Konstruktion von Weiblichkeit in "Nada" von Carmen Laforet und "Entre Visillos" von Carmen Martín Gaite


Epreuve d'examen, 2016

68 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhalt

1 Einleitung

2 Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit
2.1 Theorie der Geschlechterverhältnisse
2.2 Geschlechterentwürfe in Spanien
2.3 Auswirkungen der Rollennormen auf die spanische Gesellschaft der Nachkriegszeit

3 Analyse der Frauenbilder in Nada
3.1 Mutterfiguren – La opresora y la buena madre
3.2 La observadora insegura
3.3 Feminista ambivalente
3.4 Männerfiguren – El machista y el malicioso

4 Analyse der Frauenbilder in Entre Visillos
4.1 Mutterfiguren - Las opresoras
4.2 La rebelde
4.3 La novia sumisa und alternative noviazgos
4.4 Männerfiguren – machistas y progresistas

5 Vergleichende Analyse zentraler Aspekte
5.1 Entstehungskontext
5.2 Genre und erzählerischer Diskurs
5.3 Moralische Werte, patriarchalische Strukturen, Rollennormen
5.4 Adoleszenz und Freundschaft
5.5 Wahrnehmung von Raum und Zeit
5.6 Akt des Schreibens und andere Evasionsformen

6 Fazit

7 Bibliographie

8 Anhang

Abstract

En los tiempos del franquismo se estableció una imagen más bien negativa de la mujer que la reducía al esterotipo de madre y esposa, por lo cual en la reciente teoría literaria se ha prestado mucha atención a la construcción social de la femineidad con relación al papel de la mujer en la sociedad española de posguerra. Este trabajo se ocupa con el análisis de seleccionados tipos de mujer en las obras Nada de Carmen Laforet y Entre Visillos de Carmen Martín Gaite. Se centrará específicamente en la actitud de las mujeres hacia las convenciones establecidas de la sociedad española y su respectiva conducta. Este trabajo está enfocado también hacia la construcción de la masculinidad en las obras para entender las relaciones de género en este tiempo. Finalmente, se subrayarán las características comunes de las dos novelas para poder averiguar si hay paralelas en la construcción literaria de la femineidad.

1 Einleitung

Como son los hombres para lo público, así las mujeres para el encerramiento; y como es de los hombres hablar y salir a la calle, así es de ellas encerrarse y callarse.[1]

Dieses Zitat aus dem von Fray Luis de León geschriebenen Werk La perfecta casada des Jahres 1583 stand damals, wie auch in der Franco-Zeit, für die Gesamtheit an Meinungen zum Frauenbild in Spanien. Es beschreibt die gewünschten Verhaltensweisen einer guten katholischen Ehefrau, welche die Tugenden der Sittlichkeit und Ehrbarkeit in sich vereinen sollte. Während diese sozialen Vorgaben die katholische Gesellschaft Spaniens unter Felipe II. unweigerlich widerspiegeln, so haben sich viele der Erwartungshaltungen an die Frau noch bis in das 20. Jahrhundert gehalten. Die demokratischen Fortschritte der Zweiten Spanischen Republik (1931-1939) im Hinblick auf die Gleichberechtigung der Geschlechter wurden durch den Bürgerkrieg und die anschließende Nachkriegsphase durchkreuzt. Konträr zu anderen Ländern Europas, in denen zu der Zeit bereits weitgehend demokratische Strukturen herrschten, wurde in Zeiten des Franco-Regimes mit allen Mitteln versucht, mithilfe verschiedener Institutionen, die Frau in einer traditionellen Rolle zu halten und die von Fray Luis de León niedergeschriebenen Rollennormen wieder aufleben zu lassen. Die katholische Kirche nahm in dieser Aufgabe eine besondere Stellung ein, da der Regierung Religion als wichtiges Instrument für die Implementierung von Autorität diente. So wurde die Familie als Stützpfeiler des franquistischen Staates glorifiziert, in der die Frau als Hausfrau und Mutter der Unterordnung des Mannes verschrieben war. Geschlechterrollen wurden im offiziellen franquistischen Diskurs klar getrennt und ideologisiert, sodass die Ausübung eines Berufes auch in den ersten Jahren der Nachkriegszeit beinahe unmöglich war. Mit der Reaktivierung demokratischer Kräfte und der zunehmenden wirtschaftlichen Öffnung nach Zeiten der Autarkie Ende der 50er Jahre, begann sich der propagierte inferiore Status der Frau innerhalb der Gesellschaft etwas aufzulösen und es kam in den Jahren 1958 und 1961 zu zentralen Gesetzesänderungen bezüglich der Geschlechterdiskriminierung. Trotz allem waren diese Fortschritte mit der Realität schwer zu vereinbaren. Zu stark waren die vorgelebten Rollennormen in den Köpfen der Bürger verankert. Auch in der heutigen Zeit sind einige veraltete Stereotype noch erhalten geblieben. Immer noch gibt es viele Frauen, die in Traditionen verharren, während andere für Gleichberechtigung kämpfen. Dennoch sind diese Einschränkungen für die Frau erheblich zurückgegangen und die Gesamtsituation weist klare Verbesserungen auf.[2]

Im modernen spanischen Roman ab den 40er Jahren werden die ungleiche Situation der Frau und deren psychologische Auswirkungen auf die Individuen erkannt und aufgegriffen. Als Frau literarisch tätig zu werden war wohl nicht immer so einfach, wie es heutzutage scheint. Erst ab den 40er und 50er Jahren wurden zunehmend Autorinnen bedeutend und seit 1945, auch durch die Verleihung des Premio Nadal, symbolisch gestützt. Dieser ging im selbigen Jahr an Carmen Laforet für das hier zu analysierende Werk Nada und im Jahre 1957 auch an Carmen Martín Gaites Roman Entre Visillos. Dieser Aufschwung war jedoch kein Garant dafür, dass die künstlerische Leistung von Frauen auf einer Ebene mit den bis dahin verfassten Werken der Männer stand. Obgleich in der Franco-Ära die intellektuellen Bestrebungen seitens Schriftstellerinnen nicht gerade gefördert wurden und die Werke zudem in der Literaturkritik aufgrund ihrer „Weiblichkeit“ als inferior gewertet wurden, so waren es dennoch zahlreiche Autorinnen, die vor allem nach dem Bürgerkrieg und dann verstärkt ab den 70er Jahren im Zuge der Emanzipationsbewegung der Frauen begannen, ihre Werke zu veröffentlichen.[3]

