Analyse der Patienten-Arzt-Beziehung aus Sicht spieltheoretische Modelle und eine Abschätzung der Ergebnise


Master's Thesis, 2017

48 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Arzt-Patiennten-Beziehung
2.1 Principal-Agent-Theo rie
2.2 Spieltheorie

3 Ge fangen dilemma und andere spieltheoretische Modelle
3.1 Einführung in das Modell Gefangendilemma
3.2 Das Gefangenendilemma ״Krankschreibung“
3.3 Exkurs: Selbstkrankschreibung
3.4 Vertrauen durch wiederholtes Geíàngendilemma
3.5 Das Hirntod-Dilemma - Differenzierter Nutzen in der Spieltheorie
3.6 Das Koordinations spiel Hirschjagd
3.7 Das Tausendfüßler-Spiel

4 Grenzen der spieltheoretischen Modelle
4.1 Das Hirntod-Dilemma
4.2 Das Urlauberdilemma

5 Empirische Simulation eines Gefangendilemmas

6 Entwicklung des Vertrauens in der Arzt-Patienten-Beziehung

7 Vertrauen durch Reputation

8 Fazit

9 Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbüdungsverzeichnis

Abbildung 1 : Seif-Determination-Theorie und Motivierende Gesprächs führung

Abbildung2: Entwicklung der FehlzeitenbeiBerufstätigen (Quelle: TKK 2017)

Abbildung 3 : Darstellung des Tausendlüssler-Spiel in extensiver Form

Abbildung 4: Unterschiedliche Denkmuster und Reaktionszeiten bei den Entscheidungen des Urlauberdilemmas (Spektrum der wissenschaft 1994)

Abbildung 5: spieltheoretischer Ereignisbaum der Entscheidungen von Arzt und Patient bei der Krankschreibung

Abbildung 6: prozentuale Ergebnisse der Simulation des Modells der Krankschreibung im Entscheidungsbaum

Abbildung 7: Analyse des Einflusses der Krankheitswahrscheinlichkeit auf die Streategiewahl

Abbildung 8: Legende zu den unterschiedlichen Strategien aus Abbildung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 : Auszahlungsmatrix für Spieler lund Spieler 2 (eigene Darstellung)

Tabelle 2 : Auszahlungsmatrix für PAtient und Arzt (eigene Darstellung)

Tabelle 3: Auszahlungsmatrix von Patient und Arzt im Himtod-Dilemma aus der Sicht des Arztes (eigene Darstellung)

Tabelle 4: Auszahlungsmatrix von Jager I und Jäger II bei der spieltheoretischen Hirschjagd (eigene Darstellung)

Tabelle 5: Auszahlungs matrix von Patient und Arzt im Koordinationsspiel Drogensuchbekämpfung (eigene Darstellung)

Tabelle 6: Auszahlungsmatrix des Himtod-Szenarios flir Eltern und Arztaus Sicht des Arztes (eigene Darstellung)

Tabelle 7: Auszahlungsmatrix des Himtod-Szenarios flir Eltern und Arzt aus Sicht der Eltern (eigene Darstellung)

Tabelle 8 : Auszahlungsmatrix des Urlauberdilemmas (Basu 2004)

Tabelle 9. Auszahlungsmatrix von Patient und Arzt beim Szenario der Krankschreibung (eigene Darstellung)

1 Einleitung

Die bestehende Beziehung zwischen Arzt und seinem Hausarzt wirkt sich nachhaltig auf den positiven Gesundheitszustand des Patienten aus.

״Eine Schlüsselposition bei der Erstellung und Verteilung von Gesundheitsleistungen nimmt der ambulant tätige Arzt ein. Er ist es den die meisten Menschen als ersten aufsuchen, wenn sie ein gesundheitliches Problem haben, das sie nicht mehr alleine bewältigen zu können glauben, und er ist daher auch, der als erster über Diagnose, Therapie, Verschreibung und Überweisung an andere Anbieter medizinischer Leistungen (Fachärzte andere Spezialgebiete, Krankenhäuser, Apotheker etc.) entscheidet. Er wird folglich von vielen als Türhüter“ des Gesundheitswesen angesehen.“ (Breyer, et al., 2012 s. 331)

Diese These zielt darauf ab, die Arzt-Patienten Beziehung in der Primärversorgung mit Strukturen der Spieltheorie zu untersuchen. Diese Beziehung ist geprägt von Kontinuität, Vertrauen und Kooperation und wiederholten Interaktionen. Die Grundsätze der Spieltheorie lassen ein Modell entwickeln, um Probleme dieser Arzt­Patienten Beziehung besser zu beleuchten. Die Ziele dieser These sind:

- Die spieltheoretische Strukturen als nützliche theoretische Grundlage für die Interaktionen der Arzt-Patienten Beziehung einzuführen.
- Das spieltheoretische Modell der Arzt-Patienten-Beziehung um zwischenmenschliche Faktoren wie Vertrauen und Behandlungserfolg zu erweitern.
- Den Wert von spieltheoretischen Modellen für Strukturen wie die Arzt-Patienten­Beziehung aufzuzeigen.

In der vorliegenden Arbeit möchte ich zeigen, dass die Arzt-Patienten Beziehung über subjektive Symptome zu einem Dilemma zwischen dem Arzt und Patienten führen kann.

Im Kapitel 2 wird ein ein kurzer Überblick über die Pricipal-Agent-Theorie und die Spieltheorie als Analysemodelle für die Arzt-Patienten-Beziehung gegeben.

Kapitel 3 beschäftigt sich eingehend mit den unertschiedliehen spieltheoretischen Modellen und wendet diese auf die Arzt-Patienten-Beziehung an. Im speziellen wird am Beispiel der Krankschreibung das Gefangendilemma erörtert.

In Kapitel 4 werden die Grenzen spieltheoretischer Modelle als Grundlage der Analyse für die Arzt-Patienten-Beziehung mit Hilfe des Hirntod- und Urlauberdilemma aufgezeigt.

In Kapitel 5 wird ein interessanter Einblick in die empirischen Ergebnisse einer unter sinnvollen Annahmen durchgeführten Simulation des Gefangendilemmas ״Krankschreibung“ gewährt. Die Excel-Datei dieser Simulation ist der Arbeit angehängt.

Kapitel 6 unterstreicht die Wichtigkeit von Vertrauen in der Arzt-Patienten-Beziehung. Im speziellen wird hier die Reputation als vertrauensbildende Basis dargestellt.

Im letzten Kapitel wird ein zusammenfassendes Resümme gezogen.

