„Wie legitimiert Robespierre Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der revolutionären Ziele?“ Unterrichtseinheit zur Französischen Revolution


Unterrichtsentwurf, 2018

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


1. Lerngruppe

1.1 Lerngruppenbeschreibung

Der E-Phasenkurs besteht aus 23 Schülerinnen und Schülern[1] und setzt sich aus 10 Mädchen und 13 Jungen zusammen. Ich unterrichte die Klasse seit Beginn des zweiten Schulhalbjahres 2016/17. Der Unterricht findet wöchentlich in zwei Einzelstunden, dienstags und freitags in der fünften Stunde, statt.

Das Leistungsniveau des Kurses ist auch ein Jahr, nachdem ich die Klasseübernommen habe, sehr heterogen. Im Gesamten ist jedoch eine Steigerung der Leistungen und eine breitere Unterrichtsbeteiligung zu beobachten. SuS, die im letzten Schuljahr noch zum erweiterten Kreis der leistungsstarken Schüler gehörten, haben sich als weitere Leistungsspitzen etabliert. Die Verbesserungen der genannten SuS lassen sich ganz klar im Bereich des Textverständnisses und der damit verbundenen Analysekompetenz für Quellen und Darstellungen einordnen. Gerade im Hinblick auf Quellenarbeit gelingt es ihnen nun viel besser, die zentralen Aussagen herauszuarbeiten und diese auch in den historischen Kontext einzubetten (Urteilskompetenz für Kontinuität und Veränderung in der Zeit). SuS konnten ihr bereits starkes Niveau aufrechterhalten.

Auch das Leistungsmittelfeld des Kurses ist nun breiter aufgestellt. Zu ihm gehören SuS. Insgesamt lässt sich hier eine Entwicklung zur häufigeren Unterrichtsbeteiligung erkennen, die bereits gegen Ende des letzten Schuljahres eingesetzt und sich fortgesetzt hat. Dies führe ich auch auf den vermehrten Einsatz kooperativer Lernformen zurück, die den SuS mehr Sicherheit gegeben haben. Defizite liegen hier weiterhin im Textverständnis und vor allem im Bereich der Urteilskompetenz.

Als eher leistungsschwach zeigen sich SuS. Bei diesen SuS tritt in besonderem Maße das Problem des mangelnden Text- und Sprach-verständnisses hervor. Antworten bleiben auf einem sehr niedrigen Sprach- und Leistungsniveau und lassen meist erkennen, dass zu lesende Texte in größeren Teilen nicht verstanden wurden. Dennoch zeigen auch hier zumindest SuS eine höhere Unterrichtsbeteiligung als im letzten Schuljahr, was ich ihnen auch positiv zurückgemeldet habe.

Das Klassenklima und Sozialverhalten kann als sehr gut bezeichnet werden. Disziplinprobleme spielen keine große Rolle.

1.2 Lernausgangslage

Ein Großteil des Kurses zeigt weiterhin Defizite beim Textverständnis, welche vor allem im Bereich der Analysekompetenz im Umgang mit Quellen auftreten. Die SuS neigen dazu, sich zu weit vom Quellentext wegzubewegen und konkrete Aussagen sowie im Text genannte Beispiele zu verallgemeinern. Auch die mangelnde Sprachkompetenz stellt vor allem die leistungsschwächeren SuS vor Probleme. Schwierige Wörter werden daher im Plenum geklärt oder auf den Arbeitsblättern erläutert. Verbesserungen konnten im Bereich der Bearbeitung darstellender Texte erzielt werden.

Die größten Schwierigkeiten zeigen sich im Bereich der Urteilskompetenz. Dies wurde zum einen in der letzten Klausur ersichtlich, zum anderen wurde es mir von den SuS schriftlich rückgemeldet.

Die SuS neigen bei Beurteilungen häufig dazu, direkt auf einer Werturteilsebene zu argumentieren, indem sie ihre eigenen Maßstäbe ansetzen und z.B. Moral- oder Wertevorstellungen zur Zeit des historischen Gegenstandes außer Acht lassen (Stichwort „Fremdverstehen“). Hier liegt ein Defizit, an dem besonders in den Vertiefungsphasen der kommenden Stunden gearbeitet werden muss.

