Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Einordnung der ausgewählten Spielvermittlungskonzepte
2.1 Begriffsbestimmung der Spielvermittlung
2.2 Grundgedanke des genetischen Konzepts und Taktik-Spielkonzepts
2.3 Kriterien der Spielvermittlung
3 Das genetische Vermittlungskonzept
3.1 Genetisches Lehren
3.1.1 Allgemeine Spielfähigkeit
3.1.2 Spezielle Spielfähigkeit
3.1.3 Vermittlungsweg des genetischen Konzepts
3.1.4 Strukturmodell des genetischen Lehrens
3.2 Genetisches Lernen
3.2.1 Problemorientiertes Lernen
3.2.2 Aus historischen Spielformen lernen
3.3 Kritik am genetischen Vermittlungskonzept
3.4 Vom genetischen Vermittlungskonzept zum Taktik-Spielkonzept
4 Das Taktik-Spielkonzept Teaching Games for Understanding
4.1 Das Kreis-Spiral-Modell des TGfU-Konzeptes
4.2 Ziele und Beiträge zur Spielfähigkeit
4.2.1 Sportspielübergreifende Spielfähigkeit
4.2.2 Sportspielgerichtete Spielfähigkeit
4.2.3 Sportspielspezifische Spielfähigkeit
4.3 Taktik-Analyse
5 Genetisches Konzept vs. Teaching Games for Understanding
6 Fazit
7 Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang I
1 Einleitung
Bei der Vermittlung von Sportspielen beabsichtigen alle Vermittlungskonzepte, Spielfähigkeiten seitens der Lernenden zu entwickeln. Dabei liegt den Konzepten die Auffassung zugrunde, dass die Lernenden[1] mit komplexen Anforderungen des Spiels konfrontiert werden sollen. Um einer möglichen Überforderung entgegenzuwirken, vereinfachen die Lehrenden[2] die Spielanforderungen, damit die Lernenden ihrem individuellen Entwicklungsniveau entsprechend einbezogen werden können (vgl. Bietz, 1994, s. 372). Laut Bietz ״(...) entwickeln sie (...) spezifische methodische Reduktionsformen, die das Erlernen der komplexen Handlungsmuster erleichtern sollen“ (ebd.). Als Reduktionsformen können vereinfachte Spielformen erstellt werden. Die methodische Struktur des Lehrwegs hängt davon ab, welche Spielfähigkeiten die Vermittlungskonzepte verfolgen.
Während manche Konzepte die zu erlernenden Techniken des Spiels in isolierten Übungen anbieten, wendet sich das Genetische Konzept und das TaktikSpielkonzept Teaching Games for Understanding, davon ab.
Im Nachfolgenden richtet sich diese Arbeit an die folgende Fragestellung: Worin unterscheidet sich das genetische Konzept vom Taktik-Spielkonzept Teaching Games for Understanding?
Zu Beginn des Hauptteils wird der Begriff Sportspielvermittlung dargestellt und definiert. Darauf aufbauend werden die ausgewählten Konzepte in den GesamtZusammenhang der herkömmlichen Vermittlungskonzepte eingeordnet. Das zweite Kapitel schließt damit ab, den Grundgedanken beider Konzepte zu erläutern und Kriterien der Sportspielvermittlung aufzustellen. Die aufgestellten Kriterien dienen als Grundlage für den Vergleich der beiden Konzepte.
Anschließend werden im dritten und vierten Kapitel das genetische Konzept und das TGfU-Konzept ausführlich vorgestellt. Dabei beziehen sich beide Kap¡- tel auf die Struktur, die Intention und den Vermittlungsweg. Im fünften Kapitel werden beide Konzepte unter Berücksichtigung der aufgestellten Kriterien verglichen. Hierbei wird zunächst das jeweilige Kriterium innerhalb der Konzepte verdeutlicht. Danach werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgestellt. Im Fazit werden die bedeutendsten Unterschiede aufgegriffen, um die ausgehende Fragestellung zu beantworten. Ein kurzer Ausblick, der auf die mögliche Anwendbarkeit im schulischen Kontext hinweist, wird diese Arbeit abschließen.