Über diese literatura femenina, über die in dieser Literatur zu findenden Frauenbilder und im Zuge dessen auch über die „Charakteristika weiblichen Schreibens“[4], machte man sich lange Zeit Gedanken. Es wird deutlich, dass auch was die Literatur von Frauen in Spanien nach dem Bürgerkrieg angeht, weibliches Schreiben und Weiblichkeit immer in Relation zu dem damals vorherrschenden patriarchalischen System gesehen werden müssen und somit stark an die gesellschaftliche Situation der Frau geknüpft sind. Der Akt des Schreibens, der auch in vielen Romanen Einklang findet, kann daher als ein Emanzipations- und Partizipationsversuch verstanden werden.[5] Die Schriftstellerinnen berufen sich auf ihre spezifischen Erfahrungen als Frau im Rahmen dieser patriarchalen Gesellschaftsordnung und kreieren literarische Frauenbilder, welche jedoch nur vor dem Hintergrund der Lebensbedingungen der jeweiligen Autorinnen analysiert werden können.[6] Paatz geht daher von einer „grundsätzlichen Andersartigkeit weiblicher Texte“[7] aus und auch Rössler argumentiert, dass Geschlechterdifferenzen innerhalb eines Systems, welches auf Ungleichbehandlung der Geschlechter gegründet ist, nicht einfach so exkludiert werden können.[8] Das gesamte literarische System unterliegt einer Organisation durch Gender. Vor allem aber die Narratologie bietet mit ihren Grundelementen wie Plot, Erzählverhalten, Figuren, Raum und Zeit eine dienliche Basis für die Analyse von Geschlechtlichkeit.[9] Daher sollen in dieser Arbeit die beiden Romane Nada (1945) und Entre Visillos (1958), beides Werke weiblicher Autorschaft, Analysegrundlage sein.

Carmen Laforet ist gerade einmal 24 Jahre alt als sie für ihren Romanerstling den Premio Nadal im Jahre 1945 bekommt. Nada zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Werken der posguerra und ist nach La familia de Pascual Duarte von Camilo José Cela, welches den spanischen Kriegsroman einführte, der meist übersetzte spanische Roman jener Zeit.[10] Wie Bernecker treffend beschreibt, ist die Zeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg geprägt von „materiellen […,] ideologischen und psychologischen Folgen des Krieges.“[11] Laforets Roman legt Zeugnis ab über die soziale Realität des Traumas und zeigt die nicht nur im kollektiven Gedächtnis verankerten, sondern auch nach außen getragenen Auswirkungen des Krieges. Deshalb wird der Erfolgsroman dem Genre der novela existencial zugeordnet, in der bezüglich der Ebene des discours[12], mit der „Darstellung von Hässlichem und Abstoßendem, von Wahnsinn, Brutalität und Gewalt sowie […] [der] Zeichnung düster-grotesker Stimmungen und moralisch zerrütteter Figuren […]“[13] gearbeitet wird.

In ihrem Werk, welches gleichzeitig eine novela de formación ist, kommt ein junges Mädchen namens Andrea nach Barcelona, um dort ihrem Studium nachzugehen. Durch den spanischen Bürgerkrieg hat sie ihre Eltern verloren und soll nun als Waise bei der Familie ihrer Mutter leben. Andreas Hoffnung auf Freiheit und Horizonterweiterung stellt sich jedoch als Illusion heraus, nachdem sie auf die Familie in der Straße Aribau trifft. Zu den Bewohnern zählen ihre sittenstrenge Tante Angustias, der musikalische, aber ebenso dominante und narzisstische Onkel Román, der gewalttätige Onkel Juan, seine heitere Frau Gloria, die großmütige Großmutter und eine unheimliche Hausangestellte namens Antonia. Ihr Leben in Barcelona ist geprägt von sozialen Missständen, Kontrolle, Gewalt und strengen Rollennormen, denen sie versucht zu entfliehen. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Rolle und Situation der Frauen.

Das gesamte Erzählwerk Carmen Martín Gaites kann als Ausdruck sozialkritischen Engagements verstanden werden, welches den Fokus insbesondere auf den weiblichen, von Limitationen geprägten Lebensalltag im franquistischen Spanien legt. Ihr Romanerstling Entre Visillos, für den sie mit dem Premio Nadal im Jahre 1957 ausgezeichnet wurde, greift genau diese Thematik auf. Bezüglich des Genres wird Entre Visillos als novela realista dem realismo social zugeordnet, welche den tremendismo der Jahre zuvor fortführt, das Individuum mit seinen Problemen und Gefühlen jedoch dem Kollektiv weichen muss. Erst in Gaites weiteren Romanen verstärkt sich diese Subjektivierung wieder.[14]

In der Provinzstadt, in der die Figuren leben, wird dem Leser das monotone und routinierte Leben im Spanien der Nachkriegszeit präsentiert. Pablo, der aus Deutschland in diese Stadt kommt, lernt diese mit all ihren Vorgaben und Kontrollinstanzen, unter denen vor allem die Frauen der Stadt zu leiden haben, kennen und bemerkt, dass dieses Leben nicht seiner Vorstellung entspricht. Die Frauen in Gaites Werk wenden sich daher verstärkt Ausbruchphantasien zu.

