Prävention gegen sexuelle Gewalt am Beispiel der Mädchenarbeit des Wildwasser Würzburg e.V.


Term Paper, 2016

28 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sexueller Missbrauch
2.1 Begrifflichkeiten - sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt?
2.2 Historischer Rückblick
2.3 Formen des sexuellen Missbrauchs
2.4 Folgen für die Opfer
2.5 Epidemiologie

3. Prävention

4. Mädchenarbeit
4.1 Entstehungsgeschichte
4.2 Ziele und Grundsätze
4.3 Feministische Ansichten für die Ursachen sexueller Gewalt
4.4 Gegenwärtiges Mädchenbild

5. Mädchenarbeit am Beispiel des Wildwasser Würzburg e.V.
5.1 Leitbild und Aufgaben
5.2 Präventionsarbeit in der Praxis

6. Zusammenfassung und Fazit

7. Literaturverzeichnis

Abstract

Diese Arbeit hat das Ziel, die Wichtigkeit von Prävention gegen sexuellen Missbrauch aufzuzeigen. Hierbei werden ausschließlich Mädchen als Zielgruppe berücksichtigt. Unterschiedliche Formen und Auswirkungen des Missbrauchs werden vorgestellt und die Ursachen durch Erklärungsansätze der feministischen Mädchenarbeit dargestellt. Dabei wird der Frage nachgegangen, durch welche Präventionsmaßnahmen die Mädchenarbeit einen Beitrag zur Verhinderung bzw. Reduzierung von sexueller Gewalt leisten kann. Der Verein Wildwasser Würzburg e.V. trägt in Deutschland im Wesentlichen dazu bei, durch geeignete Präventionsarbeit das Thema des sexuellen Missbrauchs an die Öffentlichkeit zu bringen und dadurch die Anzahl der Missbrauchsfälle möglichst zu verringern. Die dabei angewandten Maßnahmen finden daher besondere Berücksichtigung in dieser Arbeit.

1. Einleitung

In unserer heutigen Gesellschaft wird sexueller Missbrauch in den Medien vielfach thematisiert und diskutiert. Ein bekannter Vorfall erfolgte an der Odenwaldschule. Dort wurden SchülerInnen über Jahrzehnte Opfer sexueller Gewalt durch Schulleiter und LehrerInnen, bis 1998 erstmals Berichte ehemaliger SchülerInnen öffentlich bekannt wurden. Auch von Missbrauchsfällen in der Kirche wird immer häufiger berichtet. In der Vergangenheit wurde sexueller Missbrauch jahrelang tabuisiert, bis er in den 80er Jahren erstmals in der Öffentlichkeit diskutiert wurde und das Ausmaß dieser Gewaltform nicht mehr geleugnet werden konnte. Laut Kriminalstatistik wurden allein im Jahr 2014 12.134 Kinder sexuell missbraucht (vgl. Bundesministerium des Inneren 2015). Diese Zahl verdeutlicht die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung mit dem Thema sexuelle Gewalt an Kindern und den möglichen Präventionsmaßnahmen.

Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit die Möglichkeiten der Prävention gegen sexuellen Missbrauch dargestellt und untersucht. Unter besonderer Beachtung steht die Fragestellung, welche Präventionsmaßnahmen speziell für Mädchen angeboten werden.

Um diese Frage vollständig beantworten zu können, beschäftigt sich der erste Teil dieser Hausarbeit mit der Gewaltform des sexuellen Missbrauchs. Hier werden die verschiedenen Begrifflichkeiten aufgezeigt und erläutert. Anschließend erfolgt ein historischer Rückblick. Es werden die verschiedenen Missbrauchsformen von sexueller Gewalt vorgestellt und auf seine Folgeerscheinungen eingegangen. Ein Abschnitt der Epidemiologie untermauert den Handlungsbedarf gegen sexuellen Missbrauch an Kindern. Anschließend werden die verschiedenen Formen der Prävention aufgezeigt.

