsvorteil (Sayegh, 2015). In der heutigen Arbeitsmarktsituation besteht eine Herausforderung darin gutes IT-Fachpersonal zu rekrutieren. Die andere ist die, das Commitment und die Loyalität der Leistungsträger dauerhaft sicherzustellen. Dabei ist es ratsam neue Wege zu beschreiten und entsprechende Möglichkeiten sowie innovative Instrumente in Erwägung zu ziehen (Rechsteiner, 2017). Der Bedarf an Werkzeugen zur Steigerung der Mitarbeiterbindung ist groß (Sayegh, 2015).

Die wissenschaftliche wie praktische Motivation der vorliegenden Thesis besteht in der Untersuchung der Frage, inwieweit die Verschriftlichung des psychologischen Kontraktes zu einer Erhöhung der organisationalen Bindung von Leistungsträgern beitragen kann. Sollten die Ergebnisse zeigen, dass der schriftliche psychologische Vertrag ein nutzenbringendes Werkzeug zur Förderung der Mitarbeiterbindung darstellt, könnte dies einen Mehrwert für Organisationen bedeuten, welche daran interessiert sind ihre Leistungsträger zu halten (Felfe, 2008). Ziel der Erhebungen ist es herauszufinden, ob ein Verschriftlichen gegenseitiger Erwartungen und Angebote aus Sicht von Mitarbeitern versus Führungskräften, positiv zu bewerten und förderlich für das organisationale Commitment wäre. Dabei erfolgt auch eine Gegenüberstellung der Meinungen einzelner IT-Fachbereiche mit den Einstellungen der verantwortlichen Führungskräfte.

In dem ersten Teil der Arbeit werden das Konzept des psychologischen Vertrages und dessen Merkmale sowie theoretische Modelle und Analysemöglichkeiten erläutert. Anschließend folgt im Methodenteil die ausführliche Beschreibung der Befragungsinstrumente zur Untersuchung der Sichtweisen von Mitarbeitern und Führungskräften zur Verschriftlichung des psychologischen Vertrages in einem Unternehmen der IT-Branche. Zur Erhebung der Einstellungen der Mitarbeitenden wird eine Befragung mittels eines Online-Fragebogens durchgeführt. Das Management wird in Form von Interviews befragt. In Abschnitt vier werden die entsprechenden Ergebnisse dargestellt, welche anschließend im Rahmen der Diskussion ausgewertet und einander gegenübergestellt werden. Hauptziel ist es Rückschlüsse hinsichtlich der aufgestellten Hypothesen und zentralen Fragestellung zu ziehen. Zudem eine findet eine kritische Betrachtung der Fragebogenkonstruktion statt. Zuletzt wird thematisiert, wie die Anwendung schriftlicher psychologischer Vereinbarungen in der Praxis erfolgen sollte, um positive Wirkungen zu erzielen.

2 Konzepte und Theorien - Der psychologische Vertrag und seine Wirkung auf Mitarbeiter und Organisation

Das Konzept des psychologischen Vertrages kann als facettenreich und heterogen bezeichnet werden. Die in der Literatur aufgeführten Definitionen, sogar Schreibweisen bezüglich der Groß- und Kleinschreibung, sind nicht einheitlich (Kattenbach, 2009). Im Folgenden soll daher auf die Merkmale und Inhalte des auch als impliziten Vertrag bezeichneten Konzeptes eingegangen werden, was im ersten Schritt eine Abgrenzung vom Arbeitsvertrag aus juristischer Sicht bedeutet. Die Kernabsicht dieser Arbeit besteht darin, den psychologischen Vertrag und dessen Auswirkungen unter Annahme seiner Verschriftlichung und vor dem Hintergrund der Mitarbeiterbindung zu untersuchen. Theorien und Konzepte werden aus diesem Grund nur kurz erläutert und nicht im Detail auf die Ursprünge und Entwicklungen des psychologischen Vertrages eingegangen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für beiderlei Geschlecht.

2.1 Der psychologische Vertrag und seine Merkmale

Der psychologische oder implizite Vertrag bezieht sich auf die Austauschbeziehung zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden, welche auf wechselseitigen Verhaltenserwartungen gründet. Aus juristischer Sicht basiert ein Arbeitsverhältnis auf der Vereinbarung eines Arbeitsvertrages, welcher das privatrechtliche Arbeitsverhältnis im engeren Sinne sowie die Arbeitspflicht eines Arbeitnehmers und die Vergütungspflicht des Arbeitgebers beschreibt. Im juristischen Vertrag werden beispielsweise Vereinbarungen über die zu erbringende Tätigkeit, den Arbeitsort, den Anfangszeitpunkt und das Ende des Arbeitsverhältnisses, das Gehalt, Sozialleistungen sowie Arbeitszeiten aufgeführt (Raeder & Grote, 2012). Er hat formale Bedingungen bezüglich des Einsatzes der Arbeitskraft zum Gegenstand, thematisiert jedoch keine Regelungen über die konkret zu erbringenden Arbeitsleistungen des Mitarbeitenden. Im Gegensatz zur Entgeltpflicht des Unternehmens kristallisiert sich die geforderte Leistung des Arbeitnehmers erst im Laufe des Arbeitsverhältnisses heraus. Der Umfang und die Qualität der zu erbringenden Leistungen sind, wie auch Angebote zur Weiterbildung, Aufstiegsoptionen und Arbeitsplatzsicherheit, Bestandteil des Austauschverhältnisses, nicht jedoch des expliziten Arbeitskontraktes. Der psychologische Vertrag als mentales Konstrukt bezieht sich hingegen auf die soziale Beziehung und beschreibt das informelle Beschäftigungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Er ist demnach rechtlich nicht einklagbar. Dabei entsteht der implizite Vertrag aus subjektiven Verpflichtungen und Erwartungen, welche über den Arbeitsvertrag hinausgehen und kann daher als Kern der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten gesehen werden (Biele Mefebue, 2013). Im Fokus des psychologischen Vertrages steht eindeutig die soziale Beschäftigungsbeziehung basierend auf austauschbezogenen Prozessen (Conway & Briner, 2007). Im Folgenden werden nun die Inhalte, Vertragspartner und der Aufbau des psychologischen Vertrages erläutert.