2 Einordnung der ausgewählten Spielvermittlungskonzepte
Bevor das genetische Konzept und das Taktik-Spielkonzept Teaching Games for Understanding in den Gesamtzusammenhang der allgemeinen Spielvermittlungskonzepte eingeordnet werden, ist es zunächst bedeutsam, den Begriff Spielvermittlung genauer zu bestimmen.
2.1 Begriffsbestimmung der Spielvermittlung
Die Sportspielvermittlung gehört zu den traditionsreichsten Themen im Sportund Schulkontext. Hierbei widmet sich der Begriff Vermittlung der Einführung von Sportspielen durch einen Lehrenden (vgl. Roth, 2005, s. 290). ״Sportspiele und deren Vermittlung gehören in der Fachliteratur zu den am häufigsten diskutierten Themen“ (Adolph & Hönl, 1993, s. 13). Dietrich, Dürrwächter und Schal- 1er (2012) bezeichnen Sportspiele als große Spiele (vgl. ebd., 14). In diesem Zuge setzen sie die Mannschaftssportarten Basketball, Fußball, Handball und Volleyball methodisch um (vgl. ebd.).
Die zunehmende Präsenz korreliert mit der populären Aufmerksamkeit, den Variationsmöglichkeiten der Sportspiele und den differenzierten methodischen AnSätzen (vgl. Adolph & Hönl, 1993, s. 13). Dietrich zufolge besitzen die sportspielspezifischen Vermittlungsansätze ein bestimmtes Verständnis darüber, ״(...) was unter Spielen allgemein und Sportspielen insbesondere verstanden wird und was bei deren Vermittlung darunter verstanden werden soll“ (1983, s. 221). Sportspiele bestehen aus komplizierten Handlungszusammenhängen, mit denen die Lernenden konfrontiert werden (vgl. Dietrich etai., 2012, s. 14). Ebenso weisen Güllich und Krüger (2013) darauf hin, dass sich Sportspiele ״durch komplexe Aufgabenstellungen und -Strukturen“ (S. 554) auszeichnen. Hierbei ergeben sich stetig neue Spielsituationen zwischen Mit- und Gegenspieler, die durch taktische und technische Handlungsmöglichkeiten geprägt sind (vgl. ebd.).
Die Vermittlungskonzepte richten sich an Kinder und Jugendliche, die altersge- maß den Sportspielbereich kennenlernen. Zugleich beabsichtigen die Konzepte, ״die Entwicklung von mehr oder weniger ,weiten’ oder ,engen’ Spielfähigkeiten“ (Roth, 2005, s. 290).
Dadurch sollen die Heranwachsenden lernen, ״(...) elementare Sportspielsituationen zu ,lesen’ und zu ,verstehen’ sowie die Situationslösungen motorisch zu ,schreiben’“ (ebd.). Die zu erlernende Spielfähigkeit wird hinsichtlich der genannten Sportspiele vermittelt und ist ein weiteres Kriterium der VermittlungsanSätze. Hierbei geben Adolph und Hönl (1993) zu bedenken, dass die Lernprozesse der Anfänger eingeschränkt bleiben, sollte sich die Vermittlung ausschließlich auf ein Sportspiel beziehen.
Aufgrund der komplexen Strukturen nähern sich die Vermittlungsansätze den Sportspielen an, indem sie die Spielform des Spiels vereinfachen. Dadurch reduzieren sie die Komplexität des Spiels und wirken einer möglichen überforderung der Lernenden entgegen. Dies ist ein unabdingbares Kriterium aller Ansätze im Rahmen der Anfängerschulung (vgl. Adolph & Hönl, 1993, s. 13).
