Der Prozess des Sokrates. Eine Untersuchung


Dossier / Travail, 2015

20 Pages, Note: 2,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Todesprozess von Sokrates
2.1 Historischer Kontext
2.2 Zeitgenössisches Bild von Sokrates (Die Wolken)
2.3 Das Gerichtswesen von Athen
2.4 Der Prozess als solcher
2.4.1 Die Anklage
2.4.2 Die Apologie
2.4.3 Das Gerichtsurteil

3. Fazit

4. Quellenverzeichnis

4.1 Quellen

4.2 Forschungsliteratur

1. Einleitung

399 v. Chr. wurde Sokrates aufgrund zweierlei Anschuldigungen angeklagt. Zum einen wurde Sokrates vorgeworfen, er stelle die traditionellen Götter der Polis Athen in Frage und versuche dämonische neuartige Wesen an deren Stelle einzuführen und zum anderen sei er ein Jugendverderber. Das Ziel der Ankläger war Sokrates’ Todesurteil. Der Angeklagte Sokrates musste sich selbst verteidigen und bestand darauf, völlig spontan vor den Richter zu reden, um sich noch ein letztes Mal in seinem Leben bewusst von den Sophisten, jene die vor dem Prozess rhetorisch-bedachte Verteidigungsreden für andere verfassten, abzugrenzen. Das Urteil fiel in knapper Mehrheit für seine Todesstrafe aus. Während Sokrates im Gefängnis auf sein Ende wartete, bemühten sich seine Freunde ihn zur Flucht zu überreden. Da es jedoch Unrecht für Sokrates wäre weigerte er sich und starb durch das Trinken des Schierlingsbechers.[1]

Über diese Ereignisse herrscht größtenteils Einigkeit in der Forschung. Was jedoch umstritten und diskutiert wird, ist die Ursache des Prozesses.

Um sich dieser Debatte annähern und möglichst viel von dem Geschehenen verstehen zu können, ist es als Voraussetzung einleuchtend und meiner Meinung nach notwendig die politisch-geschichtliche Lage von Athen – das heißt den historischen Kontext – erst einmal zu erläutern, denn die Vergangenheit hatte sowohl auf die Richter als auch auf die Zuhörerschaft ihren Einfluss. Für das Verständnis des Prozesses erscheint es auch vorteilhaft, sich das zeitgenössische Bild der Athener von Sokrates und das Gerichtswesen genauer anzuschauen.

Der Verlauf des Prozesses, also die Anklage, die Verteidigung und schließlich die Entscheidung werden dargestellt, analysiert und interpretiert. Bei der Untersuchung werden die unmittelbar mit dem Prozess zusammenhängende Werke von Platon, Xenophon und Aristophanes herangezogen und miteinander verglichen, wobei die Glaubhaftigkeit dieser Werke thematisiert werden.

Folgende Leitfragen sollen in der Hausarbeit beantwortet werden: Wie konnte eine so vorbildlich-demokratische Stadt wie Athen den fortschrittlichen Denker seiner Zeit hinrichten? Wie konnten Vorurteile sich in Anklagen verwandeln? Warum ausgerechnet zu dieser Zeit, nicht früher und nicht später? Wie und warum kam der Prozess des Sokrates zur Stande?

Der Historische Kontext

Ein Blick in die Vergangenheit der Polis Athen ist unabdingbar, um sich den Antworten anzunähern. Die politisch-geschichtlichen Ereignisse von ungefähr einem halben Jahrzehnt vor dem Prozess versetzten die Athener in Unsicherheit und Angst.[2] Die athenischen Bürger, sowohl die Richter als auch die Abstimmenden, die an dem Prozess des Sokrates beteiligt waren, haben den peloponnesischen Krieg, den oligarchischen Umsturz und die Schreckensherrschaft der dreißig miterleben müssen[3] und waren wegen ihrer Erfahrung misstrauisch, man könnte sogar behaupten, traumatisiert. Ihr Urteilsvermögen und ihre Entscheidung waren von diesen Memoiren beeinflusst worden, weswegen es für uns wichtig ist einen genaueren Blick auf die Geschichte zu werfen.

