Kelleys Kovariationsmodell und Attributionsfehler. Wie wirken sich Attributionen auf die Mitarbeiterbeurteilungen aus?


Hausarbeit, 2018

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit

2 Attributionstheorien
2.1 Theoretische Grundlagen der Attribution
2.2 Heiders naive Attributionstheorie
2.3 Kelleys Kovariationsmodell

3 Fehler und Verzerrungen im Attributionsprozess
3.1 Korrespondenzverzerrungen
3.2 Akteur-Beobachter Unterschied
3.3 Selbstwertdienliche Attributionsverzerrungen

4 Mitarbeiterbeurteilungen im betrieblichen Führungskontext

5 Auswirkungen von Attributionen auf die Beurteilung von Mitarbeitern
5.1 Die Bildung kausaler Urteile im Beurteilungsprozess
5.2 Attributionstendenzen die eine Beurteilung beeinflussen

6 Maßnahmen zur Sicherstellung einer gerechten Mitarbeiterbeurteilung

7 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Varianzanalytischer Würfel der Ursachenerklärung bei mehrfachen Beobachtungen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Die drei Kriterien des Kovariationsmodells

Tabelle 2: Ideale Informationsmuster und deren attributionale Folgerungen

1 Einleitung

Motivierte und qualifizierte Mitarbeiter stellen den elementaren Erfolgsfaktor, das Know-how, für ein Unternehmen dar. Von ihnen hängt die Innovationskraft, die Konkurrenzfähigkeit und auch das Veränderungspotenzial ab. Um die Herausforderungen des technischen Fortschritts und die damit verbundene zunehmende Komplexität bewältigen zu können, sind geeignete und erfahrene Mitarbeiter unabdingbar. Aus diesen Grund sind Unternehmen stets bestrebt, die besten Mitarbeiter zu finden, ihre Leistungen einzuschätzen und ihnen ideale Rahmenbedingungen zu bieten, mit der Zielsetzung einer langfristigen Bindung an das Unternehmen (Niermeyer & Postall, 2010, S. 148).

Hieraus resultiert das Erfordernis, dass Führungskräfte in der Lage sein müssen, die Leistungen und das Verhalten ihrer Mitarbeiter gerecht und sachlich zu beurteilen, sowie in einem gewissen Rahmen, zukünftiges Leistungsverhalten vorherzusagen. Eine objektive Beurteilung setzt voraus, dass die Ursache für die Leistung oder das Verhalten eines Mitarbeiters bekannt ist. Genau darin liegt die Problematik. Verhaltensursachen sind oft nur in einem sehr begrenzten Umfang direkt beobachtbar. Deshalb richtet sich die Aufmerksamkeit meist auf die äußeren, ersichtlichen Faktoren wie Verhalten und Resultate einer Leistung, da diese leicht zugänglich sind (Spisak & Della Picca, 2017, S. 198).

Daraus ergeben sich verschiedene Fragestellungen: Wie schließen Führungskräfte vom Verhalten ihrer Mitarbeiter auf die Ursachen dieses Verhaltens? Welche Informationen berücksichtigen sie dabei und wie interpretieren sie diese? Gehen sie dabei stets objektiv vor oder führen bestimmte Einflussfaktoren zu subjektiven Beurteilungsergebnissen? Mit der Erklärung dieser Sachverhalte beschäftigen sich Attributionstheorien. Sie legen dar, warum Mitarbeiter aufgrund ihres Verhaltens unterschiedlich beurteilt werden und auf welche Art von Ursache das Verhalten zurückgeführt wird (Werth & Mayer, 2008, S. 134-135).

1.1 Zielsetzung

Diese Hausarbeit soll aufzeigen, wie Attributionsprozesse generell ablaufen, inwiefern sich daraus Urteilsverzerrungen ergeben können, welche Zusammenhänge zwischen Attributionen und Mitarbeiterbeurteilungen bestehen und welche Maßnahmen Führungskräfte und Unternehmen zur Vermeidung von Beurteilungsfehlern ergreifen können.