Insbesondere untersuche ich spieltheoretisch die Entscheidungen der Ärzte und Patienten, ob das Procedere der Krankschreibungen verbessert werden kann. Patienten, die einen ungerechtfertigten bezahlten Urlaub erhalten möchten, können die Unfähigkeit des Arztes, die gemeldeten subjektiven Symptome zu überprüfen, potenziell ausnutzen. Auch wenn die Ärzte sich dessen bewusst sind, ist es ihnen unmöglich, scheinbar simulierende Kranke von den wirklich Kranken zu unterscheiden. Ich gehe nun auf die wichtige Vertrauensbasis von der Arzt-Patienten Beziehung ein und analysiere diese.

2 Die Arzt-Patiennten-Beziehung

Das Arzt-Patienten Gespräch stellt eine der wichtigsten Grundlagen zur Genesung des Patienten dar. Es stellt als zweidimensionale soziale Beratung dar, in der Arzt. Informationen des Patienten erhebt, eigene Test durchführt, eine Diagnose stellt und eine Behandlung empfiehlt. Der Patient stellt seinerseits die Informationen seines Gesundheitszustandes dar und entscheidet welche Information und wie er diese dem Arzt präsentiert. Er stellt Fragen, die die Wahrnehmung des Arztes beeinflussen. Schlussendlich kann er in die vorgeschlagene Behandlung des Arztes einwilligen.

Das Ergebnis des Arzt-Patienten Gespräch ist somit sowohl von Arzt als auch Patient abhängig und ist eine interaktive Entscheidungsfindung. Es ist abhängig sowohl von der Entscheidung des Patienten als auch des Arztes. Der Arzt trifft die Entscheidung über die Behandlung und der Patient entscheidet, ob er der ärztlich vorgeschriebenen Behandlung folgt oder nicht.

Das Vertrauen zum Arzt entsteht durch (Deter, 2010):

- ״diese erste Begegnung
- das weitere Verhalten des Arztes bei der Anamnese und der körperlichen Untersuchung
- das plausible Vorgehen bei weiteren Untersuchungen bzw. verständlichen Erklären dieser Maßnahmen gegenüber dem ״nicht wissenden“, aber möglicherweise ahnenden und oft in unterschiedlicher Weise vorbeeinflussten Patienten, der seine eigenen Erfahrungen und Vorstellungen mitbringt.“

Der Patient trifft die Wahl seines Arztes selbst in Deutschland, anders wie in England hier wird der ״General Practitioner“ dem Patienten zugewiesen. Durch die eigene Wahl entsteht eine positive Grundhaltung der Arzt-Patienten Beziehung (Deter, 2010)

Die Kommunikation ist in der Arzt-Patienten-beziehung ein sehr wichtiger Aspekt.

״Die wichtigste diagnostische und therapeutische Handlung des Arztes ist das ärztliche Gespräch der Erfolg oder Misserfolg einer ärztlichen Behandlung hängen von der Qualität derArzt-Patient-Kommunikation ab.“ (Fritzsche, etai., 2006).

Effektive Kommunikation ist dann gegeben, wenn der Arzt das Bedürfnis des Patienten nach Kompetenz befriedigt, eine klare Sprache wählt, Inhalte verständlich formuliert

(Self-Determination-Theorie) (Markland, et al., 2005).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Self-Determination-Theorie und Motivierende Gesprächsführung (Markland, et al., 2005)

Ebenso ist aber auch die Kommunikation des Patienten von Bedeutung. Viele Patienten haben oft ein Problem, ihre Krankheitssymptome sowie deren Auslöser kohärent detailliert und wahrheitsgetreu zu schildern, aufgrund einer nicht bewussten Verzerrung der Wahrnehmung.

Erfolgreiche Kommunikation ist ein wesentlicher Baustein eine auf Vertrauen beruhenden Arzt-Patienten-Beziehung.

Die Analyse der Arzt-Patienten-Beziehung kann durch unterschiedlichen Ansätzen geschehen:

- Anwendung der Principal-Agent-Theorie auf die Beziehung zwischen Arzt und Patient
- Entwicklung eines spieltheoretischen Modells, um die Strategien von Arzt und Patient bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu analysieren.

In dieser Thesis wird nur kurz auf die Principal-Agent-Theorie eingegangen, weil der

Fokus auf der spieltheoretischen Analyse der Arzt-Patienten-Beziehung liegt.

2.1 Principal-Agent-Theorie

Die Informationsasymmetrie zwischen Arzt und Patient bewirkt, dass der Arzt oder Patient seinen diskretionären Handlungsspielraum zu seinen Gunsten ausnutzt. Dieses Problem wird im Rahmen der mikroökonomischen Theorie untersucht. (Bamberg, etai., 1987)vgl. (Wille, etai., 1991).

Die Arzt-Patienten-Beziehung ist geprägt von wechselseitigem Vertrauen.

Der Bedarf an Vertrauen entsteht in sozialen Beziehungen mit zwei Akteuren durch ein auftretendes Zeitproblem und durch herrschendende Informationsasymmetrie. Bei der Arzt-Patienten-Beziehung ist das Zeitproblem nicht gegeben weil Produktion und Konsum zusammen fallen (Spot-Transaktionen). Es gilt das uno-actu-Prinzip hier.

Aus der Informationsasymmetrie entsteht die Unsicherheit bzw. das Risiko, ob sich Arzt und Patient tatsächlich an die impliziten Vereinbarungen halten werden. In dieser Beziehung stellt Vertrauen einen wichtigen Mechanismus dar, der diese Informationsasymmetrie zu überbrücken versucht. (McGuire, 1997).

Übertragen auf die ״ Agency-Theorie“ (Arrow, 1985) lässt sich dies wie folgt darstellen:

Der Patient, der sog Prinzipal, dem Arzt, dem sogenannten Agenten, bestimmte Ressourcen überträgt. Aufgrund der Informationsasymmetrie besteht die Gefahr, dass der Agent einseitig zu seinen Gunsten seine Macht missbraucht und den Prinzipal enttäuscht. Der Principal kann oft die Interaktionen des Agenten nicht beurteilen, sondern erfährt nur etwas über das Ergebnis. Hierbei tritt eine Form von Moral Hazard (Breyer, et al., 2012). Eine pareto-optimale Situation[1] kann aufgrund der Informationsasymmetrie ohne zusätzliche Anreize nicht hergestellt werden. Die Organisation der Beziehung zwischen Principal und Agenten probiert die Ageny- Theorie zu erreichen, um den Wohlfahrtsverlust gering zu halten. (Pratt, et al., 1985) . p. Zweifel übertrug diesen Ansatz auf das Gesundheitswesen (Zweifel, 1994). Es geht um das Anreizsystem, so dass der Arzt (Agent) dem Patienten (Principal) gegenüber beste Leistung erbringt. Der bewerte Gesundheitszustand des Patient abzüglich der Kosten des Arztes stellt den Nutzen des Patienten dar. Ein guter Gesundheitszustand ist aber auch durchaus mit geringerem Arbeitsaufwand des Arztes zu erreichen. Der

Arzt kann entscheiden, welche medizinschen Leistungen er dem Patienten vorschlägt und somit seinen Gewinn maximieren (Gaynor, 1994). Dies stellt ein Problem dar, somit für die Honorierung des Arztes nur der erreichte Gesundheitszustand herangezogen werden kann.