Im zweiten Teil dieser Arbeit wird die Mädchenarbeit näher erläutert. Dabei wird auf ihre Entstehungsgeschichte sowie auf die Entwicklung der Ziele eingegangen. Darauf aufbauend werden ihre feministischen Ansichten für die Ursache dieser Gewaltform dargestellt. Abschließend wird der Wildwasser Würzburg e.V. vorgestellt, mit besonderer Betrachtung der verschiedenen Präventionsmaßnahmen gegen die sexuelle Gewalt an Mädchen.

2. Sexueller Missbrauch

Für die Untersuchung des sexuellen Missbrauchs ist ein einheitliches Verständnis des Begriffs notwendig. Im Folgenden wird dieser daher näher erläutert und die verschiedenen Formen dargestellt.

2.1 Begrifflichkeiten - sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt?

Um eine geeignete Definition des sexuellen Missbrauchs zu finden, muss zunächst erläutert werden, dass es für diese Gewaltform in der Literatur verschiedene Formulierungen gibt. Verwendet werden u.a. sexueller Missbrauch, sexuelle Gewalt, sexualisierte Gewalt, sexuelle Ausbeutung oder sexuelle Übergriffe (vgl. BZgA 2012). In der Fachpraxis und der Wissenschaft findet der Begriff "sexuelle Gewalt" Verwendung. Nach dem Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (2015) handelt es sich bei sexueller Gewalt um Gewalt, "die mit sexuellen Mitteln ausgeübt wird. Der ebenfalls verwendete Begriff sexualisierte Gewalt geht noch einen Schritt weiter und verdeutlicht, dass bei den Taten Sexualität funktionalisiert, also benutzt wird, um Gewalt auszuüben". In Deutschland tritt in den Medien, der Politik sowie in der Öffentlichkeit der Begriff "sexueller Missbrauch" am häufigsten auf (vgl. Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs 2015). Allerdings wird dieser oft kritisch hinterfragt, weil "Missbrauch" theoretisch die Möglichkeit eines angemessenen "Gebrauchs" voraussetzt (vgl. BZgA 2012). Da sexueller Missbrauch eine Straftat gemäß dem Strafgesetzbuch (StGB) darstellt und somit als juristischer Begriff angewendet wird, findet in dieser Arbeit sowohl der Begriff sexuelle Gewalt als auch sexueller Missbrauch Verwendung (vgl. Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs 2015).

Nach Deegener (2010: 22) wird unter sexueller Gewalt von Kindern "jede Handlung verstanden, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund seiner körperlichen, seelischen, geistigen oder sprachlichen Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann. Die Missbraucher nutzen ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um ihre eigenen Bedürfnisse auf Kosten der Kinder zu befriedigen".

2.2 Historischer Rückblick

Im Vorangegangenen wurde auf die verschiedenen Begrifflichkeiten eingegangen und diese anhand einer Definition erläutert. Im Folgenden erfolgt ein historischer Rückblick über die Gewaltform des sexuellen Missbrauchs.

Der früheste Hinweis auf sexuelle Handlungen von Erwachsenen mit Mädchen befindet sich auf einer ca. 5.000 Jahre alten Tontafel der Sumerer. Der Gott Enlil begehrt die Göttin Ninlil, doch diese weist ihn mit dem Hinweis auf ihre Jugend zurück (vgl. Bange 2002a: 135). "[...] Meine Vagina ist zu klein. Sie versteht den Beischlaf nicht. Meine Lippen sind zu klein. Sie verstehen nicht zu küssen" (Deegener 2010: 40).