Den Lernenden wird eine einfachere Form angeboten, um erste Erfahrungen zu sammeln. Darauf aufbauend können zunehmend anspruchsvollere Spielformen eingesetzt werden (vgl. Dietrich et al., 2012, s. 14). ״über die Art und Weise, wie Vereinfachungen vorgenommen werden können, gehen die Meinungen der Spielmethodiker auseinander“ (ebd.). Zum einen ist es bedeutsam, dass die Lernenden zunächst die notwendigen Techniken erlernen, da die Techniken der Spielform vorausgesetzt werden (vgl. ebd.). Diese methodische Entscheidung bezieht sich auf die folgende Frage: Spielen oder üben? Laut Roth wird dies ״mit der Kompromissformel ,Spielen und üben!’ beantwortet (2005, s. 290). Hinsichtlich der Alters- und Entwicklungsstufe heißt es ,Spielen vor üben!’ (ebd.). Da es bezüglich des Mottos differenzierte Umsetzungsformen gibt, gilt diese Methodenentscheidung ebenso als Kriterium für den Vergleich der Konzepte. Zum anderen wird die Ansicht vertreten, dass es notwendig ist, direkt mit dem Spielen zu beginnen. Hierzu stellen Dietrich et al. (2012) die Konfrontationsmethode vor (vgl. ebd., s. 36).
Dieses Konzept umgeht einzelne technische und taktische Elemente, indem es das Spiel direkt initiiert. Zu Beginn werden zwei Mannschaften gebildet. Anschließend treten beide Mannschaften in Sportspielen wie Fußball, Volleyball oder Basketball gegeneinander an. Sie erhalten nur wenige Hinweise und setzen eine vereinfachte Spielform des jeweiligen Sportspiels um (vgl. ebd.). Demgegenüber zeichnet sich die Zergliederungsmethode durch den entgegengesetzten Ansatz aus. Diese Methode setzt auf taktische und technische Übungsformen, während sie auf Spielformen verzichtet.
Die aufgeführten Sportspiele werden ״(...) aus kleineren technischen, taktischen und konditioneilen Einzelheiten zusammengefügt“ (ebd., s. 39). Somit präferiert dieses Konzept die technischen und taktischen Bestandteile der großen Spiele. Aus der Kombination dieser gegensätzlichen Konzepte bildet sich das dritte Vermittlungskonzept der spielmethodischen Konzepte[3]. Es handelt sich hierbei um das spielgemäße Konzept (vgl. ebd., s. 40 f.). Diese Methode beinhaltet zum einen ״(...) den langsamen Spielaufbau durch Aneinanderreihen einerseits und das Spielen von Anfang an andererseits“ (ebd., s. 41). Mithilfe von Vielfalt¡- gen Spielreihen sollen die Spielidee und das Spielerleben des Zielspiels erreicht werden. Beide Kriterien sollen altersgerecht von Anfang an realisiert werden, um die isolierte Technikvermittlung zu vermeiden (vgl. Dietrich, 1976, s. 50). ״Dabei wird das üben von Fertigkeiten nicht aufgegeben, sondern es wird der Spielreihe unter- bzw. beigeordnet“ (ebd.).
Wurzel (2008b) plädiert für eine spielgemäße Spielvermittlung, die sich durch aneinandergereihte Spiele auszeichnet. Diesem Verständnis zufolge werden Übungen nur dann eingebunden, wenn sie unabdingbar sind (vgl. ebd., s. 341).
2.2 Grundgedanke des genetischen Konzepts und Taktik-Spielkonzepts
In einigen Vermittlungsansätzen etabliert sich der Grundgedanke des vereinfachten Sportspiels (vgl. Dietrich & Landau, 1976 zit. n. Loibl, 2001, s. 18). Diesen Grundgedanken hat Dietrich (1984) fortgesetzt und zu einem genetischen Vermittlungskonzept weiterentwickelt (vgl. ebd., s. 21). Somit ermöglicht dieses schülerorientierte Konzept, ähnlich wie das spielgemäße Konzept, das Spielen von Anfang an (Adolph & Hönl,1993, s. 14).
Der Grundgedanke des genetischen Vermittlungskonzept besteht darin, die Komplexität des Sportspiels soweit zu reduzieren, dass alle Lernenden erfolgreich am Spiel aktiv teilnehmen können. Dabei wird vorausgesetzt, dass kompl¡- zierte Techniken vereinfacht werden (vgl. Loibl, 2001, s. 49). Das genetische Lehren (siehe s. 9) richtet sich grundsätzlich an das selbsttätige Handeln der Lernenden (vgl. ebd., s. 20).
