Die Rolle des Spacherwerbs im Integrationsprozess


Dossier / Travail, 2015

21 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprache als Differenzlinie

3. Die Bedeutung der Sprache im Integrationsdiskurs
3.1. Integration als Teilhabe
3.2. Die Integrationspolitik in Deutschland mit besonderem Fokus auf den Spracherwerb von Migrantlnnen

4. Sprache als Handlungsträger
4.1. Assimilation, Integration, Separation, Marginalisation
4.2. Definitionen der verschiedenen Zuständen der Angleichung an die Mehrheitsgesellschaft
4.2.1. Der Zustand der Assimilation
4.2.2. Der Zustand der Integration
4.2.3. Der Zustand der Separation/Marginalisation
4.3. Folgen des Erwerbs bzw. Nicht-Erwerbs der Mehrheitssprache
4.4. Die Bedeutung der Herkunftssprache(n) im Integrationsprozess

5. Wie wird der Spracherwerb des Deutschen in Deutschland von offizieller Seite gesteuert und was für Angebote gibt es?
5.1. Integrationskurse als essentielle politische Maßnahme
5.2. Exkurs: Spracherwerb und Sprachbildung für junge Migrantlnnen in der Schule

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Unser alltägliches Leben wird vom sprachlichen Handeln bestimmt und gesteuert. Sei es mündlich, schriftlich oder mit Hilfe der neuen Medien - wenn wir uns im Alltag zurechtfinden, arbeiten oder soziale Kontakte genießen, verlassen wir uns meist darauf, dass unser Gegenüber uns versteht und mit uns in verschiedenen Formen kommunizieren kann. Sprachliches Handeln ist daher für die meisten von uns so selbstverständlich, dass wir die Wichtigkeit des Verständnisses gar nicht mehr bewusst wahrnehmen oder ständig darüber nachdenken.

Anders wird es für uns im fremdsprachigen Ausland, wenn auf einmal kein Wort verstanden wird und die Hinweisschilder allemal kryptische Botschaften darstellen, jedoch kein Verständnis liefern.

In dieser Situation befinden sich sehr viele Migrantlnnen[1] in der ersten Zeit ihrer neuen Heimat. Bei ihnen geht es allerdings nicht darum, den schnellsten Weg zum Strand zu erfragen, sondern um generelle Dinge: Wohnungssuche, Jobsuche oder Fuß fassen in einem neuen, bis dato unbekannten Land und einer unbekannten Kultur.

Der Spracherwerb des Ziellandes wird deshalb, sowohl von Einwanderinnen, als auch vom Land Deutschland, als eine der wichtigsten und dringendsten Maßnahmen zur Integration im Zielland angesehen. Der allgemeine Konsens lautet: Durch Verständigung wächst Verständnis und Handlungsfreiheit.

Aber kann man so weit gehen zu sagen, dass der Spracherwerb als Großteil der Integration gilt? Welche Rolle übernimmt die Sprache im Integrationsprozess der Migrantlnnen? In dieser Hausarbeit soll es um generelle und zentrale Fragen rund um die Rolle der Sprache im Integrationsprozess am Beispiel Deutschland gehen.

In vier Kapiteln werden verschiedene Seiten der Problematik erläutert: Zunächst wird der Status der Sprache als Differenzlinie aufgezeigt. Danach geht es um die Rolle der Sprache im Integrationsdiskurs und welche Rolle sie dort einnimmt. Im folgenden Kapitel wird Sprache als Handlungsträger thematisiert, inwieweit sie

Akkulturationsprozesse beeinflusst. Das letzte Kapitel befasst sich mit praktischen Überlegungen: Inwiefern Integrationskurse und die Sprachbildung in der Schule zum Spracherwerb und zur Integration beitragen.

Im Fazit werden die Leitfragen aufgegriffen und klargestellt, welche Rolle der Spracherwerb im großen Integrationsthema einnimmt, es werden Änderungsansätze und ein Ausblick gegeben.

2. Sprache als Differenzlinie

In der interkulturellen Pädagogik gibt es das Konzept der Differenzlinien, die zwischen Menschen, und zwar zwischen allen Menschen, existieren. Differenzlinien können beispielsweise Alter, Geschlecht, politische Gesinnung oder Bildungsstand sein. Manche Differenzlinien wirken stärker als andere, plakativ kann man an dieser Stelle vier Differenzlinien nennen:

Staatsangehörigkeit, Ethnizität, Kultur und Sprache (vgl. Krüger-Potratz 2005: 67).

