Der Einfluss des Lehrers auf den Lernerfolg seiner Schüler. Praxisforschungsprojekt an einer Gesamtschule


Projektarbeit, 2018

38 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kurzzusammenfassung

1. Mein Praktikum und Forschungsprojekt

2. Weshalb ist meine Forschung wichtig?

3. Wie habe ich das Projekt durchgeführt?

4. Forschung und Ergebnisse

5. Reflexion der Ergebnisse und des Ablaufs

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang

Kurzzusammenfassung:

In meinem Projekt soll die Frage „Wie beeinflusst eine Lehrperson aus Sicht der Schülerinnen und Schüler den Lernerfolg?“ geklärt werden. Ich habe den Anspruch an mich, ein guter Lehrer zu werden. Daher denke ich, dass es von allerhöchster Dringlichkeit ist, sich damit auseinanderzusetzen, was eigentlich guten Unterricht ausmacht. Die Studie, mit der ich mich deshalb hauptsächlich befasst habe, ist die Hattie-Studie. Sie ist zu ihrer großen Bekanntheit in der didaktischen Forschung gekommen, da sie die Faktoren des Lernerfolgs und ihre Relevanz das erste Mal direkt aufzuzeigen scheint und dazu die größte Datengrundlage einer jemals durchgeführten Meta-Studie hatte (vgl. Hattie, 2008, S. 392). Da Hattie sich bewusst auf messbare kognitive Faktoren beschränkt und dabei zum Beispiel soziale Aspekte weitgehend unberücksichtigt lässt (vgl. Florio- Hansen, 2014, S. 28), wollte ich zu diesem Thema qualitativ forschen. Ich führte Interviews mit keinerlei Vorgaben oder einer Auswahl. Ich versuchte, im Gespräch mithilfe eines Leitfadens meinen Interviewpartner dazu zu bringen, seine Aussagen zu begründen und seine Meinung dazu zu äußern, welches der Themenfelder Sozialkompetenz, didaktische Kompetenz und Fachkompetenz seiner Meinung nach die höchste Relevanz besitzt. Die Ergebnisse dazu sind in der Arbeit aufgeführt.

1. Mein Praktikum und Forschungsprojekt

Schon vor der Entscheidung, ein Lehramtsstudium zu beginnen, sollte man sich natürlich fragen, wo der Weg eines Tages hinführen wird. Die einzigen Anhaltspunkte sind dazu in der Regel die Erfahrungen aus der Schule, welche man selbst als Schüler oder Schülerin gemacht hat. In meinem Fall hatte ich jedoch bereits etwas mehr Hintergrundwissen, da mein Vater Lehrer ist. An seinem Beispiel hatte ich bereits gesehen, dass wesentlich mehr dahinter steckt, Lehrer zu sein als ab und zu in eine Klasse zu gehen und den Schülern und Schülerinnen etwas von seinem eigenen Wissen immer und immer wieder zu erzählen. Als Schüler bzw. als Schülerin erfährt man nichts von wechselnden Rahmenlehrplänen, Unterrichtsvorbereitungen, Klausurenkorrekturen und den vielen Konferenzen, Problemen in der Oranisation und vor allem mit bestimmten Klassen. Doch was machte bei alledem den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Lehrerperson? Warum habe ich bei manchen Lehrern und Lehrerinnen während meiner Schulzeit die langweiligsten und für mich absolut uninteressantesten Sachverhalte im Gedächtnis behalten und bei anderen wiederum das Interesse an Inhalten verloren, welche ich vorher spannend gefunden hatte? So hatten einige der „guten“ Lehrer und Lehrerinnen doch auch keine besonderen didaktischen Mittel benutzt oder besonders viel Vorbereitung gezeigt, wogegen einige der „schlechten“ Lehrer und Lehrerinnen eine Menge Arbeit in die Organisation ihres Unterrichts gesteckt zu haben schienen. Daher war das Thema, mit welchem ich mich deshalb während meines Praktikums beschäftigen wollte, wie eine Lehrperson den Lernerfolg der Schüler beeinflusst. Man selbst hat während seiner Schulzeit nur seine eigene Perspektive dazu kennen gelernt, die durch das geringe Spektrum an Erfahrungen nicht ausreicht, um eine Antwort auf die Frage zu erhalten: Was macht für die Schüler und Schülerinnen eigentlich guten Unterricht aus? Wie sollte man selbst als Lehrkraft sein und was muss man können, um möglichst jedem Schüler und jeder Schülerin den Unterricht so gut und erfolgreich wie möglich zu gestalten? Die Hattie Studie ist zu diesem Thema als umfangreiche Meta-Studie besonders aussagekräftig (vgl. Hattie, 2008, S. 392). Für mich als angehenden Lehrer ist die Lehrperson dabei im Fokus, da ich an den äußeren Gegebenheiten, welche in der Studie auch oft diskutiert und untersucht werden, keinen Einfluss nehmen kann. Das Thema „Lernerfolg der Schüler und Schülerinnen“ ist nicht nur für die Forschung, sondern für jeden Lehrer, jede Lehrerin und jede Schule direkt interessant. Deshalb wollte ich mir selbst an meiner Praktikumsschule ein Bild darüber machen, was sich nach Meinung der Schüler und Schülerinnen durch die Lehrperson positiv oder negativ auf ihren individuellen Lernerfolg auswirkt, in der Hoffnung, ein paar nützliche Erkenntnisse in mein Berufsleben mitzunehmen.