1.2 Aufbau der Arbeit

Nach dieser Einleitung beschäftigt sich die vorliegende Hausarbeit zunächst mit den theoretischen Grundlagen der Attribution. Anschließend erfolgt eine Darstellung der Attributionstheorien von Heider und Kelley. Dabei werden insbesondere die Informationskriterien, die zur Beurteilung herangezogen werden, detailliert beschreiben. Darauf folgt eine Darstellung der wichtigsten Fehler und Verzerrungen, die im Attributionsprozess auftreten können. Das vierte Kapitel beschreibt, welche Relevanz und Funktionen Mitarbeiterbeurteilungen haben. Das fünfte Kapitel schließt den theoretischen Teil dieser Arbeit mit einer Zusammenfassung über die Auswirkungen von Attributionen im betrieblichen Beurteilungsprozess ab. Im sechsten Kapitel werden konkrete Handlungsempfehlungen vorgestellt, wie in der Praxis bei der Beurteilung von Mitarbeitern Attributionsfehler vermieden werden können. Abschließend folgen im letzten Kapitel der Hausarbeit das Fazit sowie der Ausblick.

2 Attributionstheorien

Der Vorgang, wie ein Mensch durch Beobachtung einen Eindruck über einen anderen Menschen in seiner sozialen Umwelt bildet und in welcher Weise er dabei für den Beurteilungsprozess relevante Informationen sammelt und interpretiert, ist das Kernthema der sozialen Wahrnehmung im Gegenstandsbereich der Sozialpsychologie (Parkinson, 2014, S. 71).

Um sich eine Meinung von einem Menschen bilden zu können, sind umfangreiche Informationen über diesen notwendig. Dabei werden in der Regel sowohl äußere Personenmerkmale als auch nonverbales Verhalten zur Beurteilung herangezogen. Beide Kriterien liefern jedoch meist nur begrenzte Ergebnisse im Hinblick darauf, wie eine Person tatsächlich ist. Wesentlich aufschlussreicher ist hingegen das situative Verhalten einer Person. Demzufolge stellt das beobachtbare Verhalten eine maßgebende Informationsquelle dar aufgrund derer, Rückschlüsse auf den Charakter einer Person gezogen werden (Werth & Mayer, 2008, S. 133).

2.1 Theoretische Grundlagen der Attribution

Die Beantwortung der Frage nach dem „Warum“ ist im menschlichen Erleben und Verhalten von zentraler Bedeutung. Es liegt in der Natur des Menschen Ereignisse nicht nur zu erfassen, sondern auch zu erklären also die Ursache zu bestimmen. Dies hat zur Folge, dass Personen als primäre Handlung nach der Wahrnehmung von Ereignissen, Schlüsse über deren Ursachen ziehen und diese analysieren. Die Attributionstheorie ist eine wissenschaftliche Theorie die beschreibt, welcher Art von Informationen eine Person zu Ursachenzuschreibungen, den sogenannten Kausalattributionen heranzieht. Der Begriff Kausalattribution leitet sich aus dem lateinischen causa = Ursache und attribuere = zuschreiben ab und beschreibt den Prozess, wie Personen zu subjektiven Urteilen über die Ursachen von eigenen und beobachteten Verhaltensweisen gelangen (Zimbardo, Gerrig & Graf, 2007, S. 766).

Bei dem Versuch ihre Umwelt zu verstehen, setzen Menschen Informationen so zusammen, dass diese plausibel sind beziehungsweise ein Kausalzusammenhang ersichtlich wird (Werth & Mayer, 2008, S. 134-135). Dass Menschen überhaupt Ursachenzuschreibungen durchführen, liegt in deren Grundbedürfnis nach Kontrolle und Vorhersagbarkeit begründet. Nur das alleinige Erfassen von Ereignissen oder Verhalten in der sozialen Umwelt reicht nicht aus um dieses Bedürfnis zu befriedigen, da erst durch eine Ursachenzuschreibung ein Ereignis oder Verhalten überhaupt eine bestimmte Bedeutung für den Menschen erhält und infolge dessen eine individuelle Bewertung und Kontrollierbarkeit ermöglicht wird. Somit haben Attributionen eine wichtige Ordnungsfunktion und ermöglichen dem Menschen, seine soziale Umwelt zu verstehen und vorherzusagen (Meyer & Försterling, 1993, S. 176-177).