In den antiken Hochkulturen aufzuwachsen bedeutete oft ein Leben in sexuellem Missbrauch, denn dort waren sexuelle Handlungen mit Kindern gesellschaftlich akzeptiert. Während die Jungen per Vertrag für die Knabenliebe gemietet werden konnten, mussten die Mädchen in den Hafenstädten als Prostituierte arbeiten (vgl. Bange 2002a: 136). In der Rechtsprechung der damaligen Zeit wurde die Vergewaltigung eines Mädchens als Diebstahlsdelikt angesehen. Ihre Selbstbestimmung oder die dadurch entstandenen seelischen und körperlichen Verletzungen wurden bei der Strafverfolgung nicht beachtet. Stattdessen wurde die Verletzung der Eigentumsrechte des Vaters bestraft. War das Mädchen zuvor noch Jungfrau gewesen, musste der Vergewaltiger es heiraten und dem Vater den dazugehörigen Brautpreis zahlen (vgl. Deegener 2010: 40).

Die Vergewaltigung von Kindern wurde im Mittelalter zum Teil als strafwürdig erachtet. Ende des 13. Jahrhunderts wurden in England die ersten Gesetze zum Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch erlassen (vgl. Bange 2002a: 137). Seit der Renaissance hat sich eine Vorstellung von Kindheit entwickelt. Kinder wurden zuvor als kleine Erwachsene betrachtet und diese Entwicklungsphase, welche als besonders schützenswert galt, erhielt nun eine immer größer werdende Bedeutung. Dies ist jedoch auch auf gesellschaftliche Hintergründe zurückzuführen, denn die neu entstandene Struktur der bürgerlichen Familie durfte durch eine sexuelle Eltern-Kind-Beziehung nicht gefährdet werden (vgl. Deegener 2010: 42f.). Im 18. Jahrhundert wurden sexuelle Handlungen an Kindern zunehmend als schädlich und unmoralisch erachtet. Hintergrund war die alte christliche Vorstellung von einem unschuldigen Kind. Der sexuelle Kontakt zwischen Erwachsenen und Kindern galt als unmoralisch und krankhaft. Diese Ansicht teilte man auch in der Zeit des Nationalsozialismus. Dort wurden TäterInnen als minderwertige Menschen klassifiziert und kastriert oder sterilisiert. Auch die Opfer wurden sterilisiert, da sie als seelisch gestört und schwachsinnig erachtet wurden. Bis heute erhielten sie dafür keine Entschädigung (vgl. Bange 2002a: 137ff).

Im Jahre 1982 wurde das Thema sexueller Missbrauch an Kindern erstmals durch betroffene Frauen öffentlich gemacht. Seither wurde diese Gewaltform vermehrt von den Medien thematisiert, in das gesellschaftliche Interesse gerückt und über sexuellen Missbrauch in Institutionen oder Kinderpornografie gesprochen (vgl. ebd.). Die historische Beständigkeit der sexuellen Gewalt wurde bis zu diesem Zeitpunkt nicht erkannt und auch die Folgen für die Opfer nicht hinterfragt (vgl. Deegener 2010: 46). Somit wurde erst Ende des letzten Jahrhunderts damit angefangen, "[...] die Realität des erschreckenden Ausmaßes sexueller Gewalt in unserer Gesellschaft sowie auch des Machtgefälles zwischen den Geschlechtern zunehmend anzuerkennen, wobei die Frauen- und Kinderschutzbewegung diese Einsicht bei vielen Menschen nur gegen starke innere Widerstände und durch beharrliche Öffentlichkeitsarbeit erreichen konnte" (Deegener 2010:39).

2.3 Formen des sexuellen Missbrauchs

Im Vorangegangenen wurde sexuelle Gewalt in der Vergangenheit dargestellt. Die Ergebnisse zeigen eine Kontinuität von Missbrauch an Mädchen in unserer Geschichte. Es handelt sich somit nicht um ein Problem der jeweiligen Zeit. Da es unterschiedliche Formen und Schweregrade dieser Gewaltform gibt, werden diese im folgenden Abschnitt näher erläutert.