Roth (2005) weist auf eine aktuelle Forschungslinie hin, die sich mit der Umsetzung des spielgemäßen Lernens befasst hat (vgl. ebd., s. 307). ״Im Rahmen des TGFU-Ansatzes und des genetischen Lehrkonzepts wird das bewusste taktische Denken und Handeln gefördert (Tactical Awareness)“ (ebd.). Sowohl das genetische Konzept als auch Teaching Games for Understanding (TGfU) werden als spielgemäß bezeichnet und von übungsorientierten Lehrkonzepten unterschieden.
Nach Ansicht von Furley, Schul und Memmert (2013) zielt das TGfU-Modell darauf ab, die ״Spielfähigkeit durch Spielen und motorische und taktische Fertigkeiten durch üben“ (S. 580) abwechselnd anzubieten.
Obwohl Roth (2005) dem genetischen Konzept und dem Taktik-Spiel-Konzept TGfU eine spielgemäße Ausrichtung zuweist, bleibt die Frage bisher ungeklärt, inwieweit sich beide Konzepte unterscheiden (vgl. ebd., s. 307).
2.3 Kriterien der Spielvermittlung
Im Folgenden werden die Kriterien für den Vergleich zwischen dem genetischen Konzept und dem Taktik-Spiel-Modell Teaching Games for Understanding (vgl. 5. Kap.) aufgeführt:
- Grundgedanke und Intention
- Ablaufschema der Konzepte
- Verhältnis zwischen Spielen und üben
- Entwicklung von Spielfähigkeiten
- Ermöglichung der Spielidee und des Spielerlebens
3 Das genetische Vermittlungskonzept
Dietrich (1984) fordert ein genetisches Spielkonzept hinsichtlich der fälschlichen Annahme, dass Spielreihenkonzepte seitens der Lehrer auch nahezu ohne Einbeziehung der Schüler umgesetzt werden können. Aufgrund der subjektiven Erfahrungen und der unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schüler muss sich das Spielen in Zusammenarbeit zwischen Lehrer und Schüler stetig neu entwi- ekeln. Dabei ist es wichtig, dass die Schüler den Lernprozess von Beginn an miterleben und gestalten (vgl. ebd., s. 21).
Das genetische Vermittlungskonzept kann zum einen von Lehrenden dazu genutzt werden, gemeinsam mit den Lernenden eigene Sportspiele zu konstruieren und weiterzuentwickeln (vgl. Wichmann, 2008, zit. n. Wurzel, 2008a, s. 6). Zum anderen kann das Konzept eingesetzt werden, um bestehende Sportspiele auf genetische Weise zu vermitteln (siehe Kap. 3.1.4).
Unter anderem bieten Fürst und Weichert (1984) eine Umsetzung des genet¡- schen Konzepts für die Sportspiele Fußball, Volleyball, Basketball und Flandball (vgl. ebd., s. 49 ff.).
3.1 Genetisches Lehren
3.1.1 Allgemeine Spielfähigkeit
Bereits Dietrich (1984) fordert ein genetisches Vermittlungskonzept, um die allgemeine Spielfähigkeit seitens der Lernenden zu entwickeln (vgl. ebd., s. 21). Die allgemeine Spielfähigkeit trägt dazu bei, ein Spiel zu initiieren und aufrechtzuerhalten. Loibl weist hierbei darauf hin, dass die allgemeine Spielfähigkeit ״{...) in Spielreihenkonzepten nicht vermittelt werden kann“ (2001, s. 19).
Dies lässt sich darauf zurückführen, dass die Lehrperson die Spiele zum Zielspiel festlegt und die Lernenden darauf keinen Einfluss haben. Demgegenüber können die Lernenden im freien Spielen selbsttätig agieren, indem sie die Spielform mitgestalten, Problemsituationen erkennen und die dazugehörigen Lösungen entwickeln. Somit bindet Dietrich neben den sozialen auch kognitive Aspekte in den Lernprozess ein (vgl. ebd.).