Sprache gilt als eine besonders starke Differenzlinie zwischen Menschen. Das hat zwei Gründe, denn zunächst ist Sprache als Grundlage für Kommunikation und Verständnis etwas, das eine hohe Differenz und ein erschwertes Miteinander zwischen verschiedensprachigen Menschen schafft. Andererseits schafft Sprache natürlich auch Nähe und Vertrautheit bei gleichsprachigem Kontakt, gerade wenn man sich bspw. im fremdsprachigen Ausland aufhält und auf Menschen der Muttersprache trifft.

Sprache ist eine Differenzlinie, die nur mit Mühe zu überwinden ist, da sie sich nur langfristig und mit hohem Aufwand erwerben lässt und zudem auch, wenn sie erworben wurde, immer noch den Unterschied zwischen Muttersprachlerlnnen und DaF-Lemerlnnen[2] aufzeigt, da ein muttersprachliches Niveau nur selten erreicht wird (vgl. Rinke/Vogel 2008: 265). Außerdem, und das ist die zweite große Ebene der Differenz, wird ״'fremde' Sprache auf jeden Fall mit 'fremder'

Ethnizität resp. Kultur gleichgesetzt“ (Krüger-Potratz 2005: 67). Das heißt, allein durch (Aus-)Sprache oder einen Akzent bei jemandem schließen wir auf etwas Fremdes, unserer Kultur nicht Zugehöriges.

3. Die Bedeutung der Sprache im Integrationsdiskurs

Der Integrationsdiskurs ist ein weites Feld, der den Integrationsprozess und die Integrationspolitik beinhaltet.

Der Integrationsprozess ist ein individueller und komplexer Vorgang, der nicht jedem und zusätzlich in verschiedenen Abstufungen gelingt. Im ersten Teil wird deshalb zunächst geklärt, wie in dieser Arbeit Integration definiert wird und welche Rolle der Spracherwerb dabei einnimmt. Zusätzlich wird die grundlegende politische Lage in Deutschland kurz erläutert, um das nötige Hintergrundwissen für Kapitel vier und fünf zu geben und auch zu zeigen, welche große Rolle der Spracherwerb in der deutschen Integrationspolitik einnimmt.

3.1. Integration als Teilhabe

״Integration bezeichnet [...] den Prozess von zunehmender Teilnahme und Teilhabe der ausländischen Wohnbevölkerung an Werten und Einrichtungen der Aufnahmegesellschaft.“ (Yılmaz 2008: 109). Die Definition erscheint sehr passend, da sie Integration als Handlungsmöglichkeit beschreibt, aber gleichzeitig Möglichkeiten für Migrantlnnen offen lässt, bestehende individuelle Werte und Lebensvorstellungen weiterhin verfolgen zu können. In Bezug auf den großen Komplex Sprache ist das Konzept ebenfalls angebracht: In diesem Kontext ist es für die Integration wichtig, sich die Sprache anzueignen, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Es wird nicht impliziert, dass Einwanderinnen (in diesem Falle) Deutsch lernen sollten, ״weil sie in Deutschland sind“ oder wegen sonstigen assimilatorischen Forderungen, sondern damit sie sich selbst verwirklichen und ein autonomes Leben führen können.

Trotzdem kann nicht naiv davon ausgegangen werden, dass Integration durch Sprache stattfindet (vgl. Krumm 2004: 19), also dass durch den Spracherwerb die gesellschaftliche Teilhabe erreicht sei. Teilhabe geht noch einen Schritt weiterund kann eher als ״selbstbestimmtes Handeln“ verstanden werden.

Vielmehr dient der Spracherwerb als erleichternde Maßnahme, um am Leben der Mehrheitsgesellschaft teilzunehmen und sich damit zu integrieren.

Integration darf als Leistung und Aufgabe nicht unterschätzt werden: Es handelt sich hiermit um einen ״identitätsverändernden Prozess“ (vgl. Krumm 2004: 22), der eine Ablösung von der eigensprachlichen und eigenkulturellen hin zu einer bikulturell mehrsprachlichen Identität (vgl. Krumm 2004: ebd.) vollbringt. Das heißt, dass Migrantlnnen sich in ihrer Identität verändern. Leben und Teilhaben an einer fremden Kultur kann sich mit dem bis dato Bekannten ergänzen, aber auch widersprechen. Verschiedene kulturelle Werte, Ansichten und auch Sprachen müssen von der immigrierenden Person verarbeitet und akzeptiert werden.

