Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Ethnographie –eine Begriffserklärung
3. Methoden der Ethnographie
3.1 Der Feldzugang
3.2 Datengewinnung
3.2.1 teilnehmende Beobachtung
3.2.2 Verfremdung
4. Schwierigkeiten und Probleme
4.1 Schwierigkeiten in der Einstiegsphase
4.2 Schwierigkeiten in der Phase der Datengewinnung
4.3 Die Kritik der mangelnden Kontrollierbarkeit
5. Chancen und Möglichkeiten
6. Schluss
Literatur
1. Einleitung
Ethnographische Forschung wird vor allem in den Bereichen der Soziologie, der Ethnologie und der Erziehungswissenschaft genutzt. Die Arbeit beschäftigt sich mit der Ethnographie als soziologische Forschungsstrategie.
In Abgrenzung zur ethnologischen Ethnographie, die sich der Erforschung fremder Kulturen widmet, wird die soziologische Ethnographie in der eigenen Gesellschaft durchgeführt (vgl. Knoblauch 2001, S. 124). Die Nähe zum Feld bzw. das Integriert sein in die zu erforschende (sub)kulturelle Lebenswelt, wie sie in der modernen Ethnographie praktiziert wird, liegt einer langjährigen Entwicklung zugrunde. Aufgrund globaler Veränderungen und Entwicklungen in Richtung einer komplexeren, vielgeschichteten Gesellschaft kommt es zunehmend zu Differenzierung, Individualisierung oder dem Streben nach Identitätsbildung durch verschiedene Lebensstile. Diese Ausbildungen zu untersuchen und der Allgemeinheit zugänglich zu machen, ist Aufgabe der Ethnographie, wodurch sie für die Wissenschaft immer stärker an Bedeutung gewinnt. Dies zeigt sich an einer Zunahme ethnographischer Studien in den letzten Jahren (vgl. Lüders 2008, S. 389).
Diese Arbeit thematisiert die methodische Praxis der soziologischen Ethnographie, als eine durch Ambivalenzen bestimmte Forschungsstrategie. Zunächst soll der Begriff der soziologischen Ethnographie in Abgrenzung zu verwandten Forschungsstrategien betrachtet werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die praktische Umsetzung ausgeführt und Probleme, mit denen die Ethnograph/innen konfrontiert werden aber auch Chancen, die sich ihnen bieten erörtert mit dem Ziel Aufschluss darüber zu geben, welche Ziele ethnographische Forschung verfolgt, welche Möglichkeiten sie bietet und inwiefern Probleme in ethnographischen Forschungsprozessen auftreten können. Darauf folgt der abschließende Versuch, die Bedeutung der Forschungsstrategie in einem gesamtgesellschaftlichen Kontext, unter Berücksichtigung ihrer Vor- und Nachteile, herauszustellen.
2. Ethnographie –eine Begriffserklärung
In Verbindung mit der Ethnographie tauchen verschiedene Begriffe auf, die voneinander zu unterscheiden sind.
Die „Ethnologie“ oder auch „Völkerkunde“ hat sich zu einem ethnographisch arbeitenden Fach entwickelt, das fremde Kulturen, ihre Bestandteile, ihren Erhalt, die Entwicklung und Verbindungen zu anderen untersucht und sie in einen interkulturellen Vergleich setzt (vgl. Hillmann 1994, S. 200). Als „Ethnomethodologie“ wird ein Forschungsprozess bezeichnet, der die Methoden alltäglichen Handelns sowie deren Unterschied zu vermeintlich außergewöhnlichen Handlungen untersucht, um Aufschluss über die Methoden zu geben, mit denen Alltagshandlungen in den Kulturen durchgeführt werden (vgl. Hillmann 1994, S. 200). Die „Ethnosoziologie“ stellt eine Art Verbindung zwischen Ethnologie und Sozialanthropologie dar, die soziokulturelle Lebensverhältnisse von Naturvölkern mithilfe soziologischer Forschungsmethoden untersucht (vgl. Hillmann 1994, S. 202). „Ethnographie“ hingegen bedeutet übersetzt „Völkerbeschreibung“. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen das soziale Verhalten und Prozesse im Sozialleben der Individuen kleinerer Lebenswelten (vgl. Hillmann 1994, S. 199).