Um das Problem der ״Übervorteilung“ durch den Arzt (Agent) zu lösen hat der Patient (Prinzipal) folgende Strategien (Preisendörfer, 1995):

- Vermeidung aller Ärzte-Kontakte:

Diese Strategie erscheint wenig sinnvoll, wenn man kein Mediziner ist.

- Risikostreuung durch Besuch mehrere Ärzte:

Durch übereinstimmende Zweit- und Drittärztemeinung kann der Patient dem Arzt besser vertrauen.

- Personalisierung der Arzt-Patienten-Beziehung:

Durch den persönlichen Kontakt des Patienten zum Arzt zum Beispieldurch gemeinsame Interessen, Hobbies oder Freunde erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf eine vertrauensvolle Behandlung.

- vorvertragliche Regulierung der Behandlung:

Diese Strategie wäre auch mit rechtlichen Kenntnissen zu kosten- und zeitaufwendig.

- Wahrnehmung wichtiger Signale:

Signale wie überfülltes Wartezimmer, Dauer der Behandlung oder Fortbildungen des Arztes könne Vertrauen auf- bzw. abbauen.

Damit der Patient dem Arzt von Anfang an Vertrauen schenken kann, haben sich bestimmte strukturelle Mechanismen gebildet: Es darf nur ein Arzt mit staatlich anerkannten Approbation behandeln, die Ärzteschaft schwört den hypokritischen Eid, die Standesorganisation und Versicherungen warten mit Kontrollmechanismen auf, die zu Regressen führen können. Derartige Absicherungen reduzieren zwar zum Teil das Vertrauensproblem, aber beseitigen es nicht.

Die Principal-Agent Theorie für die Analyse der Arzt-Patienten Beziehung wird den Strukturen im Gesundheitswesen nur zum Teil gerecht. Das Principal-Agent Modell bezieht sich oftmals nur auf das Verhalten des Arztes. Andere Modelle (McGuire, 1997) (Schneider, 2002) analysieren auch die gesundheitsrelevante Interaktion und deren Auswirkung auf den Arzt. Die Beziehung wird durch andere Akteure wie Krankenkassen und Versicherung beeinflusst. Diese sind in die Entscheidungen der Arzt-Patienten Beziehung involviert, wirken auf sie ein bzw. probieren das Ergebnis dieser zu steuern.

2.2 Spieltheorie

Eine andere Möglichkeit ist es die Arzt-Patienten Beziehung im Rahmen der Spieltheorie darzustellen.

Die Spieltheorie beschäftigt sich mit Entscheidungen, bei denen die Ergebnisse von den Aktionen von zwei oder mehr Entscheidungsträgern abhängen, die Spieler genannt werden und wo jeder Spieler zwei oder mehr Möglichkeiten hat. Jeder Spieler hat klare Präferenzen für die möglichen Ergebnisse. Die Theorie geht davon aus, dass die Menschen in der Regel versuchen, das Beste für sich selbst im Lichte ihrer Überzeugungen zu tun. Im Wesentlichen bietet die Spieltheorie ein Mittel, um die grundlegende Struktur einer Interaktion zu abstrahieren und vertritt sie in einem strategischen Spiel (Diekmann, 2016)

Mit Hilfe der Spieltheorie lassen sich die unterschiedlichen Strategien von Arzt und Patient bei wechselnden Szenarien analysieren. Die spieltheoretische Analyse ermöglicht die Auffindungen von Lösungen, sie befasst sich mit Entscheidungen in Situation strategischer Interdependenz wie der Arzt-Patienten-Beziehung. In der evolutionären Spieltheorie dagegen, stellt sich das Problem anders, hier werden sich Rationalitätslösungen durch Evolution herausbilden (McAdmas, 2014)

3 Gefangendilemma und andere spieltheoretische ModeUe 3.1 Einführung in das Modell Gefangendilemma

Das bekannteste aller strategischen Spiele ist das Gefangenendilemma, es ist ein Standardmodell für eine Zwei-Personen-Interaktion mit Kooperation und Konkurrenz oder Vertrauen und Verrat (Rapoport, etai., 1965).

Der Name stammt aus einem Szenario mit zwei verhafteten Gefangenen, die für ihr gemeinsames Verbrechen bestraft werden sollen. In einem Gerichtsaal irgendwo in den USA soll über das Strafmaß von zwei Gefangenen entschieden werden, die eine gemeinsame Tat begangen haben. Die beiden Gefangenen sitzen in Einzelzellen und können nicht miteinander kommunizieren. Der Richter erklärt den Gefangenen folgendes:

- Gesteht einer der beiden greift die Kronzeugenregelung, d.h. der Geständige wird frei gelassen und sein Komplize erhält 5 Jahre Haft.
- Gestehen beide Gefangenen, so müssen sie beide für 4 Jahre einsitzen.
- Gestehen beide nicht, so bekommen sie lediglich ein Jahr Haft.

Diese beschriebene Situation können wir in der Spielertheorie mit folgender Auszahlungsmatrix darstellen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Auszahlungsmatrix für Spieler 1und Spieler 2 (eigene Darstellung)

Das blaue Feld in der obenstehenden Auszhalungsmatrix zeigt die dominante beste Strategie beider Spieler an. Es gibt für die beiden Spieler (Gefangene) folgende mögliche Strategien:

- gestehen (G) oder - nicht gestehen (N)

Da beide Spieler rational handeln und beide möglichst wenig im Gefängnis sitzen wollen, wird die Strategie beider Spieler Gestehen (G) heißen. Denn wenn Spieler II gesteht, ist (G) die beste Antwort für Spieler I (4 < 5) und gesteht Spieler II nicht, so ist ebenfalls die beste Strategie für Spieler I (G) zu gestehen (0 < 1) aufgrund der Kronzeugenregelung. Vice Versa gilt das gleiche Kalkül für Spieler II. Beide Spieler haben die Strategie zu gestehen (G). Dies ist eine dominante Strategie, da sie unabhängig von der Entscheidung des anderen Spielers die beste Strategie ist. Das beide Spieler gestehen (G, G) ist ein eindeutiges Nash-Gleichgewicht (Nash, 1950b) (der Nobelpreisträger (1994) John F. Nash erkrankte an Schizophrenie seine Biographie wurde in dem Film ״A beautifull Mind“ brillant umgesetzt (Howard, 2001)) des Gefangenendilemmas. Dies ist aber nicht das optimalste strategiepaar, denn beide Spieler gestehen nicht (N, N) stellt beide Spieler noch besser. Das Nash- Gleichgewicht ist somit nicht Pareto-optimal - ein Dilemma. Der Zustand des Pareto- Optimums liegt vor, wenn sich kein Spieler verbessern kann, ohne dass dies auf Kosten eines anderen Spielers gehen würde. Ein Nash-Gleichgewicht ist ein Feld der Auszahlungsmatrix, von dem aus kein Mitspieler seine Position durch einseitiges Abweichen verbessern kann (Nash, 1950a)[2].