Dieser Aspekt ist besonders in Hinblick auf das Erlernen einer neuen Sprache sehr relevant: Der Erwerb einer neuen Alltagssprache wird von vielen Einwanderinnen bewusst oder auch unterbewusst mit der Verdrängung ihrer Herkunftssprache gleichgesetzt. Das gilt natürlich nicht für alle, aber gerade diejenigen, die das erste Mal immigrieren oder überhaupt ihre Heimat verlassen, sind oft davon betroffen. Deswegen muss auch die Aufnahmegesellschaft ihren Teil zur Integration beisteuern. Integration ist nicht nur eine Bringschuld der Eingewanderten. Zwang sollte nicht mit Parolen, ״dass in Deutschland die Umgangssprache deutsch“ sei, darauf zu bestehen sei kein Assimilierungsdruck (vgl. Georg Paul Hefty, FAZ v. 9.12.2008), ausgeübt werden.

Krumm sagt dazu, dass Zuwanderer, die sich mit all ihren Sprachen als akzeptiert empfinden und die Mehrheitssprache nicht als Bedrohung für die eigene Sprache empfinden, nicht den Konflikt bewältigen müssten und eher offen gegenüber der neuen Sprache seien (vgl. Krumm 2004: 23).

Sprache kann also nicht immer nur als Voraussetzung für Integration dienen, sie ist ein Teil des Integrationsprozesses. Die Rahmenbedingungen, eine Sprache den Umständen angepasst und frei von Zwang und Assimilierungsdruck erwerben zu können, sollte ein Ziel für Aufnahmeland und Einwanderinnen sein.

3.2. Die Integrationspolitik in Deutschland mit besonderem Fokus auf den Spracherwerb von Migrantlnnen

Seitdem sich Deutschland als Einwanderungsland begreift und auch die Nachbarstaaten in der EU Integrationskonzepte (bspw. Frankreich, Niederlande) vorlegen (vgl. Bommes 2005: 59), hat sich in der Integrationspolitik einiges getan.

Seit 2005 gibt es in Deutschland Integrationskurse, die flächendeckend als Maßnahme vom Staat eingeführt wurden (vgl. Hentges 22013: 158) und fest im ab dann gültigen Zuwanderergesetz vorgesehen sind (vgl. Bommes 2006: 60).

2006 fand der erste Integrationsgipfel in Deutschland statt, der 2007 den nationalen Integrationsplan als Resultat vorstellte: In zehn Themenfeldern haben Politikerinnen, Migrantlnnen und Arbeitgeber- und Nehmerinnen ihre Thesen ausgearbeitet. Gerade die ersten beiden Thesen sind interessant und ihnen wird im nationalen Integrationsplan viel Raum gegeben:

1) Integrationskurse verbessern
2) Frühkindliche Bildung: von Anfang an deutsche Sprache fördern[3]

Hieran, aber auch an der Konzeption der Integrationskurse, ״die vor allem Sprachkurse sind“ (Bommes 2006: 59), wird die Annahme deutlich, dass Integration in allererster Linie durch Sprache herbeigeführt werden könne (vgl. Bommes 2006: ebd.).

4. Sprache als Handlungsträger

In diesem Teil der Arbeit soll geklärt werden, inwieweit Sprache instrumentalisiert wird. Was geschieht mit den Migrantlnnen durch den Erwerb oder auch den Nichterwerb der Mehrheitssprache? Außerdem wird der Wert der Herkunftssprachen mit in den Blick genommen, denn ״sprachliches Kapital“, in dem Sprache als Marktwert gesehen wird, muss nicht nur die Aneignung der Mehrheitssprache umfassen, sondern impliziert auch mitgebrachte Mutter- und Fremdsprachen.

[...]


[1] Der Begriff ״Migrantin“ wird in dieser Arbeit synonym mit ״Einwanderin“ verwendet.

[2] DaF ist die gängige Abkürzung für ״Deutsch als Fremdsprache“.

[3] Siehe hierzu: www.bundesregierung.de/Content/DE/Archivl6/Artikel/2007/07/Anlage/2007- 07-12-nationaler-integrationsplan.pdf?blob=publicationFilc

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Die Rolle des Spacherwerbs im Integrationsprozess
Université
University of Osnabrück  (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien)
Cours
Interkulturelle Pädagogik
Note
2,0
Auteur
Année
2015
Pages
21
N° de catalogue
V437161
ISBN (ebook)
9783668774162
ISBN (Livre)
9783668774179
Taille d'un fichier
551 KB
Langue
allemand
Mots clés
Integration, Migration, interkulturelle Pädagogik, Sprache, Deutsch als Fremdsprache, Deutsch als Zweitsprache, DAF, DAZ, Integrationskurse, Einwanderung, Zuwanderung, Spracherwerb, Germanistik
Citation du texte
Marlene Schulze (Auteur), 2015, Die Rolle des Spacherwerbs im Integrationsprozess, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437161

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