2.1.2 Inhalt und organisationale Vertragspartner

Die Arbeitsbeziehung beinhaltet aus ökonomischer Perspektive den Austausch von Arbeitsleistung gegen ein Entgelt und wird zwischen Mitarbeitenden und Unternehmen juristisch durch einen Vertrag geregelt, welcher Merkmale wie Arbeitszeiten, Gehalt, Arbeitsort Kündigungsfristen etc. enthält. Dabei sind juristische Arbeitsverträge mit dem Problem der Unvollständigkeit verbunden, da sie nur den allgemeinen Rahmen des Austauschs bestimmen (Biele Mefebue, 2013). Neben dieser juristisch definierten Beziehung existiert eine psychologische, welche sich auf den sozialen Austausch bezieht und als psychologischer oder impliziter Vertrag bezeichnet wird. Für den vertraglichen Charakter des psychologischen Kontraktes stehen wechselseitige Abmachungen (Huf, 2011). Es handelt sich folglich um kein juristisches Dokument, wohl aber um eine vertragsähnliche Konstellation, deren soziale Einklagbarkeit bezüglich gegenseitiger Verpflichtungen nicht unterschätzt werden sollte. Die Konsequenzen im Falle eines Vertragsbruches, also der Enttäuschung von Erwartungen oder Nichteinhaltung gemachter Versprechen, können durchaus ökonomischer Art sein. Folgen können eine Verringerung des Arbeitsengagements und der Leistung, mikropolitisches, unternehmensschädigendes oder kontraproduktives Verhalten sowie (innere) Kündigungen sein (Göbel, 2009). Der psychologische Vertrag beinhaltet wechselseitige, individuell verschiedene Annahmen, Verpflichtungen, Versprechen sowie Leistungen des Arbeitgebers und der Mitarbeitenden, welche über den Arbeitsvertrag hinaus ausgetauscht werden (Moser, Hecker & Galais, 2016). Diese sind allerdings oft vage, subjektiv und überdies sogar teilweise unbewusst und werden gebildet auf Basis selektiver Wahrnehmungen und individueller Interpretationen der Parteien (Huf, 2011). Doch wie entstehen diese gegenseitigen Annahmen? Seitens der Mitarbeiter findet die Entwicklung und Ableitung von Angeboten und Erwartungen in den meisten Fällen im Rahmen mündlicher, oft informeller Absprachen statt. Gleichzeitig dienen das Verhalten anderer Organisationsmitglieder, Medien, unternehmensinterne Ereignisse, Veranstaltungen und Informationsplattformen als Orientierung und Grundlage der Erwartungsbildung. Themen des impliziten Vertrages sind materieller und immaterieller Art, wie die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Höhe des geforderten Engagements und Leistungsniveaus, die Förderung von Weiterentwicklungsmaßnahmen und gegenseitige Loyalitätsansprüche. Entscheidend ist, dass beide Seiten auf die Einhaltung gemachter Absprachen vertrauen können (Raeder & Grote, 2012). Es existieren Erwartungshaltungen an denen sich die Parteien über Signale im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses orientieren. Arbeitgeber werden gleichzeitig mit einem Steuerungs- und Kontrollproblem konfrontiert und müssen sicherstellen, dass Mitarbeiter die von ihnen erwartete Leistung erbringen (Biele Mefebue, 2013).

Als zentrale Fragen des psychologischen Vertrages können folgende Beispiele aufgeführt werden: Wie viel Einsatz und Leistung werden von dem Unternehmen erwartet? Wie sehr können eigene Kompetenzen weiterentwickelt werden? Inwieweit werden Arbeitnehmer bei Weiterbildungen (finanziell) unterstützt? Kann von einem wertschätzenden und respektvollen Umgang im Unternehmen ausgegangen werden? Können Hilfe und Verständnis erwartet werden, wenn es private Schwierigkeiten gibt? Mögliche Verpflichtungen seitens des Arbeitgebers innerhalb des psychologischen Vertrages beziehen sich z.B. auf folgende Inhalte: Komplexe und ganzheitliche Tätigkeiten, mitarbeiterorientierter Führungsstil, wertschätzender und respektvoller Umgang, regelmäßiges Feedback, Work-Life-Balance, persönliche und fachliche Weiterbildung, Arbeitsplatzsicherheit, Unterstützung bei privaten Problemen, Karriereperspektive und Aufstiegsmöglichkeiten sowie Handlungs- und Entscheidungsfreiräume. Versprechen von Seiten des Arbeitnehmers könnte es zu folgenden Inhalten geben: Lern- und Veränderungsbereitschaft, Belastbarkeit, Einsatzbereitschaft, Loyalität und Commitment, Teamorientierung, Verantwortungsübernahme, Verlässlichkeit, Qualitätsbewusstsein, Integrität, Hilfsbereitschaft und Mobilität (Raeder & Grote, 2012).

Zwei wesentliche Merkmale müssen im Zusammenhang mit dem psychologischen Vertrag besondere Beachtung finden. Die Gegenseitigkeit ist eine dieser entscheidenden Eigenschaften (Rousseau, 1989). Diese äußert sich auf verschiedene Arten, eine davon ist die Abgeltung von Gleichem mit Gleichem, beispielsweise durch Unterstützung bei einer schwierigen Arbeitsaufgabe. Die wahrgenommene Gerechtigkeit des Austauschs ist ebenfalls eine entscheidende Einflussgröße, unterschieden wird zwischen Verteilungsgerechtigkeit, Verfahrensgerechtigkeit, interpersonaler und informationaler Gerechtigkeit (Raeder & Grote, 2012). Eine tragfähige soziale Beziehung kann sich folglich nur entwickeln, wenn diese auf Gegenseitigkeit beruht und gerecht gestaltet ist (Martin, 2003).