Unter dem Begriff der Attributionstheorie wird nicht eine spezielle Theorie verstanden, sondern dieser umfasst eine Gruppe von Theorien, die gemeinsame Annahmen der Kausalattribution teilen. Die meisten Attributionstheorien haben zum Untersuchungsgegenstand, wie ein Beobachter das Verhalten eines Handelnden gegenüber einem Menschen oder einer Entität erklärt. Unter Entität wird dabei ein nichtmenschlicher Gegenstand (Objekt) verstanden. Zuweilen tritt der Fall ein, dass Handelnder und Beobachter dieselbe Person sind und man dementsprechend von Selbstattribution spricht (Parkinson, 2014, S. 72).

2.2 Heiders naive Attributionstheorie

Der österreichische Psychologe Fritz Heider (1896 – 1988) gilt als Begründer der Attributionstheorie. Die Grundlage seiner Forschungsarbeiten bildete die Differenzmethode des britischen Philosophen John Stuart Mill (1806 – 1873). Mit der Veröffentlichung seiner Monographie The psychology of interperson relations im Jahr 1958, legt er den Grundstein der Attributionstheorie (Meyer & Försterling, 1993, S. 178). Heider (1958) prägt den Begriff des „naiven Wissenschaftlers“ und zeigt auf, wie der Mensch als Laienpsychologe kausale Theorien des menschlichen Verhaltens entwickelt.

Heider geht dabei von drei Prinzipien der naiven Psychologie aus, die der Mensch bei der Konstruktion seiner kausalen Theorien anwendet.

Ein Prinzip ist dabei das menschliche Bedürfnis, Verhalten kausal zu erklären. Dies begründet sich durch die menschliche Denkweise, bei der das persönliche Verhalten auf Motive zurückgeführt wird. Entsprechend will der Mensch durch die Erschließung der Verhaltensursachen anderer Menschen auch deren Motive herausfinden.

Heider vertritt als weiteres Prinzip der naiven Psychologie die Ansicht, dass Menschen zur Verhaltenserklärung ihrer sozialen Umwelt primär nach stabilen und überdauernden Merkmalen wie Fähigkeiten oder Persönlichkeitseigenschaften suchen.

Das letzte Prinzip befasst sich mit dem Entscheidungsprozess, der während einer Attribution abläuft. Nach Heider differenzieren Menschen bei der Ursachenzuschreibung zwischen Persönlichkeitsfaktoren und situativen Faktoren. Erfolgt eine Attribution auf Persönlichkeitsfaktoren, wird dies als internale (dispositionale) Attribution bezeichnet. Diese liegt vor, wenn die Ursache für ein bestimmtes Verhalten in der Person, zum Beispiel in deren Persönlichkeit, Einstellungen oder Fähigkeiten, angenommen wird. Erfolgt dagegen eine Attribution auf situative Faktoren, handelt es sich um eine externale (situationale) Attribution. In diesem Fall werden die Gründe für ein Ereignis außerhalb der handelnden Person vermutet und situativen Gegebenheiten zugeschreiben (Bierhoff & Frey, 2011, S. 153).

Gemäß Heider neigen Menschen tendenziell eher zu internaler Attribution. Der Grund hierfür liegt vor allem im sozialen Wahrnehmungsprozess. Der Mensch selbst liegt im Fokus der Wahrnehmung, da dieser saliente Merkmale aufweist. Die situativen Gegebenheiten hingegen sind meist nicht direkt sichtbar und werden deshalb mitunter nicht erkannt (Aronson, Wilson & Akert, 2011, S. 104-105).

2.3 Kelleys Kovariationsmodell

Der amerikanische Psychologe Harold Kelley (1921 – 2003) beschäftigte sich mit der Fragestellung, wann sich Menschen für eine internale und wann für eine externale Attribution entscheiden. Er führte mit seinen Arbeiten die Attributionstheorie Heiders weiter. Kelley (1967) lieferte einen entscheidenden Beitrag zur Attributionstheorie indem er aufzeigte, dass Menschen bei der Eindrucksbildung und Ursachenzuschreibung des Verhaltens anderer Menschen mehrere Informationen und mehrmalige Beobachtungen einbeziehen.

Kelleys Theorie, das Kovariationsmodell, liefert einen Erklärungsansatz, wie Wahrnehmende mögliche Ursachen für Verhalten gegeneinander abwägen und sich entsprechend für eine Erklärung entscheiden. Der Beobachter ist daran interessiert herauszufinden, ob das betreffende Ereignis (Effekt) durch den Handelnden, aufgrund der Situation oder eines Objektes (Entität) verursacht wurde (Parkinson, 2014, S. 75).

