Neue Wohnformen im Alter. Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten von Seniorinnen und Senioren


Textbook, 2018

119 Pages

Anonymous


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abstract / Zusammenfassung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Gesellschaftlicher Wandel

3 Alter(n) im Wandel - Definitionsansätze
3.1 Heterogenität des Alter(n)s
3.2 Phasen des Alters
3.3 Kalendarisches Alter
3.4 Stufenmodell der Entwicklungsphasen nach Erikson
3.5 Alter(n) nach der Lebenslaufperspektive
3.6 Definition nach dem Defizitmodell
3.7 Lebensstil-Typen nach Moll
3.8 Probleme des Alterns

4 Wohnen – Begriffsdefinition
4.1 Räumliche Definition
4.2 Wohnen als Existenzsicherung
4.3 Wohnen als Teilhabe

5 Wohnformen für das Wohnen im Alter
5.1 Universal Design – Universelles Design
5.2 Anpassungsmöglichkeiten für das eigene Zuhause
5.3 Technische Unterstützung
5.4 Personelle Unterstützung
5.5 Mehrgenerationenhaus
5.6 Teilstationäre Einrichtungen
5.7 Vollstationäre Einrichtungen
5.8 Beispiele aus anderen Ländern

6 Aktuelle Situation von SeniorInnen in Deutschland
6.1 Daten zum Wohnen von älteren Menschen
6.2 Inanspruchnahme von pflegerischer Unterstützung
6.3 Umzugsbereitschaft und Umzug im Bedarfsfall
6.4 Soziale Kontakte und Teilhabe älterer Menschen
6.5 Infrastruktur, Mobilität und Versorgungsanbindung

7 Umfrage zwischen der Stadt Neumarkt und der Gemeinde Sengenthal
7.1 Rahmenbedingungen in den Erhebungsorten
7.2 Methodisches Vorgehen
7.3 Darstellung der Ergebnisse

8 Schlussbetrachtung

9 Handlungsempfehlungen
9.1 Generelle Handlungsempfehlungen
9.2 Konkrete Handlungsempfehlungen für die Erhebungsorte

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhang: Zeitplan der Befragung

Anhang: Fragebogen

Abstract / Zusammenfassung

In der Gesellschaft steigt die Zahl der älteren Menschen an. Ebenso ungleich wie die Menschen einander sind, so verschieden sind auch die Ausprägungen des Alters. Die eigenen Bedürfnisse und Ressourcen sind vor allem für den Bereich Wohnen von Relevanz, da sie einen entscheidenden Faktor für die Wahl des künftigen persönlichen Alterswohnsitzes darstellen. SeniorInnen steht derzeit bereits eine Vielzahl an Wohnformen zur Auswahl.

Diese Arbeit hat die Zielsetzung vorzustellen, welche Wohnformen Älteren generell zur Verfügung stehen und welche Teilhabechancen sich daraus ergeben. Des Weiteren klärt die empirische Erhebung, die zwischen der Stadt Neumarkt und der ländlichen Gemeinde Sengenthal vergleicht, welche Wohn- und Unterstützungsformen sich die SeniorInnen für sich selbst bei zunehmendem Hilfsbedarf vorstellen können. Dafür wurde ein quantitativer Fragebogen erstellt und an die BürgerInnen ab 65 Jahren ausgegeben.

Der Rücklauf der 172 SeniorInnen zeigte, dass der Großteil der SeniorInnen im Eigenheim und gemeinsam mit dem Partner wohnt. Neben dem Wunsch künftig weiterhin zuhause wohnen zu bleiben, erhalten vor allem Wohnformen Zuspruch, bei denen ein hohes Maß an Selbstbestimmung gewährt wird. Der Hauptgrund, der die SeniorInnen zu einem Umzug bewegen könnte ist der Verlust der Selbstständigkeit. Als verbesserungswürdig wurde in beiden Erhebungsorten die Verfügbarkeit von altersgerechten Wohnungen sowie die Optimierung der Infrastruktur genannt. Die Wohn- und Lebenszufriedenheit der Befragten fällt in beiden Wohnorten recht hoch aus.

Alternative Wohnformen sind in beiden Erhebungsorten unzureichend vorhanden und werden daher kaum wahrgenommen. Vor allem neuere Konzepte, wie das Wohnquartier, sind den SeniorInnen nahezu unbekannt. Dementsprechend ist noch viel Aufklärungsarbeit notwendig, um die ältere Generation bestmöglich auf das künftige Wohnen vorzubereiten und ihnen ein Altern in Würde sowie Selbstbestimmtheit zu garantieren.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Verschiebung der Altersstruktur der deutschen Bevölkerung 1950-2060

Abbildung 2: Maslow’sche Bedürfnispyramide

Abbildung 3: Umwandlung von Pflegestufen in Pflegegrade

Abbildung 4: Veränderung der Einwohnerzahl der Gemeinde Sengenthal bis 2028 nach Altersgruppen in Prozent

Abbildung 5: Veränderung der Einwohnerzahl der Kreisstadt Neumarkt bis 2034 nach Altersgruppen in Prozent

Abbildung 6: Vergleich zwischen den Bevölkerungspyramiden der Gemeinde Sengenthal und der großen Kreisstadt Neumarkt

Abbildung 7: Ablauf der Erhebung

Abbildung 8: Die zehn Erhebungskategorien

Abbildung 9: Aktuelles Wohnverhältnis der Befragten nach Wohnorten

Abbildung 10: Vergleich zwischen den Wohnräumen hinsichtlich Altersgerechtigkeit

Abbildung 11: Ausstattungsmängel im Wohnraum nach Wohnorten

Abbildung 12: Einkommensverteilung der Befragten nach Geschlechtern

Abbildung 13: Beweggründe der Befragten für einen Umzug im Bedarfsfall

Abbildung 14: Anforderungen an das künftige Wohnen und das Wohnumfeld

Abbildung 15: Vorstellungen über die künftige Wohnsituation der Befragten im Bedarfsfall

Abbildung 16: Vorstellung über die Unterstützung für Zuhause der Befragten im Bedarfsfall

Abbildung 17: Mögliche Verbesserungen im jeweiligen Wohnort

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung für Sengenthal bis 2028 nach Altersgruppen

