Dualistische Körperbetrachtung

Eine kritische Reflexion


Hausarbeit, 2016

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Körper & Kultur

Eine kritische Reflexion der dualistischen Körperbetrachtung

1 Einleitung

2 Gesellschaftlichkeit von Körper

3 Körperkonzepte
3.1 Körper als Produkt von Kultur
3.2 Körper als Produzent von Kultur
3.3 Körper und Leib

4 Embodiment

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

» Ich meinerseits, Madame, nun ja, bemerk ihn schon, ich hab die Seele zwar, doch auch den Leib,pardon! Ich spür, er duldet’s nicht, dass man ihn ignoriert; und wie man beides trennt, das hab ichnie kapiert: Der Himmel gab mir nicht diese Philosophie, Körper und Geist gehört zur selben

Kompanie. «

aus: Die gelehrten Frauen. (1672) Molière, J.B.(2004).Ditzingen: Reclam Verlag.

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem menschlichen Körper in seiner gesellschaftlichen und kulturellen Dimension auseinander. Auf Grundlage einer Kritik der dualistischen Körperbetrachtung und der Konstruktion von Körper und Kultur als dichotome Entitäten soll der Ansatz des Embodiment untersucht werden. Im Zentrum steht die Frage, wie der Körper als Produkt und Produzent gesellschaftlicher Wirklichkeiten gedacht werden kann, anstatt diesen als eine vermeintlich natürlich gegebene Tatsache vorauszusetzen.

Der erste Teil widmet sich der grundlegenden Verbindung von Körper und Kultur: der Gesellschaftlichkeit des Körpers. Anhand der Ausführungen von Christoph Wulff und Robert Gugutzer wird zu Beginn die Bedeutung des Körpers in der Anthropologie und dessengesellschaftliche und kulturelle Dimension aufgezeigt. Es wird erörtert, dass der Körper keinenatürlich gegebene Tatsache, sondern ein vielschichtiges und auch kulturelles Phänomen ist.Anschließend wird die Gesellschaftlichkeit des Körpers als immaterielles kulturelles Erbe anhandder weiten Kulturdefinition nach Edward B. Tylor und Ansätzen Wulffs aufgezeigt und erkannt,dass der Körper in seiner konzeptuellen kulturellen Dimension kein starres, sondern fließendes Phänomen ist. Darauf folgend wird Wulffs Entwurf des Körpers als Träger des immateriellenkulturellen Erbes, also des Körpers als Produkt von Kultur, mit Gugutzers Auffassung des Körpersverglichen. Dieser sieht den Körper sowohl als Produkt, als auch als Produzenten von Kultur an.

Daran schließt sich der zweite Teil an, in welchem die zwei unterschiedlichen Perspektiven auf den Körper zuerst als Produkt und schließlich als Produzent von Kultur näher betrachtet werden. Die Idee des Körpers als Produkt von Kultur wird in ihrem von Teresa Platz erkannten Ursprung im cartesianischen Dualismus untersucht. Mit Ausführungen Gregor Schiemanns wird der cartesianische Dualismus erst erklärt und dann anhand Erläuterungen Platz’ die Bedeutung einer Überwindung der Dualismen aufgezeigt. Später werden Mary Douglas’ Konzept der zwei Körper mit Gugutzers Überlegungen in Zusammenhang gebracht.

Darauf folgend wird der Körper in seiner Kultur produzierenden Funktion, als Subjekt von Kultur betrachtet. Hierbei werden Maurice Merleau-Pontys Gedanken zur Konstruktion der Wirklichkeitdurch den Körper aufgeführt und anhand Ausführungen Platz’ zusammenfassend erläutert. Daranschließt sich ein Abriss zu Pierre Bourdieus Habituskonzept an, wobei der Körper als kulturelle Handlungen produzierend, wie auch als kulturelle Handlungen reproduzierend illustriert wird. Desweiteren wird ein Bogen von Bourdieus Habituskonzept zu Überlegungen Wulffs gespannt und das„immaterielle kulturelle Erbe“ oder die habituellen Schemata als von den Menschen unreflektierterkannt.

Im dritten Teil wird auf die Begriffe des Körpers und des Leibes näher eingegangen, indem diese sprachlich voneinander abgegrenzt werden. Diese sprachliche Abgrenzung anhand Ausführungen Platz’ gestalten ein wichtiges Fundament für das Konzept des Embodiment. Es wird bündig die Verbindung von Leib und Kultur in deren reziproken Beziehung zusammenfassend erörtert und auch die Überwindung der Dualismen nochmals betont.

Schließlich wird das Konzept des Embodiment nach Thomas J. Csordas auf die bisherige Argumentation aufbauend als Lösungsansatz für eine Körperbetrachtung untersucht, bei welcher die dualistische Betrachtung des Körpers überwunden werden soll. Dafür wird das Konzept als methodologisches Paradigma in seinen Grundzügen mittels Ausführungen von Csordas selbst, Platz und Frank Heidemann aufgezeigt. Des Weiteren wird ein Kritikpunkt am Embodiment nach Csordas durch Platz kurz angeschnitten.