Die Wahl der Schule war für mich eine einfache Auswahl. Nach meiner guten Schulzeit in der Grundschule hatte ich mich auf dem Gymnasium in meiner Rolle als Schüler nicht wirklich wohlgefühlt. Dann kam die Umstellung des Schulsystems dazu, bei welcher von 13 auf 12 Jahre Schulzeit bis zum Abitur an Gymnasien verkürzt wurde. Die erste Jahrgangsstufe der Oberstufe, also 11 bzw.12, war nicht nur durch die doppelte Anzahl an Schülern belastet, sondern auch von mehr als mangelhafter Umsetzung der Reform und fehlender Unterstützung der Schüler und Schülerinnen, besonders des Jahrgangs der 11. Klassenstufe. Wie viele meiner Mitschüler suchte ich bald eine Gesamtschule, um mein Abitur in 13 Jahren ordentlich absolvieren zu können, anstatt in einem unorganisierten Chaos unterzugehen. So kam ich auf die Gesamtschule in in welcher ich mich als Schüler endlich wieder wohl fühlte. Die Lehrerschaft war sehr viel aufgeschlossener, man wurde im Gegensatz zum „Elitegymnasium“, wie sich meine alte Schule gerne selbst betitelte, nicht geächtet und für dumm erklärt, sollte man etwas nicht verstanden haben, sondern unterstützt. Auch die Schülerschaft war kollegialer und half sich gegenseitig, das Lerntempo war an die 13 Jahre angepasst und wurde daher wesentlich umfassender und verständlicher vermittelt. Besonders auch im Hinblick auf die Lernformen fand hier offenerer und sozialerer Unterricht statt. Ich fühlte mich wohl, da ich mich mit meinen Problemen nicht alleine gelassen wurde und mich unterstützt sah. Von den letztendlich erreichten Abschlüssen her mochte das Gymnasium besonders gut gewesen sein, aber der soziale Aspekt ging völlig unter. Alle Schüler und Schülerinnen, welche Hilfe benötigten, bekamen diese nicht und verließen die Schule. Viele hatten die Hoffnung ganz verloren und wechselten nicht die Schule sondern brachen sie ab. So zeigte mir diese unglaublich wertvolle Erfahrung die extreme Wichtigkeit des sozialen Aspekts. Dieser war für meinen persönlichen Lernerfolg offensichtlich besonders wichtig und zeigte sich darin, dass sich meine Noten von meinem letzten Zeugnis vor dem Schulwechsel mit dem Schnitt von 3,7 zu einem Abiturschnitt von 1,7 verbesserte. Der Gedanke, die sozialen Aspekte seien vielleicht auch für viele andere Schülerinnen und Schüler besonders wichtig für den Lernerfolg und sollten vielleicht mehr Beachtung in der Forschung finden, lag mir daher sehr nahe. Desweiteren liegt diese Schule in meiner unmittelbaren Nähe, ich hatte aufgrund meiner Erfahrungen mit ihr Vorfreude auf das Praktikum und kannte viele Lehrer und Lehrerinnen, ebenso einige Schüler und Schülerinnen, außerdem die Räumlichkeiten noch aus nicht allzulanger Vergangenheit. Die Schule hat außerdem mit einer Spezialisierung auf das Fach Sport (Vgl. Gesamtschule · https://www. de/kant2013/regelungen/schulprogramm/, Zugriff 29.07.2018), welches ich im Hauptfach studiere, einen sehr gut aufgestellten Fachbereich, sowie eine gymnasiale Oberstufe, auf welche ich mich in meinem Master spezialisieren möchte. Alle diese Argumente machten diese Schule für mich zur optimalen Wahl in Betracht meiner Forschung, meiner gewünschten Erfahrungen und meines Wohlbefindens. Dass jede Lehrkraft ihren ganz individuellen