Tabelle 2: Bevölkerungsentwicklung für Neumarkt bis 2034 nach Altersgruppen

Tabelle 3: Darstellung der Stichprobe nach Geschlecht, Orte und Altersgruppen

Tabelle 4: Vergleich zwischen den Wohnorten und der dortigen Wohndauer

Tabelle 5: Anzahl der Zimmer im aktuellen Wohnsitz der Befragten

Tabelle 6: Darstellung der Vereinsmitgliedschaft der Befragten

Tabelle 7: Angaben zur Kontakthäufigkeit der Befragten Bekannten nach Wohnorten

Tabelle 8: Angaben zum Wohnort der Kinder der Befragten SeniorInnen

Tabelle 9: Kosten für Miete und Wohnen der Befragten

Tabelle 10: Ergebnisse zur Frage nach dem eigenen Gesundheitszustand

Tabelle 11: Darstellung der Hilfsmittel der BewohnerInnen der Erhebungsorte

1 Einleitung

„Nur als ein Wohnender, […] nur in der Verfügung über einen […] von der Öffentlichkeit abgesonderten und privaten Bereich, kann der Mensch sein Wesen erfüllen und im vollem Umfang Mensch sein“ (Otto Friedrich Bollnow)

Mit seiner bekannten Redewendung „every man desires to live long; but no man would be old“ ahnte Jonathan Swift vielleicht bereits 1812 die aktuelle Situation voraus (Swift 1812, S.174). Denn tatsächlich wird die weltweite Bevölkerung nicht nur mobiler, gebildeter oder produktiver, sondern zugleich immer älter und morbider. Es droht eine Überalterung der Gesellschaft: Während im Jahr 1990 der deutsche Altenquotient, der die Relation der Bevölkerung im Rentenalter zur Bevölkerung im Erwerbsalter misst, noch bei 24 lag, ist der Wert 2015 bereits auf 35 angestiegen. Das bedeutet, dass statistisch gesehen 35 RentnerInnen 100 Erwerbstätige gegenüberstehen. Im Jahr 2060, so schätzt man, kommen bereits 61 SeniorInnen auf 100 Erwerbstätige (vgl. Statistisches Bundesamt 2017, S.55f.).

Diese Entwicklung wirft nicht nur bei den Vorsorgeleistungen der Sozialkassen ein Problem auf, sondern stellt die gesamte Bevölkerung vor enorme Schwierigkeiten: Der Generationenvertrag funktioniert nicht mehr und qualifizierte Fachkräfte fehlen an jeder Ecke. Vor allem im Bereich der Pflege kommt es bereits zu Problemen, denn die Zahl derer, die im Alter nicht mehr ohne Hilfspersonen zurechtkommen, erhöht sich zusehends. Der Bedarf an altersgerechten Wohnobjekten, die jedoch schon heute rar gesät sind, steigt ebenfalls weiter an.

„Damit das längere Leben lebenswerter wird“, ist ein Ausschnitt aus den Grundsätzen der Vereinten Nationen für ältere Menschen, die 1991 als Folge der demografischen Alterung verfasst wurden (United Nations 1991). Das Dokument zielt darauf ab, neben verschiedenen Rechten und der Würde vor allem auch Unabhängigkeit, Partizipation und Selbstverwirklichung älterer Personen zu wahren. Da sich der Radius der eigenen Lebenswelt mit steigendem Lebensalter aufgrund des körperlichen Abbaus verringert, gewinnt das persönliche Wohnumfeld zunehmend an Bedeutung. Daher ist das „ Wohnen im Alter “ nach wie vor, oder besser gesagt mehr denn je, ein brisantes Thema und wird auch in Zukunft von enormer Aktualität und gesellschaftspolitischer Relevanz bleiben.

Verständlicherweise besteht bei SeniorInnen der Wunsch, so lange wie möglich zuhause und selbstbestimmt zu wohnen. Doch was geschieht, wenn dies nicht mehr möglich ist? In der Vorstellung vieler älterer Menschen gibt es im Alter nur drei Wohnformen: Das Wohnen bei, bzw. mit den eigenen Kindern, allein zuhause oder in einem Seniorenheim. Dabei löst bereits alleine das Wort „Altenheim“ bei dem Großteil der SeniorInnen Panik aus. Dementsprechend bedeutet die Entscheidung für diese Wohnform für Angehörige meist enorme Überzeugungsarbeit und hat letzten Endes stets den bitteren Beigeschmack des „Abschiebens“. Viele wissen nicht wie breit das Spektrum an neuen, alternativen und altersgerechten Wohnformen heute tatsächlich ist.

Aus diesem Grund werden in der vorliegenden Arbeit, nach einer Einführung in die Themengebiete Alter und Wohnen nicht nur Wohnungsanpassungsmaßnahmen vorgestellt, sondern auch klassische sowie alternative Wohnkonzepte näher beleuchtet. Da besonders im Alter die soziale Partizipation eine große Rolle spielt, geht der Trend mittlerweile dazu über, das eigene Leben und das künftige Wohnen vorausschauend zu planen, um im Alter nicht zu vereinsamen. Dementsprechend werden die im weiteren Verlauf genannten Wohnkonzepte einer Analyse hinsichtlich ihres jeweiligen Inklusionspotenzials unterzogen.

Im Anschluss an den theoretischen Teil folgt eine empirische Erhebung, die zwischen dem aktuellen Wohnen und den Wohnwünschen der EinwohnerInnen ab 65 Jahren der Stadt Neumarkt und der Gemeinde Sengenthal vergleicht. Nach Einbettung in den theoretischen Rahmen werden die methodische Durchführung und die wesentlichen qualitativen Fragebogenergebnisse erläutert und wiederum in Bezug auf die Basistheorien ausgewertet. In dieser Erhebung werden ebenfalls die konkreten Bedürfnisse des künftigen Wunsch-Wohnens dargestellt und die Unterschiede zwischen den Bedürfnissen der städtischen und den ländlichen BewohnerInnen aufgezeigt.

Abschließend folgt ein zusammenfassendes Fazit, in welchem die Ergebnisse dieser Arbeit hinsichtlich ihrer Relevanz für Politik, Architektur und Städtebau diskutiert werden. Außerdem wird an dieser Stelle eine persönliche Handlungsempfehlung für Kommunen und die eben genannten Beteiligten geliefert, um die Auswirkungen der Überalterung als Potenziale nutzen zu können.