Die weibliche Autorschaft ist nur ein Grund für die Wahl der zu analysierenden Werke. Mehr noch beruht die Wahl auf der Tatsache, dass beide Romane weibliche Handlungsmuster im historischen Kontext der Nachkriegszeit in Spanien thematisieren und somit erfahrbar wird, inwiefern bestimmte Rollen auf gesellschaftlichen Normen beruhen, die durch den offiziellen franquistischen Diskurs gefördert und gefordert wurden. Ferner weisen beide Romane auch emanzipatorische Entwürfe von Frauenbildern auf. Somit stellen die Romane signifikantes Vergleichspotential dar. Zwar unterliegen sie, wie oben bereits angeführt, zeitlich gesehen unterschiedlichen gesellschaftlichen und historischen Hintergründen – während Nada 1945 direkt nach Ende des Bürgerkrieges veröffentlicht wurde und zu den erfolgreichsten Romanen der posguerra gehört, so liegen knapp 13 Jahre zwischen diesem und dem Werk Entre Visillos, welches 1958 veröffentlicht wurde – es wird jedoch in den folgenden Kapiteln, neben den vergleichenden Aspekten, unter anderem deutlich werden, welchen Einfluss die soziale und gesellschaftliche Situation auf den Romaninhalt und auf die konkrete weibliche Subjektkonstitution hat.

Im Rahmen dieser Arbeit soll analysiert werden, wie Geschlechtlichkeit, insbesondere Weiblichkeit, konzipiert ist und wie weibliches Verhalten in den zu analysierenden Romanen im Kontext franquistischer Prägung thematisiert wird. Hierbei gilt es folgende Fragen zu beantworten: Wie kommen verschiedene Geschlechterverhältnisse zustande? Was genau wird mit den Konstrukten Weiblichkeit und Männlichkeit im spanischen Kontext assoziiert? Wie wurden diese Assoziationen im öffentlichen Diskurs der franquistischen Gesellschaft mit Rollenverhalten verknüpft? Inwiefern zeigen die beiden zu analysierenden Romane unterschiedliche Frauentypen im Frankismus und inwiefern können angenommene Rollen auf gesellschaftliche Normen zurückgeführt werden? Welche Schlussfolgerungen kann man durch den Vergleich von Teilen der Romane ziehen?

Um diesen Fragen nachzugehen, soll zunächst anhand der Gender-Theorie der Unterschied zwischen dem biologischen und dem sozialen Geschlecht dargestellt werden. Hierbei wird erklärt, wie unterschiedliche Konzepte von Geschlechtlichkeit innerhalb einer Gesellschaft entstehen. Im Anschluss soll auf mögliche Geschlechterentwürfe eingegangen werden. Sowohl etablierte Frauen- als auch Männermodelle, die speziell im Blick auf Spanien von Bedeutung sind, werden analysiert, um eine leichtere Zuordnung zu erlauben. Bevor auf die literarische Auseinandersetzung mit der Konstruktion von Weiblichkeit eingegangen werden kann, müssen die aufgrund der Rollennormierungen entstandenen Umstände, Limitationen und Möglichkeiten der Frauen im spanischen Kontext der Nachkriegsjahre konturiert werden, um ein besseres Verständnis des weiblichen Lebensalltags zu erhalten. Anschließend folgen die beiden Analysekapitel. Bei einer Analyse von Frauenfiguren in Romanen, wie es in dieser Arbeit getan werden soll, ist es notwendig, neben den Protagonistinnen auch die Nebenfiguren in die Analyse mit einfließen zu lassen, um ein authentisches Gesamtbild zu erhalten und Verzerrungen zu vermeiden.[15] Zunächst sollen also an ausgewählten Frauenfiguren aus dem Roman Nada unterschiedliche Frauentypen festgemacht werden, die entsprechende Funktionen erfüllen. Hierbei wird sowohl auf die unterschiedlichen Mutterfiguren in Nada eingegangen, als auch auf die komplexe Protagonistin und ihre emanzipierte Freundin. Auch die in den Romanen zu findenden Männertypen sollen vergleichend herausgearbeitet werden. Das zweite Analysekapitel beschäftigt sich mit ausgewählten Frauenfiguren aus Entre Visillos. Auch hier werden unterschiedliche Modelle von Weiblichkeit aufgezeigt und auf deren Funktion im Roman hin analysiert. So sollen zunächst die repressiven Mutterinstanzen erläutert werden. Anschließend wird die rebellische Protagonistin beleuchtet sowie die variierenden Typen der novia und deren Haltung zum noviazgo. Abschließend werden auch in Entre Visillos ausgewählte Männerfiguren analysiert.

Die nachfolgende Forschungsliteratur kann als Hauptgrundlage dieser Arbeit hervorgehoben werden. Besonderen Bezug konnte auf die detaillierte Analyse von Annette Paatz genommen werden, die sowohl mit Artikeln über Nada und Entre Visillos, als auch mit der sehr umfangreichen literaturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Gaites Gesamtwerk Vom Fenster aus gesehen? Perspektiven weiblicher Differenz im Erzählwerk von Carmen Martín Gaite in hohem Maße zu dieser Arbeit beiträgt. Auch die Zeitschriftenartikel „Carmen Laforet’s Nada: Fictional form and the Search for Identity“ und „Inscribing the Space of Female Identity in Carmen Martín Gaite’s Entre Visillos“ von Marsha S. Collins zu den beiden hier analysierten Romanen sind als wertvolle Analysegrundlage zu nennen. Weitere in dieser Arbeit integrierte Erkenntnisse finden sich bezüglich Nada in Sylvia Truxas strukturiertem und stark gesellschaftsbezogenen Werk Die Frau im spanischen Roman nach dem Bürgerkrieg. Als Hauptgrundlage zu Entre Visillos sei abschließend das Werk Literarische Konstruktion und geschlechtliche Figuration. Das Erzählwerk Carmen Martín Gaites und Juan Goytisolos im Kontext des Frankismus von Doris Gruber angeführt.