Inhaltlich lässt sich der psychologische Vertrag in relationale und transaktionale Dimensionen trennen. Dies ermöglicht die Systematisierung der Vertragsarten sowie die Beschreibung und Spezifizierung verschiedener Beschäftigungsverhältnisse. Langfristigkeit, hohe Identifikation und Commitment mit dem Unternehmen sowie Stabilität sind Eigenschaften, die den relationalen psychologischen Vertrag kennzeichnen (Martin, 2003). Transaktionale Merkmale sind geringe Verbundenheit und Identifikation, die Kurzfristigkeit des Beschäftigungsverhältnisses sowie eine leistungsabhängige Entlohnung und begrenzte Lernmöglichkeiten (Raeder & Grote, 2012). Transaktional bedeutet demnach einen relativ starken Bezug zum juristischen Vertrag (Martin, 2003). Facharbeiter erhalten meist Verträge mit transaktionalen Inhalten. Mit Führungskräfte und Spezialisten hingegen werden relationale Verträge geschlossen. Insgesamt sollte sich aus Unternehmenssicht auf die Vereinbarung relationaler Verträge konzentrieret werden, da diese positive Auswirkungen auf das Commitment und die Identifikation der Mitarbeiter sowie die Produktivität aufweisen (Raeder & Grote, 2012).

Eine bedeutende Fragestellung in Verbindung mit dem psychologischen Kontrakt ist, wer unternehmensseitig den Verhandlungspartner darstellt. Eine Klärung der Vertragsparteien ist sinnvoll, gestaltet sich jedoch schwierig. Der Beschäftigte stellt die eine Seite dar, doch auf der Arbeitgeberseite sind neben der Unternehmensleitung, die Personalabteilung, der direkte Vorgesetzte oder auch andere Kollegen denkbar. Äußerungen, Entscheidungen und Verhalten von Management, HR-Verantwortlichen, Führungskräften, Kollegen und sogar Personen außerhalb der Organisation nehmen auf die Bildung von Erwartungen und Angeboten Einfluss. Die Benennung eines konkreten Vertragspartners seitens der Organisation ist kaum möglich, den größten Einfluss jedoch hat der direkte Vorgesetzte des Mitarbeiters (Raeder & Grote, 2012). Führungskräfte, ihre Einstellungen und Verhaltensweisen spielen im komplexen Konstrukt des psychologischen Kontraktes eine besondere Rolle. Sie kommunizieren die Ziele, Leitbilder, Visionen und Werte des Unternehmens und fungieren als Vorbilder, indem sie sich entsprechend verhalten (van Dick, 2017). Aufgrund ihrer hierarchischen Stellung sowie ihrer Autorität und Weisungsbefugnis gegenüber ihren Mitarbeitern, nehmen sie entscheidenden Einfluss darauf, ob diese zahlreiche Inhalte ihres psychologischen Vertrages als erfüllt wahrnehmen oder nicht. Dies nimmt Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit, Identifikation und das Commitment der Mitarbeitenden (Felfe, 2008). Bei der Festlegung möglicher Verhandlungspartner zählen direkte Vorgesetzte daher zu den Personen, die im Zusammenhang mit dem impliziten Vertrag die wohl bedeutendste Rolle einnehmen (Raeder & Grote 2012).

Im optimalen Fall sind die Annahmen und Versprechen beider Seiten hinsichtlich der zu erbringenden Leistungen explizit detailliert und zudem übereinstimmend. Implizite Verträge allerdings sind zum Großteil unvollständig, sodass ihre Inhalte stets subjektiv von den Vertragspartnern gedeutet werden (Huf, 2011). Schließlich geht es um soziale Konstruktionen auf der Basis subjektiver Interpretationen und selektiver Wahrnehmung (Rousseau, 1989). Tatsächlich weichen die Ansichten von Arbeitnehmern und Unternehmensvertretern in den meisten Fällen voneinander ab. Studien zufolge nehmen Führungskräfte die Güte der Beziehung sowie die Erfüllung psychologischer Vertragsinhalte insgesamt positiver wahr als ihre Mitarbeiter. Zudem vermuten Arbeitnehmer hinter einem Vertragsbruch häufiger eine absichtliche Handlung seitens des Arbeitgebers. Vorgesetzte begründen einen Bruch des Vertrages eher mit äußeren Umständen und externen Faktoren. Im Fall einer hohen Qualität der Beziehung gleichen beide Seiten ihre Sichtweisen mit der Zeit aneinander an. Diese Kongruenz führt zu gesteigertem beruflichem Erfolg und einem Anstieg der Produktivität (Raeder & Grote, 2012).

2.1.3 Typen des psychologischen Vertrages

Die Differenzierung von Strukturdimensionen dient dazu, verschiedene Beschäftigungsverhältnisse getrennt voneinander zu analysieren und zu vergleichen. Eine Unterscheidung erfolgt in sechs Dimensionen: Stabilität, Reichweite, Dauer des Beschäftigungsverhältnisses, Transparenz, Fokus der Inhalte und Einzigartigkeit vs. Ersetzbarkeit von ausgetauschten Ressourcen.