Kelley geht in seinem Kovariationsmodell davon aus, dass Menschen durch die Sammlung von Daten vergleichbarer Ereignisse, zu Schlussfolgerungen über beobachtetes Verhalten kommen. „Als Verhaltensursache wird vom Beobachter diejenige Person, Entität oder Situation angesehen, die mit dem beobachteten Effekt kovariiert.“ (Parkinson, 2014, S. 75). Folglich bilden Beobachter ihre Urteile auf Grundlagen von Kovariationen oder Korrelationen zwischen Effekten und deren potentiellen Ursachen. Mit anderen Worten: „Der Effekt wird derjenigen Bedingung zugeschrieben, die vorhanden ist, wenn der Effekt vorhanden ist, und die abwesend ist, wenn der Effekt abwesend ist“ (Kelley, 1967, S. 194). Demzufolge steht die Klärung der Ursache einer Wirkung im Mittelpunkt des Kovariationsmodells. Dies erfolgt durch die Beobachtung der Faktoren die übereinstimmend mit dem relevanten Effekt auftreten oder auch nicht auftreten (Parkinson, 2014, S. 75).

Kelley (1973) greift in seinem Modell auf einzelne Merkmale der wissenschaftlichen Varianzanalyse zurück. Er nutzt den Begriff der naiven Varianzanalyse und begründet dies mit der Tatsache, dass der Mensch sich als Laienpsychologe auf naive Art und Weise der wissenschaftlichen Methode bedient. Die naive Varianzanalyse differenziert zwischen den potentiellen Ursachen für einen Effekt, die unabhängigen Variablen und dem Effekt als abhängige Variable (Meyer & Försterling, 1993, S. 187-188).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Varianzanalytischer Würfel der Ursachenerklärung bei mehrfachen Beobachtungen. a allgemeine Darstellung des Kovariationsmodells; b Informationsmuster welches zu einer Attribution auf die Person führt (Quelle: In Anlehnung an Kelley, 1973, S. 110).

Kelley (1967) benennt drei unterschiedliche Informationskriterien, die den möglichen Ursachen Person, Situation und Entität entsprechen. Er bezeichnet diese als Konsensus-, Konsistenz- und Distinktheitsinformationen. Das Zusammenspiel dieser drei Kriterien bestimmt, auf welche Ursache ein Effekt zurückgeführt wird (Meyer & Försterling, 1993, S. 188-189).

Das Kriterium Distinktheit liefert Informationen darüber, ob sich die zu beurteilende Person in verschiedenen, jedoch ähnlich gearteten Situationen immer gleich oder unterschiedlich verhält. Engagiert sich ein Mitarbeiter beispielsweise regelmäßig freiwillig bei verschiedenen Hilfsprojekten, liegt eine niedrige Distinktheit vor (Kovariation hoch). Ist besagter Mitarbeiter jedoch nur einmalig aufgrund einer ausdrücklichen Weisung engagiert, handelt es sich um eine hohe Distinktheit.

Das Kriterium Konsensus zeigt an, ob sich auch andere Personen in einer spezifischen Situation so verhalten wie die zu beurteilende Person oder ob deren Verhalten variiert. Kommen alle Mitarbeiter aufgrund eines Streiks im öffentlichen Nahverkehr morgens zu spät, ist der Konsensus hoch. Waren jedoch alle anderen pünktlich und nur ein Mitarbeiter zu spät, liegt ein niedriger Konsensus vor (hohe Kovariation).

Das Kriterium Konsistenz bezieht sich darauf, ob sich die zu beurteilende Person in einer spezifischen Situation über verschiedene Zeitpunkte hinweg immer gleich verhält. Kommt ein Mitarbeiter regelmäßig zu den wöchentlichen Teammeetings zu spät, handelt es sich um hohe Konsistenz (hohe Kovariation). Ist der Mitarbeiter jedoch einmalig aufgrund eines Staus zu spät, ist die Konsistenz niedrig (Werth & Mayer, 2008, S. 136).

Die auf Grundlage der Informationskriterien gebildeten Kovarianzen befähigen den Beobachter, auf eine internale oder externale Attribution zu schließen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Die drei Kriterien des Kovariationsmodells. Die farbig hervorgehobenen Felder kennzeichnen eine internale Attribution (Quelle: in Anlehnung an Werth & Meyer, 2008, S. 136).