2 Konstruktion von Weiblichkeit und Männlichkeit

2.1 Theorie der Geschlechterverhältnisse

Im Zuge der ersten Feminismusbewegungen in den 70er Jahren, bei denen es primär um die Verbesserung der Verhältnisse für Frauen ging, begann zunehmend die Analyse der Konstruktionsprozesse, die zu Geschlechterverhältnissen führen. Vor der Einführung der Wissenschaft der sogenannten Gender Studies in den USA ging man davon aus, dass das biologische und kulturelle Geschlecht sich so überlagern, dass keine Differenzierung möglich sei. Im Rahmen der Frauenforschung wird diese natürliche Geschlechterdifferenz sogar als Grundlage gesehen; es geht um die Konsequenzen für die Frau innerhalb der Gesellschaft aufgrund der biologischen Unterschiede. Erst in der Genderforschung ab den 1980er-Jahren kam es zu einer Pluralisierung der Identitäten.[16] Mit dem Wortpaar sex - gender kann, anders als in anderen Sprachen, in denen es keine Entsprechung gibt, das ausgedrückt werden, was es in der Genderforschung zu untersuchen gilt: Das sex - gender -Verhältnis ermöglicht es, zwischen dem biologischen Geschlecht und dem soziokulturellen Geschlecht zu unterscheiden, die starre Fixierung von Weiblichkeits- und Männlichkeitskonzepten aufzuheben und die Frage nach der Konstruktion von Geschlecht im Rahmen kultureller und historischer Bedingungen zu erklären.[17] Ferner ist anzumerken, dass Geschlecht als ein „Effekt performativer Akte“[18] verstanden werden kann, sodass jedes Individuum Teil an der Konstruktion der eigenen Geschlechterrolle hat. Gemeint ist eine bestimmte Art des Handelns, welches Männlichkeit und Weiblichkeit produziert, sich aber erneuern kann und deshalb dynamisch ist. Gender ist somit ein Prozess, der immer wieder neu definiert werden kann. Innerhalb eines bestimmten soziokulturellen Kontexts ergeben sich aber dennoch Rollenerwartungen, die an das entsprechende biologische Geschlecht geknüpft sind, wodurch ein statisches Gebilde entstehen soll. So kommt es, dass Frauen, die als solche anerkannt werden wollten, lange Zeit mithilfe von bestimmten Verhaltensmustern Eigenschaften wie Anmut, Frohsinn und Keuschheit verkörpern sollten, wohingegen Männern Charakterzüge wie Mut und Stärke zugeschrieben wurden. Interessant ist hierbei, dass sich diese Geschlechterdifferenz auf der Grundlage dieser kulturellen Akte ständig in Relation zum anderen Geschlecht aufbaut und weitestgehend bestehen bleibt. Auch wenn der Fokus der Gender Studies auf Weiblichkeit liegt, so muss das Konzept der Männlichkeit stets mit berücksichtigt werden.[19] Geschlechterverhältnisse müssen also stets als „Ergebnis von sozialem Handeln und eingebunden in ein komplexes Geflecht von ökonomischen, politischen, kulturellen, [und] gesellschaftlichen Bedingungszusammenhängen“[20] gesehen werden. In den nachfolgenden Kapiteln sollen daher die in der Nachkriegszeit in Spanien herrschenden Weiblichkeits- und Männlichkeitskonzeptionen und deren Auswirkung auf das Rollenverständnis innerhalb der spanischen Gesellschaft eingegangen werden.

2.2 Geschlechterentwürfe in Spanien

In der heutigen Zeit, zumindest in den meisten europäischen Ländern, scheint es beinahe eine Selbstverständlichkeit zu sein, dass Frauen ein autonomes und selbstbestimmtes Leben führen können, das sich nicht nur auf den privaten Raum bezieht. Jedoch ist klar, dass diese Selbstverständlichkeit keineswegs von vornherein vorhanden war, sondern dieser ein langwieriger Prozess vorausging, der noch immer andauert. In Spanien trat mit der Reaktivierung demokratischer Kräfte und der Industrialisierung in den 50er und 60er Jahren ein Wandel ein, der günstig für die weibliche Emanzipation war, da das Wachsen verschiedener Wirtschaftszweige auch die Arbeitsmöglichkeiten der Frau begünstigte. Dennoch war dies nur in Ansätzen vorhanden, da der Staat und die Kirche noch zu viel Einfluss hatten und Frauen weniger Chancen boten, um auf dem Arbeitsmarkt tätig zu werden. Erst ab Mitte der 70er Jahre begann sich das „traditionalistische“ Geschlechtermodell langsam aufzulösen und die junge Generation war zunehmend positiver eingestellt, wenn es um mehr Toleranz, Gleichheit und Gleichberechtigung in jeglichen Bereichen ging.[21] Diese „neue soziale Mentalität“[22], die wir heutzutage erfahren, zeigt, wie fragil die Geschlechteridentitäten tatsächlich sind und wie sich Weiblichkeits- und Männlichkeitskonzepte konstruieren und dekonstruieren können.[23]