2 Gesellschaftlicher Wandel

Der demografische Wandel verändert die Bevölkerungsstrukturen und das Zusammenleben in unserer Gesellschaft nachhaltig. Vor allem in den Industrieländern ist die Überalterung der Bevölkerung bereits deutlich sicht- und spürbar. Neben dem Nachrücken der geburtenstarken Jahrgänge, der sogenannten „Baby-Boomer-Generation", in das Rentenalter ist die vergleichsweise geringe Geburtsrate bei gleichzeitiger Zunahme der Lebenserwartung als Ursache dafür zu nennen (vgl. Walter et al. 2006, S.19). Gründe für die steigende Lebenserwartung sind, neben den guten ökonomischen und sozialen Lebensverhältnissen, nicht zuletzt der enorme technische Fortschritt, der auch den medizinischen Bereich revolutioniert. Bereits bis 2015 stieg die Zahl der Menschen über 60 Jahre deutlich an und machte bis dahin etwa 25 Prozent der BundesbürgerInnen aus. Dieser Anstieg wird sich in den kommenden Jahren noch gravierend verstärken, sodass sich die Alterspyramide fortschreitend nach oben verschieben und sich immer mehr in die Form eines Pilzes wandeln wird. Für 2060 ist ein gesamtgesellschaftlicher Anteil älterer Personen von ca. 40 Prozent zu erwarten, Tendenz steigend (vgl. Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Verschiebung der Altersstruktur der deutschen Bevölkerung 1950-2060

Quelle: Demografie-Portal[1]

Bevor zum Themenkomplex Wohnen übergegangen wird, werden nachfolgend zunächst einige wesentliche Grundbegriffe definiert.

3 Alter(n) im Wandel - Definitionsansätze

Jede/r von uns altert. Es ist daher keine Überraschung, dass Älterwerden für uns ganz selbstverständlich ist. Versucht man „Alter“ allerdings zu definieren, stößt man schnell an seine Grenzen. Es gibt zahlreiche Ansätze, den Begriff „Alter“ zu umschreiben. Einige AutorInnen betrachten das Alter als ein soziales Ordnungskonzept, manche als soziale Leistung, wieder andere als Zeit der Verluste oder als soziale Konstitution. Macht man sich jedoch bewusst, dass das Leben der heute 65-Jährigen durchaus noch über ein viertel Jahrhundert umfassen kann, erscheint es nachvollziehbar, dass es „den“ alten Menschen nicht gibt (vgl. Wolter 2017, S.61). Aus diesem Grund versuchen zahlreiche AutorInnen den Begriff des Alters präzise zu fassen. Die verschiedenen Perspektiven, bestehen parallel zueinander und bedingen einander in gewisser Weise (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.48).

3.1 Heterogenität des Alter(n)s

Wenn von einem älteren Menschen gesprochen wird, schießt den meisten von uns ein generalisiertes Altersbild in den Kopf, welches sich mit (zum Teil stereotypischen) negativ behafteten Attributen wie „gebrechlich“, „schwach“, „verwirrt“, „hilfsbedürftig“, „einsam“ oder „konservativ“ assoziieren lässt (vgl. Schenk, 2005, S.20). Ist ein älterer Mensch starrsinnig, so wird dies unmittelbar auf dessen Alter geschoben. Verhält sich hingegen ein jüngerer Mensch gleichermaßen, so wird das Verhalten anderen Gründen zugeschrieben (z.B. schlechter Tag, Stress) (vgl. Sittler 2017, S.3). Derartige Assoziationen, die aus dem Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft entstehen, sind allerdings nur selten gerechtfertigt.

Um das Alter in seiner ganzen Vielfalt darzustellen, muss eine Differenzierung des Altersbergriffs erfolgen. Durch die Pluralität der Lebensverläufe ist das Altern stets ein höchst individueller Prozess, der unaufhaltbar ist und dem sich keiner entziehen kann (vgl. Schenk 2005, S.32). Zentrale Faktoren ergeben sich dabei zwar immer höchstindividuell, nach der eigenen Biografie, sind zum Teil jedoch auch biologisch, kulturell, gesellschaftlich und politisch beeinflusst. Die Bedeutung des Alters ist folglich nicht nur physiologisch und psychologisch bestimmt, sondern auch sozial hergestellt, gesellschaftlich- und generationenabhängig (vgl. Eberle 2013, S.86).

Es bleibt festzuhalten, dass das Alter stets Ergebnis von individuell gesammelter Lebenserfahrung ist. Dementsprechend hat die Generation, die einen Krieg miterleben musste, deutlich andere Wert- und Lebensvorstellungen (z.B. Sparsamkeit, Fleiß) als die darauffolgende Generation, die Aufschwung und Wohlstand gewohnt ist (z.B. Freiheit, Selbstverwirklichung). Diese individuellen Wertesysteme beeinflussen auch die Vorstellung von der Lebensphase „Alter“.

Besonders deutlich wird der Heterogenitätsaspekt an folgender Aussage von Pincus: „Alte Menschen sind ja nicht alle gleich, wahrscheinlich sind sie das sogar noch weniger als irgendeine andere Altersgruppe: Denn ihr langes Leben hat sie zu Individualisten gemacht. Eines unserer augenblicklichen Probleme ist, dass die Gesellschaft sich weigert, das zu verstehen, und alle alten Leute ‚gleich‘ behandelt“ (Pincus 1992, S.56f.). Gewissermaßen impliziert die Aussage von Pincus auch, dass der individuelle Alterungsprozess von der Altersfreundlichkeit unserer Gesellschaft, beziehungsweise deren Akzeptanz gegenüber älteren Mitmenschen, abhängt. Diese Akzeptanz ist für SeniorInnen maßgebend, um zu entscheiden, ob sie ihre persönlichen Ressourcen aktivieren und einbringen können, bzw. wollen (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.52). Das bedeutet, wenn die Gesellschaft ältere Personen als vollständigen Teil der Gesellschaft anerkennt und mit dementsprechenden Verhalten würdigt, können ebendiese ihre eigenen Kompetenzen optimaler einbringen und verwerten (z.B. Erfahrung, Werte).