Kann dieses Dilemma vermieden werden, wenn den Gefangenen Kommunikation und Verhandeln erlaubt ist? Eine gemeinsame Verabredung, die gegenseitige Kooperation festlegt, würde bedeuten, dass die beiden Spieler nicht rational entscheiden. Wenn beide Gefangenen wissen, dass sie beide rational handeln und sie weiterhin wissen, dass beide wissen, dass beide rational handelnDas heißt Rationalität zu ״Common Knowledge“ (David, 1969) wird. Ist in diesem Fall die Verabredung zur beiderseitigen Kooperation nicht möglich, weil diese den Voraussetzungen der Rationalität widerspricht. Ein allgemeines Theorem in der Spieltheorie sagt aus, dass wenn sich alle Teilnehmer rational verhalten, echte Kooperation unmöglich ist.

3.2 Das Gefangenendilemma ״Krankschreibung“

Mit vernünftigen einfachen Annahmen kann die Arzt-Patienten Beziehung der Primärversorgung eine ähnliche Struktur aufweisen, die dem Spiel des Gefangenendilemmas entspricht. Der Arzt hat in jedem Patientengespräch die Möglichkeit im besten Interesse des Patienten zu handeln (Kooperation). Oder aber durch sein Handeln (Fehlentscheidung, falsche Ziele..) nicht das Interesse des Patienten im Gespräch und Behandlung zu verfolgen, was eine schlechte medizinische Versorgung darstellt (Verrat).

Der Patient seinerseits hat nach jedem Arzt Gespräch zu entscheiden, ob er dem Therapievorschlag (Behandlung, Rezept, Krankschreibung) des Arztes nachkommt (Kooperation) oder ob er sich dagegen entscheidet (Verrat).

Der Arzt ist dazu ausgebildet worden, die Schmerzen und Leiden des Patienten zu lindern. Die Gesellschaft erwartet zudem auch vom Arzt, dass diese ehrwürdige Aufgabe der Schmerzbeseitigung von ihm erfolgreich erfüllt wird. Der Arzt ist somit extrinsisch als auch intrinsisch motiviert, diese Rolle zu erfüllen.

Das folgende Szenario einer Krankschreibung oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinig ugn (AU) stellt einer intuitiven Interpretation des Gefangendilemmas in der Arzt-Patienten Beziehung dar.

Der Patient möchte seinerseits die gesundheitliche Leistung in Anspruch nehmen. Dies kann dazu führen, dass einige Patienten ihr Krankheitsbild fälschen, um dieses Ziel zu erreichen.

Die Krankschreibung des Patienten und Freistellung von seiner beruflichen Arbeit ist wichtiges notwendiges Mittel des Arztes den Gesundheitszustand des Patienten wiederherzustellen. In der durch wirtschaftlichen Kriterien begrenzten Behandlungszeit muss der Arzt dem Patienten mit der Schilderung seiner Krankheit vertrauen und kann objektiv oft nicht beurteilen, obeine Krankschreibung gerechtfertigt sei.

Das Nicht-Ausstellen einer Krankschreibung führt zur Unzufriedenheit des Patienten. Der Patient wird den Arzt schlecht bewerten und den Arzt wechseln. Dies wiederum führt zu wirtschaftlichen Einbußen für den Arzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Auszahlungsmatrix für Patient und Arzt (eigene Darstellung)

Die obenstehende Tabelle beschreibt das Gefangendilemma anhand der Situation der Krankschreibung. Das blaue Feld der Tabelle steht für die dominante Strategie für beide Spieler (Arzt und Patient).Ein Patient verlangt nach einer Krankschreibung. Es gibt vier mögliche Strategie-Kombinationen:

(1) Der Patient ist krank und wir krankgeschrieben. (K,K)

(2) Der Patient ist krank und wird nicht krankgeschrieben. (K,V)

(3) Der Patient ist nicht krank und wird krankgeschrieben. (V,K)

(4) Der Patient ist nicht krank und wird nicht krankgeschrieben. (V,V)

Der Arzt weiß nicht, ob der Patient echte Schmerzen hat oder diese nur vorgibt. Es ist eine rationale Entscheidung des Arztes den Patienten Krankzuschreiben, wenn er wirklich krank ist.

Simuliert der Patient die Krankheit, ist es immer noch die rationalste Entscheidung des Arztes den Patient eine Krankschreibung auszustellen. Denn schreibt erden Patienten 11

nicht krank, wird dieser dem Arzt undankbar sein, den Arzt schlecht bewerten und einen anderen Arzt konsultieren. Der Arzt erleidet dadurch Reputationsverlust und hat geringere Einnahmen. Diese Krankschreibung dient nicht der Genesung des Patienten, sondern schadet langfristig seiner Arbeitskraft und somit seinen Einkünften durch sein Gehalt.

In der obenstehenden Tabelle, müsste (G,G) als pareto-effiziente Strategiekombination gelten, denn der Arzt trifft mit geringer Behandlungszeit die richtige Entscheidung und stellt keine Krankschreibung für den Gesunden aus. Diese Kombination ist jedoch nicht das Nash- Gleichgewicht, sondern allein bei der Strategiekombination (K, K) herrscht ein Nash-Gleichgewicht. Arzt und Patient vermeiden das schlimmste Ergebnis.

Dr. Thomas Benzoni ein erfahrener Notfallarzt in Iowa beschrieb dieses Dilemma der New York Times am Beispiel von Schmerzmitteln:

״I admit that some people get drugs out of me who shouldn't get them But what I supposes to do? Do I deny them drugs so one person doesn't get a little more Vicodin? It's like emptying the ocean with a teacup to try to address our social drug problem.” (E.R. Doctors Face Quandary on Painkillers, 2012)

Somit ist die dominante Strategie des Arztes eine Krankschreibung auszustellen, egal ob der Patient krank ist oder dies nur vorgibt. Sowohl Arzt als auch Patient spielen Ihre beste Strategie und erhalten aber eine pareto-ineffiziente Lösung.