Sexueller Missbrauch kann Mädchen aller Altersgruppen betreffen und in Familien aller Schichten, in Pflegefamilien sowie in Heimen vorkommen. Umso vertrauter und enger die TäterInnen mit den Opfern zusammen leben, desto häufiger findet sexuelle Gewalt statt, auch über Jahre hinweg (vgl. Brückner 2002: 29). Laut Deegener (2010: 32f.) gibt es vier verschiedene Schweregrade bzw. Formen des sexuellen Missbrauchs: den sehr intensiven sexuellen Missbrauch, den intensiven sexuellen Missbrauch, den weniger intensiven sexuellen Missbrauch und den sexuellen Missbrauch ohne Körperkontakt. Zum sehr intensiven sexuellen Missbrauch gehören alle Handlungen der vaginalen, oralen oder analen Vergewaltigung. Ebenfalls zählt zu dieser Kategorie die orale Befriedigung der TäterInnen oder die anale Penetration. Wenn die Opfer vor den TäterInnen masturbieren bzw. deren Genitalien anfassen müssen oder dies umgekehrt geschieht, dann spricht man von einem intensiven sexuellen Missbrauch. Zum weniger intensiven sexuellen Missbrauch wird der Versuch zugeordnet, die Genitalien oder die Brust des Kindes zu berühren. Außerdem können sexualisierte Küsse und Zungenküsse bei diesem Bereich des Missbrauchs mit einfließen. Beim Exhibitionismus oder wenn das Kind gezwungen wird, sich Pornographien anzusehen, spricht man von einem sexuellen Missbrauch ohne Körperkontakt (vgl. Deegener 2005: 49).

Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass verschiedene Formen sexueller Gewalt existieren. Das folgende Kapitel befasst sich darauf aufbauend mit der Frage, welche Folgeschäden die Opfer nach einer solchen Gewalttat erleiden.

2.4 Folgen für die Opfer

Durch sexuelle Gewalt können körperliche Folgen wie Verletzungen der Anal- und Genitalregion, Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhoe und Chlamydien, aber auch AIDS entstehen. Allerdings hinterlassen sexuelle Gewalttaten an Kindern häufig keine sichtbaren Verletzungen (vgl. Hartwig/Hensen 2008: 44).

Die von ihren Eltern missbrauchten Mädchen befinden sich in einer ausweglosen Situation, denn sie werden häufig durch Gewaltandrohungen zur Geheimhaltung verpflichtet (vgl. Hartwig/Hensen 2008: 40). Somit zählt Angst zu einer sehr verbreiteten Folgeerscheinung von sexuellem Missbrauch, da sie z.B. mit dem Täter bzw. der Täterin nicht alleine sein möchten. Angstanfälle können auch in bestimmten Situationen auftreten, wenn die Opfer dort an die Tat erinnert werden (vgl. Deegener 2010: 89f.). Schließlich kann es passieren, dass sie aufgrund der Hoffnungs-, Hilf- und Ausweglosigkeit eine Depression erleiden (vgl. Moggi 2002: 117f.).

Erfolgt die sexuelle Gewalt über mehrere Jahre, dann trauern die Betroffenen häufig über ihre verlorene Kindheit und sind enttäuscht über den Vertrauensbruch des Täters bzw. der Täterin durch diverse Drohungen und Gewaltanwendungen (vgl. Deegener 2010: 91). Auch zu weiteren Familienangehörigen kann das Vertrauen beeinträchtig sein, da sie von ihnen nicht den benötigten Schutz erhalten haben. Das gestörte Vertrauensverhältnis kann das Bindungsverhalten der Mädchen stark beeinflussen, was bis zur völligen Ablehnung anderer Menschen und sozialem Rückzug führen kann.