Bei den vielen verschiedenen existierenden Konzepten, hat vor allem eines den Männlichkeitsentwurf in der Franco-Ära geprägt: der machismo. Wenn auch im damaligen Alltagsdiskurs nie verwendet, so steht der Begriff für ein traditionelles Bild von Männlichkeit, worauf sich Männer stützen, um ihre Geschlechtsidentität zu bestätigen und eventuellen Unklarheiten zu entgehen. Da die öffentliche Meinung in Spanien lange Zeit im Rahmen des quedirán höchste Priorität hatte, spielte es für Männer eine essentielle Rolle, diese Identität in der Öffentlichkeit zu demonstrieren, um ein bestimmtes Ansehen zu erreichen. Es ist also der soziale Druck, der dieses zur Schau stellen der Männlichkeit notwendig macht. Oftmals wird dies, vor allem im Zusammenhang mit Spanien, mit dem Stierkampf verglichen. Es geht um vollständige Kontrolle, Stärke und Mut, die der Torero verkörpern muss, um seinem Ruf gerecht zu werden. Für dieses Männlichkeitskonzept, welches im spanischen Kontext auch mit dem Begriff des Don Juan verknüpft ist, sind zwei konzeptuelle Mechanismen von zentraler Bedeutung: Ehre und Scham. Wie bereits angedeutet, ist in der Konstruktion der eigenen Geschlechterrolle stets das andere Geschlecht von Relevanz. So kommt es, dass das Verhalten der Frau sich auf die Ehre des Mannes auswirkt. In der traditionellen Ideologie gilt die Frau als bedrohlich, leidenschaftlich und stark, stellt also eine potentielle Gefahr für den Mann dar.[24] Aufgrund der Sünde Evas erkennt besonders die Kirche die Unterordnung der Frau unter den Mann als naturgegeben an, wodurch die patriarchale Ordnung durch die Religion gestützt wird.[25] In einer von Männern dominierten Welt kann es für die Charakterisierung von Frauen daher nur zwei Konzepte geben; entweder die unschuldige, keusche Ehefrau und Mutter, oder aber die erwähnte „mistress, the woman of the world, the prostitute“.[26] Dazwischen liegt nichts, denn nur eine dieser Arten von Frau wird als ehrbar angesehen, die andere steht als Außenseiterin am Rande der Gesellschaft.

Im Hinblick auf Spanien kann hier der Begriff der „Carmen“ genannt werden, da diese Gestalt das Sinnbild einer auf Leidenschaft und Verführung ausgelegten spanischen Weiblichkeit repräsentiert.[27] So ist es nicht verwunderlich, dass der ideologische und gesellschaftliche Rahmen des Frankismus für das Männlichkeitskonzept des machismo eine gute Grundlage bot, indem ein Weiblichkeitsentwurf propagiert wurde, bei dem der Mann sich auch als solcher behaupten konnte. Denn „die Gefährdung männlicher Integrität stilisiert das Erhalten der persönlichen Würde und den Stolz zu zentralen männlichen Werten“.[28] Das Abschwächen dieser „Gefährdung“ lag demnach darin, die Frau in eine passive Rolle zu zwängen, ihr also die Macht zu nehmen, um wieder selbst im Besitz der Kontrolle zu sein. In diesem Zusammenhang spricht man in der Forschung auch von der hegemonialen Männlichkeit, dessen zentrale Merkmale dem Konzept des machista entsprechen: „‘[…] Biologisieriung von Geschlechterunterschieden sowie die heterosexuelle Dominanz‘“.[29]

Mit dem Wandel der Politik geht auch eine vermehrte Dynamik der Geschlechterverhältnisse einher. Das Bild des machista erweist sich als veraltet und wandelbar, da vor allem auch das Frauenbild mit zunehmender Erwerbstätigkeit Änderungen mit sich brachte. Die Ideologie des progresismo ist hierbei von zentraler Bedeutung. Es sind alternative männliche Rollenvorgaben, die hier Anwendung finden. So erfährt innerhalb dieses Sammelbegriffs die Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern mehr Akzeptanz. Die Angst vor dem Weiblichen und der daraus resultierende Druck sich durch bestimmte Aktivitäten als „Mann“ beweisen zu müssen fallen weg, da keine Gefährdung des männlichen Selbstverständnisses mehr besteht. So dürfen auch die als weiblich definierten Aspekte in das männliche Ich integriert werden. Der Männertyp des progresista stellt somit im Vergleich zum macho ein flexibles Konzept von Männlichkeit dar.[30]

Anders als in feministischen Ansätzen, die grundlegend von einer weiblichen Identität der Frauen ausgeht, spricht man in der Theorie des sozialen Geschlechts von Geschlechteridentitäten, die vielfältiger Art sein können.[31] Daher unterscheidet Goetze drei verschiedene Rollenstereotype von Frauen. Zum einen spricht er von der berufstätigen Frau, die aktiv handelt, ein selbstbewusstes Auftreten hat und für Gleichberechtigung innerhalb der Familie steht. Dem gegenüber steht der Typ der Hausfrau, die meist wegen schlechter Qualifikationen keine Chance auf einen Arbeitsplatz hat und daher der Erwerbstätigkeit von Frauen im Allgemeinen kritisch gegenübersteht. In ihrer untergeordneten Position kümmern sie sich um die Kinder und den Haushalt. Der dritte Frauentyp ist die pragmatisch-anpassungsorientierte Frau. Berufstätigkeit wird als wichtig erachtet, kann aber je nach Situation kurzweilig durch Familienarbeit ersetzt werden. Ergänzungen sind möglich und zeigen verschiedene Handlungsstrategien, von denen Frauen in unterschiedlichen Situationen Gebrauch machen können.[32]

Es ist anzumerken, dass es selbstverständlich bezüglich soziokultureller Rollen nie lediglich ein Konzept geben kann, welches die Realität und ihre Vielschichtigkeit an Geschlechtsrollenentwürfen widerspiegelt. Die Weiblichkeits- und Männlichkeitskonzepte sind immer Teil eines Kontinuums und zeigen einen zwar elementaren, aber nicht vollständigen Teil davon.

