Sozialisation im Kontext der Institution Schule


Hausarbeit, 2009

13 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Schulische Sozialisation und ihre Bedeutung für die Gesellschaft

3. Schulische Sozialisation und ihre Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung

4. Problematiken im schulischen Sozialisationsprozess

5. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

„Leben nach eigenen Gesetzen. Das ist das Recht des Kleinkindes auf freie Entfaltung, ohne äußere Autorität in seelischen und körperliche Dingen.“ (A.S. Neill, S. 115)

A.S. Neill bezieht sich in diesem Zitat auf das Recht nach Autonomie und Freiheit des Kindes in dem, wie es sich entwickelt, was es tun und denken möchte. Der Begründer der Schule Summerhill und deren „Pädagogik vom Kinde aus“ erkannte zunächst jedoch, dass wahrscheinlich noch niemand ein völlig autonomes Kind gesehen hat, da jedes Kind der Erziehung seiner Eltern, seiner Lehrer und der Gesellschaft unterstehen würde.(vgl. A.S. Neill, S. 113ff) Ein völlig freie Entfaltung scheint dementsprechend fast nicht möglich zu sein, da dass Individuum in seiner Entwicklung durch Erziehungs- und Sozialisationsprozesse beeinflusst wird. Man kann Sozialisation, als einen Prozess der Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit verstehen, der in wechselseitiger Abhängigkeit mit der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Umwelt steht. Dabei befasst sich die Sozialisation vor allem damit, wie der Mensch sich zu einem gesellschaftsfähigen Subjekt entwickelt mit Hinblick auf die Gesamtheit aller Umweltbedingungen, die auf die Persönlichkeitsentwicklung Einfluss haben. (vgl. Tillmann, S. 10) In der folgenden Arbeit konzentriere ich mich jedoch primär auf die Auswirkungen der Sozialisation in der Schule in Bezug auf deren Bedeutung für die gesellschaftliche Ebene und auf deren Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung des Individuums. Im Anschluss gehe ich auf Problematiken ein, die sich im Kontext der schulischen Sozialisationsprozesse ergeben.