1.3 Lernstand

Die zu zeigende Unterrichtsstunde ist die siebte Stunde in der Reihe zur Französischen Revolution. Im bisherigen Verlauf haben sich die SuS mit den politischen und sozialen Strukturen des Ancien Regimes am Vorabend der Revolution befasst und erfahren, welche Ursachen zum Ausbruch der Revolution führten. Sie wissen um den Machtanspruch und die Forderungen des Dritten Standes, haben die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte als revolutionären Akt verstanden und untersucht, inwiefern die Verfassung von 1791 die Forderungen des Dritten Standes erfüllt hat. Sie kennen die Gründe, welche zur Radikalisierung und Destabilisierung der Revolution geführt haben und können die Ereignisse während der Zeit der Konventsherrschaft benennen.

2. Sachanalyse

Mit der Errichtung des Nationalkonvents und der Abschaffung der parlamentarischen Monarchie im September 1792 begann die dritte Phase der Französischen Revolution. War die zweite Phase bereits durch eine zunehmende Radikalisierung, aufgrund innen- wie außenpolitscher Gründe, geprägt, so datieren wir mit der Wahl Maximilien de Robespierre (27.07.1793) zum Vorsitzenden des im April 1793 errichteten Wohlfahrtsausschusses den Beginn der sogenannten „Schreckensherrschaft“, die Terreur. Diese Zeit war zum einen gekennzeichnet durch Einschränkungen der Bürgerrechte, Revolutionstribunale, die Zehntausende zum Tode verurteilten, aber auch durch die Verkündung einer Reihe sozialpolitischer Maßnahmen wie z.B. das Recht auf Arbeit und Bildung oder die Festsetzung von Höchstpreisen für Getreide.

Auch wenn die Schreckensherrschaft Robespierres diktatorische Züge annahm, so war sie doch zu „keiner Zeit eine Diktatur ohne institutionelles Widerlager, sondern sie war eine Diktatur mit parlamentarischer Legitimation“[2]. Die Ängste des Konvents, ausgelöst durch den Bürgerkrieg im eigenen Land sowie den Krieg gegen die absolutistischen Mächte Europas, mündeten größtenteils in der Überzeugung, dass diese Herrschaft der Terreur notwendig sei, um die Revolution zu retten. Mit dem Dekret vom 10. Oktober 1793, welches die provisorische Regierung durch den Wohlfahrtsausschuss bis zum Frieden für revolutionär erklärte, wurde die Terreur endgültig zum Regierungsprinzip erhoben und damit auch die persönliche Herrschaft Robespierres etabliert.

Ende des Jahres 1793 begann Robespierre damit, seine Gewaltherrschaft zu legitimieren. Die Revolution war für ihn der „Krieg der Freiheit gegen ihre Feinde“[3]. Erst mit der erfolgreichen Beendigung dieses Krieges beginne die Zeit der Verfassung als der „Herrschaft der siegreichen und friedlichen Freiheit“[4]. Mit seiner Rede vom 05.02.1794 vor dem Nationalkonvent erweiterte Robespierre seine Theorie. In Anlehnung an den aufklärerischen Vernunftbegriff brachte er den Begriff der Tugend ins Spiel. Diese war für ihn „das grundlegende Prinzip der demokratischen Regierung“ und er verstand die Tugend als „die Liebe zum Vaterland und seinen Gesetzen“, womit sie auch das Prinzip der politischen Gleichheit umfasste. Als besonderes Durchsetzungsmittel der Tugend in den Zeiten der Revolution bedürfe es der Terreur. Damit legt er eine Erklärung des Zusammenhangs von Gerechtigkeit und Gewalt dar, auf die bis in die Gegenwart Bezug genommen wird.[5] Hans-Ulrich Thamer erläutert, dass die Funktion von Gewalt, wie sie in der Schreckensherrschaft Robespierres zum Ausdruck gekommen ist, immer noch heftig diskutiert wird und einen „kontroversen Bezugspunkt für die politische Orientierung und Traditionsbildung der Gegenwart“ bildet.[6]

