Digitale Lohnarbeit. Ist Crowdworking ein prekärer Bestandteil des Arbeitsmarktes?


Hausarbeit, 2018

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Abstract

2. Einleitung

3. Konzeptualisierung
3.1 Crowdworking
3.2 Prekarisierung

4. Analyse - Wie prekär ist Crowdworking?
4.1 Erosion des Normalarbeitsverhältnisses
4.2 Möglichkeiten und Probleme für betroffene Gruppen
4.3 Modell zur Analyse von Prekarisierungsprozessen nach Klaus Kraemer

5. Resümee - Beantwortung der Leitfrage

6. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Abstract

Diese vorliegende Seminararbeit geht der Fragestellung nach, inwiefern Crowdworking als ein prekärer Bestandteil des Arbeitsmarktes zu betrachten ist. Es soll konkret herausgearbeitet werden, ob Crowdworking mit unsicheren Arbeitsbedingungen und Lebenslagen assoziiert werden kann. Dabei liegt der Fokus auf Prekarisierung und Crowdworking. Primäre Ergebnisse zu Prekarisierung erbringen die Arbeiten von Kraemer (2013), Nachtwey (2016) und Dörre (2005). Die Autorinnen Leihmeister und Zogaj (2017), Pongratz und Bormann (2013) und Schmidt (2017) leisten einen wichtigen Beitrag zu Crowdworking, weswegen ihre Ergebnisse für diese Arbeit ausgewertet wurden. Allerdings sollte der Flaushaltskontext miteinbezogen und analysiert werden, um zu definieren, ob die jeweilige Person in Vollzeit Crowdworking betreibt. Erst im Zusammenspiel mit vielen Dimensionen kann tatsächlich geschlussfolgert werden, dass ein Arbeitnehmer sich im Prekariat befindet. Crowdworking kann auch lediglich als kleiner Nebenverdienst betrachtet werden, den beispielsweise ein gut situierter Rentner erwirtschaftet. Per se kann nicht geschlussfolgert werden, dass Crowdworking immer in Verbindung mit einer prekären Lebenslage steht. Empirische Befunde sind nicht in diese Arbeit eingeflossen, wobei es interessant gewesen wäre, anhand der Daten zu eruieren, ob es bestimmte Gruppen sind, die tatsächlich in Vollzeit einer Crowdwork nachgehen und von einer prekären Lebenslage bedroht sind.

2. Einleitung

Im Jahr 2010 prognostizierte der Leiter des IBM Human Capital Management, dass im Jahr 2017 nur noch 100.000 Festangestellte von 430.000 Beschäftigten im Unternehmen übrig bleiben würden. Stattdessen sollen deren Tätigkeiten von Selbstständigen übernommen werden, die sich durch ein netzbasiertes Ausschreibungssystem dafür bewerben können (vgl. Kawalec & Menzel 2013: 1). Dieser immense Stellenabbau blieb jedoch, zumindest in Deutschland, aus. Zu groß war der Widerstand durch die Gewerkschaften. Dabei handelt es sich um ״Crowdworking“, eine unternehmerische Reorganisatonsstrategie, bei der Kleinstprojekte und Microtasks an externe Crowdworker internetbasiert vergeben werden. Nun stellt sich die Frage um was es sich bei Crowdworking für eine Form der Arbeit handelt. Inkludiert es Unsicherheiten oder sogar Möglichkeiten für Arbeitnehmerinnen? Besonderer Fokus liegt daher auf dem Aspekt der Prekarisierung, in welchem es vorrangig um unsichere Arbeitsverhältnisse geht, die einen Kontrast zum klassischen Normalarbeitsverhältnis darstellen. Zu den Meilensteinen der Forschung zur Prekarisierung gehört mit Sicherheit der 2005 veröffentlichte Aufsatz von Klaus Dörre, in welcher er Dimensionen der Prekarisierung ausführt. Auch die Autorinnen Ahuja-Mayer (2002) und Oliver Nachtwey (2016) haben primäre Charakteristiken von prekären Verhältnissen herausgearbeitet. Sie sollen einen hohen Stellenwert in dieser Arbeit einnehmen. Die Literatur von Klaus Kraemer (2008) rundet diese Literatur mit einem Modell zur Analyse von prekären Verhältnissen ab. Crowdworking ist ein noch relativ junges Phänomen in der Literatur. Mit dieser Thematik befasst sich der Aufsatz von Schmidt (2017), in welchem er konkret beschreibt, was Crowdwork charakterisiert. Auch Leihmeister und Zogaj (2013) sollen einen essenziellen Bestandteil in dieser Arbeit tragen. Zuletzt werden die aktuellen Ergebnisse von Pongratz und Bormann (2017) inhaltlich eingearbeitet. Diese Arbeit wird sich nur auf Crowdwork fokussieren, wobei Kreativwettbewerbe nicht in die Analyse eingebracht werden, da sie nicht mit Erwerbsarbeit in Verbindung gebracht werden können. Zudem werden keine empirischen Befunde Bestandteil dieser Arbeit werden, da sie dem inhaltlichen Rahmen nicht gerecht werden würden. Die vorliegende Arbeit ist in mehrere Abschnitte gegliedert. Den ersten Teil bildet diese Einleitung. Darauf folgt eine Konzeptualisierung, in der die Begriffe Crowdworking und Prekarisierung behandelt werden. Es sollen Arbeitsdefinitionen festgehalten werden. Im Anschluss darin werden diese beiden Begriffe in Verbindung gebracht, um herauszukristallisieren, ob Crowdworking einen prekären Zustand beschreibt. Im letzten Abschnitt wird ein Resümee folgen, in dem versucht wird, anhand der gesammelten Erkenntnisse die Leitfrage zu beantworten. An dieser stelle soll betont werden, dass Crowdworking noch nicht so stark erforscht ist, wie beispielsweise Prekarisierung. Es ist auch noch nicht hinreichend geklärt, inwiefern Crowdworking einen etablierten Bestandteil des Arbeitsmarktes darstellt. Ich entwickelte die Leitfrage: Die digitalen Lohnarbeiterinnen - Inwiefern ist Crowdworking ein prekärer Bestandteil des Arbeitsmarktes? Crowdworking wird in dieser Arbeit als eine Form der Arbeit behandelt, mit der sich ein Einkommen generieren lässt. Der Fokus wird auf Micotasks und Kleinstprojekten liegen, die einen Teil von Crowdworking bilden. Kreativwettbewerbe werden in dieser Arbeit nicht behandelt.