2. Schulische Sozialisation und ihre Bedeutung für die Gesellschaft

Die Bedeutung der schulischen Sozialisation beruht u.a. auf dem strukturfunktionalen Ansatz, der durch die Soziologen Max Weber und Emile Durkheim geprägt wurde. Einfluss nahm aber auch die Kulturanthropologie (Malinowski) und die Psychologie (Sigmund Freud). Diese Theorie ist dabei eher auf die Makroebene ausgerichtet in dem sie nach dem Beitrag gesellschaftlicher Teilbereiche, wie z.B. die Schule, fragt. Auch arbeitet die Theorie auf der Mikroebene, in dem sie den einzelnen Akteur in den Mittelpunkt stellt (z.B. Talcott Parsons). Aus dieser Sichtweise haben Sozialisationsprozesse eine stabilisierende Funktion bei denen die Heranwachsenden lernen sollen ihre ihnen angedachten Rollen freiwillig und kompetent zu spielen. Im Falle des Misslingens dieses Ansinnen treten Mechanismen der sozialen Kontrolle in Kraft, wie z.B. die Jugendfürsorge, die Polizei und Justiz. Sozialisation und soziale Kontrolle sind dementsprechend um Integration und Stabilität des sozialen System zu sichern in diesem Ansatz die grundlegenden funktionalen Prozesse. (vgl. Tillmann, S. 121) Basis ist dabei nach Parsons die enge Verbindung zwischen Rollenhandeln und Sozialisation. Nach ihm besteht Sozialisation im „Erwerb derjenigen Orientierungen, die für eine befriedigendes Rollenhandeln erforderlich sind.“ (Parsons 1951, S. 205 in: Tillmann, S. 121) Ziel des Sozialisationsprozesses ist demnach das kompetente stabilisierende Rollenhandeln, die durch den gesellschaftlichen Rahmen und die kommunikative Umgebung geprägt sind. Durch die Einführung in komplexe Rollenstrukturen lernt der Akteur sich in den verschiedenen Organisationsebenen der Gesamtgesellschaft zu beteiligen. (vgl. Tillmann, S. 121) Laut Wolfgang Nieke setzt sich allgemein immer mehr die Einsicht im Bildungswesen durch, dass unsere heutige multikulturelle Gesellschaft Bestandteil des Bildungswesen sein sollte. Interkulturelle Bildung steht dabei im Kontext der Globalisierung, die sich insbesondere auf die Vorbereitung der zukünftigen Arbeitnehmer auf die europaweite Mobilität bezieht. (vgl. Nieke 2008, S. 19) Parsons versteht die Schule dabei als Subsystem des gesellschaftlichen Gesamtsystems, wobei sein Erkenntnisinteresse sich auf den Beitrag der Schule zur Integration der Kinder und Jugendlichen und zur Stabilität des sozialen Systems leistet. Er weist darauf hin, dass die Schule einerseits als primäre Instanz gesehen werden könne, in der Bereitschaft und Fähigkeiten zur Erfüllung der Erwachsenenrolle erworben werden, aber die Schule stelle auch die Instanz dar zur Bereitstellung von Arbeitskräften. Laut Claus. J. Tully und Peter Wahler vermittelt „institutionell geordnete Bildung [...] allgemeinverbindliche Grundkenntnisse und ebenso neue Arbeitsmethoden für die aufkommende industrielle Wirtschaft.“ (Tully/Wahler, S. 60) Dementsprechend hätte die Schule zwei grundlegende Funktionen zu erfüllen. Zum einen handelt sie nach dem Auslese- bzw. Selektionsprinzip, d.h. sie hat die Aufgabe die menschlichen Ressourcen, d.h. die Arbeitskräfte entsprechend dem Rollensystem der Erwachsenen einzuteilen und diese zu selektieren. In Bezug auf die Sozialisationsfunktion hat die Schule die Aufgabe den Heranwachsenden zum Rollenhandeln in der Gesellschaft zu befähigen z.B. durch die Verinnerlichung allgemeiner Rollenerwartungen. Wobei zu betonen ist, dass die Schule im Unterschied zur Familie ein formalisiertes Rollensystem darstellt, welches universale Werte beinhaltet. Mit Eintritt ins Schulalter ist das Kind gezwungen in diese neue Welt einzufinden, sowie die Normen und Werte einzuüben. Durch den Integrationsprozess in die Schulklasse übernimmt das Kind die Wertmuster aus dem öffentlichen Bereich. Diese Werte und Normen liegen nach Parsons eine Ebene über jenen Werten und Normen, die die Familie vermittelt. Der Prozess der Rollenverinnerlichung ist dabei eng mit der Leistungsbewertung verbunden. Der Bewertungsprozess führt dabei zu einer Auslese von guten und schlechten Schülern, wodurch die Kinder lernen, wie man sich in einer Gruppe einen Status erwirbt. Die Grundschule stellt somit die erste Selektionsinstanz dar, die den weiteren Schulbahnverlauf des Kindes, d.h. ob es die Gesamt-, Realschule oder das Gymnasium besucht, welchen Abschluss es erwerben kann und übt damit sogar darauf Einfluss auf, welchen Beruf es später mal erlernen und ausüben wird. Dabei hat das Schulsystem nach Parsons die Aufgabe für eine möglichst reibungslose und gerechte Verteilung in der Gesellschaft vorzubereiten, wobei er die Gesellschaft als hierarchische Struktur betrachtet. Dieser Selektionsprozess sei dabei solange im fairen Bereich, wie für alle Individuen die gleichen Chancen offen stehen. Nach Parsons hat der Verlierer in diesem System nur dann die Möglichkeit sich zu integrieren, wenn er das Ausleseprinzip akzeptiert. Die Aufgabe der Lehrkörper ist es dabei die Bewertung der individuellen Leistung korrekt an einem Maßstab vorzunehmen. Damit sichern sie den gerechten Wettbewerb, denn so sei ein echter Selektionsprozess mit festen Regeln gesichert.

Wie sehr die Schule vom Ausleseprinzip, gesellschaftlicher Reproduktion und Rollenverinnerlichung geprägt ist, wurde nun ausreichend erläutert. (vgl. Tillmann, S. 121ff) Wie beeinflusst aber die schulische Sozialisation die Identitätsbildung des Kindes? Hiermit beschäftigt sich der nächste Abschnitt des Textes.