3. Didaktische Überlegungen

3.1 Didaktische Überlegungen zur Unterrichtsreihe

Die Behandlung der Französischen Revolution als Unterrichtsgegenstand ist im Kerncurriculum für die gymnasiale Oberstufe als verbindliches Thema formuliert und nimmt eine zentrale Rolle im Themenfeld „Wurzeln des europäischen Selbstverständnisses und Entstehung der modernen Welt“ ein.[7] Im Mittelpunkt der Reihe steht die Betrachtung der Ereignisse der Französischen Revolution in Bezug auf die geschichtswissenschaftlichen Dimensionen „ Herrschaft und politische Partizipation “, „ Wirtschaft und Gesellschaft “ sowie „ soziale und kulturelle Lebenswelten “.[8] [9] Durch ihren Charakter als Volksrevolution wurde die Französische Revolution zum Modell für alle späteren Revolutionen, womit auch die exemplarische Bedeutung des Reihenthemas ersichtlich wird. Schwerpunkte der Reihe liegen zum einen in der Untersuchung der Ursachen, die zum Ausbruch der Revolution und somit zum Ende des französischen Absolutismus geführt haben, zum anderen in der Betrachtung, inwiefern die Leitlinien der Revolution („Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) umgesetzt wurden und wo die Umsetzung an ihre Grenzen oder gar auf Widersprüche stieß.

Die Umsetzung der Reihe orientiert sich am Basiskonzept Kontinuität und Veränderung in der Zeit, welches den Lernenden einen Orientierungsrahmen bietet, um die historische Gewordenheit von Phänomenen in Vergangenheit und Gegenwart zu erkennen.[10] Das Basiskonzept rückt dabei vom Ansatz einer ganzheitlichen, chronologischen Darstellung geschichtlicher Ereignisse sowie Ereignisketten ab und zielt auf ein problemorientiertes Verfahren ab. Innerhalb der Themenfelder wird ein Problemzusammenhang formuliert, zu dessen Beantwortung die angeführten inhaltlichen Aspekte beitragen sollen.[11]

Im Vordergrund der Reihe stehen damit auch die Förderung der Wahrnehmungs- und Urteilskompetenz für Kontinuität und Veränderung in der Zeit.

3.2 Didaktische Überlegungen zur Unterrichtsstunde

Im Zentrum der Stunde steht die Frage, wie Maximilien de Robespierre, als Führer der Revolutionsregierung, den Einsatz von Gewalt als politisches Mittel zur Durchsetzung der revolutionären Ziele legitimiert. Innerhalb dieser Leitfrage geht es darum, zu beurteilen, ob eine solche Vorgehensweise aufgrund ihrer demokratischen Zielsetzung und der revolutionären Rahmenbedingungen zu rechtfertigen ist. Mit derübergeordneten Frage, inwiefern Gewaltüberhaupt als politisches Mittel zu legitimieren ist, rührt die Stunde an einem zentralen Schlüsselproblem[12] menschlicher Gesellschaft und leistet so einen wertvollen Beitrag zur politischen Bildung der SuS. Weitere Anknüpfungen an die von Klafki formulierten Schlüsselprobleme finden sich in den Bereichen Herrschaft und Demokratisierung sowie Verwirklichung von Menschenrechten.[13]

Der didaktische Schwerpunkt der Stunde liegt in der Förderung der Urteilskompetenz. Indem die SuS die Aussagen Robespierres zunächst unter Berücksichtigung des historischen Kontextes und aus der Sicht Robespierres (Fremdverstehen) bewerten, sollen sie zu einem begründeten und differenzierten Sachurteil gelangen, ob und inwiefern die gewaltsamen politischen Maßnahmen nachzuvollziehen sind. Hier bietet die Stunde auch eine hervorragende Gelegenheit, um an das Vorwissen der SuS anzuknüpfen. So lassen sich eindeutige Bezüge zur Staatstheorie des Niccolò Machiavelli herstellen, bei der die Frage im Mittelpunkt stand, ob der Zweck die Mittel heilige.