Den erläuterten Bezeichnungen ist gemeinsam, dass in ihnen die Begriffe „Ethos“ bzw. „Ethnie“ enthalten sind. Diese bezeichnen ein Kollektiv von Menschen, die durch bestimmte Zugehörigkeitsmerkmale eine Einheit bilden und deren soziales Handeln vom Glauben an diese gemeinsame Einheit abhängt (vgl. Hillmann 1994, S. 202). Dieses Einheitsgefühl kann sich aufgrund eines gemeinsamen kulturellen Hintergrundes aber auch dem Gefühl von Verbundenheit durch gleiche Einstellungen oder Interessen, wie es beispielsweise bei Jugendszenen der Fall ist, ausbilden. Es geht um das umfassende Untersuchen von Menschen in verschiedenen Lebenswelten unter der Grundvoraussetzung des „Forschens ohne Vorurteile“. Gemeint ist eine wertungsfrei-vergleichende und prozessartig erfolgende Erschließung der jeweiligen Kultur oder Gruppierung. Die Forschungsarbeit weist einen naturalistischen Charakter auf. Die Forscher/innen untersuchen das Feld unvoreingenommen in natürlicher Weise, ohne bestimmte Verhaltensweisen durch wissenschaftliche Experimente oder ähnliches zu erzeugen.
Ethnographie wird auch als „Feldforschung“ bezeichnet. Unter einem Forschungsfeld versteht Wolff (2008) „natürliche soziale Handlungsfelder im Gegensatz zu künstlichen Arrangements“. Dies können beispielsweise öffentliche Plätze, Organisationen, soziale Gruppierungen oder Milieus wie Szenen sein, zu denen die Forscher/innen einen Zugang herstellen. Die praktische Herangehensweise des ethnographischen Arbeitens assoziiert in gewisser Weise Abenteuer, da die Neuerschließung eines Forschungsfeldes zugleich eine Entdeckung ist. Dennoch darf nicht vergessen werden, dass Ethnographie eine Forschungsstrategie ist, die unter wissenschaftlichen Kriterien arbeitet, wenn sie auch weniger standardisiert ist als andere Forschungsstrategien.
3. Methoden der Ethnographie
3.1 Der Feldzugang
Dieser Abschnitt befasst sich damit wie Forscher/innen einen Zugang zu ihrem Feld schaffen, welche Voraussetzungen dies erfordert und welche Möglichkeiten des Zugangs es gibt. Der Zugang stellt eine der größten Herausforderungen dar. Ohne einen Zugang zum Feld, kommt keine Erforschung der sozialen Lebenswelt zustande. Die erste Voraussetzung, die ein Feldzugang erfordert, ist die Bereitschaft der Vertreter, ihr Feld für Beobachter/innen zu öffnen. In einem größeren Kontext gedacht, muss dies mit der Bereitschaft verbunden sein, ihr Feld der Gesellschaft zu präsentieren. Im kleineren bedeutet es, sich Zeit zu nehmen. Die Forscher/innen hinterfragen das Feld, weshalb sie auf Auskünfte beispielsweise durch Interviews oder Gespräche im Feld angewiesen sind (vgl. Wolff 2008, S. 338).
Wolff (2008) teilt den Zugang zum Feld in zwei grundlegende Schritte ein. Zunächst muss geprüft werden, ob für die Ethnograph/innen eine potentielle Anschlussfähigkeit besteht und im zweiten Schritt erfolgt die Einigung auf eine bestimmte Teilnehmerrolle bzw. Verortung im Feld. Für den ersten Schritt sind überwiegend die Forscher/innen durch Recherche und Annäherung gefordert, während für den zweiten Schritt bereits Kommunikation mit dem Forschungsfeld stattgefunden haben muss. Die Frage, die sich stellt ist, wie die Forscher/innen vom ersten zum zweiten Schritt gelangen.