Mit dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, ob Crowdworking einen prekären Charakter hat und wenn, wie dieser sich präsentiert und welche Begleiterscheinungen damit zu assoziieren sind.

3. Konzeptualisierung

3.1 Crowdworking

In diesem Abschnitt werde ich primäre Aspekte von ״Crowdworking“ herausarbeiten und eine Arbeitsdefinition aufstellen.

Nicht nur das Konsumentenverhalten ändert sich durch den digitalen Wandel, sondern es werden auch neue Wertschöpfungsmöglichkeiten geschaffen. Es geht um die Vermittlung von kommerziellen Dienstleistungen. Die Arbeit, die normalerweise ein Festangestellter ausführt, wird an externe Selbstständige abgegeben. Dabei bilden Online-Plattformen die Schnittstelle zwischen Nutzerinnen und Unternehmen. Damit wird Arbeit globalisierter, da Kooperationen auch über die Landesgrenzen hinaus entstehen können (vgl. Müller 2016: 17). Die Autoren Flans J. Pongratz und Sarah Bormann schreiben von einer ״internetbasierten Dienstleistungsökonomie“. Dienstleitungen, die durch finanzielle Ressourcen vergütet werden, werden vollkommen über das Internet organisiert. Die eigentliche Bewältigung dieser Aufgaben kann ortsunabhängig erfolgen und bietet damit einen Zugang zum globalen Arbeitsmarkt. Der gesamte Prozess, einschließlich der Anweisungen für die Aufgabe und der abschließenden Evaluation, muss online erfolgen (Bormann & Pongratz 2017: 158/159). Der Autor Schmidt plädiert dafür, Crowdwork zu unterteilen, wobei sich die beiden Kategorien Microtasking und Kleinsprojekte bilden lassen. Bei Microtasks handelt es sich um sehr kleine Aufgaben, die wenig kognitive Leistung erfordern. Ein populäres Beispiel ist die Plattform Amazon Mechanical Turk. Ein deutscher Ableger ist Clickworker, in der viele kleine Aufgaben an etliche Crowdworkerlnnen vergeben werden (vgl. Schmidt 2017: 16). Auf die sogenannten Kreativwettbewerbe, wo meistens nur ein Ergebnis entlohnt wird, wird in dieser Arbeit nicht eingegangen.