Als 431 v. Chr. der peloponnesischen Krieg seinen Anfang fand, war Perikles, ein athenischer Stratege und einflussreicher Staatsmann, davon überzeugt, dass ein schneller Sieg über Sparta sicher sein würde. Der Krieg sollte jedoch einen ganz anderen Verlauf nehmen als Perikles plante. Zu Beginn des Krieges befand sich Athen auf dem Höhepunkt seiner Macht und galt als Sieger und Bezwinger über das Perserreich, welches lange zuvor die griechischen Städte unterdrückte. Das von gleichrangigen Poleis geschlossene Verteidigungsbündnis gegen die äußere Gefahr wurde mit der Zeit immer mehr zu einer Institution von Macht- und Herrschaftsdemonstration der Athener gegenüber den restlichen Bündnispartnern. Das zeigte sich, als Athen jede Art von Austritt aus dem Bündnis militärisch untersagte, fortan wichtige Entscheidungen eigenständig traf und alle Verbündeten streng bewachte.[4] Sparta und Athen waren dabei schon lange vor dem Kriegsausbruch Erzfeinde. Diese Feindschaft wirkte sich auf ganz Griechenland aus. Perikles ging zwar nicht aggressiv und offen gegen Sparta vor, ließ aber auch keine Gelegenheit aus, die athenische Machtsphäre auszuweiten. Nach mehreren Provokationen seitens Athens mit dem Ziel die spartanische Machtposition zu schwächen, verkündete Sparta, wenn auch unter dem Druck seiner Verbündeten, den Krieg gegen Athen.[5] Die ersten zehn Jahren, in denen Athen und Sparta verbittert gegeneinander mit der Unterstützung der jeweiligen Verbündeten kämpften, waren Ergebnis- und Entscheidungslos.[6] Alkibiades, ein immer mehr an Macht gewinnender athenischer Stratege und Schüler von Sokrates, konnte die Athener zur Entsendung einer riesigen Flottenexpedition nach Sizilien überreden.[7] Spätestens ab diesem Zeitpunkt folgte eine militärische und innenpolitische Katastrophe nach der anderen für Athen. Der oligarchische Umsturz 411 v. Chr. ist eine Antwort auf das unerwartete Scheitern der sizilischen Expedition und die außenpolitische Katastrophe.[8] Die aristokratische Verschwörung, deren gemeinsame Abneigung gegen die Demokratie vielen bekannt war,[9] sah ihre Gelegenheit in der inneren Unruhe und formte eine Regierung – der Rat der 400 – der die gesamte Entscheidungsgewalt für sich beanspruchte.[10] Es ist fragwürdig, ob Sokrates an solchen Verschwörungstreffen vor dem Umsturz teilnahm. Einerseits soll er selbst in seiner Apologie seine Beteiligung verneint haben, andererseits wissen wir, dass Sokrates die Abneigung der Klubmitglieder teilte und mit vielen von ihnen ein enges Verhältnis führte.[11] Die Tatsache, dass einige seiner berühmtesten Schüler eine führende Rolle bei dem Umsturz hatten, wird Sokrates später noch zum Verhängnis. Das oligarchische Willkürregime währte aufgrund von weiteren militärischen Misserfolgen nur vier Monate lang. Obwohl Athen unter Aufbietung aller Kräfte noch einmal eine Kriegsflotte aufstellen konnte, besiegte der spartanischer General Lysander diese endgültig und zwang Athen in die Knie, indem alle lebensnotwendigen Nachschubwege abgeschnitten worden sind. Die ausgehungerte und erdrückte Stadt musste sich 404 v. Chr. den Spartaner ergeben.[12] Ihre Kapitulation könnte in der neuzeitlichen Terminologie als bedingungslos bezeichnet werde,[13] denn Lysnader bestand darauf, dass Athen alle Mauern abreißt, auf alle Außenbesitzungen verzichtet und fast alle restlichen Flotten ausliefert.[14] Athen musste nicht nur den neuen Herrschaftsanspruch Spartas ertragen, sondern auch den eigenen Stolz niederlegen. Unter der Präsenz der spartanischen Truppen war das Volk so eingeschüchtert und beängstigt, dass es für dreißig Oligarchen abstimmte, die ihre Macht auf die spartanische Besatzung und Gewalt stützen und dementsprechend ein spartafreundliches Regierungsprogramm im Sinn hatten.[15] Die Athener nahmen dabei wahr, dass ein Schüler Sokrates‘ – Kritias – an der Spitze des Umsturzes stand. Das Vollbürgerrecht wurde auf die 3000 privilegiertesten und den Machthaber nahsten Athener beschränkt. Es bestehen wenig Zweifel, dass Sokrates diesen Rechtsschutz genoss, denn während alle anderen nicht privilegierten unter Verlust ihres Vermögens vertrieben oder getötet worden, blieb er die ganze Zeit unversehrt in Athen.[16] Nachdem es den Demokraten gelang die herrschenden Oligarchen in einem Bürgerkrieg zu besiegen, vermittelte der spartanische König Pausanias einen Frieden. Das Ende des Schreckensregimes war gekommen. Die demokratische Verfassung wurde ein zweites Mal innerhalb so kurzer Zeit wiederhergestellt und fortan gilt eine neue Vereinbarung: die Amnestie. Sie verbot jedes öffentliche Reden über die Vergangenheit unter Strafandrohungen und schloss die Entschädigung der athenischen Demokraten aus.[17] Die meisten Oligarchen flohen nach Eleusis, eine Stadt in der Nähe von Athen, errichteten dort ein neues Staatswesen unter den Fittichen Spartas und warteten auf eine Gelegenheit erneut die Macht von Athen ergreifen zu können.[18] Zwei Jahre lang hatte die wiederhergestellte Demokratie mit der ständigen Bedrohung leben müssen und als bekannt wurde, dass die Oligarchen Söldnertruppen anwarben, um erneut an die Macht zu kommen, löschten die Demokraten diese Bedrohung endgültig aus.[19]