3. Schulische Sozialisation und ihre Bedeutung für die Persönlichkeitsentwicklung

Ein Ansatz der sich mit der Bedeutung der schulischen Sozialisation für die Identitätsbildung und damit auch für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes befasst ist der interaktionistische Ansatz. Im Zuge des schulischen Kontextes stellt sich hierbei die Frage, wie die schulischen Kommunikationsprozesse die Identitätsbildung beeinflussen. Der Schwerpunkt dieser Theorie liegt dabei eher auf der mikrosozialen Ebene, d.h. auf der Interaktion zwischen den einzelnen Subjekten. Dieser Ansatz geht also von der Teilnehmerperspektive aus. In diesem Zusammenhang beschäftigt sich diese Sichtweise mit der Identitätsbildung, die durch die tägliche Interaktion zwischen Schülern und Lehrpersonal beeinflusst wird. Dieser Ansatz lehnt sich dabei stark an die Theorie des symbolischen Interaktionismus, welcher im Kern den Kommunikationsprozess zwischen Subjekten als einen gesellschaftlichen Prozess bezeichnet aus dem sich die Identität entwickelt. Als Basisvoraussetzung für diesen Prozess wird die gemeinsame Sprache gesehen, die ein gemeinsames Symbolsystem darstellt und durch die Verständigung, sprich Kommunikation erst möglich wird. Ein weitere Voraussetzung für den Kommunikationsprozess sind die Verhaltenserwartungen mit denen der Einzelne durch Andere konfrontiert wird, also das beispielsweise eine Botschaft an das Subjekt gerichtet wird. Diese Botschaft enthält Informationen, die eine Interpretation von Erwartungen, Bedürfnissen und Normen erforderlich macht. Diese Botschaft beantwortet das Individuum anschließend mit seinem Handeln, wobei es seine eigene Identität mit einbringt und darstellt. Die Interaktion spielt in dieser Theorie also eine zentrale Rolle. Die Interaktion zwischen Subjekten wird dabei zumeist abgebrochen, wenn keine ausreichende Einigung über die Situation und die darin eingebrachten Identitäten vorherrscht. Dies ist nicht besonders problematisch, wenn beide Subjekte auf die Interaktion verzichten könnten. Im schulischen Kontext jedoch interagieren und kommunizieren die Betroffenen, sprich Lehrer und Schüler meist nicht freiwillig miteinander, da es sich um eine formalisierte Einrichtung mit formalisierten Kommunikations- und Interaktionsstrukturen handelt. Dadurch kann auch eine als unbefriedigend empfundene Interaktion nicht abgebrochen werden. Dabei betont Tillmann, dass keiner auf Interaktion verzichten kann, da diese eine wesentlichen Anteil an der Identitätsentwicklung hat. Wobei Identität sich entwickelt, wenn der Einzelne im Kommunikationsprozess sich mit den Augen des Anderen sehen kann, d.h. wenn er seine Perspektive übernimmt. Gleichzeitig muss der Einzelne in der Lage sein sich in die Bedürfnisse und Gefühle des Anderen hineinversetzen zu können. Diese Fähigkeit wird auch als Empathie bezeichnet. Das Ziel der Identitätsentwicklung ist das stabile Selbst, welches über Grundqualifikationen des Rollenhandelns verfügt, denn diese sind die Voraussetzung für eine selbstbewusste und bedürfnisorientierte Interaktion innerhalb der Gesellschaft. Dem zugrunde liegen die Werte der Autonomie, der Handlungsfähigkeit und der Individualität.(vgl. Tillmann, S. 147ff)