Tabelle 1

Strukturdimensionen psychologischer Verträge für unbefristete und befristete Anstellungen (Raeder & Grote, 2012)

Abbildung in dieer Leseprobe nicht enthalten

Die Tabelle zeigt, dass psychologische Verträge unbefristet und befristet Beschäftigter deutliche Unterschiede aufweisen. Der Vertrag eines Festangestellten ist langfristig ausgelegt und unterliegt im Laufe der Zeit teilweise starken Wandlungen. Zudem beschränkt er sich nicht allein auf die Arbeit und die mit ihr verbundenen Zeit, sondern berührt ebenso andere Lebensbereiche und hat auf diese Auswirkungen. Inhalte des Vertrages sind zum Großteil sozio-emotional und Erwartungen häufig implizit und subjektiv interpretierbar. Psychologische Verträge von befristet Beschäftigten, beispielsweise im Rahmen eines Projekteinsatzes, weisen eine andere Art von Strukturdimensionen auf. Ihr Vertrag, dessen Inhalte stabil sind, konzentriert sich auf die Arbeitszeit und weist klar definierte Vereinbarungen auf. Der Fokus liegt auf ökonomischen Aspekten und ausgetauschte Ressourcen sind grundsätzlich ersetzbar. Die Erwartungen an den Arbeitgeber und die wahrgenommenen eigenen Verpflichtungen ermöglichen es zusätzlich verschiedene Typen von Verträgen zu bestimmen, Strukturdimensionen dienen hierbei als Basis der Zuordnung. Die sechs Vertragstypen werden als starker, schwacher, loyaler, unabhängiger, investierender und instrumenteller psychologischer Vertrag bezeichnet.

Ein starker psychologischer Vertrag weist sowohl sehr hohe eigene Verpflichtungen, als auch Erwartungen an das Unternehmen auf. Diese überdurchschnittlich hohen Ansprüche haben meist ältere Mitarbeiter, die lange Zeit in einer Organisation tätig sind. Der schwache psychologische Vertrag hingegen gründet auf sehr niedrigen gegenseitigen Erwartungen und Angeboten, Facharbeiter sind meist Beschäftigte dieses Typs. Der loyale Vertrag zeichnet sich vor allem durch seine Langfristigkeit aus. Beschäftigte sollen dem Unternehmen für möglichst lange Zeit angehören. Die Erwartungen und Verpflichtungen sind in diesem Fall gleichermaßen auf einem recht hohen Niveau. Merkmale des unabhängigen psychologischen Kontraktes sind niedrige gegenseitige Angebote und Erwartungen sowie die Kurzfristigkeit der Beschäftigungsbeziehung. Junge Mitarbeiter mit einer guten Ausbildung sind in dieser Gruppe oft vertreten. Ist der Typ des Vertrages investierend, befinden sich die wahrgenommenen Verpflichtungen des Angestellten und dessen Erwartungen an die Organisation auf einem mittleren Level. Mitarbeiter dieses Typs sind meist gut ausgebildet. Die letzte Art des psychologischen Vertrages wird als instrumentell bezeichnet. In diesem Fall haben Beschäftigte hohe Erwartungen an ihren Arbeitgeber, bei gleichzeitig geringen Verpflichtungen, die sie erfüllen müssen. Die Komplexität des psychologischen Vertrages spiegelt sich auch in der Abgrenzung der Kontraktarten wider. Die Art des Umgangs mit dem Mitarbeiter und die Gestaltung der Beschäftigungsbeziehung sollten sich am Typ des psychologischen Vertrages orientieren (Raeder & Grote, 2012).

2.1.4 Dynamik und Entwicklung des psychologischen Vertrages

Aufgrund von Erfahrungen sowie Veränderungen hinsichtlich der Präferenzen, Erwartungen und Ansprüche modifizieren sich gegenseitige Annahmen und Verpflichtungen im Laufe der Zeit. Der psychologische Vertrag entsteht bereits vor der Einstellung des Mitarbeiters, ab diesem Zeitpunkt ist sein Verlauf ständigen Änderungen unterworfen. Die Rekrutierungs- und Einarbeitungszeit ist besonders prägend, da hier die Unsicherheit auf beiden Seiten, hinsichtlich der gegenseitigen Erwartungen und Annahmen, besonders hoch ist. Ähnliches gilt für Personalentwicklungsmaßnahmen, Umstrukturierungen oder andere organisationale Veränderungen (Huf, 2011).

Grundsätzlich hat der Arbeitgeber verschiedene Möglichkeiten den impliziten Kontrakt zu gestalten. Eine Option ist das Employer Branding, welches bereits vor der Einstellung des Bewerbers die Inhalte des psychologischen Vertrages aus der Perspektive des Unternehmens kommuniziert. Es definiert Angebote und Erwartungen des Arbeitgebers und vermittelt zudem die Unternehmenskultur, Visionen und gelebte Werte. Das Einstellungsinterview bietet eine weitere Möglichkeit die zukünftige Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Unternehmen zu gestalten. Erwartungen sollten von Beginn an möglichst vollumfänglich explizit geäußert werden, selbst wenn dies zu Konflikten aufgrund nicht erfüllbarer Annahmen führt. Teilweise sind diese zudem unbewusst und die Folge von Vorurteilen, beispielsweise bezüglich einer bestimmten Branche. Die Reflexion, Wahrnehmung und explizite Ansprache auf implizit vermittelte Angebote erfordert besonderes Geschick und bedarf der Nutzung spezieller Gesprächstechniken. Wichtig ist es, eigene Erwartungen und Versprechen offen zu kommunizieren sowie die des Bewerbers ausführlich zu erfragen. Dabei müssen alle Beteiligten sich bewusst darüber sein, dass eine auf falschen Annahmen aufgebaute Beschäftigungsbeziehung eine ungewisse Zukunft hat und meist nicht von Dauer ist. Authentizität und Ehrlichkeit sind an dieser Stelle enorm wichtig. Zweiseitige Argumentation kann dazu beitragen, die Glaubwürdigkeit zu erhöhen und ggf. unerfüllbare Hoffnungen und Erwartungen frühzeitig aufzudecken (Raeder & Grote, 2012). Die Veränderungen im Laufe der Austauschbeziehung sind von Individuum zu Individuum unterschiedlich stark, teilweise kann der psychologische Vertrag massiven Wandlungen unterliegen (Rousseau, 1989). Eine Annahme ist, dass Mitarbeiter im Laufe der Zeit höhere Ansprüche an ihren Arbeitgeber stellen und ihre Erwartungen mit der Zeit wachsen. Verpflichtungen des Unternehmens werden schnell als selbstverständlich angesehen, wohingegen die eigenen in vielen Fällen abnehmen. Das langfristige Ziel sollte eine möglichst stabile Balance zwischen Verpflichtungen und Erwartungen beider Vertragsparteien sein, bei welcher sich keine Seite benachteiligt oder gar ausgenutzt fühlt. Die explizite Formulierung und Offenlegung wechselseitiger Leistungen und Versprechen fördert Fairness und Balance. Dies ist die beste Möglichkeit einem Vertragsbruch wirksam vorzubeugen (Raeder & Grote, 2012).