Stil hat, ihren Unterricht zu führen, wusste ich schon aus meiner eigenen Schulzeit. Dass ich bei manch einer Lehrkraft ihren Lehrstil sehr gut fand, schien auch während meiner Schulzeit schon nicht zu bedeuten, dass der Lehrer besonders beliebt war. Die meisten Lehrer und Lehrerinnen, welche ich für kompetent und zielstrebig hielt und die mir viel beigebracht hatten, waren vom Rest der Klasse meist gefürchtet oder gehasst. Es schien also kein Geheimrezept für eine Lehrkraft zu geben, wie sie jeden Schüler bzw. jede Schülerin individuell fördern kann und für ihn bzw. sie den bestmöglichen Unterricht zu geben. Dieses hat seinen Ursprung wahrscheinlich auch zum Teil in der sehr hohen Heterogenität an Schulen. Während des Praktikums konnte ich beim Beobachten und Interagieren mit den Schülern und Schülerinnen aus der Sicht eines Lehrers viel besser reflektieren, wie ich als Schüler wohl damals gewesen war. Manchmal konnte ich in den Handlungen einiger Schüler und Schülerinnen sogar mich selbst wiederfinden. Sowie mich damals alle Lehrkräfte wahrscheinlich unterschiedlich beschrieben hätten, von „absolut motivationslos und faul“ bis zu „engagiert und fleißig“, fiel mir auf, dass jeder Schüler und jede Schülerin sich immer gegenüber jeder Lehrkraft unterschiedlich verhält. Natürlich gibt es bei jedem Schüler und jeder Schülerin eine Tendenz zu einem bestimmten Verhalten, nur können offensichtlich viele Faktoren das eigentliche Verhalten in jedem Fach unterschiedlich beeinflussen. Besonders fiel mir das in meinen Fächern Sport und Geschichte auf, in denen ich sowohl einige Schüler und Schülerinnen, als auch Klassen beobachten konnte. Durch Wahlpflichtkurse waren die Klassen teilweise gemischt und hatten Sport bei zwei verschiedenen Lehrern. Auch hier waren Unterschiede im Verhalten eines beobachteten Schülers zu erkennen. Abgesehen von der völlig neuen, unterschiedlichen Wahrnehmung der Schülerschaft und der Schule durch meine neue Funktion und meine neue Betrachtungsweise, lernte ich sehr viel über die Tätigkeiten und außerschulischen Pflichten und Abläufe im Alltag einer Lehrkraft. Dadurch dass ich Zugang zum Lehrerzimmer, zu Konferenzen, der Tätigkeit als Lehrperson selbst und vielem mehr gewährt bekam, wurde mir wesentlich deutlicher bewusst, wo mein beruflicher Werdegang eines Tages hinführen wird und was mich in Zukunft erwartet. Diese Eindrücke selbst zu erleben war wesentlich besser, als es nur von meinem Vater erzählt zu bekommen, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie es wirklich ist. Auch die hierarchische und organisatorische Seite einer Schule war mir als Schüler natürlich nie bewusst geworden und auch nicht, was es bedeutete, einen Lehrer darzustellen. Die Relevanz eigenen Interesses und eigenem Engagements ist mir bewusst geworden, ebendso, wie viel ich auf praktischer und didaktischer Seite noch im Referendariat zu lernen habe. Der vor mir liegende Weg erscheint damit wieder sehr lang. Nun habe ich den Eindruck, es sei sehr notwendig, vor dem Ausüben des Berufs noch viel zu lernen. Wo ich am Ende des Studiums stehen werde erscheint mir jetzt wesentlich klarer, da ich nun einen besseren Eindruck davon habe, wo mein Weg mich eines Tages hinführen wird.