Goffmann (1996), der für die getarnte Beobachterrolle plädiert, schlägt beispielsweise vor, durch vorgeschobene Gründe wie das Durchführen einer Umfrage, den Zugang zum Feld herzustellen. Das bedeutet, dass die Ethnograph/innen eine Geschichte konstruieren, die sie den zu erforschenden Individuen als Grund für ihre Teilnahme präsentieren, ihre eigentlichen Forschungsabsichten aber nur verdeckt verfolgen. Dieses Vorgehen stellt eine Möglichkeit dar, einen Feldzugang zu schaffen, ist jedoch aus ethischen Gründen kritisch zu betrachten und wird in der modernen Ethnographie nicht mehr als „Idealtyp“ (Wolff 2008, S. 339) angesehen. Der klassische Zugang hingegen, der auf die Teilnahme in Form einer offenen Beobachterrolle abzielt, beginnt in der Regel mit der Beschaffung von Informationen über die Organisationsstruktur des Feldes, worauf Briefwechsel, Telefonate und Treffen mit Mitgliedern des Feldes folgen (vgl. Breidenstein et al. 2015, S. 50-51). Besonders Gruppierungen sozialer Eliten zeichnen sich durch ihre schwere Erreichbarkeit aus (vgl. Breidenstein et al. 2015, S. 51). Auch wenn die Ethnograph/innen zunächst auf Ablehnung stoßen, sollten sie nicht direkt aufgeben. Es kann viel Zeit und Mühe erfordern einen Zugang zu erzielen. Breidenstein et al. (2015) sprechen beispielsweise davon, dass das häufige Auftauchen an feldinternen Treffpunkten einen Gewöhnungsprozess bei den Mitgliedern anstoßen kann und sich dadurch möglicherweise der Einstieg erleichtert. Die vermutlich „glücklichste“ Form für Ethnograph/innen einen Zugang zum Feld herzustellen, ist die über eine Kontaktperson, die den Forscher/innen nicht nur den Einstieg ermöglicht, sondern für ihn oder sie gleichzeitig erste Kommunikationssituationen mit Leuten innerhalb des Feldes schafft.
Es ist zwar im Interesse der Forscher/innen den Beforschten die Sicherheit zu geben, dass ihr Forschungsunternehmen seriös ist, sein oder ihr Feldaufenthalt nur eine absehbare Zeit betrifft und das Ausmaß an Störung durch die Forscher/innen gering bleibt, dennoch basiert Ethnographie nicht auf vollständiger Transparenz der Untersuchungen (vgl. Wolff 2008, S. 345-346). Grund dafür ist, dass natürlich auftretende Verhaltensweisen oder Handlungen der Beforschten sich automatisch verändern sobald ein Gefühl des beobachtet Werdens entsteht, was die ethnographische Studie verfälschen würde. Auch beim Zugang zum Feld haben die Ethnograph/innen es mit einer Ambivalenz zwischen Angepasstheit und Distanz zu tun. Forscher/innen verfolgen den Anspruch, sich dem Feld optimal anzupassen, was aber zu Skepsis bei den Beforschten führen kann, sollten die Forscher/innen überangepasst wirken (vgl. Wolff 2008, S. 347).
3.2 Datengewinnung
In der Ethnographie herrscht Methodenpluralismus. Das bedeutet, dass die Ethnographie keine bestimmten Verfahrensschritte zur Datengewinnung vorschreibt. Sie ist vielmehr als eine Kombination aus verschiedenen Datentypen zu verstehen. Es liegt im Ermessen der Forscher/innen, welche Methode der Datengewinnung er oder sie in der jeweiligen Situation als gewinnbringend einstuft. Die zahlreiche und vielseitige Datengewinnung erhöht die Komplexität der Untersuchung dadurch, dass die Forscher/innen im Zuge ihres Feldaufenthalts mit verschiedenen Perspektiven auf das Feld konfrontiert werden, es ihnen aber gelingen muss, ein einheitliches und verständliches Bild für ihre Leser zu kreieren, um ihnen die kulturelle Besonderheit des Feldes näher zu bringen (vgl. Breidenstein et al. 2015, S. 34-35).
3.2.1 teilnehmende Beobachtung
Die teilnehmende Beobachtung wird oft als Kern der ethnographischen Arbeit angesehen. Über diese Methode gewinnen die Ethnograph/innen die meisten Daten, die sie benötigen, um ihr Forschungsfeld im späteren Verlauf ihres Forschungsprozesses nach ausführlicher Analyse und Interpretation adäquat beschreiben zu können.
Das Gewinnen von Daten ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Ko-Präsenz, zumeist über einen längeren Zeitraum, ist die Bedingung für die Erschließung eines Feldes (vgl. Breidenstein et al. 2015, S.71). Eine längere Teilnahme im Feld ist erforderlich, um eine Vertrauensbasis aufzubauen und so nah wie möglich an die Individuen im Feld heranzukommen (vgl. Goffmann 1996, S. 266). Dies soll den Forscher/innen ermöglichen, eine Vielzahl an Sinneseindrücken und sinnlich wahrnehmbaren Handlungen zu erfassen (vgl. Breidenstein et al. 2015, S.71). Goffmann (1966) rät sogar dazu mindestens ein Jahr im Feld zu verbringen.