Aufgrund der wachsenden Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse und Arbeitsgestaltung gewinnt der psychologische Vertrag mehr und mehr an Bedeutung. Juristische Arbeitsverträge sind von Natur aus unvollständig, da sie nicht alle Aspekte eines Arbeitsverhältnisses abdecken können (Rousseau, 1995). Eine zunehmende Flexibilisierung zeigt sich in verschiedenen Bereichen sowohl zeitlich (Gleitzeit), räumlich (Home-Office), finanziell (variable Gehaltsanteile), funktional (dynamische Stellenbeschreibungen, vielseitige Tätigkeitsbereiche) als auch numerisch (Zeitarbeit). All diese Entwicklungen schaffen neue Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und bringen eine Vielzahl positiver Faktoren mit sich. Ergebnisse aus Untersuchungen zeigen jedoch, dass die steigenden Veränderungen und die entsprechend sinkende Kontrolle der Mitarbeiter ebenso negative Auswirkungen auf ihre Akzeptanz und Anerkennung der Organisationsleitung haben. Arbeitnehmer verbinden Flexibilisierung häufig mit negativen Konsequenzen und nehmen sie als Unsicherheit und Bedrohung wahr. Die allgemeine Modifikation der Beschäftigungsbeziehung äußert sich vor allem in der Arbeitsplatzsicherheit entsprechend des traditionellen Vertrages, welche in ihrer ursprünglichen Form heute kaum noch existiert (Anderson & Schalk, 1998). An ihre Stelle tritt nun die Arbeitsmarktfähigkeit, deren Erhaltung zunehmend eine eigenverantwortliche Aufgabe des Beschäftigten selbst ist (Raeder & Grote, 2012). Sich verändernde Arbeitsverhältnisse haben demnach den gewichtigen Nachteil der Erhöhung wahrgenommener und faktischer Unsicherheit für beide Seiten. Somit erhöht Flexibilität den Bedarf an Kommunikation, Transparenz und vor allem Vertrauen (Rousseau, 1989). Vertrauen als Aspekt, welcher die Austauschbeziehung zwischen Unternehmer und Mitarbeiter maßgeblich prägt, ist die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Beschäftigungsbeziehung (Raeder & Grote, 2012).

Die Entwicklungen der Belegschaft sowie der Wandel der Beschäftigungsbeziehungen zeigen deutlich, dass es eine zunehmende Notwendigkeit für die explizite Gestaltung der Inhalte des psychologischen Vertrages gibt (Rousseau, 1989). Als der einflussreichere Vertragspartner im Beschäftigungsverhältnis kann sich die Organisation an mehr Mitteln zu Reduzierung bestehender Unsicherheiten bedienen. Die unternehmensseitige Gestaltung und der Umgang mit Themen wie Arbeitsplatzsicherheit, Umfang und Güte verlangter Leistungen, Eigenverantwortung, Veränderungsbereitschaft und Mobilität beeinflussen maßgeblich die Qualität der Beschäftigungsbeziehung. Zielvereinbarungen können in gewisser Weise als ein erster Schritt in Richtung Verschriftlichung des psychologischen Vertrages gesehen werden. Diese beinhalten in der Regel schriftliche Abmachungen über gemeinsam definierte Leistungsziele mit Entgeltbezug, welche von einem oder mehreren Mitarbeitern innerhalb eines bestimmten Zeitraumes erreicht werden sollen. Es handelt sich also um explizite Vereinbarungen, welche in den meisten Fällen formell festgehalten sind (Raeder & Grote, 2012). Darüber hinaus zeigen Ergebnisse von Studien, dass ein expliziter psychologischer Vertrag zur Steigerung des gegenseitigen Vertrauens und der Fairness beitragen kann (Kattenbach, 2009).

2.2 Der psychologische Vertrag und sein Einfluss auf Arbeitszufriedenheit, Commitment und Identifikation

Arbeitszufriedenheit wird als positiver und emotionaler Zustand beschrieben, welcher das Resultat diverser Bewertungsprozesse hinsichtlich der Arbeit sowie dort stattfindender Erfahrungen und Ereignissen ist (Fischer, 2006). Die Zufriedenheit mit der Arbeit, als Einstellung einer Person, umfasst die Gedanken und Gefühle, welche sie in Bezug auf ihre Beschäftigung allgemein und die betreffenden Facetten im Einzelnen empfindet. Allgemein drückt sie aus, wie sehr eine Person ihre Arbeit positiv oder negativ beurteilt, wobei die Arbeit selbst, ihre Umstände und Rahmenbedingungen äußerst vielschichtig sind. Die Arbeitszufriedenheit als globales Maß wird beeinflusst durch eine Vielzahl an Faktoren, wie die Tätigkeit selbst, die Arbeitsatmosphäre, Arbeitsmittel, Karrierechancen, die Art der Führung und die Güte der Beziehung zum Vorgesetzten (Kauffeld, 2014). Offene Kommunikation und Feedback zu erbrachten Leistungen sowie ein mitarbeiterorientierter, partizipativer Führungsstil haben einen nachweisbaren Einfluss auf die Arbeitszufriedenheit des Mitarbeiters (Maier, 2012). Dies steht im Zusammenhang mit dem psychologischen Vertrag. So führen wahrgenommene Vertragsbrüche zu einer Verringerung der Arbeitszufriedenheit (Moser et al., 2016).