Eine solche Strategie für zur Verschwendung von Ressourcen im Gesundheitssystem, Arbeitsmarkt und Gesellschaft. Es kommt zu einem Wohlfahrtsverlust. Dies ist eine ״Tragedy oft the Commons“, eine Situation die G. Harding schon 1968 in einem Artikel in Science beschrieben hat. (Harding, 1969) Scheinbar rationale Entscheidungen im Eigeninteresse stehen im Widerspruch zu dem gesellschaftlichen Interesse.

Diese Darstellung verschafft uns ein tieferes Verständnis für die Gefangendilemma­Struktur des Arzt-Patienten Gespräches und die Spieltheorie erlaub es, dieses Dilemma klar zu analysieren. Unter der Verhaltensannahme der Ökonomik, sich eigennützig und rational zu verhalten, gibt es aus diesem Dilemma keinen Ausweg.

Es ist für den Arzt eine dominante Strategie immer die Krankschreibung auszustellen. Doch diese Strategie ist paradox und problematisch. Für das Gesundheitssystem und 12 die Gesellschaft kann dieses Ergebnis, das uns die Spieltheorie liefert nicht zufriedenstellend sein. Welche Auswege gibt es aus diesem Dilemma?

3.3 Exkurs: Selbstkrankschreibung

In diesem Exkurs möchte ich kurz erläutern, warum es für den Patienten nicht sinnvoll sein muss, der Krankmeldung des Arztes Folge zu leisten, um das beiderseitige Vertrauensproblem von Arzt und Patient im obigen Gefangendilemma der Krankschreibung zu untermauern.

״Wer lange von der Arbeit freigestellt ist, läuft Gefahr, es dauerhaft zu bleiben“ schreibt Michael Kästner vom Institut für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (Kästner, et al., 2005) (Hilfe von Doc Holiday, 2011). Das bedeutet, dass die Krankschreibung genauso Wirkungen und Nebenwirkungen haben kann wie jedes andere Medikament - eine Überdosis kann schädlich sein. Wer länger von der Arbeit freigestellt ist, läuft Gefahr, es dauerhaft zu bleiben. Der allgemeine Gesundheitszustand verschlechtert sich und psychische Probleme können nehmen.

Immer mehr Fehltage wegen psychischer Erkrankungen

Entwicklung der Fehlzeiten bei Berufstätigen (Fehltage im Jahr 2000 = 100 Prozent)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Krankheiten des Atmungs­systems
- Verletzungen. Vergiftungen und Folgen äußerer Ursachen Krankheiten des Muskel-Skelett­Systems und des Bindegewebes
- Krankheiten des Verdauungs­systems

Ein Erklärungsversuch warum in Deutschland so viele krankgeschrieben werden, wurde aus spieltheoretischer Sich probiertoben zu liefern. Da Patienten auch Kunden sind, möchte man den Patienten behalten und bedient sich der Krankschreibung als Marketinginstrument.

Die Krankschreibung bildet aber auch eine juristische Absicherung für den Arzt gegen Regresse. Die fordernden Krankschreibung der Fluglotsen von Madrid aus Protest haben die Ärzte ausgestellt, um nicht eine Flugzeugkatastrophe Mitverschulden zu müssen.

Die Krankschreibung spart zudem Zeit: Eine Unterschrift auf dem gelben Zettel[3] verhindert lange Gespräche mit Patienten, die krankgeschrieben werden wollen. Zum Ausstellen der Krankschreibung benötigt der Arzt nicht nur medizinische Kenntnisse, sondern muss sich auch über die Lebens- und Arbeitsbedingungen detailliert informieren. Die Kommunikation zwischen Hausarzt und Betriebsarzt ist hierbei durch den Datenschutz sehr erschwert.

Seit zehn Jahren gibt es in den Niederlanden das Modell der Selbstkrankschreibung. Der finanzielle Hintergrund hierbei ist, dass die niederländischen Unternehmen nicht wie in Deutschland sechs Wochen sondern 24 Monate den Lohn zahlen. Innerhalb von drei Jahren sank die Zahl der Fälle von Langzeit-Arbeitsunfähigkeit um die Hälfte. Die Anzahl der Kurzkrankschreibungen ist ungefähr auf deutschem Niveau.

Das Bewusstsein um dieses Dilemma ist wichtig, damıtman die Änderungen besser positiv angehen kann, um sowohl Patient, Arzt und Gesellschaft zufriedenstellen zu können. Das spieltheoretische eben beschriebene Gefangendilemma in der Arzt- Patienten-Beziehung berücksichtigt einige Faktoren nicht. Zum einen folgt der Arzt seiner Profession als Mediziner mit hippokratischen Eid. Er hat somit die ethische Verpflichtung, sich dem Wohle des Patienten zu widmen. Zum anderen können Arzt und Patient nicht unterstellt werden, das sie bei individuellen gesundheitliche Fragen Entscheiden und Handeln wie ein Homo Oeconomicus. Ein wichtiger Punkt in der

Arzt-Patienten Beziehung, den dieses Darstellung des Gefangenendilemmas nicht berücksichtigt ist Vertrauen. Vertrauen ist eine Grundsäule, die die Medizin benötigt.

Vertrauen kann helfen dieses Gefangendilemma zu überwinden. Durch die Informationsasymmetrie ist der Patient ständig gezwungen dem Arzt zu vertrauen, der mitunter ganz andere Interessen hat wie er selbst. Trifft der Arzt eine falsche Diagnose, stellt eine Krankschreibung oder Rezept falsch aus oder führt falsche Behandlungsmaßnahmen durch so ist er im Nachhinein geplagt von Bedauern, Schuldgefühlen und Frustration.

3.4 Vertrauen durch wiederholtes Gefangendilemma

Das Dilemma von Arzt und Patient beruht auf der Unkenntnis der Entscheidung des anderen. Wie oben beschrieben, ist Kooperation im Gefangendilemma, das nur eine Runde gespielt wird, keine rationale Strategie. Denn durch seine Entscheidung kann der Arzt oder Patient das Verhalten des anderen nicht beeinflussen und unabhängig von der Entscheidung des anderen immer seine beste Strategie wählen, wenn er selbst nicht kooperiert. Dieses Gefangendilemma setzt voraus, das Arzt und Patient sich nur einmal begegnen und ihr Handeln somit nicht zukünftige Interaktionen beeinflussen kann.

Diese Situation kann sich ändern, wenn wir das Gefangenendilemma über mehrere Runden spielen.