Dabei kommt hinzu, dass sich die heutigen Jugendlichen bei weitem nicht nur über die Schule identifizieren, sondern in verschiedenen Bereichen zwischen verschiedenen Rollen springen. Solche Bereiche sind Familie, Job, Peers, die Medien u.s.w. Das kann zur Folge haben, dass die verschiedenen Erfahrungswelten der Kinder und Jugendlichen in Konflikt zueinander geraten. Daraus können sich sicherlich auch Schwierigkeiten in der Schule ergeben. (vgl. (Tully/Wahler S.62) Um die Identitätsbildung in Bezug auf die Kommunikationsprozesse in der Schule zu erklären, wendet sich dieser theoretische Ansatz der Frage zu, wie der institutionelle Apparat den Handelnden gegenübertritt, was er erfordert und was er erzwingt. Die schulische Kommunikation ist dabei nach dieser Sichtweise durch zwei dominierende Vorgaben geprägt, durch Hierarchie und Zwang, sowie durch Leistung und Konkurrenz. Dafür spricht, dass die Teilnahme am Unterricht nicht auf freiwilliger Basis ist. Für die Schüler gibt es die Schulpflicht mit den damit verbundenen institutionellen Sanktionsmöglichkeiten der Zwang auch dann am Unterricht teilzunehmen, wenn dieser mit den subjektiven Bedürfnissen nicht übereinstimmt. Die Lehrer haben zwar etwas mehr Handlungsfreiheit unterliegen aber dennoch, was den Unterrichtsinhalt und die Unterrichtsvermittlung angeht, bestimmten Regeln. Dabei fällt dem Lehrer vor allem die Aufgabe zu die institutionell gesetzten Forderungen notfalls durchzusetzen. Dabei haben die Schüler unter solchen Bedingungen nur begrenzte Chancen eigene Identitätsentwürfe und Rolleninterpretationen einzubringen. Ein zusätzlicher negativer Faktor ist dabei, dass die Kommunikationsstrukturen zumeist am Leistungsprinzip orientiert sind. Damit definieren die Vorgaben der Institution die Kommunikation im Unterricht und begrenzen die Handlungsmöglichkeiten der Lehrer und Schüler. Wobei die Lehrer, wie schon erwähnt mehr Freiheiten haben. Sie sind zwar an den curricularen Rahmen gebunden, können aber beispielsweise entscheiden mit welchen Methoden sie den Unterrichtsinhalt vermitteln wollen oder ob sie die Arbeiten der Schüler härter oder nicht so streng bewerten. Für den Schüler stellt dies jedoch ein Problem dar. Sie erwerben zwar eine gewisse Lehrerkenntnis, d.h. sie wissen was sie bei dem eine Lehrer machen können und was nicht, sind aber neben den generellen Regel der Institution Schule noch an die individuellen Verhaltenserwartungen der jeweiligen Lehrer gebunden. Der Schüler soll also nicht nur die Rolle des fleißigen Schülers erfüllen, sondern gleichzeitig auch die spezifischen Anforderungen der Lehrer erfüllen. (vgl. Tillmann, S. 147ff) Schulischer Erfolg ist in diesem Zusammenhang ohne selbstgesteuertes Lernen kaum denkbar. (vgl. Tully/Wahler, S.63) Daher bewegen sich die Schüler zwischen relativ stabilen und oft wechselnden Verhaltensanforderungen, wobei eine Zurückweisung dieser Verhaltensanforderungen seitens des Schülers oftmals als Regelverstoß angesehen wird.

Schüler werden dabei mit vielen Verhaltensanforderungen konfrontiert. Ihre eigene Bedürfnisse, Intentionen und Motivationen gehen dabei nicht unbedingt mit den Anforderungen konform. Solche Bedürfnisse können sein, die eigene Persönlichkeit darzustellen und sie mit in die unterrichtliche Kommunikation mit einzubringen. Das Individuum benötigt zusätzlich einen subjektiven Prüfprozess, der die eigenen Weltorientierungen mit den Orientierungen von anderen vergleicht, ob diese ebenfalls von anderen geteilt und akzeptiert werden. Dies kann man laut Nieke auch als „Identifikation mit den Wesensmerkmalen einer Bezugsgruppe“ bezeichnen.(Nieke 2007, S. 85) Dabei steht diese Prozedur besonders bei Angehörigen von Minderheiten im Vordergrund, wobei dabei die Orientierung an der Mehrheitskultur oft als gelungene Integration und somit als wünschenswert betrachtet wird. Die neuere Identitätstheorie der Psychologie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass es sich zunehmend um multiple Identitäten bzw. Patchwork-Identitäten handelt, d.h. dass das Individuum sich mehrere soziale Bezugsgruppen und mentale Bezugssystem gleichzeitig aufbaut, wobei diese Tendenz sowohl von der Seite des Individuums als auch von der Seite der Gesellschaft ausgeht. (vgl. Nieke 2007, Seite 85f) Dies kann sicherlich zu Problemen im Sozialisationsprozess führen, da nach Tillmann kein Schüler sich ein Bild der eigenen Identität entwerfen kann ohne sich dabei nicht mit der Leistungsthematik zu beschäftigen. , denn „Erfolg und Versagen werden so machtvoll von der Institution vorgetragen, dass davon niemand unberührt bleiben kann.“ (Tillmann, S. 151)

[...]

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Sozialisation im Kontext der Institution Schule
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
13
Katalognummer
V437214
ISBN (eBook)
9783668774520
ISBN (Buch)
9783668774537
Dateigröße
472 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sozialisation, kontext, institution, schule
Arbeit zitieren
Juliane Werner (Autor:in), 2009, Sozialisation im Kontext der Institution Schule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437214

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