Trotz der verschiedenen vorgeschlagenen Frauentypen war in der frühen und mittleren Franco-Zeit das wünschenswerte Modell ein solches, welches sich an den „‘patriarchalischen‘ Entwurf des Geschlechterverhältnisses“[33] annähert. Daher war der Rollenstereotyp der Hausfrau und Mutter die von der Regierung geförderte und geforderte Norm. Dies wird vor allem durch einen Mythos gerechtfertigt, welcher besagt, dass die Frau alleine unvollständig sei, was den direkten Übergang von Vater zu Ehemann notwendig machte.[34] Welche Vorteile diese Geschlechterdifferenz für das Individuum (vor allem das männliche Individuum) hatte, wurde bereits deutlich gemacht. Doch was sind die Gründe innerhalb eines ganzen Regierungs- und Gesellschaftssystems ein solch traditionelles Modell aufzubauen und aufrechtzuerhalten? Zunächst ist Goetze der Meinung, dass die für das Franco-Regime bekannte „‘Traditionalität‘ nur eine scheinbare ist“[35], da vor dem Bürgerkrieg bezüglich der Geschlechterverhältnisse bessere Umstände vorlagen. Wesentliche Fortschritte, wie die in der damaligen Verfassung verankerte Gleichberechtigung von Mann und Frau in Sachen Scheidung, juristische Auswirkungen bei Ehebruch, Wahlrecht und ähnliches, die in der spanischen Republik von 1931 bis 1939 erwirkt wurden, waren durch den Wechsel politischer Führung und des Systems durchkreuzt worden.[36] Das Bestreben war es, ein Maximum an Homogenität zu erlangen, welches die Identität jedes Einzelnen aufzulösen versuchte, um jegliche oppositionellen Kräfte gegen den offiziellen Diskurs zu hemmen.[37] Daher versuchte Franco ein veraltetes Geschlechtermodell wieder aufleben zu lassen und zu propagieren, welches für die Implementierung von Autorität zentral war. Dieses funktionale, geschlechtertrennende Modell wurde unter Einbezug der Kirche und anderen Akteuren wie den Schulen, der Justiz, dem Militär, verschiedenen Verbänden und Institutionen gefordert und gefördert.[38] Spezifische Erwartungen, die an das jeweilige Geschlecht gebunden waren, wirkten sich deshalb auf vielfältige Weise auf die strikte Rollen- und Aufgabenverteilung innerhalb der franquistischen Gesellschaft aus.[39]

2.3 Auswirkungen der Rollennormen auf die spanische Gesellschaft der Nachkriegszeit

Bezüglich der Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten lässt sich sagen, dass eine schulische Ausbildung, die keine Koedukation von Mädchen und Jungen erlaubt, wie es in Spanien bis 1970 der Fall war, selbstverständlich auch keine gleichberechtigte Ausbildung ermöglichte. Dies war jedoch Sinn und Zweck, da die gelenkte Ausbildung nicht dafür da war „‘a hacer de ella un buen ciudadano, sino una buena esposa y una madre de familia‘“.[40] Somit wurden die Mädchen auf ein Leben vorbereitet, in dem sie nicht einmal als Staatsbürgerinnen wahrgenommen wurden. Mädchen aus niedrigen Schichten mussten oftmals dem Unterricht fernbleiben, um zusätzlich Geld für die Familie verdienen zu können, während dies für die Mittel- und Oberschicht nicht der Fall war. Die Schülerinnen, die ihr bachillerato laboral machten, konnten meist bis zur Heirat einem einfachen Beruf nachgehen, angesehen wurde dieser jedoch nur als Zwischenlösung. Es wurden keine Stimuli für eine Weiterbildung gesetzt, sodass die Universitäten kaum von Frauen besucht wurden. Familien, die es finanziell leichter hatten, schickten ihre Mädchen meist eher aus Prestige an eine Universität, als sie tatsächlich auf die Erwerbstätigkeit vorbereiten zu wollen.[41]

Diese schlechten Ausbildungs- und Arbeitschancen für Frauen sind der Grund für die Ansichten über deren Aufgabe innerhalb der patriarchalischen Familie. Wenn gearbeitet wurde, dann lediglich als Hausfrau, Mutter und oftmals auch Pflegerin für ältere Familienmitglieder. Ohne eigenes Einkommen waren die Frauen praktisch machtlos und waren abhängig von einer Ehe, in der der Mann die außerhäusliche Erwerbstätigkeit hatte. Max Horkheimer führt an, dass bestimmte Charaktertypen innerhalb eines autoritären Systems zwar durch Handlungen verschiedener Institutionen wie Kirche, Schule, Verbände und ähnliches gefördert wurden, diese Typisierung aber hauptsächlich durch den stetigen Einfluss der herrschenden Zustände selbst, durch die gestaltende Kraft des öffentlichen und privaten Lebens, durch das Vorbild von Personen, die im Schicksal des Einzelnen eine Rolle spielen, kurz auf Grund vom Bewußtsein nicht kontrollierter Prozesse[42] hervorgerufen wurden. Horkheimer spielt hierbei auf die essentielle Rolle der Familie als Keimzelle der autoritären Gesellschaft an. Intrafamiliär herrschte eine starre Struktur, welche auf biologische Unterschiede zurückgeführt werden konnte. Die physische Stärke des Vaters gewährte ihm auch eine moralische Machtposition, sodass er den Anspruch auf Unterordnung hatte. Die schwache Frau benötigte Schutz, konnte nur als Hausfrau und Mutter im Haus ihren Teil zur Gesellschaft beitragen. Diese Binnenorientierung begrenzte sich vor allem auf die Erziehung der Kinder, den Haushalt und die Wahrung der Moral, welche la perfecta casada nie in Gefahr bringen durfte. Der öffentliche Raum war nur für Männer reserviert, Frauen waren davon ausgeschlossen und konnten lediglich den privaten Raum für sich nutzen.[43] Somit diente die Zuweisung der Geschlechter zu bestimmten Sphären dem Zweck, Mann und Frau unterschiedlichen gesellschaftlichen Funktionen zuzuordnen. Diese hierarchische Ordnung der Familienangehörigen reflektierte das franquistische System mit dem Führer als oberste Instanz und dem Volk als Untergebene und bot die Grundlage für die absolute Anerkennung des Regimes. Daher wurde bereits bei der Mädchenerziehung innerhalb der Familie dafür gesorgt, dass Autorität als eine feste Qualität angenommen werden musste, die nicht in Frage gestellt wurde.[44] Anliegen der Regierung war es natürlich, Frauen in einer passiven Position zu halten, in der keine Kritik an den herrschenden Bedingungen geübt werden konnte.[45]