Die Lernenden können mithilfe von Techniken und Taktiken die Spielsituationen lösen und die Spielidee verwirklichen. Sie treten in einen gemeinsamen Austausch über Spielhandlungen, Regeln und Spielvarianten (vgl. Wichmann, 2008, s. 356 f.). Neben der vereinfachten Technik (siehe s. 5) kann der Spielraum vergrößert werden, um das Spiel zu erschweren (vgl. Wurzel, 2008a, s. 7).
Die subjektiven Bedürfnisse der Lernenden tragen dazu bei, das Spiel aufrechtzuerhalten und fortzusetzen. Diesbezüglich weist Dietrich auf die Fähigkeit der Schüler hin, ״ihr Spiel unter den gegebenen äußeren Bedingungen mit anderen zu realisieren“ (1984, s. 21). Dadurch kann ein Ungleichverhältnis entstehen, indem sich die mächtigeren Schüler den schwächeren überordnen.
Laut Dietrich ermöglicht, das genetische Vermittlungskonzept gerade deshalb ein kooperatives Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler, um ״(...) das Spielen der Schüler in geordneten Bahnen weiterzuentwickeln“ (ebd.).
3.1.2 Spezielle Spielfähigkeit
Folglich wird nach Loibl (2001) auch ״die Bedeutung des genetischen Lehrens für die Spezielle Spielfähigkeit (...)“ (S. 19) deutlich. Unter der Speziellen Spielfähigkeit wird die Fähigkeit verstanden, ״mitspielen zu können auf der Basis von Regelkenntnissen, motorischem Können und Spielerfahrungen in einem spezi- eilen Spiel (...)“ (ebd.). Um an einem Sportspiel teilnehmen zu können, ist es notwendig, die Techniken der jeweiligen Sportart zu beherrschen (vgl. Loibl, 2000, s. 98). Dabei interagieren die Lernenden miteinander, analysieren SpielSituationen und entwickeln diese weiter. Diese kognitiven Muster werden durch die Auseinandersetzung mit der Spielform bewusster (vgl. Dietrich, 1984, s. 19).
Laut Griesmeier zielt ״eine spezielle oder spezifische Spielfähigkeit (...) ausschließlich und konkret auf ein bestimmtes Sportspiel mit all seinen konditionellen, vor allem aber technischen-taktischen Anforderungen“ (1999, s. 13).
3.1.3 Vermittlungsweg des genetischen Konzepts
Loibl (2001) bezieht sich bei der Begriffsbestimmung des genetischen Lehrens auf Wagenschein (1991), der dem Vermittlungsweg die drei Prinzipien, genetisch, sokratisch und exemplarisch, zuordnet (vgl. Loibl, 2001, s. 19).
Genetisch
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Vermittlungsweg des genetischen Prinzips (vgl. Wagenschein, 1999, s. 75).
Demzufolge heißt genetisch lehren, ״dass die Lernenden am ursprünglichen Problem arbeiten und selbsttätig Lösungen entwickeln“ (ebd.). Der Lehrende unterstützt und begleitet das selbsttätige Flandeln der Lernenden mit Fragen, um sokratisch zu lehren (vgl. ebd.).
Das dritte Prinzip besteht darin, exemplarisch zu lehren, indem die genetischsokratischen Verfahren anhand von ausgewählten Beispielen durchgeführt werden. Laut Loibl (2001) sollen anhand dieser Beispiele ״zentrale und grundlegende Erkenntnisse besonders prägnant“ (S. 20) werden.
Das genetische Vorgehen dient als Vorbereitung für den Unterricht. Zudem fördert das genetisch-sokratische Vorgehen das selbsttätige Handeln der Lernenden und wirkt dadurch den zeitlichen Diskrepanzen entgegen. Den Lernenden gelingt es zunehmend, Probleme selbsttätig schneller zu lösen. Somit stellt sich das genetische Prinzip gegenüber der zwei anderen Prinzipien als das hierarchisch bedeutendste Prinzip heraus (vgl. Wagenschein, 1999, s. 75 f.).
