"Ich will mit dieser Publikation beweisen, daß etwas zwar eine Schweinerei sein kann, aber dennoch nicht unsittlich. Diese Verlagsarbeit […] ist ein Teil meines Kampfes gegen Verlogenheit und Heuchelei."
Karl Schustek, Erotika-Verleger aus Hanau, fügte sich mit der Herausgabe der beiden Verssammlungen "Das Wirtshaus an der Lahn. Ein Volkslied" und "Bonifatius Kiesewetter. Moralgedichte" in eine lange Reihe von Veröffentlichungen erotischer Literatur ein, welche sich Jahrhunderte lang immer wieder der Verfolgung ausgesetzt sah. Erotische Werke wirkten aufbegehrend, brachen Tabus und enthüllten tradierte restriktive Moralvorstellungen und die Doppelmoral, die in weiten Kreisen der Gesellschaft herrschte. Wenn sie sittliche Normen verletzten, wurde ein Verbot gegen sie ausgesprochen, Autoren, Verleger und Buchhändler mussten sich vor Gericht verantworten. Auch in der Zeit der 1960er Jahre gab es trotz Demokratisierung und der erneuten Abschaffung der Zensur weiterhin juristische und soziologische Vorbehalte gegen erotische Literatur. Mit der Einsetzung des „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ (in Folge als GjS) vom 9. Juni 1953 und der Neugründung der darin vorgesehenen „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften“ (in Folge BPS) hatte sich die junge Bundesrepublik Instrumente geschaffen, gegen unzüchtige und unsittliche Literatur vorzugehen. Dabei war und ist bis heute die Bewertung eines Werkes stets eng verknüpft mit dem politischen und kulturellen Klima. Doch die 1960er Jahre waren auch eine Zeit des Umbruchs, gesellschaftlich und dementsprechend auch in der Rechtsprechung. Grundsatzurteile legten liberalere Prämissen für den Umgang mit erotischen Werken an und drängten die überkommene Moralauffassungen der sexuellen Repression zurück.
Anhand der historischen Rekonstruktion der Indizierung der erotisch-folkloristischen Sammelschriften "Das Wirtshaus an der Lahn" und "Bonifatius Kiesewetter", die 1965 im Hanauer Verlag Karl Schustek erschienen, und dem daraus resultierenden Verfahren soll es Ziel dieser Arbeit sein, die Indizierungspraxis der BPS zu beleuchten, um herauszufinden, wie Kleinverleger wie Schustek rechtlich belangt worden waren und welche Maßnahmen der Verleger unternahm, um gegen die Folgen der Indizierung vorzugehen oder sie sogar zu unterwandern.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Karl Schustek – Biographie des Verlegers und Geschichte seines Verlages
- Die Verlagsgründung in Wien und die Emigration im Krieg
- Der Wiederaufbau des Verlagsgeschäfts in Lindau
- Der Umzug nach Hanau am Main
- Das Erotika-Verlagsprogramm im Visier der Staatsanwaltschaft – Der Fall Kamasutram
- Voraussetzungen für die Indizierung „obszöner“ Literatur in den 1960er Jahren
- Sittengeschichte und Wertewandel in der Gesellschaft
- Klima der sexuellen Repression und Doppelmoral als Ausgangslage
- Die Entwicklung der „Sexpansion“ ab Mitte des Jahrzehnts
- Das „Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften“ vom 9. Juni 1953
- Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften
- Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften
- Inhalt und Aussage des Gesetzes
- Stimmen der Befürworter und Kritiker
- Auswirkungen einer Indizierung für Verlage
- Die Indizierung des Wirtshaus an der Lahn und des Bonifatius Kiesewetters
- Die Geschichte der indizierten Werke - Volkslied oder Jugendgefährdung?
- Die Indizierung 1967 durch die Bundesprüfstelle
- Schusteks Verteidigungsstrategie: prominente Gutachter
- Die Entscheidungen 1830/1831
- Die Anfechtungsklage Schusteks und die Berufung der Bundesprüfstelle
- Zur Beweisaufnahme: Die Argumentation Karl Schusteks
- Zur Beweisaufnahme: Die Argumentation der Bundesprüfstelle
- Der weitere Verfahrensverlauf
- Endgültiges Urteil des Oberverwaltungsgerichts 1972
- Die Instrumentalisierung der Presse und des Buchhandels als Werkzeug gegen die Indizierung
- Die Berichterstattung der Medien als kostenlose Werbung
- Die Buchhändler-Rundschreiben als Mittel der Verkaufsförderung
- Herausgabe einer „Image-Broschüre“
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Bachelorarbeit befasst sich mit der Indizierungspraxis der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS) im Kontext der erotischen Literatur der 1960er Jahre. Sie analysiert den Fall des Verlegers Karl Schustek, der wegen der Indizierung seiner Werke „Das Wirtshaus an der Lahn“ und „Bonifatius Kiesewetter“ mit juristischen und publizistischen Konsequenzen konfrontiert war. Der Fokus liegt auf der rechtlichen Seite der Indizierung, der Verfahrensmöglichkeiten für Betroffene und dem Umgang von Verlegern mit der Situation.
- Die Indizierungspraxis der BPS im Kontext der erotischen Literatur der 1960er Jahre
- Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Indizierung und die Argumentationsstrategien der BPS
- Die Verteidigungsstrategien von Karl Schustek und die Folgen der Indizierung für sein Verlagsgeschäft
- Die Instrumentalisierung der Presse und des Buchhandels im Zusammenhang mit der Indizierung
- Der Wandel in der Gesellschaft und der Rechtsprechung im Umgang mit erotischer Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Kontext des Themas skizziert und die Relevanz der Untersuchung hervorhebt. Kapitel 2 beleuchtet die Biographie des Verlegers Karl Schustek und die Geschichte seines Verlags, wobei die Herausgabe erotischer Literatur im Fokus steht. Kapitel 3 untersucht die rechtlichen Rahmenbedingungen der Indizierung in den 1960er Jahren und stellt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS) vor. Kapitel 4 befasst sich mit den konkreten Folgen der Indizierung für Schusteks Werke „Das Wirtshaus an der Lahn“ und „Bonifatius Kiesewetter“. Kapitel 5 analysiert die Anfechtungsklage Schusteks und den weiteren Verlauf des Rechtsstreits. Kapitel 6 beleuchtet die Rolle der Presse und des Buchhandels im Zusammenhang mit der Indizierung. Der Text schliesst mit einem Fazit, welches die Erkenntnisse der Arbeit zusammenfasst und die Bedeutung des Themas in den Kontext der Zeit und der heutigen Diskussion um die Indizierung von Medieninhalten stellt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit thematisiert zentrale Bereiche der Buchwissenschaft, der Medienforschung und der Rechtsgeschichte. Die wichtigsten Schlüsselbegriffe sind: Indizierung, Erotik, Literatur, Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften (BPS), Karl Schustek, „Das Wirtshaus an der Lahn“, „Bonifatius Kiesewetter“, Rechtsstreit, Verleger, Verlagswesen, Presse, Buchhandel, Medien, 1960er Jahre, Sexualität, Sittengeschichte, Wertewandel, Jugendschutz, Zensur.
- Quote paper
- Laura Köhninger (Author), 2012, "Frau Wirtin ist jetzt indiziert". Der Erotika-Verleger Karl Schustek im Visier der Staatsanwaltschaft in den 1960er Jahren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/435124