In diesem Zusammenhang könnte man annehmen, dass diese Verhältnisse, die zu Gunsten der Männer ausfallen, auch primär von Männern aufrechterhalten wurden, da sie in ihrer prädominanten Position fortbestehen wollten. Jedoch spielten Frauen eine zentrale Rolle in der Aufrechterhaltung solcher Geschlechterverhältnisse.[46] Die falangistische Frauenorganisation Sección Femenina propagierte eine Weiblichkeitsideologie ganz im Sinne der Regierung. Bildung wurde innerhalb der Organisation zwar propagiert, begrenzte sich jedoch auf Religion, Geschichte und Moral der Falange. Emanzipation wurde als Gefahr eingestuft. Mutterschaft und Unterordnung hingegen wurden als zentrale Ziele jeder Frau gesehen.[47]

3 Analyse der Frauenbilder in Nada

3.1 Mutterfiguren – La opresora y la buena madre

In Nada finden wir gleich zu Beginn heraus, dass Andreas Mutter tot ist. Diese Absenz der Mutterfigur ist der Auslöser für den neu zu bestreitenden Weg der Protagonistin.[48] Als sie im Haus der Ersatzfamilie ankommt, wird deutlich, dass der „Herr“ des Hauses eine Frau ist. Andrea fällt somit nicht in die Hände eines Mannes, der sie beschützt und von der vermeintlich gefährlichen Außenwelt abschirmt, sondern in die ihrer Tante, die als Tyrannin des Hauses bezeichnet werden kann. Als Andreas Ersatzmutter, die als Frau interessanterweise nicht weniger strikt ist als ein männliches Oberhaupt, bestätigt Angustias mit ihrem Verhalten gegenüber Andrea den Mythos der unvollständigen Frau, die von der Außenwelt beschützt werden müsse.[49] In ihrer neu angenommenen Rolle als Mutter rechtfertigt sie ihre Einschränkungsmaßnahmen mit der Behauptung, die Welt außerhalb des Hauses sei eine Gefahr für die junge Andrea. Auch Forderungen nach Dankbarkeit und Gehorsam gehören zum Alltag:

[…] eres mi sobrina; por lo tanto, una niña de buena familia, modosa, cristiana e inocente. Si yo no me ocupara de ti para todo, tú en Barcelona encontrarías multitud de peligros. [...] siempre que sepas que todo nos lo deberás a nosotros, los parientes de tu madre. Y que gracias a nuestra caridad lograrás tus aspiraciones.[50]

Jordan widmet sich in ihrem Essay dem Symbol der Augen und des Blickes. Um Andreas rebellische Natur unter Kontrolle zu halten und mögliche Initiativen einzudämmen, lässt Laforet Angustias Blick wie eine Art Überwachungsinstrument wirken:

Era aquello lo que me había ahogado al llegar a Barcelona, lo que me había hecho caer en la abulia, lo que mataba mis iniciativas: aquella mirada de Angustias.[51]

Sie zwingt Andrea sich rollenkonform zu verhalten, indem sie moralische Regeln für absolut erklärt. Mit dieser Mentalität der Anpassung soll jegliche Auflehnung unterbunden werden.[52] Paradox ist, dass sie als Frau eine Machtposition in der Familie innehat, andere Frauen aber reprimiert. Dies weist auf eine Frustration ihrerseits hin, die als Obsession in der Unterdrückung anderer weiblicher Gestalten ihre Anwendung findet. Auch wird an ihr deutlich, dass ein Wandel in der Psyche nicht allein durch die Arbeitstätigkeit der Frau hervorgerufen wird.[53]

[...]


[1] Dieses Zitat stammt aus dem als Online-Ressource vorliegenden Werk von Fray Luis de León: La perfecta casada, editorial del cardo 2006 Zugang zum Volltext: URL: http://www.biblioteca.org.ar/libros/131489.pdf. (Zugriff am: 19.08.16).

[2] Cf. Jordi Roca I Girona: “Esposa y madre a la vez. Construcción y negociación del modelo ideal de mujer bajo el (primer) franquismo, in: Mujeres y hombres en la España franquista : Sociedad, economía, política, cultura, Gloria Nielfa Cristóbal (Hrsg.), Madrid, Editorial Complutense 2003, 45-66.

[3] Cf. Annette Paatz: “Ort der Erinnerung – Ort der Phantasie. Zum Erzählwerk von Carmen Martín Gaite“, in: Bierbach/Rössler (Hrsg.): Nicht Muse, nicht Heldin: Schriftstellerinnen in Spanien seit 1975, Berlin Tranvía, 1992, 49, 48sq.

[4] Cf. Annette Paatz: Vom Fenster aus gesehen? Perspektiven weiblicher Differenz im Erzählwerk von Carmen Martín Gaite, Frankfurt/M., Vervuert 1994, 10.

[5] Cf. Ibid., 11.

[6] Cf. Andrea Rössler: „Wiederlesen und widersprechen. Neue Verhältnisse in der Gegenwartsliteratur von Frauen in Spanien“, in: Bierbach/Rössler (Hrsg.): Nicht Muse, nicht Heldin: Schriftstellerinnen in Spanien seit 1975, Berlin Tranvía, 1992, 16.

[7] Cf. Paatz: Vom Fenster aus gesehen?, loc. cit., 19.

[8] Cf. Rössler: op cit., 17.

[9] Cf. Franziska Schößler: Einführung in die Gender Studies, Berlin, Akademischer Verlag 2008, 165.