3.2 Phasen des Alters

Mit der Heterogenität des Alters befassten sich auch die Autoren Schenk (2005, S.190ff.) und Eberle (2013, S.80ff.). Beide Autoren stellten fest, dass heute nicht mehr von einem pauschalen Altersbegriff gesprochen werden kann. Ihrer Ansicht nach definiert sich das Alter durch die Zuschreibung von bestimmten qualitativen Merkmalen, die sie zusätzlich nach weichen Altersgrenzen in drei Kategorien rubrizieren:

Gesundes Rentenalter (go-goes) oder Junge Alte umfassen die Lebensphase zwischen 60 und 65 Jahre. Bei der Mehrheit der Menschen liegen in diesen Lebensjahren noch keine wesentlichen körperlichen Einschränkungen vor. Im Gegenteil: Die betreffenden Personen sprühen meist vor Energie, Gesundheit und Aktivität. Da für diesen Lebensabschnitt insbesondere der Ausstieg aus dem Berufsleben kennzeichnend ist, können fast alle dieser sogenannten Jungen Alten eine solide wirtschaftliche Absicherung vorweisen (vgl. Schenk 2005, S.26f.). Das Ende des Berufslebens geht mit Freiheit von Erwerb und einem daraus resultierenden Rollenverlust einher. Dadurch kann es jedoch auch zu Problemen im Selbstbild kommen. Gerade in Deutschland definieren wir uns sehr durch unseren beruflichen Status. Sobald dieser wegfällt entsteht ein Gefühl der Leere, welche es neu zu besetzen gilt (vgl. ebd.). Durch diese „Entwurzelung“ kommt es zu Rollenunsicherheit und es entsteht, ähnlich wie in der Pubertät, die Chance zur Selbstverwirklichung auf. In Zusammenhang mit den, unter dem Abschnitt zur Lebenslaufperspektive bereits beschriebenen normativen Wertesystemen, müssen den Neu-RentnerInnen Optionen zur Verfügung gestellt werden, die ihnen kulturelle, soziale sowie politische Partizipation ermöglichen (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.44). Um die entstandene Lücke zu füllen, arbeiten daher viele SeniorInnen bis über den Renteneintritt hinaus, obwohl dies aus finanzieller Sicht meist nicht nötig wäre. Einige der Jungen Alten widmen sich zudem einer ‘‘sinnhaften“ Tätigkeit, wie beispielsweise einem Ehrenamt (vgl. Schenk 2005, S.26ff.).

Hohes Alter mit verstärkter Fragilität (slow goes) oder Alte im Übergang kennzeichnen sich durch das Eintreten erster körperlicher Defizite. Sowohl Mängel in den Bereichen Sehen und Hören, als auch erste Mobilitätsproblematiken setzen häufig erst im hohen Lebensalter ein. Leichte, temporäre unterstützende Tätigkeiten von Angehörigen und Barrierefreiheit sind in dieser Phase oftmals entscheidend, um den Alltag in der eigenen Häuslichkeit weiterhin möglichst uneingeschränkt zu meistern. Die „ Alten im Übergang “, wie Schenk sie bezeichnet, sind zwischen 80 und 85 Jahre alt (vgl. Schenk 2005, S.23). Aufgrund zunehmender physischer Einschränkungen kann gewohnten Aufgaben und Pflichten zum Teil, nicht mehr nachgegangen werden (vgl. Göckenjan 2010, S.408).

Abhängiges Alter und Lebensende (no-goes) oder Hochaltrige ist nach den AutorInnen die dritte und letzte Phase des Lebens. Nicht zwangsläufig geht Altern auch mit einem steigenden Pflegebedarf einher, jedoch steigt die Wahrscheinlichkeit dafür an. Besonders in dieser Altersphase, die nicht zu Unrecht auch als abhängiges Alter bezeichnet wird, treten neben körperlichen auch vermehrt kognitive Defizite auf. Im Durchschnitt sind die Lebensjahre über 80 gekennzeichnet von Krankheit, kognitiv zunehmender Einschränkung und Multimorbidität (vgl. Feddersen & Lüdtke 2011, S.13). Die Biografien der sogenannten Hochaltrigen sind jedoch individuell und hängen nicht zuletzt von genetischen, gesellschaftlichen sowie kulturellen Faktoren, dem sozialen Umfeld oder auch dem bisherigen Lebenslauf, samt etwaigen einschneidenden Ereignissen (z.B. Tod des Lebenspartners oder eigene schwere Krankheit) zusammen (vgl. Schenk 2005, S.32ff.). Durch die sich stark unterscheidenden Lebensläufe ergibt sich eine hohe Diversität des Alters. Damit einhergehend ergeben sich auch verschiedene Ansprüche an das Wohnen im Alter (vgl. Eberle 2013, S.88).

Die Einteilung von Schenk und Eberle zeigt lediglich die groben Phasen des Älterwerdens. Amerikanische GerontologInnen fanden jedoch heraus, dass nicht das tatsächliche Alter, sondern das „subjektiv empfundene“ Alter als Indikator zur Alterseinteilung gewählt werden sollte. Dementsprechend seien der subjektiv empfundene Altersstand, samt körperlichen und seelischen Zustand, zur Einteilung treffender als das tatsächliche Alter (vgl. Schenk 2005, S.18). Demzufolge sind Personen, die sich jünger fühlen, mit ihrem bisherigen Leben zufriedener und sehen die Zukunft allgemein positiver.

3.3 Kalendarisches Alter

Anders als die vorherige Definition orientiert sich beispielsweise die World Health Organization (WHO 2004) nicht am biologischen Alter, sondern definiert rein anhand kalendarischer Altersgrenzen:

- Alternde Menschen: 50-60 Jahre
- Ältere Menschen: 61-75 Jahre
- Alte Menschen: 76-90 Jahre
- Sehr alte Menschen: 91-100 Jahre
- Langlebige Menschen: Über 100 Jahre

Jedoch kann die sozial konstituierte kalendarische Definition, die strikt nach Altersjahren unterteilt, der Heterogenität des Alters nicht gerecht werden, da qualitative Beurteilungskriterien fehlen (vgl. Walter et al. 2006, S.40 f.). Um eine Aussage darüber treffen zu können, muss stets eine Vielzahl ergänzender biologischer, sozialer, ökonomischer, ökologischer und biographischer Faktoren miteinbezogen werden, denn auch der Beginn des biologischen Alterungsprozesses und dessen Fortschreiten ist höchst individuell. Altern muss folglich als ein mehrdimensionaler Prozess begriffen werden, der neben Verlusten und Defiziten auch einen Zugewinn an positiven Aspekten mit sich bringt. Lediglich durch eine ganzheitliche Betrachtung ist es möglich, die Potenziale im Alter in seiner ganzen Fülle wahrzunehmen (vgl. ebd., S.42).