Würde das Gefangenendilemma über endlich viele Runden gespielt, wenn Arzt und Patient sich über die begrenzte Anzahl an Behandlungen bewusst sind (wie zum Beispiel am Urlaubdomizil), so hätten wir folgendes Szenario:

Da das Behandlungsende bekannt ist, lohnt es sich für den eigentlich kooperierenden Arzt oder Patienten in der letzten Behandlung nicht zu kooperieren, weil er für dieses Verhalten nicht durch Vergeltung bestraft werden kann. Somit verlagert sich die Entscheidung von der letzten auf die vorletzte Behandlung, in der sich wiederum die gleiche Überlegung ergibt. Durch Induktion bis zu ersten Behandlung ergibt sich, dass das auch hier die rational Entscheidung heißen muss, nicht zu kooperieren. Daraus ergibt sich, dass das Nash-Gleichgewicht die ständige Nicht-Kooperation ist, denn würden Arzt oder Patient ihre Strategiewechsel zur Kooperation vollziehen, würden sie kein besseres Ergebnis erzielen können. Deshalb ist das Ergebnis des Gefangendilemmas über eine endliche Rundenzahl das gleiche Ergebnis wie im einfachen Gefangendilemma.

Wir unterstellen für die Arzt-Patienten Beziehung somit ein Modell eines Gefangendilemma über unendlich viele Runden. Es macht Sinn Interaktionen, die voraussichtlich in Zukunft nicht enden werden, zu unterstellen, da Arzt und Patient nicht wissen, ob der Behandlung eine nächste folgt. Somit ist die oben beschrieben Rückwärtsinduktion nicht mehr möglich. Das Szenario mit unbegrenzter Wiederholung macht nun Kooperation wieder möglich, da Nicht-Kooperation durch Vergeltung bestraft werden kann. Die evolutionäre Spieltheorie[4], die sich mit diesen unendlichen Spielen beschäftigt, gewann in 80er an Bedeutung und wurde vor allem durch die Arbeit von J.M. Smith (Smith, 2013) und R.Axelrod (Axelrod, 2005) vorangetrieben.

Die Analyse des Gefangendilemma mit unendlichen vielen Runden zeigt, dass es möglich ist kooperative Strategien zu finden, die Nash-Gleichgewichte darstellen. Das bedeutet, dass die rationale Strategie zur Kooperation entsteht, wenn die Interaktionen durch unendlich wiederholte Kontakte gekennzeichnet sind. Wichtige Faktoren, die diese Kooperation fördern sind: Antizipation zukünftiger Interaktionen, die Fähigkeit sich gegenseitig zu kennen und das Erinnerungsvermögen an vergangene Interaktionen. Die Spieler können somit das positive Ergebnis der gemeinsamen Kooperation vorhersehen und die Bedrohung der Vergeltung erkennen, die einer zukünftigen Interaktion mit Nicht-Kooperation folgt.

Eine in diesem Zusammenhang bekannte Kooperation-Strategie ist hier ״Tit for Tat“ (Wie du mir, so ich dir). Die Strategie stellt kalkulatives Vertrauen her. Diese ״freundliche“ Strategie wurde von Anatol Rapaport erarbeitet (Rapoport, etai., 1965) und wurde vor allem durch das Buch ״Die Evolution der Kooperation“ von Robert Axelrod berühmt (Axelrod, 2005). Die einfache Tit-for-Tat Strategie beginnt die Interaktion immer mit Kooperation und spiegelt dann die Kooperation oder Nicht­Kooperation seines Gegenspieler in der Runde zuvor. Durch dieses Prinzip der Reziprozität ist diese klare und einfache Strategie im mehrperiodischen

Gefangendilemma sehr wirkungsvoll. Nach Axelrod hat die Tit-for-Tat- Strategie vier effektive Eigenschaften:

(Kooperation ist der erste Schritt) (einfach, da sie zwei Regeln besteht) (nicht-Kooperation wird gleich bestraft) (nicht nachsichtig und kooperiert wieder)

Tit-for-Tat handelt unter folgender Maxime: ״Sei freundlich, bestrafe gleich und verzeihe!“ Es ist davon auszugehen, dass die Beachtung dieser vier Regeln die Basis für eine robuste Kooperation darstellen kann.

Für die Arzt-Patienten Beziehung bedeuten diese spieltheoretischen Erkenntnisse des wiederholten Gefangendilemmas, dass die gegenseitige Zusammenarbeit zwischen Arzt und Patient sich freundlicher und kooperativer, wenn zukünftige Termine erwartet werden können.

Es gibt Anreize für den Arzt die Erstuntersuchung beim Patienten ausführlicher durchzuführen, weil die zukünftigen Termine dann wahrscheinlich weniger Zeit in Anspruch nehmen werden. Der Patient wird dieser Behandlungsweise eher vertrauen, da er sich bewusst ist, dass der Arzt seinen Gesundheitszustand auch in Zukunft kontrollieren wird. Arzt und Patient können diesen höheren Benefit, der aus der implizierten Kooperation erwächst, antizipieren. Die Qualität der medizinischen Leistung in der Primärversorgung kann somit erhöht werden, wenn der Patient den gleichen Arzt wiederholt konsultiert (Tarrant, et al., 2004). Diese von Gutek (Gutek, 1995) vorgeschlagenen wertvollen Dienstleistungsmodelle bilden eine theoretische Grundlage für die Organisation von Gesundheitsleistungen insbesondere für die Qualität der Struktur für die Arzt-Patienten-Beziehung.

3.5 Das Himtod-Dilemma - Differenzierter Nutzen in der Spieltheorie

Bei der Annahme, dass das Gefangendilemma-Spiel als Modell für die Arzt-Patienten­Beziehung dient, stellen sich einige Probleme.

Bei dem oben beschrieben Gefangenendilemma sind Spieler 1 und Spieler 2 austauschbar, weil die Auszahlungen für wechselseitige Strategiekombinationen den gleichen Wert haben. In der wirklichen Patienten-Arzt Beziehung nehmen die beiden Spieler unterschiedliche Rollen ein und haben einen unterschiedlichen Nutzeneffekt der Interaktion. Oft sind die Einsätze des Patienten höher und er muss somit größeres Vertrauen dem Arzt entgegenbringen. Es kann gesundheitlich entscheidend sein, ob der Patient dem Rat oder der Behandlungsempfehlung des Arztes folgt. Für den Arzt allerdings hat diese Patientenentscheidung mitunter nicht so viel Gewicht. Daher erscheint es sehr plausibel das für die Arzt-Patienten Beziehung zugrunde gelegete strategische Modell vom Gefangendilemma, so zu modifizieren, dass die Auszahlungen einen größeren Einfluss auf den Patienten als auf den Arzt ausüben. Wie bei jedem Gefangendilemma Spiel profitieren Arzt und Patient von der Kooperation des anderen. Die Kooperation von Arzt und Patient bringt mehr Nutzen, als wenn Arzt und Patient beide nicht kooperieren. Die geänderte Auszahlungsmatrix der Arzt-Patienten Interaktion istin der folgenden Abbildung zu sehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 3: Auszahlungsmatrix von Patient und Arzt im Himtod-Dilemma aus der Sicht des Arztes (eigene Darstellung)