Eine ausführliche Definition der teilnehmenden Beobachtung geben Schwartz/Schwartz (1955) in ihrem Aufsatz „Problems in Participant Observation“:
„For our purposes we define participant observation as a process in which the ob server's presence in a social situation is maintained for the purpose of scientific in vestigation. The observer is in a face-to-face relationship with the observed, and, by par ticipating with them in their natural life setting, he gathers data. Thus, the observer is part of the context being observed, and heboth modifies and is influenced by this con text. The role of participant observer may be either formal or informal, concealed or revealed; the observer may spend a great deal or very little time in the research situa tion; the participant-observer role may be an integral part of the social structure or largely peripheral to it.“ (Schwaartz/Schwartz 1955, S. 344)
Teilnehmende Beobachtung bedeutet zwar, dass die Forscher/innen zu einem Teil des zu untersuchenden Feldes werden. In ihrer Rolle als Beobachter/innen erfolgt dies jedoch nur passiv. Forscher/innen, die die Graffitiszene untersuchen, werden beispielsweise nicht selbst zu Graffitikünstlern. Dies gilt zumindest für Ethnograph/innen, die sich für eine „offen beobachtende Forscherrolle“ (Lüders 2008, S. 392) entschieden haben und ist wichtig, um eine gewisse Distanz zum Forschungsfeld aufrecht zu erhalten.
Die Vielfalt an Methoden, die die Ethnographie bietet, zeigt sich unter anderem an der Beziehung der Beobachter/innen zu ihrem Feld. Der Rolle als offen beobachtende Forscher/innen stehen verschiedene Formen getarnter Mitgliedschaft und wechselnder Positionen gegenüber (vgl. Lüders 2008, S. 392). Welche Forscherrolle sich für die jeweilige ethnographische Studie am besten eignet, liegt im Ermessen der Forscher/innen. Jedoch sollte die Entscheidung die Grundsätze der Forschungsethik berücksichtigen.
Die Ethnograph/innen sind einer gewissen Nähe-Distanzantinomie ausgesetzt. Sie müssen vertrauensvolle Beziehungen aufbauen, um gelebte Teilnahme zu erzielen und den Status einer Insiderperspektive zu erlangen (vgl. Lüders 2008, S. 391-392). Dies erfolgt über Kommunikation bzw. Gespräche im Feld mit den Gruppenindividuen (vgl. Girtler 1988, S. 39). Vertrauen ist die Basis dafür, dass verschiedene Verfahren der Datenerhebung und Analyse überhaupt Anwendung finden. Dafür, dass die Gruppenmitglieder beispielsweise Audio- und Videoaufzeichnungen zustimmen, genau wie Gesprächen im Feld oder den Forscher/innen interne Artefakte aushändigen, zu denen Außenstehende keinen Zugang hätten (vgl. Hirschauer 2001, S. 431). Man kann davon sprechen, dass die Forscher/innen bei der teilnehmenden Beobachtung durch „face-to-face relationships“ (Schwaartz/Schwartz 1955, S. 344) und unmittelbare Teilhabe an beobachtbaren Verhaltensweisen und Handlungen, Informationen aus erster Hand gewinnen. Dennoch ist das Aufrechterhalten von Distanz ebenfalls ein entscheidender Bestandteil der ethnographischen Arbeit. Distanzierung ist wichtig für die Reflexion des Wahrgenommenen. Voraussetzung dafür ist die Kompetenz, auch Hintergründiges oder Abseitiges in das Zentrum der Beobachtung zu rücken und in die Analyse und Interpretation miteinzubeziehen (vgl. Breidenstein et al. 2015, S. 71). Alle Faktoren, die direkt oder indirekt eine Rolle spielen, werden miteinbezogen. Einhergehend mit der Anforderung der Distanzierung ist die schwierige Anforderung an die Ethnograph/innen einen Perspektivwechsel zu vollziehen, um unvoreingenommen im Feld auftreten zu können (vgl. Breidenstein et al. 2015, S. 18). Wenn die Forscher/innen nicht unvoreingenommen sind, sind sie nicht sensibel genug, um kleinsten bedeutungstragenden Handlungen den richtigen Wert beizumessen.
