Die postfamiliale Familie - Von der Veränderung privater Gesellungsformen


Seminararbeit, 2004

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Familie im Wandel
2.1 Definitionen von Familie
2.2 Familienfunktionen
2.3 Von der Not- zur Wahlgemeinschaft

3. Veränderte Lebenswelt
3.1 Individualisierung
3.2 Flexibilität und Mobilität im Beruf

4. Neue Formen des Zusammenlebens

5. Abschließende Bemerkungen

6. Literaturangaben

1. Einleitung

Die Familie ist tot, es lebe die Familie – so könnte der Satz lauten, der den derzeitigen Zustand der Familie als die noch immer bedeutendste soziale Gruppe im zwischenmenschlichen Zusammenleben charakterisiert. Unsere Gesellschaft verändert sich derzeit rasant, Altbekanntes und –bewährtes bricht sowohl im sozialen als auch im beruflichen Bereich auf und macht neuen Formen der Arbeit und des Zusammenlebens Platz. Dies wirkt sich auf das Leben vieler Menschen konkret und spürbar aus. Arbeitsrhythmen verändern sich, Mann- und Fraubeziehungen müssen neu geordnet werden und mit ihnen auch die Vorstellungen und die Umsetzung von individuellen Lebensentwürfen, Familie und Partnerschaft. An bestimmten Merkmalen läßt sich die Gestalt der postfamilialen Familie allerdings nicht festmachen, ist es doch geradezu Kennzeichen dieser neuen Gesellungsform, daß sie sich in vielen unterschiedlichen Ausprägungen präsentiert.

Bereits heute sind – wie auch immer geartete – postmoderne Formen familiären Zusammenlebens bei vielen Menschen Teil einer sogenannten Patchwork-Biographie geworden. „Durch institutionelle und lebensgeschichtliche Vorgaben entstehen gleichsam Bausätze biographischer Kombinationsmöglichkeiten. Im Übergang von der ,Normal- zur Wahlbiographie’ bildet sich der konfliktvolle und historisch uneingeübte Typus der ,Bastelbiographie’ heraus (Beck, 1986: 217). Tendenziell wird Familie künftig nicht mehr lebenslang angelegt sein, sondern ihren Platz zwischen neuen Freiheiten, aber auch Zwängen, behaupten müssen. Denn die meisten Menschen werden ihr Leben nach postmodernen Einflußfaktoren wie Individualisierung, Mobilität und Flexibilität ausrichten. Traditionelle Familienmuster sind damit fortan in Frage gestellt: „Moderne bedeutet die massenhafte Freisetzung von Individuen aus traditionellen Lebenszusammenhängen“ (Clermont, 1997: 18).

In dieser Hausarbeit werden zunächst die traditionelle Familie und ihr Wandel dargestellt: Ausgehend von Definitionen werden die ursprünglichen Funktionen der Familie kurz erläutert, anschließend die Art der Veränderung im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte beschrieben. In einem weiteren Kapitel sollen sowohl die internen als auch die externen Ursachen für die Veränderungen familialer Konstellationen ergründet werden. Ein Überblick zu den Schlagworten Individualisierung, Mobilität und Flexibilität soll zum einen zeigen, wie sich die gesellschaftlichen Umbrüche auf den einzelnen Menschen auswirken, zum anderen, wie sich die postmoderne Arbeitswelt und ihre Anforderungen auf das Individuum auswirken. Auf dieser Grundlage will der vorliegende Text dann zeigen, welche neuen Formen des Zusammenlebens sich aus dem aufgezeigten Gesellschaftswandel bisher gebildet haben. Abschließende Bemerkungen zur Thematik runden die Hausarbeit ab.

2. Familie im Wandel

Alleinerziehende oder geschiedene Mütter und Väter, Patchwork-Familien, Stiefmütter und Stiefväter, Wochenendväter, Hausmänner mit einer berufstätigen Ehefrau, Väter in Wohngemeinschaften, wieder verheiratete Väter: Die Familie in der traditionellen Vater-Mutter-Kind-Konstellation, die sich bis in die Moderne hinein als angemessenes (Über-)Lebensumfeld bewährt hat, hat ihr Monopol verloren. Familie, Ehe, Elternschaft, Mutter, Vater: Unter diesen Begriffen findet sich heute eine ganze Anzahl unterschiedlicher Ausprägungen.

2.1 Definitionen von Familie

Dem Lexikon nach ist die Familie eine „besonders bedeutende Form der sozialen Gruppe, die in der heutigen Industriegesellschaft in der Regel aus den in einem Eheverhältnis lebenden Eltern und ihren (unselbständigen) Kindern besteht (Kernfamilie oder Kleinfamilie)“ (Meyers Großes Taschenlexikon, Band 10: 332). Soziologisch läßt sich die Familie wie folgt definieren: „Unter Familie im engeren Sinne und soziologischen Verständnis ist jene Lebensgemeinschaft und Sozialgruppe zu verstehen, in der Erwachsene sich der Erziehung (Sozialisation) von Kindern und Jugendlichen widmen“ (Schäfers, 1998: 127).