Organisationales Commitment als Einstellung beschreibt die Verbundenheit und Loyalität eines Mitarbeiters gegenüber seinem Unternehmen und wird in drei verschiedene Arten unterteilt. Als affektives Commitment wird die emotionale Bindung an das Unternehmen bezeichnet, welche mit starken Gefühlen verbunden ist. Der Mitarbeiter fühlt sich zugehörig und als ein Teil der Organisation. Es ist daher sein Wunsch auch in Zukunft ein Mitglied des Unternehmens sein, er bleibt, weil er dies will. Positive Gefühle wie Stolz, Zufriedenheit und Zugehörigkeit sowie eine Steigerung des Selbstwertgefühls stehen im Zusammenhang mit der emotionalen Bindung. Die zweite Form ist das normative Commitment, bei welchem der Beschäftige sich aufgrund von moralischen Gründen, Normvorstellungen oder Pflichtgefühlen mit dem Unternehmen verbunden fühlt. In diesem Fall besteht eher ein Gefühl der Verpflichtung und des Sollens, der Verbleib im Unternehmen ist eine Gewissens-Entscheidung. Mit fortsetzungsbezogenem Commitment wird die dritte Komponente beschrieben, wobei Personen nach der Abwägung von Nutzen und Opportunitätskosten beschließen zu bleiben, weil sie es müssen. Die organisationale Bindung hat dann rationale Gründe. Sie besteht, da mit einem Arbeitgeber-Wechsel für den Mitarbeiter Kosten, im Sinne eines Verlusts des erarbeiteten Status, gewachsener sozialer Kontakte und ähnlicher bisher getätigter Investitionen entstehen würden. Es handelt sich um eine Entscheidung aus Vernunft und weniger um Verhalten, welches aus einer emotionalen Verbundenheit heraus resultiert. Das fortsetzungsbezogene Commitment kann negative Konsequenzen sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer zur Folge haben und gilt tendenziell als weniger erstrebenswert (van Dick, 2017). Die für den Arbeitgeber wertvollste Form des Commitments, ist die affektive. Diese ist mit den größten, gewinnbringendsten Folgen für das Unternehmen verbunden und steht im vielfach empirisch bestätigten Zusammenhang mit der Steigerung von Aspekten wie Arbeitszufriedenheit, Effektivität, Produktivität und der Verringerung von Absentismus, kontraproduktivem Verhalten und Fluktuation. Untersuchungen zeigen, dass Arbeitsinhalte und die Führung im besonderen Maße Einfluss auf das affektive Commitment nehmen. Beeinflusst wird das Commitment durch Merkmale der Arbeit wie dem Gehalt, der Arbeitsatmosphäre, der Tätigkeit und den Aufgabeninhalten und der Arbeitsplatzgestaltung, ebenso wie durch die Art und Weise der Führung. Einfluss nimmt zudem die Organisation selbst, durch ihre Leitbilder, Produkte und Kultur. Eigenschaften des Arbeitsnehmers wie Alter, Bildung und Persönlichkeit wirken sich ebenfalls auf die Stärke der Bindung aus (Felfe, 2008).

Im Zusammenhang mit der Mitarbeiterbindung muss außerdem der Begriff Loyalität Berücksichtigung finden, welcher große Ähnlichkeit zu dem Konzept des Commitments aufweist. Loyalität im Unternehmenskontext meint den fairen, respektvollen und ehrlichen Umgang der Beschäftigten mit internen und externen Organisationsmitgliedern. Loyale Arbeitnehmer sind ihrem Unternehmen freiwillig treu und verhalten sich anständig, engagiert und unternehmensförderlich im Sinne organisationaler Ziele und Interessen. Mitarbeiter stehen nach innen und außen hinter ihrem Unternehmen und kommunizieren dies. Dazu gehört ebenso die Identifikation mit der Organisation und ihren Zielen sowie das Empfinden einer emotionalen Verbundenheit (Belsch, 2015).

Ein ebenfalls wichtiges Konzept ist das der Identifikation, welche die ganzheitliche Bindung der Beschäftigten an das Unternehmen meint. Betont wird dabei die Ganzheitlichkeit, welche das Wissen der Mitarbeiter um ihre Zugehörigkeit zu einer Organisation und damit verbundene Emotionen wie Stolz und Dankbarkeit, sowie das resultierende organisationskonforme Verhaltensweisen, berücksichtigt. Einige Forscher sehen Identifikation als Bestandteil von Commitment und andersherum oder verwenden die Begriffe synonym (Felfe, 2008). Große Gemeinsamkeiten bestehen zwischen der Identifikation und dem affektiven Commitment. Beide Ansätze weisen insgesamt eine Vielzahl an Überscheidungen auf, gleichzeitig nehmen Autoren wie van Dick (2017) ebenso relevante Unterschiede an. Identifikation hat danach, im Gegensatz zum Commitment, einen selbst-definitorischen Ansatz und beschreibt, wie sehr sich eine Person selbst darüber definiert, Mitglied einer Gruppe zu sein. Dieser kognitive Faktor ist eine erste Verschiedenheit zum Commitment. Des Weiteren gibt es einen Unterschied in der Entstehung beider Konzepte. So entwickelt sich Identifikation aufgrund gleicher Überzeugungen, Werte und Ansichten der Mitglieder. Commitment hingegen entsteht als Konsequenz austauschbasierter Prozesse. Das Unternehmen bietet dem Mitarbeiter einen attraktiven Arbeitsplatz, mit ansprechenden Leistungen, dafür bleibt dieser gern. Als dritter Unterschied kann die Stabilität und langsame Entwicklung von Commitment, im Gegensatz zur Kontextabhängigkeit und Flexibilität der Identifikation genannt werden. Commitment benötigt Zeit, um zu wachsen und verändert sich nur langsam. Identifikation hingegen wird beeinflusst durch den Kontext, wie das augenblickliche Umfeld und saliente Gruppen. Entsprechende Prozesse laufen kurz und automatisch ab. Vergleiche mit anderen sozialen Gruppen und Konkurrenz führen zu einer Erhöhung von Identifikation und Salienz. Nach dem Identitätstransfermodell überträgt sich die Identifikation der Führungskraft mit ihren Gruppen, welche sie leitet, auf die Identifikation ihrer Mitarbeiter. Grund dafür ist, dass Vorgesetzte als Vorbilder gesehen und zum Teil von ihren Mitarbeitenden nachgeahmt werden (van Dick, 2017).