[...]


[1] Vgl. DNP, Döring, Klaus: Sokrates.

[2] Vgl. Stone, I.F.: Der Prozess gegen Sokrates, Wien/ Darmstadt 1990, 168.

[3] Vgl. Breitbach, Michael: Der Prozess des Sokrates ‒ Verteidigung der oder Anschlag auf die Demokratie?, in: Gymnasium 112 (2005) 326.

[4] Vgl. Mosse, Claude: Der Prozess des Sokrates, Brüssel 1987, 11‒15.

[5] Vgl. Funke, Peter: Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit (500‒360 v. Chr.), in: Hans- Joachim Gehrke/ Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike, Stuttgart/ Weimar 2013, 168‒169.

[6] Vgl. Mosse, Claude: Der Prozess des Sokrates, 16.

[7] Vgl. Funke, Peter: Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit, 171‒172.

[8] Vgl. Malitz, Jürgen: Sokrates im Athen der Nachkriegszeit (404‒399 v. Chr.), in: H. Kessler (Hrsg.): Sokrates - Geschichte, Legende, Spiegelungen. Sokrates Studien II: die Graue Edition, Kusterdingen 1995, 13.

[9] Vgl. Stone, I.F.: Der Prozess gegen Sokrates, 170.

[10] Vgl. Malitz, Jürgen: Sokrates im Athen der Nachkriegszeit, 13.

[11] Vgl. Stone, I.F.: Der Prozess gegen Sokrates, 170.

[12] Vgl. Funke, Peter: Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit, 173.

[13] Vgl. Malitz, Jürgen: Sokrates im Athen der Nachkriegszeit, 15.

[14] Vgl. Funke, Peter: Die griechische Staatenwelt in klassischer Zeit, 173.

[15] Vgl. Stone, I.F.: Der Prozess gegen Sokrates, 172‒173.

[16] Vgl. Malitz, Jürgen: Sokrates im Athen der Nachkriegszeit, 20.

[17] Vgl. Breitbach, Michael: Der Prozess des Sokrates, 326.

[18] Vgl. Malitz, Jürgen: Sokrates im Athen der Nachkriegszeit, 19‒20.

[19] Vgl. ebd., 25.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Der Prozess des Sokrates. Eine Untersuchung
Université
University of Freiburg
Note
2,7
Auteur
Année
2015
Pages
20
N° de catalogue
V432587
ISBN (ebook)
9783668754768
ISBN (Livre)
9783668754775
Taille d'un fichier
553 KB
Langue
allemand
Mots clés
Sokrates, Prozess, Griechenland, Antike, Gericht, Athen
Citation du texte
Jie Simona Zhou (Auteur), 2015, Der Prozess des Sokrates. Eine Untersuchung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432587

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