Zum Schluss der Arbeit werden im Fazit die vorgebrachten Argumente erneut prägnant aufgezeigt und ansatzweise die Frage beantwortet, wie gesellschaftliche Wirklichkeiten vom Körper aus und mit dem Körper gedacht werden können, anstatt den Körper als eine vermeintlich natürlich gegebene Tatsache vorauszusetzen.

2 Gesellschaftlichkeit von Körper

Um sich der Gesellschaftlichkeit von Körper annähern zu können, soll vorerst die Bedeutung des Körpers für die Anthropologie verdichtet aufgezeigt werden:

„Der Körper ist die Bedingung menschlicher Existenz (…). In der Auseinandersetzung mit dem Körper sollein Wissen gewonnen werden, das in dieser Situation des Nicht-Wissens, wer der Mensch sei, dazu beiträgt, etwas über den Menschen zu erfahren, das trotz allen Zweifels als Grundlagenwissen angesehen werden kann“ (Wulff 2006: 125).

Aus dieser Feststellung Wulffs lässt sich folgern, dass bei der Betrachtung und Analyse der Menschen die Betrachtung des Körpers - als wichtiger Bestandteil eines Menschen - elementar ist.Dem Körper kommt also in der ethnologischen Forschung eine große Bedeutung zu. Bei der Fragenach dem Körper wird dieser allerdings häufig als lediglich natürlich gegebene Tatsache betrachtet(vgl. Heidemann 2011: 239). Gugutzer erkennt dies als natürliche Komponente des Körpers an,betont jedoch zugleich auch die gesellschaftlichen und kulturellen Aspekte des Körpers:

„Der menschliche Körper ist [zwar] einerseits Teil der Natur und als solcher deren Gesetzen unterworfen- er wird geboren, muss ernährt werden und schlafen, er altert und stirbt (…)Andererseits aber unterscheidet sich die Art und Weise, wie diese natürliche Seite des Körpers wahrgenommen, bewertet und gelebt wird je nach Epoche, Kultur und Gesellschaft“ (Gugutzer 2015: 8).

Der Körper hat folglich eine nat ü rliche Dimension, in dem er natürlichen Gesetzen unterworfen ist, jedoch zugleich eine gesellschaftliche, kulturelle Dimension.

Nach Gugutzer ist diese gesellschaftliche Dimension das Wissen über- und der Umgang mit dem Körper. Mit anderen Worten drückt die gesellschaftliche Dimension der Körpers aus, wie Körper in der Gesellschaft gedacht und erfahren wird, wie Körperkonzepte produziert und reproduziert werden. Der Umgang und das Wissen über den Körper sind nach Meinung Gugutzers stets kulturell und gesellschaftlich geprägt:

„Was immer wir mit unserem Körper tun, wie wir mit ihm umgehen, wie wir ihn einsetzen, welche Einstellung wir zu ihm haben, wie wir ihn bewerten, empfinden und welche Bedeutung wir dem Körperzuschreiben, all das ist geprägt von der Gesellschaft und der Kultur, in der wir leben“ (Gugutzer 2015: 7).

An dieser Stelle muss betont werden, dass der Begriff Kultur ein vielschichtiger ist undunterschiedlichste Bedeutungen aufweist. Eine davon ist die berühmte Definition Tylors von Kulturals „jener Inbegriff von Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Gesetz, Sitte und allen übrigen Fähigkeitenund Gewohnheiten, welche der Mensch als Glied der Gesellschaft sich angeeignet hat“ (Tylor 2005:

1). Folgt man diesem weiten Kulturbegriff nach Tylor, so kann Kultur treffend mit Wulffs Wortenals „immaterielle[s] kulturelle[s] Erbe“ (Wulff 2006: 66) beschrieben werden.Dieses immaterielle kulturelle Erbe ist nicht als starr, sondern als fließender Prozess zu betrachten.So unterliegen nach Auffassung Wulffs diese körperbasierten Praktiken immateriellen kulturellen Erbes gesellschaftlichen und historischen Transformationsprozessen (Wulff 2006: 66). Er grenzt diese von materiellen Kulturobjekten ab, wie beispielsweise architektonischen Werken, und sieht besonders das immaterielle kulturelle Erbe als „an den gesellschaftlichen Wandel und Austausch gebunden“ (Wulff 2006: 66) an.1 Wulff nennt als Beispiele immateriellen kulturellen Erbes „ 1. [die] oralen Traditionen und Ausdrucksformen einschließlich der Sprache; 2. [die] darstellenden Künste; 3. [die] sozialen Praktiken, Rituale und Feste; 4. [die] Praktiken im Umgang mit der Natur; [und] 5. [das] traditionelle Handwerkswissen“ (ebd.). Den Körper skizziert er hierbei als Medium des immateriellen und kulturellen Erbes (ebd.).