Die Erfüllung des psychologischen Vertrages steht im direkten Zusammenhang mit der Verbundenheit, sprich der Identifikation, Loyalität und dem Commitment der Beschäftigten (Rousseau, 1989). Zahlreiche Forschungsarbeiten belegen die hohe Bedeutung der Erfüllung des psychologischen Vertrages und dessen zentrale Rolle, welche er in Bezug auf die Arbeitszufriedenheit und das Commitment einnimmt. Insbesondere die Einhaltung versprochener relationaler Vertragsinhalte hat positive Auswirkungen auf das Engagement, die Leistung, Identifikation und Loyalität der Arbeitnehmer. Dieser sollte daher besonderer Relevanz beigemessen werden (Raeder & Grote, 2012).

2.3 Analyse des psychologischen Vertrages

Der Sinn von Verträgen ist die Herstellung von Verlässlichkeit hinsichtlich festgelegter Leistungen und somit die Erhöhung von Eindeutigkeit, Klarheit und Sicherheit für beide Parteien. Für den psychologischen Vertrag muss diese Eigenschaft nicht zutreffen (Raeder & Grote, 2012). Dies ist davon abhängig, wie stark sich die Sichtweisen über wechselseitige Annahmen und Verpflichtungen beider Seiten decken. Die wahrgenommene Gerechtigkeit der Austauschbeziehung spielt dabei eine große Rolle (Inauen, 2005). Die Erwartungen der Beschäftigten gründen sich nicht nur auf Basis ihres juristischen Arbeitsvertrages, sondern ebenso aufgrund impliziter und expliziter Versprechen des Unternehmens. Personalmanagement beinhaltet demnach immer einen bewussten und systematischen Umgang mit Erwartungen und Annahmen (Huf, 2011). Forschungsarbeiten zeigen, dass erfüllte psychologische Verträge förderlich sind für Leistung, Arbeitszufriedenheit und Commitment von Mitarbeitern. Umgekehrt führen Vertragsbrüche, sprich enttäuschte (teilweise unausgesprochene) Erwartungen und gebrochene Versprechen zu Unzufriedenheit, Leistungsrückgang und im schlimmsten Fall sogar zu Kündigungen. Die Übereinstimmung von Perspektiven und Einhaltung von Versprechen sollte daher im Sinne beider Parteien angestrebt werden (Inauen, 2005).

2.3.1 Analyse im Rahmen schriftlicher Mitarbeiterbefragungen

Zur Feststellung der Sichtweisen der Beschäftigten, bezüglich der mitarbeiter- und unternehmensseitigen Verpflichtungen und Erwartungen, können schriftliche Mitarbeiterbefragungen durchgeführt werden. Entscheidend dabei ist, dass nicht die eigenen Wünsche, Vorstellungen und Ansprüche im Fokus stehen, sondern die Erfassung von Erwartungen, welche durch die Kommunikation und das Verhalten unternehmensseitiger Personen gebildet wurden. Einige Instrumente erfragen zusätzlich erfüllte oder nicht erfüllte Erwartungen und Versprechen aus der Perspektive der Beschäftigten. Ergänzend können neben Arbeitnehmern auch Unternehmensvertreter, wie Teamleiter und Führungskräfte, nach ihrer Einschätzung befragt werden. Diese Variante ermöglicht eine vollumfängliche Sicht und hat die höchste Aussagekraft. Häufig zeigt der Vergleich der Sichtweisen deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung hinsichtlich der Erfüllung bestimmter Erwartungen. Die meisten Auswertungen machen deutlich, dass Mitarbeiter der Meinung sind weniger zu erhalten, als ihnen kommuniziert wurde.