Kelley (1967) beschreibt vier ideale Informationsmuster die aufzeigen, wie Beobachtungen im besten Fall erfolgen und auf welche Ursache (Person, Entität, Umstände) das Verhalten zugeschreiben wird (Meyer & Försterling, 1993, S. 189).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Ideale Informationsmuster und deren attributionale Folgerungen

(Quelle: in Anlehnung an Kelley, 1967)

Kelleys Theorie erklärt mit hoher Plausibilität wie Attributionen vorgenommen werden. Gleichzeitig kann anhand der vorgestellten idealen Informationsmuster bereits erkannt werden, dass sehr umfangreiche gedankliche Prozesse erforderlich sind, um zu diesem modellhaften Ergebnis zu gelangen. Es liegt daher nahe, dass Menschen im Alltag bei der Suche nach einer Effektursache nicht immer derart systematisch Informationen sammeln und auswerten (Parkinson, 2014, S. 77).

Tatsächlich fehlt dem Beobachter für eine idealtypische Ursachenanalyse mitunter die Zeit, die Gelegenheit oder die Motivation. Kelley (1972) selbst hat die Problematik der unvollständigen Kovariationsinformationen erkannt und dies im Rahmen seiner Kausalschemata-Theorie erklärt. Nach Kelley erfolgen Attributionen, bei einer nur einmaligen Beobachtung eines Effekts, aufgrund von sogenannten kausalen Schemata (Konfigurationen). Er definierte diese als „Konzeptionen über die Art des Zusammenwirkens von zwei oder mehreren Ursachenfaktoren im Hinblick auf eine bestimmte Art von Effekt“ (Kelley, 1972, S. 152). Kelley geht davon aus, dass der Mensch vorhandene Informationslücken anhand von ähnlichen Erfahrungen und daraus resultierenden Meinungen schließt. Diese Erfahrungswerte geben dem Menschen eine Vorstellung darüber wie bestimmte Ursachen, die einen Effekt hervorrufen, zusammenhängen (Meyer & Försterling, 1993, S. 192). Meist werden manche Ursachen aufgrund von einzelnen Beobachtungen ausgeschlossen und Vermutungen über unbeobachtete Kausalfaktoren gemacht. Kausale Schemata können somit als Wissensstrukturen bezeichnet werden, die Attributionen steuern (Parkinson, 2014, S. 77).

Kelley (1972) beschreibt eine Vielzahl von kausalen Schemata, von denen auf zwei besonders populäre im Folgenden näher eingegangen wird.

Einerseits das Schema der multiplen hinreichenden Ursachen. Dies besagt, dass es für einen Effekt zwei mögliche Ursachen geben kann, also eine Ursache ausreicht, um den Effekt hervorzubringen. Dieses Schema wird primär zur Erklärung von gewöhnlichen Ereignissen wie genutzt.

Beim Schema der multiplen notwendigen Ursachen hingegen müssen alle möglichen Ursachen gegeben sein, damit der Effekt eintritt. Zur Anwendung kommt dieses Schema vor allem bei der Erläuterung von ungewöhnlichen oder extremen Ereignissen (Meyer & Försterling, 1993, S. 193).

Die beiden genannten kausalen Schemata hängen nach Kelley (1972) mit zwei Attributionsprinzipien zusammen. Zum einen ist dies das sogenannte Abwertungsprinzip, welches mit dem Schema der multiplen hinreichenden Ursachen verbunden ist. Dieses Prinzip besagt, dass „Beobachter alternative Ursachen ausschließen, wenn sie bereits andere Faktoren kennen, die den beobachteten Effekt bewirken können“ (Parkinson, 2014, S. 77). Das Gegenteil des Abwertungsprinzips wird als Aufwertungsprinzip bezeichnet. Dieses besagt, dass sich der Einfluss einer förderlichen Ursache erhöht, wenn zusätzlich eine erschwerende Ursache vorliegt. Das Aufwertungsprinzip ist sowohl mit dem Schema der multiplen hinreichenden Ursachen als auch mit dem Schema der multiplen notwendigen Ursachen verknüpft (Parkinson, 2014, S. 77-78).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Kelleys Kovariationsmodell logisch und nachvollziehbar menschliche Attributionsprozesse erklärt. Dass Menschen tatsächlich häufig Attributionen so systematisch wie in Kelleys Modell beschrieben vornehmen, konnten mehrere Studien in den letzten Jahrzehnten belegen. Gleichzeitig haben die Studien auch die Problematik der unzureichenden Kovariationsinformationen erkannt. Des Weiteren wurde festgestellt, dass bei der Attributionsbildung Konsensusinformationen meist weniger berücksichtigt werden und primär eine Attribution aufgrund von Konsistenz- und Distinkheitsinformationen erfolgt (Aronson et al., 2011, S. 107).