In der historischen Dimension „hatten die Verwandtschaftsverbände als Geschlechter, Klane, Sippen intensivere soziale Bindekraft“ (Fischer Lexikon, 1997: 162); zudem zählten dazu aus heutiger Sicht auch „familienfremde Personen wie Dienstmädchen, Mägde und Knechte, Handwerksgesellen und Lehrlinge, Ziehkinder oder andere nichtverwandte Mitbewohner. (...) Der maßgebliche Rahmen der Gruppierung war das Leben unter einem Dach beziehungsweise um eine Feuerstelle“ (Fischer Lexikon, 1997: 163). Im heutigen Wortverständnis kann „Familie“ zum einen eine Gruppe nicht gemeinsam lebender, aber miteinander verwandter Personen sein, zum anderen Familienmitglieder, die gemeinsam in einem Haushalt leben, also sowohl Verwandtschaftsverband als auch Haushaltsgemeinschaft. Bereits das Wohnen in einem gemeinsamen Haushalt als Voraussetzung für Familie zu werten, ist kritisch, beispielsweise in Fällen, in denen ein Ehepartner seinem Erwerbsleben in einer anderen Stadt nachgeht oder Kinder ihre Schulzeit in einem Internat verbringen.

2.2 Familienfunktionen

Zu den klassischen Funktionen der Familie zählt die Versorgung mit Nahrung, Kleidung und Wohnung: „Vor allem das gemeinsame Essen und das gemeinsame Wohnen unter einem Dach sind seit alters entscheidende Kriterien, nach denen Familienzugehörigkeit beurteilt wird. (...) Als historische Schutzfunktionen, die die Familiengemeinschaft gegenüber ihren Angehörigen ausübt, ist Hilfe in Risikosituationen wie Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit zu bedenken“ (Fischer Lexikon 1997: 173).

Im gesellschaftlichen Kontext nimmt die Familie grob unterteilt vier verschiedene Aufgaben wahr. An erster Stelle steht die Reproduktionsfunktion, an der jede Gesellschaft naturgemäß interessiert ist, weil nur so ihr Weiterleben sichergestellt ist. Nach der Geburt eines Familienmitglieds übernimmt die Familie die Sozialisationsfunktion: Dem Menschen werden in seiner Kindheit die Wertvorstellungen und Normen sowie kulturspezifische Eigenheiten der Gesellschaft vermittelt (Enkulturation), in die er hineingeboren ist. „Normen und Werte sind unerläßlich für jedes soziale Miteinander, da sie die personellen und materiellen Beziehungen festlegen, denen sich jeder unterwerfen muss“ (Lossin, 2003: 22). Bei der Haushaltsfunktion steht die wirtschaftliche Versorgung der Mitglieder im Vordergrund, wobei das Überleben, Wirtschaften und Haushalten nicht nur im Interesse der Individuen, sondern auch der Gesamtgesellschaft liegt. Zur Regenerationsfunktion der Familie zählen geistige und körperliche Erholung sowie die emotionale Befriedigung. Wichtig sind in diesem Zusammenhang Rituale, die das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Familie erhalten und stärken: „Rituale bieten eine Möglichkeit, Grenzen zu setzen, Normen und Werte zu etablieren und Beständigkeit zu leben, welche Voraussetzung dafür ist, die Freiheit der modernen Gesellschaft zu genießen“ (Lossin, 2003: 22). Wie in den folgenden Kapiteln ausgeführt werden wird, sind es gerade diese Rituale, die unter postmodernen Bedingungen nicht mehr selbstverständlich gelebt werden können.

2.3 Von der Not- zur Wahlgemeinschaft

An den unterschiedlichen Epochen im Laufe der Jahrhunderte läßt sich wunderbar nachvollziehen, wie sich die Familie in ihrer Bedeutung und ihren Aufgaben verändert hat: „Ähnlich wie im 19. Jahrhundert Modernisierung die ständisch verknöcherte Agrargesellschaft aufgelöst und das Strukturbild der Industriegesellschaft herausgeschält hat, löst Modernisierung heute die Konturen der Industriegesellschaft auf, und in der Kontinuität der Moderne entsteht eine andere gesellschaftliche Gestalt“ (Beck, 1986: 14). Bis ins 19. Jahrhundert hinein prägte die vorindustrielle Gesellschaft die Gestalt der Familie, die hauptsächlich Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft war. Das vorrangige Ziel der meist in kleinen Dorfgemeinschaften auf dem Lande lebenden Menschen mußte die möglichst vollständige Selbstversorgung sein. Aus dieser „Notgemeinschaft“, die sich aus der Notwendigkeit eben dieser Selbstversorgung heraus ergab, entwickelte sich während der Industrialisierung im 18. und 19. Jahrhundert die Industriegesellschaft. In dieser Epoche vollzog sich die Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort; meist in der Form, daß der Mann der außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachging. Der Arbeitsbereich der Frau blieb weiterhin auf das Haus beschränkt. In dieser Konstellation waren Mann und Frau noch immer voneinander abhängig und auf gegenseitige Solidarität angewiesen: Sie konnte ohne seinen Verdienst nicht überleben, er brauchte sie im Haushalt, um arbeiten gehen zu können. Doch bereits zu dieser Zeit machten sich erste Veränderungen bemerkbar. So wurden unter anderem Familienfunktionen teilweise an außerfamiliale Einrichtungen wie Schulen oder Ausbildungsstätten abgegeben. Die Familiensoziologie spricht dabei von einem Funktionsverlust der Familie.

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Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die postfamiliale Familie - Von der Veränderung privater Gesellungsformen
Hochschule
Universität Leipzig
Veranstaltung
Der flexible Mensch in der Erlebnisgesellschaft
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V43281
ISBN (eBook)
9783638411189
ISBN (Buch)
9783638790673
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Familie, Veränderung, Gesellungsformen, Mensch, Erlebnisgesellschaft
Arbeit zitieren
Christiane Bayer (Autor:in), 2004, Die postfamiliale Familie - Von der Veränderung privater Gesellungsformen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43281

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