Bezüglich der thematisierten Inhalte kann zwischen relationalen und transaktionalen oder neuen (z.B. Förderung von Arbeitsmarktfähigkeit) und traditionellen (z.B. Arbeitsplatzsicherheit) Inhalten unterschieden werden. Relationale Vertragsinhalte beziehen sich eher auf immaterielle Aspekte, wie die Identifikation und emotionale Bindung. Die transaktionale Sicht konzentriert sich auf ökonomische Themen wie Entlohnung, finanzielle Unterstützung bei Weiterbildungen und Aufstiegschancen. Im Rahmen einer Befragung wird die Erfassung relationaler sowie transaktionaler Aspekte empfohlen. Dem Fragebogen selbst sollte eine klärende Instruktion vorangestellt sein. In dieser wird kurz erläutert, dass es sich bei der Befragung um die Erfassung gegenseitiger Erwartungen und Angebote handelt, welche aus verschiedenen Quellen, wie informellen Gesprächen mit dem direkten Vorgesetzten, dessen Verhalten oder Feedback zu Leistungen, aber ebenso aus Unterhaltungen mit Kollegen oder der Personalabteilung, entstanden sind. Beispielhafte Erwartungen und Angebote könnten sich auf Inhalte beziehen wie: Identifikation, Commitment, vielfältige und der Eignung entsprechende Arbeitsinhalte, Arbeitsplatzsicherheit, Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitsmarktfähigkeit, Handlungsspielräume, Weiterbildungsmöglichkeiten und eine mitarbeiterorientierte Unternehmenskultur. Raeder & Grote (2012) haben hierzu einen Fragebogen zur Analyse von Erwartungen und Angeboten des psychologischen Kontraktes entwickelt. Dieser enthält sechs Skalen, wovon die ersten drei erfassen, was der Beschäftigte erwartet und was der Arbeitgeber seinerseits bietet. Skala eins bezieht sich auf Themen rund um Arbeitsplatzsicherheit und organisationale Bindung, zwei und drei beinhalten Fragen zur Unterstützung für Kompetenz- und Laufbahnentwicklung. Im zweiten Teil wird danach gefragt, was der Mitarbeiter bietet und das Unternehmen von ihm erwartet. Hier geht es um die Bereiche Loyalität, Identifikation und Arbeitsleistung, räumliche und zeitliche Flexibilität sowie schlussendlich um die Eigenverantwortung der Arbeitnehmer, die sie in Bezug auf ihre eigene Arbeitsmarktfähigkeit bereit sind zu übernehmen (Raeder & Grote, 2012).

2.3.2 Gemeinsame Analyse in Mitarbeitergesprächen

Eine weitere wichtige Möglichkeit der Erforschung und Bestimmung gegenseitiger Erwartungen und Angebote ist der Dialog zwischen dem Vorgesetzten und dessen Mitarbeiter. In diesem Zusammenhang wird die Integration in bereits existierende Instrumente und Führungswerkzeuge empfohlen. Dazu gehört ebenso die kritische Betrachtung der Führungsbeziehung. Ziel ist die Angleichung der Sichtweisen von Führungskraft und Beschäftigten bezüglich der jeweiligen subjektiv wahrgenommenen Vorstellungen und Verpflichtungen. Falls notwendig, müssen im Anschluss entsprechende Veränderungsmaßnahmen ergriffen werden. Für die Feststellung gegenseitiger Annahmen wird empfohlen verschiedene Quellen zu verwenden. Besonders wertvoll ist der Einsatz von Instrumenten zur Bewertung der Qualität der Führungsbeziehung und Fragebögen zum Thema Arbeitszufriedenheit (Raeder & Grote, 2012). Das Leader-Member-Exchange (LMX)-Modell beschreibt Führung als individuelle und austauschbasierte Beziehung, in welcher Vertrauen und Loyalität wichtige Merkmale darstellen (Kauffeld, 2014). Der LMX-Ansatz ist eine praktikable Möglichkeit, das Konzept des psychologischen Kontraktes mit dem Thema Führung zu verknüpfen. Die Güte der wahrgenommenen Führungsbeziehung hat Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit, das Commitment, das Arbeitsklima, die Arbeitsleistung und Kündigungsabsichten. Dies zeigt die hohe Bedeutung und den Einfluss, den diese Beziehung auf die Erfüllung und die Konsequenzen des psychologischen Vertrages hat (Raeder & Grote, 2012). Im Fokus des LMX-Ansatzes stehen allerdings keine konkreten Inhalte der Führungsbeziehung, sondern die prinzipielle Überlegung, ob die Beziehung und austauschbasierte Prozesse von beiden Seiten als fair und angemessen eingeschätzt werden. Empfohlen wird die Nutzung des LMX-Fragebogens im Rahmen des Mitarbeitergespräches, um direkt zu Beginn wechselseitige Erwartungen und Angebote anzusprechen und gegenseitig zu reflektieren. Dazu sollte der Bogen vor dem gemeinsamen Gespräch von den Beteiligten separat ausgefüllt werden und im Anschluss die gemeinsame Betrachtung, der Vergleich und die Diskussion der Antworten stattfinden (Wehrlin, 2016). Untersuchungen haben gezeigt, dass LMX als Moderator zwischen einem Bruch des psychologischen Vertrages und dem Verhalten des Beschäftigten fungiert und sogar eine Verstärkung der negativen Effekte des Bruchs herbeiführt. Grund hierfür ist, dass Arbeitnehmer, welche die Beziehung zu ihrem Vorgesetzten als gut und fair bewerten, im Falle einer Nichterfüllung des Vertrages, besonders enttäuscht sind. Was folgt, ist eine starke Reaktion in Form negativer Verhaltensweisen. Dies ist ein weiterer Beleg dafür, welch hohen Stellenwert die direkte Führungskraft im Konstrukt des psychologischen Kontraktes einnimmt.

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Ende der Leseprobe aus 68 Seiten

Details

Titel
Die Verschriftlichung des psychologischen Vertrages
Untertitel
Eine Erhebung zur Überprüfung der Sicht von Mitarbeitern und Management eines Unternehmens der IT-Branche
Hochschule
Private Fachhochschule Göttingen
Veranstaltung
Studium: Angewandte Psychologie für die Wirtschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
68
Katalognummer
V429249
ISBN (eBook)
9783668844599
ISBN (Buch)
9783668844605
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mitarbeiterbindung, Commitment, der psychologische Vertrag, Loyalität, Führung, Wirtschaftspychologie, Personalbindung, Retention-Management, Retention, organisationale Bindung, Organisationsbindung, affektives Commitment, Identifikation, impliziter Vertrag, implizite Vertrag, psychologischer Vertrag, psychologischer Arbeitsvertrag
Arbeit zitieren
Anne Driescher (Autor:in), 2017, Die Verschriftlichung des psychologischen Vertrages, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429249

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