Sensibles Auftreten spielt auch in Bezug auf die Frage wie die Ethnograph/innen das Vertrauen der Mitglieder gewinnen eine Rolle. Die Forscher/innen müssen sehr geschickt im Feld agieren. Dazu zählt auch aufmerksam die Gruppenhierarchie zu beobachten und aufzupassen, mit wem man sich einlässt, da es einen erheblichen Einfluss auf den Informationszugang hat. Um eine Bandbreite an unterschiedlichsten Informationen zu gewinnen, plädiert Goffman (1996) dafür, das soziale Feld zunächst „von unten“ zu untersuchen, da es nur die Möglichkeit des Aufsteigens, aber nicht des Absteigens im sozialen Feld gebe. Aus dieser Vorgehensweise lässt sich eine Antwort auf die von Schwartz/Schwartz (1955) aufgestellte These, dass das Feld die Beobachter/innen beeinflusse, ableiten. Durch sensible und geschickt eingefädelte Teilnahme werden die Ethnograph/innen dazu befähigt, das Alltagswissen und die Wertvorstellungen des zu erforschenden Feldes weitgehend zu übernehmen (vgl. Girtler 1988, S.46). Dies bringt sie gleichzeitig dem übergeordneten Ziel der Ethnographie nach Breidenstein et al. (2015) näher, „das Leben und die Sozialstruktur fremder Kulturen aus deren Sichtweise [zu] verstehen“.
3.2.2 Verfremdung
Die Methodik des Befremdens stammt von den Soziologen Arman und Hirschauer (1997) und meint die Befremdung der eigenen Kultur, die von ihnen als „Kunstgriff“ der Ethnograph/innen verstanden wird. Die sozialen Interaktionsmuster, sollten sie auch weitgehend vertraut sein, werden bewusst befremdet (vgl. Lüders 2008, S. 390). Die Verfremdung ist Voraussetzung dafür, dass eine objektive Forscherrolle eingenommen werden kann. Das bedeutet, dass Distanzierungsschritte erfolgen müssen, um die gesammelten Eindrücke und Erfahrungen methodisieren zu können (vgl. Adasme 2011). Die Forscher/innen lassen sich den Alltag der Beforschten bildlich gesehen in einer Laienrolle erklären (vgl. Dellwing/Prus 2012, S. 9). Dazu gehört auch, die eigenen stereotypisierten Vorstellungen, mit denen die Ethnograph/innen in das Feld gehen, zu reflektieren und zu dokumentieren, inwiefern und wodurch sich das eigene Verständnis beim Einleben in das Feld verändert (vgl. Eisewicht 2016, S. 101).
4. Schwierigkeiten und Probleme
4.1 Schwierigkeiten in der Einstiegsphase
Beim Feldzugang haben die Forscher/innen zunächst mit dem Problem der Überwindung von Fremdheit zu kämpfen (Girtler 1988, S. 55). Die Anforderung, die sich den Ethnograph/innen stellt, ist in der Lage zu sein sich durch Assimilation in das Feld einzufügen und sich mit dem Unbekannten vertraut zu machen (Adasme 2011). Dazu zählt auch sich mit den eigenen psychischen Abwehrtendenzen, Irritationen und Infragestellungen auseinanderzusetzen (vgl. Wolff 2008, S. 337).
Im Anschluss an den Feldeinstieg, kann es passieren, dass die Forscher/innen während ihrer Forschungsarbeit mit dem Problem der Abgrenzbarkeit konfrontiert werden, welches in Feldern auftreten kann, die nicht als isolierte soziale Einheiten zu betrachten sind, sondern stark mit ihrer Umgebung vernetzt sind (vgl. Wolff 2008, S.340). Die Schwierigkeit an diesem Phänomen ist, das der soziologische Blick auf das „Besondere“, „Einzigartige“ verschwimmt und den Forscher/innen eine Befremdung des Forschungsfeldes erschwert wird. Es wird deutlich, dass die Ziehung von klaren Grenzen zwischen den Forscher/innen, der sozialen Einheit, die sie betrachten und der Umwelt, in die die soziale Einheit verstrickt ist, mit Schwierigkeiten verbunden ist (vgl. Wolff 2008, S. 340).
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