3 Fehler und Verzerrungen im Attributionsprozess

Der menschliche Attributionsprozess kann als komplexer Vorgang betrachtet werden, der durch verschiedenste Faktoren beeinflusst wird. Stehen nicht alle Kovariationsinformationen zur Verfügung, wenden Menschen bei der Beurteilung kausale Schemata zur Schließung vorhandener Wissenslücken an. Konsensusinformationen werden hingegen aufgrund ihrer erschwerten Zugänglichkeit meist ignoriert. Auch das Bedürfnis nach einer hohen Selbsteinschätzung sowie erlernte Attributionsstile können sich auf die Beurteilung auswirken. Dies zeigt, dass Menschen bei Beurteilungen ihrer sozialen Umwelt nicht immer überlegt und logisch vorgehen und daraus verzerrende oder falsche Attributionen resultieren können (Aronson et al., 2011, S. 107). Diese sogenannten Attributionsverzerrungen (attributional biases) zeigen auf, warum Menschen für gewöhnlich beim Ziehen kausaler Schlüsse manchen Ursachen mehr Bedeutung zuschreiben als anderen. Dabei werden zwischen verschiedenen Arten von Ursachen differenziert, die für gewöhnlich in entsprechenden Situationen vorzugsweise Verwendung finden (Parkinson, 2014, S. 90). Die wesentlichen Verzerrungen und Fehler im Attributionsprozess werden im Folgenden näher erläutert.

3.1 Korrespondenzverzerrungen

Menschen neigen im Allgemeinen dazu, aus dem Verhalten ihrer Mitmenschen Schlüsse auf deren Persönlichkeit zu ziehen. Als Korrespondenzverzerrung (correspondence bias) wird die allgemeine Tendenz bezeichnet „aus einem beobachteten Verhalten auf eine persönliche Disposition zu schließen, die mit dem Verhalten korrespondiert, auch wenn das Verhalten durch die Situation bestimmt war“ (Parkinson, 2014, S. 90). Diese Tendenz wurde aufgrund ihrer Allgegenwärtigkeit von dem Sozialpsychologen Lee Ross (1977) auch als fundamentaler Attributionsfehler bezeichnet (Zimbardo et al., 2007, S. 767).

Warum Menschen situative Einflüsse unterschätzen und im Gegenzug dispositionale Einflüsse überschätzen, kann nach Gilbert und Malone (1995) auf unterschiedliche Vorgänge zurückgeführt werden. Ein Grund dafür liegt in der Tatsache, dass situationsbedingte Verhaltensursachen eines Menschen meist nur mangelhaft oder gar nicht feststellbar sind. Folglich werden diese vom Beobachter nicht bewusst wahrgenommen und finden auch keine Anwendung in der Beurteilung.

Ein weiterer Grund für eine verzerrende Beurteilung ist die Erwartungshaltung des Beobachters über das mögliche Verhalten anderer Menschen. Der Beobachter geht in diesem Fall davon aus, dass andere Menschen dasselbe Verhalten wie seines in identischen Situation zeigen und auch dieselben Einstellungen und Überzeugungen teilen. Diese Fehleinschätzung wird auch als Falscher-Konsensus-Fehler (false consenus bias) bezeichnet. Als letzter Grund nennen Gilbert und Malone den Umstand, dass der Beobachter nicht immer in der Lage ist, einmal gemachte Schlussfolgerungen über Verhaltensursachen zu korrigieren. Dies ist in erster Linie dann der Fall, wenn die Anforderungen an die kognitive Verarbeitung hoch sind (Parkinson, 2014, S. 90-91). Der menschliche Attributionsprozess durchläuft zwei Stufen. Im ersten Schritt werden Verhaltensursachen eines anderen Menschen automatisch als dispositional beurteilt. Erst im zweiten Schritt erfolgen mittels bewusster kognitiver Prozesse die Einbeziehung situativer Gründe und dann eine entsprechende Anpassung der ursprünglichen Attribution. Ist jedoch nicht genügend Kapazität vorhanden oder fehlt die Motivation für den zweiten, mehr Aufmerksamkeit erforderten Schritt der Anpassung, führt dies zu einer Unterschätzung der situativen Faktoren (Werth & Mayer, 2008, S. 145).