3.4 Stufenmodell der Entwicklungsphasen nach Erikson

Der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Erik H. Erikson veröffentlichte 1950 ein Modell, welches sich mit der Entwicklung der Ich-Identität in der psychosozialen Lebensgeschichte befasst. Dieses Modell ist vor allem wegen seinem Bezug zur Inklusion und den Partizipationschancen älterer Personen Bestandteil dieser Arbeit.

Das Stufenmodell unterteilt die menschliche Entwicklung in acht Phasen, beginnend mit dem ersten Lebensjahr bis hin zum reifen Lebensalter. Dabei setzt er die Bedürfnisse eines Individuums mit den sich permanent verändernden Anforderungen der sozialen Umwelt in Bezug (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.47.). Das für diese Arbeit relevante Stadium ist die achte Phase, die Erikson als Phase des reifen Erwachsenenalters bzw. als „Ich-Integrität vs. Verzweiflung“ bezeichnet.

Mit dem Begriff „Ich-Integrität“ beschreibt der Psychoanalytiker die Fähigkeit sein eigenes Leben zu reflektieren. Das bedeutet nicht nur, dass sich SeniorInnen ihrer selbst bewusst sind, sondern es auch eigener Gestaltung bedarf, um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erlangen (vgl. ebd.). Außerdem soll sich der Mensch in dieser letzten aktiven Bewältigungsphase mit bevorstehenden Ereignissen wie dem persönlichen Abbau und dem Tod auseinandersetzen.

Der Ich- Integrität steht im Modell ein gewisses Maß an „ Verzweiflung “ gegenüber. Nur nach erfolgreicher Reflexion des eigenen Selbst (Integrität) gelingt SeniorInnen der Umgang mit den eigenen Defiziten und den folgenden Lebensereignissen. Glückt dieser Entwicklungsschritt nicht, entsteht ein hohes Maß an „ Verzweiflung“, was die Identität der älteren Personen negativ beeinflusst (vgl. ebd.).

3.5 Alter(n) nach der Lebenslaufperspektive

Je nach Lebensphase hat der Mensch unterschiedliche Entwicklungsaufgaben zu meistern. Mit den Aufgaben gehen unterschiedliche Handlungs- und Rollenerwartungen einher. Den Rahmen dafür setzen normativ-gesellschaftliche Regelsysteme und Entscheidungen der Sozialpolitik (z.B. Übergang in den Ruhestand) (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.44f.). Die moderne Leistungsgesellschaft orientiert sich an einem Selbstverständnis, das sehr von Kompetenz, Leistung und Produktivität geprägt ist (vgl. Schenk 2005, S.204). Menschen definieren sich in erster Linie über die Erwerbstätigkeit und ihre berufliche Stellung. Wenig überraschend erscheint es daher, dass auch sozialpolitische Definitionen „alt sein“ oft am Renteneintrittsalter festmachen (vgl. Walter et al. 2006, S.40). In Folge dessen gilt jemand, der beruflich keine Leistung mehr erbringt und nicht mehr produktiv ist, als alt. Doch das Paradoxe an dieser Definition liegt auf der Hand: Demzufolge würde ein 45-jähriger Frührentner von der Gesellschaft in ähnlicher Weise als alt bezeichnet wie ein 77-Jähriger, der noch immer als Selbstständiger arbeitet. Einem solchen Verständnis von „alt sein“ folgt unsere Gesellschaft in der Praxis jedoch nicht, denn vor allem durch die Destandardisierung von Lebensläufen kann eine allein erwerbszentrierte Definition längst nicht mehr überzeugen (vgl. Hochheim & Otto, 2011, S.306).

3.6 Definition nach dem Defizitmodell

Betty Friedan vergleicht das Alter metaphorisch mit der Dunkelheit: Ebenso wie im Dunkeln das Licht fehle, fehle beim Alter die Jugend (Friedan 1997 zitiert nach Sittler 2017, S.3). Defizitorientierte Definitionen, die sich nach Verlust und Abwesenheit richten, sind im Alltag am gebräuchlichsten: „Der Mann kann nicht mehr gut hören, weil er schon so alt ist“ oder „Unsere Nachbarin, die alte Frau Meier ist ganz einsam zuhause, weil sie nicht mehr laufen kann“ sind Aussagen, die wahrscheinlich jeder schon einmal gehört, gedacht oder sogar selbst geäußert hat. Ebendiese, negativ wertenden Bemerkungen werden allerdings problematisch gesehen: Verinnerlichen SeniorInnen diese gesellschaftlich produzierten Zuschreibungen, erscheint es ihnen im Selbstbild als ein persönliches Defizit. Als Fallbeispiel, das immer wieder in dieser Arbeit aufgegriffen wird, soll an dieser Stelle die bereits erwähnte Frau Meier eingeführt werden. Die 73-Jährige wohnt in einem Hochhaus in einer Siedlung stadtauswärts. Durch die obige Aussage besteht die Gefahr, dass Frau Meier ihre tatsächliche Einsamkeit ihrem Alter zuschiebt und verinnerlicht. Sie kapselt sich infolgedessen von der Außenwelt ab, da sie der Annahme ist, aufgrund ihres Alters tatsächlich einsam zu sein oder sein zu müssen. Das Alter wird im Defizitmodell nicht nach dem bewertet, was es ist, sprich nach tatsächlicher Lebenserfahrung, Interessen oder Kompetenzen; sondern rein defizitär nach dem was es nicht ist (vgl. ebd.). Alt sein und werden erscheint der Gesellschaft mit einer solchen Konsequenz als ein nicht erstrebenswerter Zustand.

Tatsächlich ist das höhere Lebensalter durchaus von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Einschränkungen und chronischen Krankheiten gekennzeichnet und geht mit einigen Defiziten einher. Es drohen Verluste, wie der des Lebenspartners, von Mobilität oder gar dem Verlust der Selbstständigkeit (vgl. Walter et al. 2006, S.24ff.). Den Defiziten stehen jedoch auch deutliche Potentiale gegenüber, die mit zunehmendem Alter aufkommen. Diese zeigen sich vor allem durch das hohe Maß an biographisch erworbenem Wissen, welches das Ergebnis von langjährigen Lernprozessen ist (vgl. Mayer & Baltes 1996, S.7f.). Die Wahrnehmung und insbesondere die Nutzung der Potenziale hängt allerdings nicht unerheblich von der „Altersfreundlichkeit“ der Gesellschaft ab (vgl. Schenk 2005, S.32f.).