Arzt und Patient haben in diesem modifizierten Gefangendilemma immernoch großes Interesse daran, gemeinsam zu kooperieren. Der große Unterschied ist aber, dass es nun für den Patienten wichtiger ist, dass der Arzt kooperiert (durch die richtigen Rat oder Behandlung) als es für den Arzt wichtig wäre, das der Patient kooperiert (Rezept einlöst, Krankschreibung folgt, Behandlung beginnt...). Wie man aus der Tabelle oben sieht, sind die Auszahlungen des Arztes viel geringer als die des Patienten. Somit hat die Entscheidung des Arztes größeren Einfluss auf den Patienten als umgekehrt.

3.6 Das Koordinations spiel Hirschjagd

Im Modell des Gefangendilemmas gehen wir davon aus, dass es einen Konflikt zwischen dem Eigeninteresse von Arzt / Patient und der durch gegenseitige Kooperation erzielten Vorteile gibt. Aber es gibt Fälle in der Arzt-Patienten Beziehung in denen dieser Konflikt nicht besteht und bei denen sowohl Patient als auch Arzt von der gemeinsamen Kooperation profitieren. Dieses Modell der Interaktion ist ein sogenantes Koordinationsspiel. Es wird durch die Parabel der Hirschjagd (Versicherungsspiel) von Jean-Jaques Rousseau dargestellt (Rousseau, 1998): Zwei Jäger gehen einen Hirschen jagen, den sie nur gemeinsam erlegen können. Unterwegs sieht einer jedoch eine Hasen, den er erschießen könnte und somit mehr keinen Hirsch mehr jagen könnte.

Während der Jagd sind die Entscheidungen der Jäger analog dem des Gefangenendilemmas, ob er den Hasen oder Hirsch jagt. Aber der Jäger muss sich zugleich überlegen, dass der andere Jäger auch einen Hasen schießen kann und er somit selbst einen Verlust erleidet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 4: Aus Zahlung s matrix von Jager I und Jäger II bei der spieltheoretischen Hirschjagd (eigene Darstellung)

Die Tabelle oben stellt die Auszahlungsmatrix der Hirschjagd dar. Es handelt sich hierbei um ein symmetrisches Zwei-Personen Spiel mit den beiden Strategien Hirsch- und Hasenjagd. Das Spiel der Hirschjagd hat zwei Nash-Gleichgewichte in reinen

Strategien[5] nämlich Hirsch/Hirsch und Hase/Hase und es besitzt ein Nash- Gleichgewicht in gemischten Strategien[6], wenn der Hirsch mit einer Wahrscheinlichkeit von 75% gejagt wird. Den Hirsch gemeinsam zu jagen ist zudem ein pareto-effizientes Nash-Gleichgewicht, weil diese Jagd die beste Beute darstellt.

Im spieltheoretischen Koordinationsspiel steht nicht der Konflikt sondern die Kooperation im Fokus. Die Spieler können durch Koordination Ihres Verhaltens, die größte Auszahlung erzielen. Allerdings beinhaltet die Kooperation auch ein Risiko. Die Spieler brauchen Sicherheit oder Vertrauen, um die Kooperation zu riskieren. Das pareto-effiziente Nash-Gleichgewicht beinhaltet ein größeres Risiko, weil sich der andere Spieler zur Nichtkooperation (Hase) entschließen könnte.

Für die Patienten- Arzt Beziehung könnte dieses Modell wie folgt nützlich sein. Ein Arzt möchte ein Programm zur Drogensuchtbekämpfung für seinen Patient starten. Diese Drogenentgiftung erfordert die Kooperation des Patienten. Wenn der Arzt nicht Vertrauen in den Patienten setzen würde, brauchte er dieses Therapieprogramm nicht starten und hätte Zeit und Mühe gespart. Er würde sein Risiko minimieren mit dem schlechtesten Ergebnis abzuschließen. Vertrauen ist also ein wichtiger Faktor zum Erfolg der Drogensuchtbekämpfung.

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Tabelle 5: Auszahlungsmatrix von Patient und Arzt im Koordinationsspiel Drogensuchbekämpfung (eigene Darstellung)

Auch der Patient muss dem Arzt vertrauen, dass das ausgewählte Programm zur Dogensuchtbekämpfung bei ihm erfolgreich ist und er nicht diese Therapie umsonst angeht. Arzt und Patient müssen beide zuversichtlich sein, damit durch Kooperation beider das Programm erfolgreich ist.

Wie im Fall des Gefangendilemmas ist auch bei der Hirschjagd (Koordinationsspiel) das Ergebnis abhängig, ob die Interaktion einmalig ist oder ob Arzt und Patient eine Reihe von wechselseitigen Interaktionen. Wenn Arzt und Patient auf eine Reihe von zurückliegenden Gesprächen oder Behandlungen blicken können, so kann jeder sich ein Urteil darüber bilden wie vertrauensvoll sein Partner, und die Art der Kooperation auf zukünftige Interaktionen reflektieren. Die Kommunikation zwischen Arzt und Patient ist ein wesentlicher Faktor zur Bewertung des Vertrauens und des Risikos. Das wiederholte Koordinationsspiel kann also zu einem wesentlichen spieltheoretischen Beitrag für die Erforschung von Vertrauen in der Arzt-Patienten Beziehung beitragen.

3.7 Das Tausendfüßler-Spiel

Das Tausendfüßler-Spiel ist ein Spiel mit vollständiger Information in extensiver Form, in dem zwei Spieler jeweils abwechselnd die Möglichkeit haben entweder die Auszahlung eines höheren Anteil eines ständig anwachsenden Topfes Geld zu wählen, öderden Topfan den nächsten Spieler zu überreichen. Das von Rosenthal 1981 (Rosenthal, 1981) eingeführte Spiel ist ein Beispiel dafür dass (teilspielperfekte) Nash-Gleichgewichte durch Rückwärtsinduktion (Neumann, et al., 1944) zu suboptimalen Ergebnissen führen. Im Gegensatz zum Gefangenendilemma oder Koordinationsspiel in dem komplett eine Interkation modelliert wird, betrachtet das Tausendfüßler-Spielt die Wechselwirkung sich abwechselnd wiederholender Interaktionen eines Paar von Spielern. Die Normalform von Modellen scheint somit für aber für viele interessante Probleme, nicht passend zu sein, in denen eine zeitliche Sequenz von wechselnden Interaktionen analysiert werden soll.

Das Modell: Jeder der beiden Spieler erhält einen Euro. Es wird abwechselnd gespielt. Jeder Spieler kann entscheiden, ob er weiterspielt oder aussteigt. Spielt der Spieler weiter wird sein Geldbetrag um einen Euro reduziert und der Geldbetrag des anderen Spielers um zwei Euro erhöht, steigt ein Spieler aus ist das Spiel beendet. Das Spiel ist ebenso beendet, wenn beide Spieler 100 Euro haben (Naeve, 2007) (Siehe Abbildung).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Darstellung des Tausendffissler-Spielin extensiver Form

Bei der Entscheidung vor der Auszahlung von 100 Euro wird dies der andere Spieler antizipieren und um seinen Gewinn zu maximieren, wird er vorher aussteigen. Dieses kann wiederum der andere Spieler antizipieren und wird vorher die Entscheidung herbeiführen wollen usw. Dieses Kalkül der Rückwartsinduktion greift also schon in der ersten Runde und der Spieler beendet das Spiel sofort. Jeder erhält nur ein Euro.

Die Auszahlung (1,1) stellt das Nash-Gleichgewicht dar. Dies Ergebnis ist äußerst paradox, könnten doch beide Spieler mit einer viel höheren Auszahlung abschneiden. Die Strategie könnte so formuliert werden: ״Lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“. Die Realität zeigt hier ein ganz anderes Ergebnis, denn die Spieler halten sich nicht an die Theorie.

In der Arzt-Pati enten Beziehung kann dieses Modell des Tausendfüßler-Spiels Vorkommen, wenn Arzt und Patient eine aufeinander abgestimmte Behandlungsfolge planen.

Ein Beispiel hierfür wäre die Behandlung von Krebs mit der Chemotherapie in mehreren Zyklen. Die Chemotherapie ist eine mit hohen Kosten verbundene leider meist alternativlose Therapie. Bei allen Chemotherapien wechseln sich Behandlungsphasen mit Erholungsphasen ab. Den Zeitraum vom Beginn einer Behandlungsphase bis zum Ende der anschließenden Erholungsphase nennt man Zyklus. Über wieviel Zyklen sich eine komplette Chemotherapie erstreckt, ist im Behandlungsprotokoll geregelt und ist abhängig von den Ergebnissen und Blutwerten nach jedem Zyklus. Nach jedem Zyklus entscheidet, der Patient ob er die Nebenwirkungen der Chemotherapie in einem weiterem Zyklus auf fraglichen Erfolg erleiden möchte. Der Arzt entscheidet seinerseits anhand der medizinische Ergebnisse, ob er einen weiteren Zyklus dem Patienten empfiehlt. Die Chemotherapie kann aufgrund der Nebenwirkungen ganz abgelehnt werden, aber sicher nicht aufgrund von spieltheoretischen Überlegungen.

Trotzdem scheint es, dass das Tausendfüßler Spiel die sequentielle Arzt-Patienten Beziehung gut modelliert. Je mehr Zeit (und Termine) der Arzt und Patient in die gegenseitige Beziehung investiert, desto mehr können beide hiervon profitieren. Arzt und Patient können aber auch mit jedem Termin diese fruchtbare Beziehung beenden. Der Arzt bricht die Therapie ab, weil die nötige Compliance beim Patienten nicht vorhanden ist. Der Patient beendete die bisher beidseitig nutzbringende Beziehung, aufgrund von Vertrauensverlust.

Die Experimente bestätigen uns, was die Intuition uns sagt, dass sowohl der Patient als auch der Arzt weit kooperativer sind, als das Modell es lehrt. Und durch diese Kooperation erlangen sie wesentlich größeren Nutzen.

[...]


[1] Nach Vilfredo Pareto ist dies ein Zustand, in dem es nicht möglich ist, eine (Ziel-)Eigenschaft zu verbessern, ohne zugleich eine andere verschlechtern zu müssen.

[2] Es beschreibt in nicht-kooperativen Spielen eine Kombination von Strategien, wobei jeder Spieler genau eine Strategie wählt, von der aus es für keinen Spieler sinnvoll ist, von seiner gewählten Strategie abzuweichen

[3] Die AU wird in der gesetzlichen Krankenkassen auf einem gelben Qrginaldokument ausgestellt.

[4] Die evolutionäre Spieltheorie untersucht die zeitliche und/oder räumliche Entwicklung verschiedener Phänotypen einer Populatie

[5] Bei der reinen Strategie hat der Spieler seine Strategie eindeutig determiniert.

[6] Bei einer gemischten Strategie trifft der Spieler keine direkte Entscheidung, sondem er wählt eine Zufallsregel, die eine reine Strategie bestimmt.

Excerpt out of 48 pages

Details

Title
Analyse der Patienten-Arzt-Beziehung aus Sicht spieltheoretische Modelle und eine Abschätzung der Ergebnise
College
Johannes Gutenberg University Mainz  (EMBA-Institut)
Course
Executive Master of Business Administration EMBA
Grade
1,3
Author
Year
2017
Pages
48
Catalog Number
V436091
ISBN (eBook)
9783668767201
ISBN (Book)
9783668767218
File size
1207 KB
Language
German
Notes
Die Arbeit setzt sich mit einer sehr aktuellen und gesundheitsökonomisch relevanten Thematik auseinander, sie analysiert die Interaktionen zwischen Arzt und Patient nicht nur im Rahmen der PAT, sondern insbesondere unter Anwendung der Spieltheorie. Die Zielsetzung und die Fragestellung werden klar herausgearbeitet. Das spieltheoretische Modell der Arzt-Patienten-Beziehung soll beispielsweise um zwischenmenschliche Faktoren wie Vertrauen und Behandlungserfolg erweitert werden, die in der realen Versorgungswelt eine große Bedeutung besitzen.Das Procedere der Krankschreibungen wird untersucht.
Keywords
Arzt-Patienten-Beziehung, Spieltheorie, Gefangendilemma, Principal-Agent-Theorie, wiederholtes Gefangendilemma, Krankschreibung, Monte-Carlo-Methode, Entwicklung von Vertrauen, Iteration, Vetrauen durch Reputation, Hirntod, Urlauberdilemma, Selbstkrankscheibung, Koordinationsspiel, Kooperation, Auzahlungsmatrix, Gesundheitssystem, Patienten-Arzt-Beziehung, Krankenkasse, Gesunheitsökonomie, Nash-Gelichgewicht
Quote paper
Marc H. Hartmann (Author), 2017, Analyse der Patienten-Arzt-Beziehung aus Sicht spieltheoretische Modelle und eine Abschätzung der Ergebnise, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436091

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