Kleists Erzählungen erfreuen sich auch heute noch großer Beliebtheit. So gut wie kein Schulkind kommt im Laufe seiner Schullaufbahn an Kleists Erzählungen herum. Kleist schafft es auf einzigartige Art und Weise, dass „Schauer und Schrecken“ den Leser überfällt. Auf den ersten Blick mögen sie „ein Stück trivialer Schauerliteratur“ sein, doch bei näherem Hinsehen entdeckt man, wie konstruiert und durchdacht diese Erzählungen sind. Man bekommt das Gefühl, dass bei Kleist Gewalt immer eine nötige Folge sei, nicht geschieht ohne Grund. Gewalt ist bei Kleist aber nicht nur etwas Notwendiges, sondern auch etwas Abstoßendes. Seine detaillierten Beschreibungen des Gewaltaktes erzeugten nicht nur beim damaligen Leser eine abstoßende Wirkung. Zwar ist in Zeiten von großangelegten Action-Blockbustern die beim heutigen Leser erzeugte Wirkung nicht mehr ganz so dramatisch, aber sie erscheint dennoch als etwas nicht ganz Alltägliches. Wilhelm Grimm wollte einst den Lesern der Zeitschrift für die elegante Welt den Findling als „das grause Gemälde wilder Leidenschaft und schändlicher Bosheit“ nicht empfehlen. Der Findling kann also exemplarisch für das Phänomen der Gewalt bei Kleist herangezogen werden.
Um die Kontinuität der Motive für Gewalt bei Kleist aufzuzeigen, wird eine weitere Erzählung betrachtet: Die Verlobung von Santo Domingo. Gerade weil bestimmte Muster und Verhaltensweisen aus diesem Werk in Der Findling aufgegriffen und radikalisiert werden, lässt sich hier besonders gut die Gewalt und deren Ursachen herausarbeiten. Die folgende Abhandlung soll also nun die beiden angeführten Werke untersuchen und die Motive und Ursachen für die Gewaltanwendung herausarbeiten.
Hierbei sollen beide Werke unter bestimmen Gesichtspunkten verglichen und abschließend ein gemeinsames Fazit gezogen werden. Grundsätzlich soll in zwei verschieden Gruppen von Faktoren unterschieden werden. Auf der einen Seite externe, wie das Umfeld oder nicht von den Akteuren beeinflussbare Zufälle, und auf der anderen Seite interne Faktoren, wie die Biographie der einzelnen Personen oder die familiären Umstände. Der Schwerpunkt soll hierbei auf dem Werk Der Findling liegen. Nach dessen ausführlicher Bearbeitung sollen in der Verlobung von Santo Domingo auf der Grundlage des Vorangegangenen einzelne Aspekte verglichen und vertieft werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Findling
- Die Verlobung von Santo Domingo
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Abhandlung untersucht die beiden Erzählungen „Der Findling“ und „Die Verlobung von Santo Domingo“ von Heinrich von Kleist, um die Ursachen für die darin dargestellte Gewalt herauszuarbeiten. Dabei werden die Werke unter bestimmten Gesichtspunkten verglichen und ein gemeinsames Fazit gezogen. Der Schwerpunkt liegt auf „Der Findling“, wobei einzelne Aspekte in „Die Verlobung von Santo Domingo“ im Vergleich vertieft werden.
- Die Darstellung von Gewalt in Kleists Erzählungen
- Die Motive für die Gewaltanwendung in den Werken
- Die Rolle von Zufall und Schicksal in der Entstehung von Gewalt
- Der Einfluss der sozialen und familiären Umstände auf die Akteure
- Die innere und äußere Welt der Figuren und ihre Interaktion mit der Gewalt
Zusammenfassung der Kapitel
Der Findling
Die Novelle „Der Findling“ spielt in einer von der Pest gezeichneten Welt. Der wohlhabende Güterhändler Piachi adoptiert den pestkranken Jungen Nicolo, nachdem sein leiblicher Sohn an der Krankheit gestorben ist. Nicolo wird als Nachfolger in das Geschäft eingebunden, obwohl er nicht gefragt wird, ob er diese Rolle übernehmen möchte. Seine Rebellion gegen die Erwartungen seines Adoptivvaters führt zu einem dramatischen Konflikt. Eine Reihe von Zufällen, Missverständnissen und falschen Entscheidungen steigern die Spannung und führen schließlich zu Gewalt und Tragödie.
Die Verlobung von Santo Domingo
Diese Erzählung wird im Vergleich zu „Der Findling“ analysiert, um weitere Muster und Verhaltensweisen im Hinblick auf die Gewalt und deren Ursachen zu beleuchten. Die Analyse konzentriert sich auf die Themen des Verlangens, der Liebe und der Verzweiflung, die in beiden Werken zu finden sind, und wie diese Themen zur Entstehung von Gewalt beitragen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert sich auf die Analyse von Gewalt in den Erzählungen Heinrich von Kleists. Wichtige Themen sind die Rolle von Zufall und Schicksal, die Motivation der Figuren, das soziale Umfeld, die Familienverhältnisse und die Darstellung von Emotionen wie Liebe, Hass und Verzweiflung.
- Quote paper
- Andreas Schumacher (Author), 2015, Die Ursachen der Gewalt bei Kleist. "Der Findling" und "Die Verlobung von Santo Domingo" im Vergleich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438017