Der Vorteil für die Unternehmen durch die plattformbasierte Vermittlung besteht darin, dass sie jederzeit auf einen großen Pool von Selbstständigen zugreifen können und diese ebenso schnell wieder entlassen können (vgl. Schmidt 2017: 3). Sollte es Ausfälle in dem Unternehmen geben, kann die Firma theoretisch diesen Zeitraum mit den Plattformnutzerinnen überbrücken, um so Engpässe in der Wertschöpfungskette zu vermeiden. Wenn das Stammpersonal wieder einsatzbereit ist, können die Selbstständigen entlassen werden.

Besonders attraktiv für die Unternehmen ist die Tatsache, dass regulierende Maßnahmen, die im Normalfall den Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin schützen sollen, größtenteils umgangen werden können. Darunter fallen Sozialabgaben und Mindestlohn, so der Autor (vgl. Schmidt 2017: 9). Die Online-Plattformen, welche die Aufträge vermitteln, übernehmen meistens auch kein Urlaubsgeld, eine Fortzahlung im Krankheitsfall und bilden ihre Nutzerinnen auch nicht weiter. Nach Abzug der Sozialabgaben liegt der erwirtschaftete Nettolohn oft unter dem Mindestlohn (vgl. Müller 2016: 17). Demnach findet eine Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten statt, die das Arbeitsverhältnis höchst unsicher für die Selbstständigen macht. Diese geringe Bezahlung richtet sich stark nach der Nachfrage und dem Angebot. Niedrigqualifizierte Tätigkeiten, die prinzipiell jeder machen kann, werden demnach niedriger entlohnt, als spezielle Aufgaben, die Fachwissen erfordern (vgl. Leihmeister & Zogaj 2013: 73). Wie auf dem normalen Arbeitsmarkt, haben es Spezialisten, so scheint es, wesentlich einfacher besser bezahlte Aufgaben zu absolvieren.

Die Gehälter von den Crowdworkerlnnen variieren stark. Oftmals wird von einem prekären Charakter geschrieben. Auf der anderen Seite werden auf manchen Portalen überdurchschnittliche Löhne ausgeschüttet. So verdient ein Crowdworker auf der Plattform www.freelancer.com im Durchschnitt bis zu 200 USD pro stunde. Dabei handelt es sich meistens um vollwertige kleine Projekte und keine Routineaufgaben (vgl. Leihmeister & Zogaj 2013: 73). Die Autoren schreiben, dass bei der Plattform Amazon Mechanical Turk zwar eine sichere Bezahlung erfolgt, diese aber meistens den schlecht bezahlten ״Microtasks“ angehören. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu Projekterfahrung mit hoher Bezahlung um Kleinstaufgaben, die keine hohe denkerische Anstrengung erfordern. Es kann auch Vorkommen, dass eine erledigte Aufgabe vom Auftraggeber nicht akzeptiert wird und dann somit keine Entlohnung erfolgt. Auch können die Crowdworkerlnnen schwer einschätzen, wie viel tatsächliche Zeit die jeweilige Aufgabe wirklich in Anspruch nimmt. Da kein direkter Kontakt zu den Auftraggebern besteht, kann sich nur an der Aufgabenbeschreibung orientiert werden (vgl. Leihmeister & Zogaj 2013: 74/75).

Für die Crowdworkerlnnen besteht zwar theoretisch die Möglichkeit auf Klage, was jedoch selten von den digitalen Arbeiterinnen gemacht wird. Dies macht sich vor allem bei den bereits genannten Microtasks bemerkbar. Es handelt sich hier um Aufgaben, in denen wenig Zeit investiert wurde. Weiterhin liegt die Bezahlung in einem sehr kleinen Bereich. Meistens nur ein paar Eurocents. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass der Aufwand einer Klage für Crowdworkerlnnen so groß ist und in keinem Verhältnis zur geleisteten Aufgabe steht, so dass sie sich nicht an eine Institution der Justiz wenden (vgl. Schmidt 2017: 13).