Sozialer Rückzug kann ebenfalls aufgrund der Scham- und Schuldgefühle der Opfer entstehen, da sich die meisten für den Missbrauch verantwortlich fühlen (vgl. Hartwig/Hensen 2008: 39f.). Häufig entwickelt sich auch eine negative Selbstwahrnehmung und ein niedriges Selbstwertgefühl (vgl. Moggi 2005: 214ff). Ein Anlächeln kann als Auslachen verstanden werden und auf der Suche nach Zuwendung entsteht die Angst eines erneuten sexuellen Missbrauchs. Des Weiteren befürchten die Opfer die Tat der sexuellen Gewalt zu offenbaren, sobald sie die Nähe zu einem anderen Menschen zulassen. Somit entscheiden sie sich in vielen Fällen für diesen sozialen Rückzug, um weitere Enttäuschungen oder gar Verletzungen zu vermeiden. Ebenfalls wird versucht durch Vernachlässigung der Hygiene die Menschen auf Abstand zu halten oder dadurch nicht mehr attraktiv für die TäterInnen zu wirken (vgl. Deegener 2010: 96f.).

Außerdem können somatische und psychosomatische Folgen entstehen. Hierzu zählen u.a. Ess- und Schlafstörungen, Einnässen oder Einkoten sowie körperliche Beschwerden ohne Befund (vgl. Moggi 2005: 215f.). Schlafstörungen können auftreten, wenn sich die Betroffenen in der Wohnung nicht mehr sicher fühlen oder der Missbrauch nachts in ihrem Bett erfolgte. Hierbei lassen die Opfer oft ihre Kleidung an und versuchen sich dadurch vor einem erneuten Missbrauch zu schützen. Erfolgt die Tat außerfamiliär kann es passieren, dass die Mädchen weinend oder schreiend aufwachen. Auch kommt es vor, dass viele Betroffene nicht einschlafen wollen, um die sexuelle Gewalt in den Träumen nicht erneut zu erleben (vgl. Deegener 2010: 91ff). Da der Körper als Ursache eines Missbrauchs angesehen wird, versuchen die Opfer oftmals durch eine Essstörung unattraktiv zu erscheinen. Der Zwang abzunehmen kann auch als Kontrolle über den eigenen Körper betrachtet werden. So erhalten die Mädchen zumindest in diesem Bereich Kontrolle über ihr eigenes Leben. Psychosomatische Folgen wie Kopf-und Hals-, Glieder- und Unterleibsschmerzen ohne körperliche Ursache können als Zeichen für emotionalen Stress und der inneren Konflikte angesehen werden (vgl. ebd.). Einnässen und Einkoten erfolgt wiederholt bei Betroffenen, die bereits trocken waren. Dies geschieht aufgrund der Traumatisierung, der Verunsicherung sowie der nächtlichen Angst (vgl. Deegener 2010: 94f.).

Um Kontrolle über ihr Leben zu erhalten, ähnlich wie bei der Essstörung, tritt vermehrt zwanghaftes Verhalten auf. Dies kann sich in einem Waschzwang äußern, um sich von dem Schmutz zu reinigen. Auch wird versucht durch eine zwanghafte Ordnung ihr Leben genauestens zu planen, was die Sicherheit vor einem erneuten sexuellen Missbrauch erhöht (vgl. Deegener 2010: 102).

Eine weitere Folge ist das substanzgebundene Suchtverhalten. Die Betroffenen versuchen durch die Einnahme von Drogen und Alkohol ihre durch die sexuelle Gewalt entstandenen Gefühle zu betäuben (vgl. Moggi 2005: 214).

Autoaggressive Verhaltensweisen sind als Hilfeschrei zu verstehen. Hier erlangen Opfer das Gefühl, die innere Anspannung und Leere abbauen zu können. Zu diesem Verhalten gehört u.a. Haare ausreißen, Kratzen, Ritzen mit Messern, Glasscheiben oder Rasierklingen und Ausdrücken einer Zigarette auf dem eigenen Körper. Der schlimmste Hilfeschrei äußert sich in Suizidgedanken und -versuchen. Hierbei wird deutlich, wie sehr die Mädchen unter der Hilf-, Hoffnungs- und Ausweglosigkeit leiden. Der Tod wird hierbei als einziger Ausweg angesehen (vgl. Deegener 2010: 101f.).