Schenk versucht die defizitorientierte Haltung in seiner Definition zu entschärfen: Er sieht das Altern als einen Entwicklungsprozess, der sowohl mit positiven, als auch mit negativen Erlebnissen einhergeht und mit denen man sich intensiv auseinanderzusetzen hat. Darüber hinaus spricht er sich dafür aus, statt von Lebensstufen, besser von Lebensphasen zu sprechen. Grund dafür ist, dass der Begriff der „Lebenstreppe“, die bildlich gesehen entweder nach oben oder nach unten führt, der Vielschichtigkeit des Alter(n)s nicht gerecht wird. Genauer gesagt meint Schenk damit, dass die Treppe im Alter symbolisch mehrheitlich als eine absteigende gesehen wird, die im übertragenen Sinn den Abbau von Ressourcen und Kompetenzen darstellt (vgl. Schenk 2005, S.192). Daher plädiert er für den Begriff von aufeinanderfolgenden Lebensphasen, an denen sich auch nachfolgende Einteilung orientiert.

3.7 Lebensstil-Typen nach Moll

Anders als die vorherigen Definitionen versucht Moll den Altersbegriff anhand verschiedener Alterstypen zu verdeutlichen. Dafür stellt sie in ihrer Arbeit vier unterschiedliche Lebensstil-Typen mittels einer Clusteranalyse dar.

Sie differenziert zwischen den resignierten Alten, die ca. 12,5 Prozent der Älteren ausmachen. Diesen Typ kennzeichnet eine neutrale bis negative Einstellung gegenüber dem eigenen Leben. Die Resignierten leben zurückgezogen und bewerten ihren Gesundheitszustand eher negativ. Allerdings fällt bei ihnen sowohl die Akzeptanz als auch die Nachfrage bezüglich Hausnotrufen, „Essen auf Rädern“ sowie von stationärer Altenhilfe höher aus als beispielsweise bei den aktiven Alten.

Dem aktiven Typus entspricht laut Molls Erhebung bundesweit 20,8 Prozent der älteren Bevölkerung. Die Aktiven zeigen ein erlebnisorientiertes Freizeitverhalten, leben häufig in eigenen, großen Häusern oder Wohnungen und legen Wert auf Komfort sowie auf Persönlichkeitswachstum. Durch ihre Aktivität wird ihnen ermöglicht eigene Potenziale voll auszuschöpfen. Nicht zuletzt deshalb erhalten sie ein großes Maß an gesellschaftlicher Teilhabe und können ihre Umgebung selbstbestimmt mitgestalten (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.86). Für die Zukunft möchte mehr als die Hälfte dieses Typus im eigenen Haus wohnen bleiben, akzeptiert aber auch Umbauten und externe altersbezogene Dienstleistungen.

Anders denken die familienorientierten Alten, welchen laut Moll 31,2 Prozent der Älteren entsprechen. Für sie stehen gute Familienverhältnisse an erster Stelle, weshalb sie im Notfall auch hauptsächlich von ihren Angehörigen versorgt werden möchten. Familienexterner Unterstützung steht diese Gruppe eher kritisch gegenüber.

Die größte Gruppe stellen laut Moll mit 35,5 Prozent die gemeinschaftsorientierten Alten dar. Diese zeichnen sich durch ein eher passives Freizeitverhalten aus, welches sich auf Verabredungen mit nahezu ausschließlich Gleichgesinnten beschränkt. Diese Personen sind nach Moll auch diejenigen, die sich für gemeinschaftliche Wohnformen wie z.B. Wohngemeinschaften interessieren (vgl. Moll 2009, S.33f.).

In dieser Arbeit werden unter den „Alten“ oder den „älteren Menschen“ Personen ab 65 Jahren verstanden. Als „Hochaltrige“ oder „Hochbetagte“ werden im weiteren Verlauf Personen ab 80 Jahren bezeichnet.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass weder das kalendarische, noch das biologische Alter alleine für die Altersdefinition ideal sind. Für ein umfassendes Bild müssen stets beide Ansätze, sowie biografische, soziale und lebensweltliche Faktoren mitberücksichtigt werden. Je nach gesellschaftlichen Zuschreibungsmerkmalen, herrscht ein bestimmtes Altersbild vor, das einem dynamischen Wandlungsprozess unterliegt (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.49). An ebendiesem Bild orientiert sich, wie das kalendarische bzw. das funktionale Alter von der Gesellschaft gesehen werden. Einig sind sich die AutorInnen darüber, dass das Altern ein sukzessiver Prozess ist, der mit einem Ressourcenverlust auf mehreren Ebenen (physisch, kognitiv, psychisch und sozial) einhergeht (vgl. Wolter 2017, S.64). In den obigen Definitionen wurde bereits kurz auf altersbedingte Verluste eingegangen. Welche individuellen sowie gesamtgesellschaftliche Hürden im Alter außerdem häufig drohen, wird im nächsten Kapitel thematisiert.

3.8 Probleme des Alterns

Wie bereits dargestellt wurde, geht der Alterungsprozess zwar mit vielen Chancen, jedoch auch mit Verlusten einher. Was Alter(n) für den Einzelnen und die Gesellschaft dahingehend bedeutet und welche Problematiken aus den jeweiligen Aspekten resultieren, ist Thema des folgenden Abschnittes.

3.8.1 Persönliche Probleme

Einige der im Alter entstehenden Probleme ergeben sich durch personelle Disharmonien zwischen den individuellen Bedürfnissen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Aus der, in Abbildung 2 vereinfacht dargestellten Bedürfnispyramide nach Maslow, lassen sich einige der wichtigsten menschlichen Bedürfnisse und die entstehenden alterstypischen Probleme ableiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Maslow’sche Bedürfnispyramide

Quelle: Eigene Darstellung nach Nuber[2]

Physische und psychische Altersbeschwerden

Den zentralen, den sogenannten physiologischen Grundbedürfnissen, die auch bei Maslow als Basis angesiedelt sind (siehe Abb. 2), kann auch in hohem Alter meist noch sehr gut selbstständig nachgegangen werden. Ausgenommen sind jedoch schwer an Demenz erkrankte Personen, die aufgrund ihrer kognitiven Defizite nicht mehr an die grundlegende Bedürfniserfüllung, wie beispielsweise die Nahrungsaufnahme denken. Auch Bettlägerige, die sich nicht selbst versorgen können, können die Grundbedürfnisse aufgrund ihrer schlechten körperlichen Verfassung schlichtweg nicht erfüllen (vgl. Moll 2009, S.35).