Als problematisch stellt sich auch die allgemeine Auftragslage heraus. Dadurch sinkt die Möglichkeit, ein lebenserhaltenes Einkommen zu erwirtschaften. Einige Plattformen schaffen einen Premium-Zugang, in welchem mehr Aufträge angeboten werden. Prinzipiell wird dafür bezahlt, um mehr arbeiten zu können (vgl. Bormann & Pongratz 2017: 172). In der Bundesrepublik stellt Crowdwork bzw. Online-Arbeit zum großen Teil einen Zuverdienst da. Ausführende Gruppen sind meistens Selbständige, Angestellte und Nicht-Erwerbstätige, wozu Renterinnen und studierenden gezählt werden. Dies lässt sich darin begründen, dass keine Qualifikationen nachgewiesen werden müssen, um eine Aufgabe zu übernehmen (vgl. Bormann & Pongratz 2017: 164/165). Das macht es besonders für benachteiligte Gruppen auf dem Arbeitsmarkt interessant. Es zählen weder die körperliche Verfassung, noch die abgeschlossene Ausbildung. Auch Schmidt schreibt, dass die Einstiegsbarrieren für einen Crowdworker relativ gering sind. Die einzigen Voraussetzungen sind das Akzeptieren der Nutzungsbedingungen und eine vorhandene Internetverbindung. Zu diesen Gruppen zählt der Autor Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen, Geflüchtete oder ״digitale Nomaden“ (vgl. Schmidt 2017: 13). Prinzipiell werden Gruppen nicht ausgeschlossen, sondern es wird benachteiligten Personen des Arbeitsmarktes ermöglicht, als Crowdworkerln zu arbeiten. Zwar gibt es keine klassischen Barrieren, um sich auf der Plattform anzumelden, um die guten Aufträge zu bekommen, werden dennoch fachliche Kenntnisse gefordert. Durch dieses Kompetenzgefälle unter den Crowdworkern und Crowdworkerinnen kann es zu Konkurrenzbeziehungen kommen. Staatliche Regulierungen greifen selten, da die rechtlichen Aspekte in dem Land durchgesetzt werden, in dem die Plattform ihren Sitz hat (vgl. vgl. Bormann & Pongratz 2017: 173).

Die Plattformen haben für die Nutzer einen intransparenten Charakter. Dies liegt an den unüberschaubaren Nutzungsbedingungen, die im Prinzip die Funktion eines Arbeitsvertrages einnehmen. Die Plattformen sichern sich durch diese ausufernden AGBs gegen jede Eventualität ab. So schreibt der Autor, dass die Nutzungsbedingungen von AirBnB eine Länge von 55.000 Wörtern haben (vgl. Schmidt 2017: 11). In einem Normalarbeitsverhältnis wird ein valider Vertrag von beiden Parteien verhandelt und unterzeichnet. Während dieses Prozesses ist für den zukünftigen Arbeitnehmer ein Ansprechpartner zugegen. Bei dem Zustimmen der AGBs von einer Plattform ist dies nicht der Fall. Das ״Arbeitverhältnis“ beginnt bereits mit Unsicherheit für die Nuzerlnnen der Plattform. So beschreiben Leihmeister und Zogaj, die allgemeine Problematik, dass es keinen klassischen Arbeitsplatz gibt, wo der Arbeitnehmer auf seinen Arbeitgeber trifft (vgl. Leihmeister & Zogaj 2013: 76).

Es hat sich herauskristallisiert, dass Crowdwork mit Unsicherheiten, aber auch mit Möglichkeiten der Integration von benachteiligten Gruppen in Verbindung gebracht werden kann. Dies soll im Analyseteil näher erläutert werden. Als Arbeitsdefinition wird festgehalten, dass es sich bei Crowdwork um eine digitale Form von Arbeit handelt, bei der die Aufträge auf einer Plattform ausgeschrieben werden. Microtasks und Kleinstprojekte unterscheiden sich in der Entlohnung. Ein direkter Kontakt mit dem eigentlichen Auftraggeber findet meistens nicht statt. Die Aufgabenbeschreibung muss zur Einweisung genügen.

3.2 Prekarisierung

In diesem Teil der Arbeit wird auf ״Prekarisierung“ eingegangen. Dabei soll der Begriff erst allgemein definiert werden. Außerdem wird das Modell zur Analyse von prekären Verhältnissen nach Klaus Kraemer erläutert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Digitale Lohnarbeit. Ist Crowdworking ein prekärer Bestandteil des Arbeitsmarktes?
Hochschule
Universität Hamburg  (Wirtschafts- und Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
20
Katalognummer
V431119
ISBN (eBook)
9783668739499
ISBN (Buch)
9783668739505
Dateigröße
568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Crowdsourcing, Crowdworking, Prekariserung, Prekär, Plattformökonomie, Kapitalismus, digitaler Kapitalismus, Uber, AirBnB
Arbeit zitieren
Felix Böttjer (Autor:in), 2018, Digitale Lohnarbeit. Ist Crowdworking ein prekärer Bestandteil des Arbeitsmarktes?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/431119

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