Die hier aufgeführten Folgen der sexuellen Gewalt lassen darauf schließen, warum es den Betroffenen häufig nicht gelingt, das Erlebte zu vergessen. Abhängig von der Häufigkeit des Missbrauchs gelingt dies nur selten und unvollkommen. Hinzu kommt, dass die Erinnerung an das Geschehene in bestimmten Situationen immer wieder auflebt, wenn die Opfer dort an die Tat erinnert werden (vgl. Deegener 2010: 106f.). Die Folgen des sexuellen Missbrauchs machen deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Um diese Dringlichkeit erneut aufzuzeigen wird sich das nächste Kapitel mit der Epidemiologie dieser Gewaltform beschäftigen.

2.5 Epidemiologie

Internationale Studien machen deutlich, dass Frauen im Durchschnitt 1,5- bis 3-mal häufiger missbraucht werden als männliche Opfer (vgl. Finkelhor 2005: 84). Nach ihrer umfassenden Forschungsübersicht geht Ernst (2005 :77) davon aus, dass "10 bis 15 % der befragten Frauen sowie etwa 5 % der Männer bejahen, bis zum Alter von 14 oder 16 Jahren mindestens einen unerwünschten oder [...] durch Gewalt erzwungenen sexuellen Körperkontakt erlebt zu haben".

Im Jahr 2014 gab es insgesamt 46.982 erfasste Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, was eine Erhöhung von 189 Taten zum Vorjahr bedeutet. Hierzu gehört u.a. die Vergewaltigung und sexuelle Nötigung nach §§ 177 Abs. 2, 3 und 4, 178 StGB. Dort wurden 2014 7.345 Taten des eben genannten Paragraphen polizeilich erfasst. Im Jahr 2013 waren es 7.408 Fälle und eine Todesfolge nach § 178 StGB. Zu den 46.982 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zählt auch der sexuelle Missbrauch. Hier gab es im Jahr 2014 22.422 Taten. Darunter wurden Kinder gemäß §§ 176, 176a und 176b in 12.134 Fällen Opfer sexueller Gewalt, 303 Vorfälle weniger als im Jahr 2013. 1.154 Jugendliche fielen den TäterInnen gemäß § 182 im Jahre 2014 zum Opfer (vgl. Bundesministerium des Inneren 2015). Die Sexualstraftaten im Internet liegen 2014 bei 1.025 Fällen. Der dortige sexuelle Missbrauch an Kindern hat sich im Vergleich zu 2013 um 57,8 % erhöht (vgl. Bayerisches Staatsministerium des Inneren, für Bau und Verkehr 2015).

Abbildung 1: Anzahl der polizeilich erfassten Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern in Deutschland von 2001 bis 2014

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bundeskriminalamt, 2015.

In Abbildung 1 werden Straftaten gemäß §§ 176, 176a und 176b StGB in Deutschland abgebildet, welche in den Jahren 2001 bis 2014 polizeilich erfasst wurden. Im Jahr 2001 sind laut Bundeskriminalamt 15.117 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern registriert worden. Dies sind umgerechnet ca. 41 pro Tag. Im Jahr 2002 gab es mit 15.988 Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern die höchste Anzahl dieser Straftat, die niedrigste im Jahr 2009 mit 11.319 Fällen. Die von 2009 bis 2012 kontinuierlich gestiegene Anzahl von sexueller Gewalt an Kindern ist im Jahr 2013 sowie im Jahr 2014 leicht rückläufig.

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Details

Title
Prävention gegen sexuelle Gewalt am Beispiel der Mädchenarbeit des Wildwasser Würzburg e.V.
College
University of Applied Sciences Landshut
Grade
1,7
Author
Year
2016
Pages
28
Catalog Number
V434919
ISBN (eBook)
9783668764057
ISBN (Book)
9783668764064
File size
635 KB
Language
German
Keywords
Sexuelle Gewalt, Missbrauch, Mädchenarbeit, Wildwasser
Quote paper
Natalie Ruhland (Author), 2016, Prävention gegen sexuelle Gewalt am Beispiel der Mädchenarbeit des Wildwasser Würzburg e.V., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/434919

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