Das Bedürfnis Sicherheit folgt auf die physiologischen Grundbedürfnisse nicht zufällig an zweiter Stelle (siehe Abb. 2). Durch eine mangelhafte physiologische Bedürfnisstillung kann auch der Wunsch nach Sicherheit nicht mehr zufriedengestellt werden. Im Alter sind oft weder die physische, noch die Versorgungssicherheit ausreichend gewährleistet: Viele ältere Personen sind derart von Krankheit geprägt, dass sie eine Sturzneigung entwickeln, welche wiederum ihre körperliche Sicherheit gefährdet. Grund für eine solche Neigung ist meist, dass der bisherige Wohnraum Hindernisse aufweist, die zuvor nicht als einschränkend wahrgenommen wurden. Durch die zunehmende Multimorbidität, die das Alter mit sich bringt, werden bereits die kleinsten Unebenheiten zu „Stolperfallen“. Charakteristisch für die Multimorbidität ist das gleichzeitige Vorliegen mehrerer (mindestens zwei) chronischer Erkrankungen oder Gesundheitsstörungen (vgl. Mahne et al. 2017, S.122). Der Alterssurvey nach berichten derzeit 56 Prozent der 70 bis 85- Jährigen vom gleichzeitigen Vorhandensein von zwei bis vier und weitere 24 Prozent von fünf und mehr Erkrankungen (vgl. ebd.). Doch nicht nur die Einschränkungen des Bewegungsapparates zwingen zu Veränderung, sondern häufig auch der Abbau der Kognition sowie ein erhöhter Pflegebedarf.

Pflegebedürftigkeit

Mit steigendem Alter erhöht sich die Wahrscheinlichkeit an einer fortschreitenden Krankheit des Gehirns wie Demenz oder Alzheimer zu erkranken. Bis 2050 wird sogar eine Verdopplung der an Demenz erkrankten Personen erwartet (vgl. Verhülsdonk & Höft 2017, S.141). Der Abbau von Kognition ist insbesondere für pflegende Angehörige eine schwere Belastung. Vor allem, wenn die Hochaltrigkeit mit Bettlägerig- und Pflegebedürftigkeit einhergeht, wird die Pflege nicht selten zur großen Last und es muss sich nach neuen Wohn- und Pflegeformen umgesehen werden (vgl. Moll 2009, S.35).

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit wird im elften Sozialgesetzbuch § 14 SGB XI definiert. Demnach sind Personen pflegebedürftig, sobald sie aufgrund körperlicher, geistiger sowie seelischer Krankheit oder Behinderung bei „Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens“ voraussichtlich dauerhaft, aber mindestens für 6 Monate auf erhebliche Hilfe angewiesen sind (§ 14 SGB XI). Lange wurde das Pflegegesetz dafür kritisiert, dass die Pflegeleistungen nicht gerecht an die Bedürfnisse der „Pflegebedürftigen mit eingeschränkter Alltagskompetenz“ gemessen werden. Zum 01.01.2017 kam mit dem Pflegestärkungsgesetz II die große Pflegestufen-Reform, von der insbesondere Menschen mit kognitiven Defiziten profitieren. Die bis dato geltenden Pflegestufen („0“ - 3) wurden in fünf Pflegegrade (1 - 5) umgewandelt. Diese Überleitung ist in §14 SGB XI verankert und ergibt sich, anders als bisher, nicht anhand des benötigten Pflegeaufwandes, sondern durch die noch vorhandene Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen. Beurteilt wird durch unabhängige Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK). Sie beurteilen acht Module, zu denen unter anderem Mobilität, Selbstversorgung und außerhäusliche Aktivitäten zählen. Diejenigen, die vom MDK bereits vor dem 01.01.2017 als pflegebedürftig anerkannt wurden, hat die Pflegekasse automatisch, also ohne erneute Begutachtung, anstelle ihrer bisherigen Pflegestufe, den nächsthöheren Pflegegrad zugewiesen (vgl. Bundesministerium für Gesundheit).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Umwandlung von Pflegestufen in Pflegegrade

Quelle: Eigene Darstellung nach pflege.de[3]

Der Gesundheitszustand ist ein zentraler Aspekt der die Qualität unseres Alltags in hohem Maß mitbestimmt. Mit zunehmendem Alter jedoch erhält dieser Faktor einen nochmal bedeutsameren Stellenwert, da dadurch Lebens- und Partizipationsveränderungen beeinflusst werden. In Hinblick auf Inklusion ist zudem festzuhalten, dass sich die Aktivität sowie Chancen auf Partizipation durch schlechtes Allgemeinbefinden oder gar Pflegebedürftigkeit deutlich verringern (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.66).

Veränderte Familienstrukturen

Der Wunsch nach mehr Geselligkeit und die Angst vor Vereinsamung zählen mit zu den häufigsten Gründen für einen Umzug im Alter (vgl. Narten 2005, S.374). Die veränderte, destabilisierte Familienstruktur versetzt insbesondere alleinlebenden pflegebedürftigen Personen in Sorge, denn die Angehörigenpflege ist aus verschiedenen Gründen rückläufig (vgl. Berner, Mahne, Wolff & Tesch-Römer 2017, S.382). Diese Entwicklung ist vor allem der abnehmenden Geburtenrate, den steigenden Scheidungsraten sowie der hohen Frauenerwerbsquote geschuldet. Darüber hinaus leben die Generationen immer häufiger beziehungslos nebeneinanderher oder haben nur sporadischen Kontakt (vgl. Schenk 2005, S.81). Dabei können Telefonate oder Textnachrichten die menschliche Nähe längst nicht ersetzen. Doch selbst wenn ein intensiver Kontakt zu den eigenen Kindern besteht, verbringen diese den Großteil ihrer Zeit im eigenen Berufsleben. Häufig wohnen sie obendrein deutschland- oder gar weltweit verstreut (vgl. Heinze 2017, S.217). Wegen der finanziellen Mehrbelastung, die durch den nicht mehr leistbaren Generationenvertrag entsteht, muss die junge Generation bereits jetzt mehr arbeiten, um sich selbst sowie ihre eigene Familie zu versorgen und gegebenenfalls die Pflege der Eltern stemmen zu können. Nicht selten werden deswegen mehrere Arbeitsstellen parallel angenommen. Das bedeutet für die Älteren, auch wenn die Kinder in der Nähe leben, zwangsläufig mehr Zeit allein.