Die Frage, was denn nun guten Unterricht ausmacht und wie der Lehrer und die Lehrerin darauf Einfluss nehmen kann, war, wie bereits erläutert, die wichtigste Frage für mich bis dahin. Um Wissen darüber zu erlangen was die heutige Schülerschaft darüber denkt, anstatt nur aus eigenen Erfahrungen und Theorien Vermutungen aufzustellen, brachte mich schlussendlich zu der ausformulierten Frage: „Wie beeinflusst eine Lehrperson aus Sicht der Schülerinnen und Schüler den Lernerfolg?“ Bei dieser Frage steht im Mittelpunkt, wie die Schülerinnen und Schüler den Einfluss einer Lehrerin und eines Lehrers in Bezug auf ihren eigenen Lernerfolg wahrnehmen. Was sind ihre Erfahrungen mit Lehrerinnen und Lehrern, worin sehen sie die entscheidenden Faktoren für ein erfolgreiches Lernen? Dabei war mir besonders wichtig nicht nur zu erfahren, was ihrer Meinung nach besonders gut war, sondern auch, was besonders negative Auswirkungen hat, um diese Fehler vielleicht zukünftig vermeiden zu können. Mit diesen Gedanken im Hinterkopf und meiner Forschungsfrage wollte ich einige Interviews mit Schülerinnen und Schülern an meiner Schule führen. Bestenfalls mit Schülerinnen und Schülern verschiedener Klassenstufen, um ein möglichst großes Spektrum an Erfahrungen zu sammeln. Von der Länge dieser Interviews hatte ich allerdings noch keine Vorstellung. Wie viel würden mir die Schülerinnen und Schüler von sich aus erzählen und wie gut würden sie ihre Meinung letztendlich begründen können? Da ich noch einen besonderen Fokus darauf legen wollte, ob die Sozialkompetenz der Lehrperson einen besonderen Einfluss haben würde, suchte ich nach anderen Lehrerkompetenzen und fand dabei immer wieder das gleiche Modell. Es scheint sich die Unterscheidung in pädagogisches Wissen, fachdidaktisches Wissen und Fachwissen praktisch durchgesetzt zu haben, welche in fast allen Übersichtsartikeln genannt wurde (Baumert, Blum & Neubrand, 2004; Borko, 2004; Borko & Putnam, 1996; Blömeke, Kaiser & Lehrmann, 2008; Desimone, 2009; Helmke, 2009; Kunter, Klusmann & Baumert, 2009; Lehmann-Grube & Nikolaus, 2009; Lehmann & Nieke, 2000). Mit der Kompetenz „Fachwissen“ konnte jede Schülerperson etwas anfangen, allerdings hatte ich schon vorher befürchtet, „didaktisches Wissen“ und „pädagogisches Wissen“ seien als Begriffe für einige Schüler und Schülerinnen eventuell etwas unklar. Deshalb fragte ich, wie man die Begriffe vereinfacht nennen könne. Für „pädagogische Kompetenz“ wurde fast einstimmig das Synonym „Sozialkompetenz“ der Lehrkraft gewählt. Wie sich herausstellen sollte funktionierte die Wahl dieses Synonyms wesentlich besser als der Begriff „pädagogische Kompetenz“. Der Begriff „didaktische Kompetenz“ fand kein brauchbares Synonym und musste daher von mir meist mit dem Verweis, auf den Umgang mit Methoden Wissen zu vermitteln, versehen werden. Ich hatte vor, meine Forschungsfrage direkt zu stellen, sie vielleicht zusätzlich etwas zu erläutern, sollten einige Punkte oder Begriffe unverständlich gewesen sein und dann sowohl negative als auch positive Erfahrungen mit Lehrpersonen sowie einer Einschätzung der Ursachen für den besonders guten/schlechten Lernerfolg zu erfragen. Im abschließenden Schritt wollte ich eine Einschätzung, welche der Kompetenzbereiche aus Sicht der Schülerschaft wohl den größten Einfluss auf den Lernerfolg habe, um zu erforschen, welcher dieser Bereiche wirklich am wichtigsten wäre. Ich erhoffte mir natürlich, die aus meiner Erfahrung gewonnene Vermutung, die Sozialkompetenz würde für meine Interviewparter und Interviewpartnerinnen die wichtigste Kompetenzform sein, zu untermauern. Meistens fiel die Wahl hier auf die Kompetenz, welche in den zuvor geschilderten Erfahrungen als Hauptursache für den Lernerfolg oder dessen Ausbleiben beschrieben wurde.

2. Weshalb ist meine Forschung wichtig?

Es ist aufgrund der teilweise schlechten Umstände an vielen Schulen eine wesentliche Frage, was genau die Kriterien guten Unterrichts darstellt. Die Pisastudie im Jahr 2000 hatte mit den besonders schlechten Ergebnissen für Deutschland zu einem landesweiten Schock geführt und zu der Forderung der Umstrukturierung im deutschen Bildungssystem. Besonders Berlin hatte bei besagter Studie schlecht abgeschlossen. Was könnte den Unterricht aber nun verbessern? Um diese Frage zu klären muss man wissen, was den Unterricht eigentlich gut macht. Da Wissen vermittelt werden soll, ist es also der Lernerfolg, der gesteigert werden müsse. Ob Unterricht gelingt oder nicht hängt also maßgeblich davon ab, wie gut die Lehrperson ihren Lehrauftrag erfüllt oder erfüllen kann. Dass auf den Lernerfolg noch wesentlich mehr Faktoren einwirken ist unumstritten, jedoch ist die Kompetenz der Lehrkraft für alle Personen, die sich in der Ausbildung zu diesem Beruf befinden, aus bereits erläuterten Gründen maßgeblich. Man selbst hat aus seiner eigenen Schulzeit allerdings nur eine Perspektive, was für einen selbst den Unterschied gemacht hat. Da das geringe Spektrum an Erfahrungen zu dem Thema also nicht ausreicht um eine fundierte Antwort zu erhalten auf die Frage was für den Schüler guten Unterricht ausmacht, ist die Forschung zu diesem Thema von hoher Relevanz. Was muss ein Lehrer bzw. eine Lehrerin können, um möglichst vielen Schülerinnen und Schülern den Unterricht so gut wie möglich zu gestalten? Wie bereits erwähnt hat sich die Hattie Studie unter anderem schon mit meinem Forschungsthema befasst, auch wenn die Ergebnisse oft kritisiert wurden, da Hattie sich bewusst auf messbare kognitive Faktoren beschränkt hatte. Dadurch hatte er aber viele andere Aspekte, deren Wichtigkeit nicht zu vernachlässigen ist, weitgehend unberücksichtigt gelassen. (vgl. Florio- Hansen, 2014, S. 28). Helmke (2017) steht dem geäußerten Vorwurf ablehnend gegenüber und gibt zu bedenken, dass eine Hinzuziehung schwer messbarer weiterer Bildungsziele (beispielsweise die sozialen Aspekte „Hilfsbereitschaft, Empathie, Mitleid, Teamfähigkeit“ usw.) zwar für künftige Unterrichtsforschungen zu begrüßen wäre, dies allerdings mit einem beträchtlichen Mehraufwand einhergehe (vgl. ebd. 2017, S. 13). Hattie selbst habe sich mit jener Problematik zudem wiederholt in seinem Werk auseinandergesetzt. Er kommt auf das Ergebnis, das folgende Aspekte dabei eine zentrale Bedeutung haben (die Zahlen in Klammern zeigen den Wert der Bedeutung nach Hattie von 0 als unwichtig bis 1 als überaus wichtig): Micro- Teaching (0,88), Klarheit der Lehrperson (0,75), Lehrer-Schüler-Beziehung (0,72), Lehrerfort- und - weiterbildung (0,62), Nichtetikettieren von Lernenden (0,61), Qualität der Lehrperson aus Schülersicht (0,44), Lehrererwartung (0,43), Lehrperson-Effekte (0,32), Lehrerbildung (0,11) und Fachkompetenz (0,09) (vgl. Visible Learning, https://visible-learning.org/de/hattie-rangliste-einflussgroessen-effekte- lernerfolg/hattie-rangliste-einfluss-der-lehrperson, Zugriff 24. Januar 2018). Hierbei wird erkennbar, dass die Persönlichkeit der Lehrperson einen wesentlich höheren Einfluss auf den Lernerfolg hat als zum Beispiel Lehrerbildung und Fachkompetenz, welche in unserem Studium mit wesentlich mehr Zeiteinsatz geschult werden, als das Sozialkompetenzen eines Lehrkörpers im Fokus stehen. Der Schwerpunkt meiner daraus resultierenden Forschung sollte aber wie beschrieben auch darauf liegen, herauszufinden, ob die Einschätzung der Schüler große Einflussfaktoren eher in den Bereichen Sozialkompetenz, didaktischer Kompetenz oder Fachkompetenz sieht. Diese Kompetenzen setzen sich wie erklärt aus der gängigen Unterscheidung der Kompetenzbereiche hervor, welche von den meisten Forschern und Forscherinnen in diesem Bereich genutzt wird (Vgl. Blum & Neubrand, 2004; Borko, 2004; Borko & Putnam, 1996; Blömeke, Kaiser & Lehrmann, 2008; Desimone, 2009; Helmke, 2009; Kunter, Klusmann & Baumert, 2009; Lehmann-Grube & Nikolaus, 2009; Lehrmann & Nieke, 2000). Sowohl die Forschungsfrage als auch die Einschätzung der Wichtigkeit der drei gängigen Kompetenzen sind damit auf Grundlage anderer pädagogischer Forschungen oder Modelle entstanden und versuchen in ihnen noch ungeklärte oder unvollständige Bereiche zu beleuchten.

Der Gegenstand des Forschungsprojekts ist also zusammengefasst der Einfluss der Lehrerperson auf den Lernerfolg seiner Schülerinnen und Schüler, mit der Frage, welche Kompetenzen hier für den Lehrer bzw. die Lehrerin von besonderer Relevanz sind. Welche Kompetenz nimmt am meisten Einfluss auf den lehrerinduzierten Lernerfolg seiner Schüler.

Die Zentralen Begriffe sind hierbei: „Der Lernerfolg “, „ Lehrerkompetenzen “ und die drei Lehrerkompetenzen, auf die sich die aktuelle Forschung gängiger Weise bezieht: „die pädagogisch Kompetenz/ Sozialkompetenz “, „die didaktische Kompetenz “ und die „ Fachkompetenz “. Diese Begriffe will ich nun definieren.

Der Lernerfolg wird von Dr. Josef Zollneritsch beschrieben als “der für den Schüler/die Schülerin individuell größtmögliche Zuwachs an Sachwissen und kognitiven Handlungs- und Problemlösekompetenzen sowie die bestmögliche Entwicklung motivationaler, emotionaler und sozialer Fähigkeiten.” (Zollneritsch, Lernerfolg - Lernschwierigkeiten, https://www.lsr-stmk.gv.at/de/documents/Broschuere- Endfassung.pdf, Zugriff 01.08.2018). Da dieser Lernerfolg von jeder individuellen Schülerperson selbst ausgeht und ihrer Einschätzung unterliegt, ist dieser Faktor nicht direkt messbar. Es muss darauf vertraut werden, dass der Interviewpartner selbst richtig einschätzt, bei welchem Lehrerkörper er einen besonders großen bzw. besonders geringen Lernerfolg hatte.

Die Lehrerkompetenzen werden von Weinert verstanden als “die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“ (Weinert, 2001, S. 27f.) Laut Lieme und Leutner sin des “kontextspezifische kognitive Leistungsdispositionen, die sich functional auf Situationen und Anforderungen in bestimmten Domänen beziehen.” (Klieme & Leutner 2006, S. 879)

Bereits Shulmann legte in seinem Modell dazu das professionelle Wissen des Lehrerkörpers fest als Fachwissen, fachdidaktisches Wissen und pädagogisches Wissen. Daraus ergeben sich die in Modellen von Helmke, Blum & Neubrand sowie Borko & Putnam und vielen mehr die immer wiederkehrenden Kompetenzen der pädagogischen Kompetenz, welche in neueren Modellen auch als soziale Kompetenzen ( Sozialkompetenz) zusammengefasst wird, die pädagogische Kompetenz und die Fachkompetenz, welche häufig auch als fachliche Kompetenz umschrieben wird.

Die drei Kompetenzen definieren sich nach Lehmann & Nieke wiefolgt:

Die Fachkompetenz beeinhalten „neben der Kenntnis von Fachwissen (…) auch die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen und das Wissen zielgerichtet einsetzen zu können.” (Lehmann & Nieke, https://www.bildung- mv.de/download/fortbildungsmaterial/text-lehmann-nieke.pdf, Zugriff 01.08.2018)

Die Methodenkompetenz „umfasst Fähigkeiten, sich Wissen zu beschaffen, rationell zu arbeiten, situationsgerecht Problemlösestrategien zu beherrschen, Ergebnisse zu strukturieren.” (Lehmann & Nieke, https://www.bildung- mv.de/download/fortbildungsmaterial/text-lehmann-nieke.pdf, Zugriff 01.08.2018)

Die in diesem Modell erstmals wörtlich als solche betitelte Sozialkompetenz ist die „bereitschaft und Fähigkeit, mit anderen gemeinsam zu arbeiten, tolerant und einfühlsam zu handeln, mit Konflikten umgehen zu können.”(Lehmann & Nieke, https://www.bildung-mv.de/download/fortbildungsmaterial/text-lehmann-nieke.pdf, Zugriff 01.08.2018)

Wie bereits beschrieben erhoffte ich mir von der Einschätzung der Kompetenzen, dass die Schülerschaft in ihrer bisherigen Schulzeit die Erfahrung gemacht hatte, wie immens wichtig die Sozialkompetenz einer Lehrkraft sei. Ich hatte eine ganze Reihe an Beispielen dafür erlebt, schätzte es selbst so ein und wollte mich in dieser Meinung bestätigt sehen. Außerdem würde die Relevanz meines Forschungsthemas dadurch endgültig bestätigt werden. Was die Leitfrage angeht, so konnte ich mich nur überraschen lassen. Es war mir wichtig um meine empirische Forschung nicht zu beeinflussen, keinerleih Absicht hinter meinen Fragen erkennen zu lassen oder die Forschung durch das Hinleiten auf ein erwünschtes Ergebnis zu verfälschen. Ich ordnete die Kompetenzen bei der Fragestellung in wechselnder Reihenfolge um kein hierarchisches Bild der Kompetenzen zu vermitteln. Nach der Erklärung der Leitfrage fragte ich lediglich nach einem fehlenden Aspekt, wie zum Beispiel einem negativen Erlebnis, wenn nur positive Erlebnisse aufgeführt wurden - oder umgekehrt. Auch die Frage nach der Einschätzung, an welchen Ursachen es gelegen haben könnte, dass der Unterricht als erfolgreich oder nicht erfolgreich beschrieben wurde, stellte ich immer neutral.