Wie stark sich Korrespondenzverzerrungen auf die Beurteilung auswirken, wird noch von einigen weiteren Faktoren beeinflusst, von denen die Wichtigsten im Folgenden näher erläutert werden:

- Der Blickwinkel

Beurteilungssituationen sind meist durch eine Vielschichtigkeit gekennzeichnet, die die Beobachtung und Analyse des Verhaltens anderer Menschen als schwierig gestalten. Besonders bei der Beurteilung einzelner Personen in einer Gruppensituation wird Verhalten von diversen Faktoren beeinflusst, die der Beobachter nicht alle oder nicht alle gleichermaßen bewusst wahrnehmen kann. Der Beobachter richtet seine Aufmerksamkeit in sozialen Situationen primär auf die handelnde Person und weniger auf diejenige Situation, die diese Person umgibt (Werth & Mayer, 2008, S. 141-142). Nach Heider (1958) schreiben Menschen die Ursache eines beobachteten Verhaltens der Disposition einer Person zu, weil sie diese potenzielle Ursache vorrangig wahrnehmen.

- Auffälligkeit (Salienz)

Neben dem Blickwinkel wird die Aufmerksamkeit des Beobachters auch von auffälligen Reizen beeinflusst. Saliente Reize wie beispielsweise eine von der Gruppe abweichende Hautfarbe oder ausgefallene Kleidung ziehen die Aufmerksamkeit des Beobachters auf sich. Daraus resultiert, dass auffällige Personen sowohl im positiven wie auch im negativen Sinne als ursächlich wahrgenommen werden (Werth & Mayer, 2008, S. 144).

- Verarbeitungsziele

Auch die Fragestellung, welches Ziel vom dem Beobachter verfolgt wird, wirkt beeinflussend auf das Ergebnis. Der Beobachter kann versuchen sich einerseits von der Person (dispositionales Ziel) oder andererseits von der Situation (situatives Ziel) ein Bild zu machen. Entsprechend erfolgt eine Verlagerung der Aufmerksamkeit in die jeweilige Richtung und somit auch die Attribution (Werth & Mayer, 2008, S. 146).

- Diagnostizität des beobachteten Verhaltens

Korrespondenzverzerrungen treten im Besonderen dann auf, wenn Beobachter das Verhalten eines Menschen, ohne Berücksichtigung der bestehenden situativen Einflüsse, als besonders diagnostisch für deren Persönlichkeit wahrnehmen. Dies ist beispielsweise bei unmoralischem oder generell von der Norm abweichendem Verhalten der Fall. Normkonformes Verhalten wird allgemein erwartet und bietet somit wenig Aussagekraft über eine Person wohingegen normabweichendes Verhalten für gemeinhin sanktioniert wird. Die mögliche Konsequenz daraus ist, dass der Beobachter situative Faktoren bewusst ausklammert, wenn er das Verhalten einer Person als diagnostisch ansieht. Dabei vernachlässigt er die Tatsache, dass die jeweilige Situation unter Umständen wesentlich bestimmender für das beobachtete Verhalten war als dispositionale Faktoren (Werth & Mayer, 2008, S. 146-147).

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Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Kelleys Kovariationsmodell und Attributionsfehler. Wie wirken sich Attributionen auf die Mitarbeiterbeurteilungen aus?
Hochschule
SRH Hochschule Riedlingen
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
28
Katalognummer
V436013
ISBN (eBook)
9783668765948
ISBN (Buch)
9783668765955
Dateigröße
597 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
kelleys, kovariationsmodell, attributionsfehler, attributionen, mitarbeiterbeurteilungen
Arbeit zitieren
Sandra Waldeyer (Autor:in), 2018, Kelleys Kovariationsmodell und Attributionsfehler. Wie wirken sich Attributionen auf die Mitarbeiterbeurteilungen aus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436013

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