[10] Cf. Cerstin Bauer-Funke: Spanische Literatur des 20. Jahrhunderts, Stuttgart, Klett Lernen und Wissen 2006, 85sq.

[11] Walther Bernecker: Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, München, Beck 1997, 57.

[12] Verwiesen wird hier auf Genettes Erzähltheorie.

[13] Cf. Annette Paatz: „Carmen Laforet: Nada (1945)“, in: Ralf Junkerjürgen (Hrsg.): Spanische Romane des 20. Jahrhunderts in Einzeldarstellung, Berlin, Erich Schmidt 2010, 114.

[14] Cf. Kathleen Glenn: „Hilos, ataduras y ruinas en la novelística de Carmen Martín Gaite”, in: Janet W. Pérez (Hrsg.): Novelistas femininas de la postguerra española, Madrid, Porrúa Turanzos 1983, 34.

[15] Cf. Sylvia Truxa: Die Frau im spanischen Roman nach dem Bürgerkrieg : Camilo José Cela - Carmen Laforet - Ana María Matute - Juan Goytisolo, Frankfurt/M, Vervuert 1982, 11.

[16] Cf. Schößler: op. cit., 9ssq.

[17] Cf., Christina von Braun/Inge Stephan: „Einleitung“, in: von Braun/Stephan (Hrsg.): Gender Studien – Eine Einführung, Stuttgart, J.B. Metzlersche Verlagsbuchhaltung und Carl Ernst Poeschel Verlag 2000, 9ssq.

[18] Schößler: op. cit., 10.

[19] Cf. Ibid., 11.

[20] Dieter Goetze: „Geschlechterverhältnisse“, in: Seidel, Carlos Collado/König, Andreas (Hrsg.): Spanien: Mitten in Europa: Zum Verständnis der spanischen Gesellschaft, Kultur und Identität, Frankfurt/M IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation 2002, 197-208, 197.

[21] Cf. Ibid., 203.

[22] Ibid.

[23] Cf. Schößler: op. cit., 9.

[24] Cf. Vera Kattermann: „Männlichkeit: Im Spannungsfeld zwischen Tradition und Fortschritt“, in: Seidel, Carlos Collado/König, Andreas (Hrsg.): Spanien: Mitten in Europa: Zum Verständnis der spanischen Gesellschaft, Kultur und Identität, Frankfurt/M IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation 2002, 173-185, 173sq.

[25] Max Horkheimer: „Autorität und Familie“. In: Ders.: Gesammelte Schriften. 3. Schriften. 1931-1936, Alfred Schmidt (Hrsg.), Frankfurt/Main, Fischer 1988, 408.

[26] Celita Lamar Morris: “Carmen Laforet’s Nada as an Expression of Woman’s Self-Determination”, in: Letras Femeninas 1, 2 (1975), 40-47, 41.

[27] Cf. Dieter Goetze: „Weiblichkeit: Die soziokulturelle Konstruktion von Rollen und Identitäten“, in: Seidel, Carlos Collado/König, Andreas (Hrsg.): Spanien: Mitten in Europa: Zum Verständnis der spanischen Gesellschaft, Kultur und Identität, Frankfurt/M IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation 2002, 186-196, 186.

[28] Kattermann: op. cit., 176.

[29] Martschukat/Stieglitz zit. bei Schößler: op. cit., 138.

[30] Cf. Goetze: Männlichkeit, loc. cit., 179ssq.

[31] Cf. Schößler: op. cit., 9.

[32] Cf. Goetze: Weiblichkeit, loc. cit., 192sq.

[33] Ibid., 187.

[34] Cf. Morris: op. cit., 41.

[35] Goetze: Geschlechterverhältnisse, loc. cit., 198.

[36] Cf. Truxa: op. cit., 12.

[37] Cf. José Jurado Morales: La trayectoria narrativa de Carmen Martín Gaite (1952-2000), Madrid, Gredos 2003, 79.

[38] Cf. Goetze: Geschlechterverhältnisse, loc. cit., 198.

[39] Cf. Truxa: op. cit., 12.

[40] Botella Llusiá zit. bei Truxa: op. cit., 13.

[41] Cf. Ibid., 17ssq.

[42] Horkheimer: op.cit., 388.

[43] Cf. Truxa: op. cit., 20sq

[44] Horkheimer: op.cit., 390ssq.

[45] Cf. Truxa: op. cit., 20sq.

[46] Cf. Goetze: Geschlechterverhältnisse, loc. cit., 200.

[47] Cf. Paatz: Ort der Erinnerung – Ort der Phantasie, loc. cit., 53.

[48] Cf. Truxa: op. cit., 82.

[49] Cf. Morris: op. cit., 41.

[50] Laforet: op. cit., 26sq.

[51] Ibid., 92sq.

[52] Cf. Truxa: op. cit., 92sq.

[53] Cf. Barry Jordan: “Looks that Kill: Power, Gender and Vision in Laforet’s Nada”, in: Revista Canadiense de Estudios Hispánicos 17, 1 (1992), 79-104, 96ssq.

Fin de l'extrait de 68 pages

Résumé des informations

Titre
Konstruktion von Weiblichkeit in "Nada" von Carmen Laforet und "Entre Visillos" von Carmen Martín Gaite
Université
University of Mannheim  (Romanisches Seminar)
Note
2,0
Auteur
Année
2016
Pages
68
N° de catalogue
V437340
ISBN (ebook)
9783668787308
ISBN (Livre)
9783668787315
Langue
allemand
Mots clés
konstruktion, weiblichkeit, nada, carmen, laforet, entre, visillos, martín, gaite
Citation du texte
Christina Gaus (Auteur), 2016, Konstruktion von Weiblichkeit in "Nada" von Carmen Laforet und "Entre Visillos" von Carmen Martín Gaite, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/437340

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