Wulff stellt die zentrale Rolle des menschlichen Körpers als Tr ä ger des immateriellen kulturellen Erbes in den Vordergrund (ebd.) und sieht die gesellschaftliche Bedeutung des Körpers vor allem inseiner Rolle als Objekt von Kultur. Gugutzer hingegen sieht die Gesellschaftlichkeit des Körpers inzweifacher Hinsicht, „zum einen als Produkt, zum anderen als Produzenten von Gesellschaft“ (Gugutzer 2015: 8), zum Ausdruck gebracht. Bei ihm ist Körper also nicht nur ein Träger oder Objekt, sondern auch ein Subjekt von Kultur. In einem Fazit betont jedoch auch Wulffdie Komplexität des Körperbegriffs, denn „einst feste Vorstellungen haben sich verflüssigt“ (Wulff2006:127) und die Analyse des Körperbegriffs gehöre „zu den nicht zu Ende kommenden Aufgabenhistorisch-anthropologischer Untersuchungen“ (Wulff 2006: 127). Es ist daher wichtig, bestehende Körperkonzepte stetig zu hinterfragen und die komplexe Thematik des Körpers als Diskurs undnicht als starres Modell anzusehen.

3 Körperkonzepte

Die Ethnologie des Körpers beschäftigt sich, so Heidemann, mit eben diesen Konzepten, auf welchen die Vorstellungen von Körper basieren (Heidemann 2011: 239). Dabei stehen die Reziprozität von Körper und Kultur, Körpertechniken, leibliche Erfahrungen und die Anschauungen von Körper per se im Zentrum (Heidemann 2011: 239). Zunächst „wurde der Körper als etwas Natürliches, etwas Gegebenes betrachtet und im Hinblick auf seine Veränderungen als Objekt oder als Projektionsfläche“ (Heidemann 2011: 239) analysiert.

3.1 Körper als Produkt von Kultur

Es stellt sich die Frage, wo diese Vorstellung eines natürlich gegebenen Körpers, der lediglich Projektionsfläche und somit Produkt von Kultur ist, seinen Ursprung hat.

Es sei hierbei erwähnt, dass selbstverständlich auch materielle Kulturobjekte an den gesellschaftlichen Wandel und Austausch gebunden sind.

Laut Platz ist diese Betrachtung des Körpers als Produkt von Kultur im cartesanischen Dualismus verankert (vgl. Platz 2006: 13). Dieser von Descartes entwickelte cartesianische Dualismus betrachtet Körper und Geist als asymmetrische Entitäten (vgl. Schiemann 2008: 166). Dabei wird der Geist als gegenteilig zur Natur und der Körper als reziprok zur Natur definiert (Schiemann 2008: 168). Körper und Geist werden folglich als gegensätzlich betrachtet:

„Descartes nimmt also an, dass der immaterielle Geist und der greifbare Körper bzw. die Materie allgemeinsich grundlegend unterscheiden, auch wenn sie gemeinsam die menschliche Existenz ausmachen“ (Platz2006: 15).

Mit dem cartesianischen Dualismus sind auch andere Dualismen verbunden. So die Gegenüberstellung von Natur und Kultur, Individuum und Gesellschaft (ebd.). Der Körper wird im Rahmen dieser Dualismen also der Natur und der Geist der Kultur zugeschrieben (Platz 2006: 15f). Denkt man in dieser kategorialen Ordnung weiter, kann der Körper als natürlich und vom kulturellen Geist geformt charakterisiert werden. Nach Descartes ist also „der Körper (…) lediglich das abgegrenzte Behältnis dieses Selbst (des Geistes)“ (ebd.). Der menschliche Körper wird so allein als natürliche Materie und Projektionsfläche des Selbst, des kulturellen Geistes betrachtet. Platz kritisiert dieses kategoriale dualistische Denken stark:

„Diese Dualismen zu überwinden ist ethnologisch besonders relevant, da es sich um künstliche Trennungen handelt, die erstens nicht den Bedingungen der menschlichen Existenz entsprechen und zweitens partikular für das moderne westliche Denken sind“(Platz 2006: 13).

Demnach scheint eine Überwindung der Dualismen erstrebenswert. Des Weiteren führt dercartesianische Dualismus zu einer Denkweise, bei welcher der Körper als scheinbar feste Kategorieentworfen wird und nicht als, wie bereits zuvor erörtert, fließend gedacht wird.Spätere Ansätze entwickeln den Körper als sowohl kulturelles wie auch natürliches Phänomen. Sowerden Körper, Geist, Natur und Kultur als wechselwirkende, fließende Kategorien betrachtet.Auch Douglas beschreibt den Körper als vielfältige Struktur mit gegenseitigem Einfluss:

„Der Körper als soziales Gebilde steuert die Art und Weise, wie der Körper als physisches Gebilde wahrgenommen wird; und andererseits wird in der (durch soziale Kategorien modifizierten) physischen Wahrnehmung des Körpers eine bestimmte Gesellschaftsauffassung manifest“ (Douglas 1986: 99).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Dualistische Körperbetrachtung
Untertitel
Eine kritische Reflexion
Hochschule
Universität Leipzig
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
16
Katalognummer
V432589
ISBN (eBook)
9783668750074
ISBN (Buch)
9783668750081
Dateigröße
387 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Körper, Körperbetrachtung, Dualismus, Embodiment
Arbeit zitieren
Rosa Goldfuss (Autor:in), 2016, Dualistische Körperbetrachtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/432589

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Dualistische Körperbetrachtung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden