Endzeit. Ein Wort mit unheimlicher Bedeutungsgewalt. Seit jeher bewegt den Menschen die Grundfrage nach dem Ende seines eigenen Lebensweges und dessen der Menschheit. Auch die Religionen haben ihre jeweiligen Konzepte und Vorstellungen dazu entwickelt, um ihren Anhängern Antworten auf derartige Fragen geben zu können. In der christlichen Kirche entstand sogar eine Teildisziplin der Theologie, um dem Thema gerecht zu werden; die Eschatologie. Die „Lehre von den absolut letzten Dingen, vom Ende des Schicksals des einzelnen Menschen wie auch vom Ende der Welt.“¹ Vor allem das Jahr 1000 unserer Zeitrechnung schien es den Eschatologen angetan zu haben. Die Brisanz war offensichtlich: allein schon die numerisch eindrucksvolle Erscheinung der Zahl schien Grund genug zur Untersuchung. Viel entscheidender war jedoch, dass es galt das „tausendjährige Reich“² aus der Johannes-Offenbarung damit in Verbindung zu bringen. Da die Zeitrechnung um 1000 jedoch noch alles andere als einheitlich war, entwickelte sich ein regelrechter Wettstreit unter Theologen und Philosophen, das Jahrtausend korrekt zu datieren. Da es sich bei den Beteiligten meist um Adlige oder Kleriker handelte, die allesamt des Schreibens mächtig waren, ist die Quellenlage dazu entsprechend dicht. Laut den meisten dieser Quellen muss das frühe Mittelalter von einer regelrechten endzeitlichen Erregtheit oder gar Hysterie erfasst gewesen sein, voll allerhand apokalyptischer Erscheinungen und teuflischer Vorboten für das Ende der Welt. Vor allem Historiker wie JULES MICHELET oder JOHANNES FRIED haben diese Sichtweise auf das Mittelalter auch unter Laien populär gemacht. Dabei bleibt eine Frage ungeklärt, deren Beantwortung im Wesentlichen Gegenstand dieser Arbeit sein wird. Um berechtigt von einer Endzeitstimmung zu sprechen, muss diese auch in großen Teilen der Bevölkerung nachgewiesen werden können. Im 11. Jahrhundert beherbergte der Agrarsektor noch weit über 90 Prozent der Bevölkerung. Wie aber sah das bäuerliche Leben zur ersten Jahrtausendwende aus? Gerade in Deutschland scheint eine äußerst romantische Sichtweise auf das Bauerntum vorzuherrschen. Offensichtlich beruft man sich geradezu auf den „guten alten Bauern“ als einen Repräsentanten deutscher Wertvorstellungen und sagt ihm stolz nach, über Jahrhunderte hinweg allen natürlichen und politischen Widrigkeiten zum Trotze seine Ursprünglichkeit nicht verloren zu haben.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Lebens- und Produktionsweise der Agrarbevölkerung
- II.1 Zivilisationskonturen um 1000
- II.1.1 Besiedlung
- II.1.2 Klima
- II.1.3 Siedlungsform
- II.2 Produktion, Arbeit, Freizeit
- II.3 Handel und Kommunikation
- II. 4 Gesellschaftliche Konturen
- II.4.1 Grundherrschaft im Frühmittelalter
- II.4.2 Der „Bauer“ und die Sozialstruktur des 11. Jhd
- II.5 Mentalität
- II.5.1 Zeitverständnis
- II.5.2 Tod und Vergänglichkeit
- III. Endzeithysterie
- III.1 Die Johannes-Apokalypse
- III.2 Zeichen und Zeugen
- IV. Bäuerliches Leben um 1000; ein Ort der Endzeitängste?
- V. Abbildungen
- VI. Literatur und Abbildungsnachweis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, ob die im frühen Mittelalter verbreitete endzeitliche Stimmung auch in der bäuerlichen Bevölkerung zu finden war. Sie betrachtet die Lebensweise der Bauern um das Jahr 1000 und beleuchtet ihr Zeitverständnis, die Rolle von Tod und Vergänglichkeit und die Möglichkeiten, wie diese Aspekte die Wahrnehmung von Endzeitgedanken beeinflusst haben könnten.
- Die Lebens- und Produktionsweise der Agrarbevölkerung im 11. Jahrhundert
- Die Besiedlungsstruktur und klimatischen Bedingungen im frühen Mittelalter
- Das Zeitverständnis und die Rolle von Tod und Vergänglichkeit im bäuerlichen Leben
- Die Verbreitung und Rezeption von Endzeitvorstellungen in der Bevölkerung
- Die Herausforderungen der Quellenlage für die Erforschung bäuerlicher Mentalität
Zusammenfassung der Kapitel
- I. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema Endzeitvorstellungen und die Rolle des Jahres 1000 in der christlichen Eschatologie ein. Sie thematisiert die Debatte um die Interpretation der Johannes-Apokalypse und die Suche nach einer korrekten Datierung des "tausendjährigen Reichs". Die Einleitung stellt die Forschungsfrage, ob sich die Endzeitstimmung auch in der bäuerlichen Bevölkerung nachweisen lässt.
- II. Lebens- und Produktionsweise der Agrarbevölkerung: Dieses Kapitel beleuchtet die Lebensgrundlagen und -umstände der bäuerlichen Bevölkerung im 11. Jahrhundert. Es behandelt die Besiedlungsstruktur, das Klima, die Siedlungsform, die landwirtschaftliche Produktion, den Handel, die Gesellschaft und die Mentalität der Bauern. Insbesondere werden die Themen Zeitverständnis und Tod und Vergänglichkeit näher betrachtet.
- III. Endzeithysterie: Das Kapitel befasst sich mit der Verbreitung von Endzeitvorstellungen in der christlichen Kirche und Gesellschaft des frühen Mittelalters. Es beleuchtet die Johannes-Apokalypse als zentrale Quelle für die Endzeitgedanken und die Interpretation von Zeichen und Zeugen als Vorboten des Jüngsten Tages.
- IV. Bäuerliches Leben um 1000; ein Ort der Endzeitängste?: Dieses Kapitel befasst sich mit der Frage, ob und in welcher Weise die Endzeitstimmung in der bäuerlichen Bevölkerung präsent war. Es versucht, durch eine Betrachtung des Alltagslebens und der Lebensumstände der Bauern Rückschlüsse auf ihre Denkweise und ihre Wahrnehmung von Tod und Vergänglichkeit zu ziehen.
Schlüsselwörter
Bäuerliches Leben, Frühmittelalter, Endzeitvorstellungen, Eschatologie, Johannes-Apokalypse, Zeitverständnis, Tod, Vergänglichkeit, Mentalität, Quellenlage, Agrargesellschaft, Besiedlung, Klima, Siedlungsform, Produktion, Arbeit, Freizeit, Handel, Kommunikation, Gesellschaft, Grundherrschaft, Sozialstruktur.
- Citation du texte
- Johannes Wolfmüller (Auteur), 2005, Das bäuerliche Leben um 1000, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43662