3. Wie habe ich das Projekt durchgeführt?

Nachdem ich in dem Vorbereitungsseminar bereits meine Forschungsfrage gefunden hatte, kam ich zu der ergänzenden Frage nach der Einschätzung der relevantesten Kompetenz. Notiert hatte ich mir eine Art Interviewleitfaden, bei dem nach der Begrüßung die Leitfrage ausformuliert stand. Bei Fragen oder Unsicherheit, was diese genau bedeutet, würde ich es noch ein Mal genauer erklären. Minimales Ergebnis sollten eine positive und eine negative Erfahrung mit Lehrkräften sein und die Deutung der Ursache, welche zu der Erfahrung führte. Danach sollte die Frage begründet werden, welche der 3 genannten Kompetenzen die wichtigste sei. Hierbei war keine Begründung notwendig, da sich die Antwort meistens aus den vorher geschilderten Situationen ergab. Manchmal wurde jedoch auch ein Ranking erstellt, welches die eingeschätzte Relevanz zuordnete oder die eigene Entscheidung wurde begründet. Mit diesem ungefähren Leitfaden brauchte ich nur noch Interviewpartner. Diese sollten absolut anonym bleiben und ihre Aussagen nicht von mir gewertet werden. Ich wollte beginnen, die Interviews nach der Hälfte der Zeit meines Praktikums durchzuführen, damit ich bereits eine ungefähre Einschätzung der Schüler und Schülerinnen hätte. Nach den zwei Wochen, welche ich bei meinem mir zugeteilten Sport und Geschichtslehrer hospitierte, wurde dieser krank und ich wurde gefragt, ob ich den Unterricht vertreten können. Ich willigte ein, da ich die Chance sah, mich selbst als Lehrer auszuprobieren und Erfahrungen in meinem zukünftigen Job zu sammeln, ohne eine Bewertung zu erhalten. Nach einer weiteren Woche der Eingewöhnung in meiner Rolle begann ich, meine Interviews in der Pause nach dem Unterricht mit jeweils einem Jungen und einem Mädchen zu führen, aus jeder der mir zugeteilten Klassenstufen. Da ich in der Mittelstufe unterrichtete, hatte ich die Klassenstufen 7 bis 10. Daraus ergaben sich also 8 Interviewpartner bzw. Partnerinnen, welche ich zufällig aus den Freiwilligen auswählte. Vor jedem Interview erklärte ich dem Schüler oder der Schülerin, worum es bei meiner Forschungsfrage gehe und wofür ich dieses Interview machen würde. Desweiteren versicherte ich ihnen, dass sie absolut annonym bleiben würden und ich, sollten sie Namen von Lehrkräften nennen, es ihnen nicht sagen oder transkribieren würde. Auch ihren Namen würde ich nicht angeben, da mich lediglich ihre Meinung zu dem Thema interessieren würde. Das Ganze hätte keinerlei Konsequenzen für sie.

[...]

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss des Lehrers auf den Lernerfolg seiner Schüler. Praxisforschungsprojekt an einer Gesamtschule
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
38
Katalognummer
V437301
ISBN (eBook)
9783668776319
ISBN (Buch)
9783668776326
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einfluss, lehrers, lernerfolg, schüler, praxisforschungsprojekt, gesamtschule
Arbeit zitieren
Matthias Marin (Autor:in), 2018, Der Einfluss des Lehrers auf den Lernerfolg seiner Schüler. Praxisforschungsprojekt an einer Gesamtschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437301

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