3.1.4 Strukturmodell des genetischen Lehrens
Das Strukturmodell beinhaltet Praxis und Reflexion, die in Wechselwirkung stehen. Es zielt darauf ab, ein Spiel für alle Lernenden zu initiieren. Der Schritt vom Phänomen zum Problem beinhaltet laut Loibl (2001) mehrere übungs- und Reflexionsphasen, die hintereinander durchgeführt werden (vgl. ebd., s. 48).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Ablaufschema des genetischen Lehrens (vgl. Loibl, 2001, s. 48).
Das genetische Konzept geht von Spielproblemen aus, die die Lernenden noch nicht bewältigt haben (vgl. Wurzel, 2008a, s. 7). Bei dem Spielproblem handelt es sich um ein ursprüngliches Problem. Daraus lässt sich neben der vereinfachten Spielform des Zielspiels der folgende Grundgedanke des genetischen Lehren ableiten:
״Der Grundgedanke des Genetischen Lehrens besteht darin, dass die Lernenden nicht einfach die vorgefertigten Lösungen von Experten zu reproduzieren lernen, sondern stattdessen selbsttätig für sich nach Lösungen dieses Problems suchen, diese erproben und ggf. verwerfen oder weiterentwickeln und somit Einsicht, Verstehen und Kreativität entwickeln. Der Lehrende unterstützt sie dabei nach dem so- kratischen Prinzip“ (Loibl, 2001, s. 20).
Das Problem lässt sich auf ein Phänomen zurückführen, welches das Interesse der Lernenden an dem Problem weckt. Somit wird das ursprüngliche Problem zu dem Problem der Lernenden (vgl. ebd.).
Laging (2013) verweist bei seiner Auseinandersetzung mit dem Konzept des genetischen Lehrens auf Wagenschein, der sich bereits 1982 mit der Thematik beschäftigt hat (vgl. ebd., s. 212). ״Ausgangspunkt seines Ansatzes sind die Phänomene der Welt, die Fragen aufwerfen und die die Lernenden in Staunen versetzen“ (ebd.).
Kennzeichnend für den sokratischen Umgang des Lehrenden ist die implizite Einführung in das Unterrichtsthema. Der Lehrer spricht das ausgewählte Thema nicht aus, sondern trägt laut Wagenschein (1999) dazu bei, dass sich das Problem von selbst ,aufwirft’ (S. 81) und hervorhebt. Hierbei spricht Wagenschein von der Exposition des Phänomens. Er fügt hinzu, dass sich der Lehrer weitestgehend zurücknehmen muss, sodass den Lernenden genügend Zeit zur Verfügung steht, nachzudenken und das Problem festzustellen (vgl. ebd., s. 81 f.). Dem genetischen Verständnis nach müssen dem Kind ״seine Grundprobleme (...) ,gegenwärtig’ sein, d.h. zuerst müssen ihm in seiner Welt die Probleme auffallen, bevor es sinnvoll ist, über ihre Entstehung oder ihren historischen Hintergrund zu sprechen“ (Schwager, 1958, s. 125).
Aufgrund der subjektiven Eindrücke und Umstände können die Lösungen der Schüler sehr unterschiedlich ausfallen. Für eine darauffolgende Übungsphase bedeutet dies, dass es keine universelle Lösung, sondern individuelle Lösungen gibt, die zunehmend optimiert werden können (vgl. Loibl, 2001, s. 21).
Loibl (2001) merkt hierzu an, dass für eine gelungene Umsetzung ״eines solches Unterrichts (…) die Schaffung einer geeigneten Lernatmosphäre“ (S. 21) vorausgesetzt werden muss.
[...]
[1] Es sind stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint; aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden nur die männliche Form verwendet. Unter den Lernenden befinden sich sowohl Schüler als auch Spieler im Kindes- und Jugendalter.
[2] Lehrerinnen und Lehrer werden als Lehrende bezeichnet.
[3] Zur Vertiefung der herkömmlichen Spielvermittlungskonzepte (vgl. ebd., s. 36-44).
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- Hagen Stelzer (Autor:in), 2018, Alternative Spielvermittlungskonzepte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437119
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