Anknüpfend an das Sachurteil, gelangen die SuS zu einem Werturteil. Hier sollte vor allem der Bezug auf die Bürger- und Menschenrechte hergestellt werden. Sind die SuS der Meinung, dass politische Gewalt unter bestimmten Umständen (z.B. zum Schutz der Freiheit und Sicherheit) angewandt werden darf, so spricht die Erklärung der Menschenrechte dagegen. Positionieren sie sich hingegen gegen die Anwendung von Gewalt unabhängig von der Situation, so wird ggf. die Freiheit und der Schutz von Menschen gefährdet. Die Komplexität und Schwierigkeit des Themas wird so ein weiteres Mal ersichtlich.

Inhaltlich hat der Unterrichtsgegenstand sowohl exemplarische Bedeutung als auch eine Bedeutung für die Gegenwart.[14] [15] Die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Gerechtigkeit und Gewalt, um Gewaltanwendung zu legitimieren oder gar als sinnvoll darzustellen, ist eine gängige Argumentation sowohl historischer Akteure als auch gegenwärtiger Diskurse. Die Gegenwartsbedeutung liegt ebenfalls hierin begründet, da die Aktualität des Diskurses in der Gegenwart, z.B. angesichts der teilweise menschenrechtverletzenden, sogenannten „Antiterrormaßnahmen“ an Relevanz nichts verloren hat.

[...]


[1] Im Folgenden werden Schülerinnen und Schüler vereinfacht als SuS bezeichnet.

[2] Thamer, Hans-Ulrich: Die Französische Revolution. München 2013 (4. Auflage). S. 76.

[3] Aus einer Rede Robespierres vom 25. Dezember 1793. Siehe: Horizonte. Geschichte Einführungsphase. Braunschweig 2016. S. 270.

[4] Ebenda

[5] Hirsch, Alfred: Recht auf Gewalt? Spuren philosophischer Gewaltrechtfertigung nach Hobbes. München 2004. S. 116.

[6] Thamer S. 10.

[7] Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe. Hessen. S. 23.

[8] Ebenda S. 26.

[9] Für Bernhardt, Gautschi und Mayer stellen die geschichtswissenschaftlichen Dimensionen eine der „drei Perspektiven des Angebotes“ dar, die als Grundlage zur Themenfindung herangezogen werden sollen. Siehe: Ulrich Mayer/Peter Gautschi/Markus Bernhardt: Themenbestimmung im Geschichtsunterricht der Sekundarstufen. In: Michele Barricelli und Martin Lücke (Hrsg.): Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichtes. 2012. S. 383.

[10] Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe. Hessen. S. 13.

[11] Siehe: Ulrich Mayer/Peter Gautschi/Markus Bernhardt: Guter Geschichtsu]Ebenda S.14.

[12] nterricht - Prinzipien. In: Michele Barricelli und Martin Lücke (Hrsg.): Handbuch Praxis des Geschichtsunterrichtes. 2012. S. 331.

[13] Ebenda

[14] Vgl. Gautschi, Peter: Geschichte lehren. Bern 2005 (3. Auflage). S. 36f.

[15] Siehe auch: Kerncurriculum gymnasiale Oberstufe. Hessen. S. 21: „Die Festlegung der Themenfelder legitimiert sich durch deren Relevanz für die Gegenwart und mögliche Zukunft der Lernenden“.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
„Wie legitimiert Robespierre Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der revolutionären Ziele?“ Unterrichtseinheit zur Französischen Revolution
Hochschule
Studienseminar für Gymnasien Wiesbaden
Veranstaltung
Examensstunde/Unterrichtspraktische Prüfung
Note
2,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
18
Katalognummer
V429535
ISBN (eBook)
9783668730083
ISBN (Buch)
9783668730090
Dateigröße
833 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Französische Revolution, Gewalt, Robespierre, Tugend, Terror
Arbeit zitieren
Andreas Bonß (Autor:in), 2018, „Wie legitimiert Robespierre Gewalt als Mittel zur Durchsetzung der revolutionären Ziele?“ Unterrichtseinheit zur Französischen Revolution, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429535

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