Ebenfalls gewandelt hat sich die Generation der Enkelkinder. Sie entfallen ebenso oftmals als informelle Pflegepersonen, da sie entweder direkt nach dem Schulabschluss eine Ausbildung oder ein Studium antreten. Dementsprechend sinkt das innerfamiliäre Unterstützungspotenzial weiter ab, da auch ihnen die Zeit für regelmäßige Unterstützung der Großeltern fehlt (vgl. Heinze 2017, S.217). Dabei macht gerade der Kontakt zu den Kindern und Enkeln für einige der Generation über 65 Jahre den Alltag lebenswerter (vgl. Opaschowsky, 1998, S.62).

Sofern ältere Personen allein leben, vor allem nach dem Versterben des Partners, droht nicht nur die Angehörigenpflege komplett zu entfallen, sondern auch eine Altersvereinsamung. Die sozialen Bedürfnisse, die die dritte Stufe der Bedürfnispyramide (Abb. 2) darstellen, kommen zu kurz. Partizipation, die Kommunikation mit anderen Menschen und eine gute Vertrauensbeziehung sind wesentliche Aspekte für die Aufrechterhaltung der Selbstständigkeit im Alter. Daher werden Freundschaften im Alter wieder wichtiger und werden mehr geschätzt als in den Jahren zuvor (vgl. Schenk 2005, S.96 f.). Laut der Generali Altersstudie 2017 bauen 53 Prozent der 65- bis 85-Jährigen, insbesondere Kinderlose, bei Problemen auf die Unterstützung von guten Freunden (vgl. Heinze 2017, S.217).

Soziale Aktivität und Teilhabe

Wie zuvor bereits angedeutet nimmt der Aktionsradius im Alter ab. Aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen, gesteigerter Unsicherheit oder gar Angst wird mehr Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht. Dadurch verringern sich insbesondere die außerhäuslichen Aktivitäten und die Anzahl der sozialen Kontakte sinkt. Dabei nehmen ausgerechnet diese im Alter einen höheren Stellenwert ein. Oftmals müssen zudem Hobbys aufgegeben werden. Grund dafür ist nicht zuletzt auch die mangelnde Mobilität: Viele können oder dürfen nicht mehr Auto fahren. Häufig fehlt eine angemessene Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel komplett oder ist nicht altersgerecht. Für viele SeniorInnen ist ein Monatsticket für den Bus nicht erschwinglich. Es drohen Einsamkeit und Isolation (vgl. Wolter 2017, S.64).

Maier weist auf geschlechtsspezifische Unterschiede bei den freundschaftlichen Beziehungen hin. Männer haben demgemäß in jeder Lebensphase einen kleineren Freundeskreis als Frauen. Weiterhin beruhen Männerfreundschaften demnach tendenziell eher auf gemeinsamen Interessen, wohingegen Freundschaften zwischen Frauen stärker von einer kommunikativ-emotionalen Grundlage geprägt sind (vgl. Maier 2008, S.226ff.).

An dieser Stelle soll das Fallbeispiel wieder aufgegriffen werden: Frau Meier und ihre Nachbarinnen sind seit Jahren eine eingeschworene Truppe. Die Frauen treffen sich täglich zu einem Spaziergang, um die Neuigkeiten aus der Siedlung auszutauschen. Frau Meier, die nach einem Oberschenkelhalsbruch mehrere Wochen im Krankenhaus und auf Reha verbracht hat, konnte in dieser Zeit nicht an den Spaziergängen teilnehmen. Keiner ihrer Nachbarinnen hat sie dort besucht. Wieder zuhause angekommen verbringt Frau Meier immer mehr Zeit allein zuhause, da sie das Gefühl hat kein Teil der Gruppe mehr zu sein. Das Beispiel von Frau Meier verdeutlicht, dass sich durch aufkommende Hilfs- oder Pflegebedürftigkeit die Inklusion von SeniorInnen schwieriger gestaltet.

Inklusion beschreibt einen dauerhaften gesellschaftlichen Zustand, in welchem jeder Mensch mit seinen individuellen Merkmalen akzeptiert wird. Unabhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Bildung oder eventuellen Behinderungen hat jeder das Recht die Gesellschaft gleichberechtigt und selbstbestimmt mitzugestalten und an ihr teilzuhaben (vgl. Böttinger 2016, S. 18ff.). Die Möglichkeiten sich sowohl passiv konsumierend, als auch aktiv gestaltend an gesellschaftlichen Vorgängen zu beteiligen, sinken im Alter ab. Beteiligung, Mitwirkung und auch Teilhabe gelten in diesem Zusammenhang als Synonyme zum Begriff der Partizipation. Diese tritt dann ein, wenn Individuen aktiv an allen, das Zusammenleben betreffenden Ereignissen, beteiligt werden. Durch diese Voraussetzung wird es Individuen ermöglicht mitzubestimmen und zur Verbesserung des Gemeinwohls zu entscheiden (vgl. Haefker & Tielking 2017, S.82ff.). Nichtsdestotrotz beeinflussen der eigene Gesundheitszustand und der politische Rahmen die individuelle Nutzung von Partizipationsmöglichkeiten (vgl. ebd. S.86). Auch die Erfüllung des in der Maslow’schen Pyramide (Abb. 2) am höchsten gestellten Bedürfnisses nach Selbstverwirklichung ist durch schrumpfende Aktivität nicht mehr möglich.

Finanzielle Probleme

Die steigende Altersarmut wird erst seit geraumer Zeit wieder verstärkt in den Medien thematisiert. Aufgrund der demografischen Entwicklung und zur Sicherung finanzieller Grundlagen wurde das gesetzliche Renteneintrittalter angehoben. Dadurch werden zwar der Staat und die kommenden Generationen (zum Teil) entlastet, für die zukünftigen RentnerInnen deutet sich allerdings ein finanzielles Problem an, da die Rentenkassen zunehmend erschöpft sind (vgl. Berner, Mahne, Wolff & Tesch-Römer 2017, S.381). 2011 lag das deutsche Äquivalenzeinkommen der 65- bis 85- Jährigen bei durchschnittlich 1.700 Euro pro Monat, wobei es bei Frauen generell weniger betrug als bei Männern (vgl. Schelisch 2016, S.30). Mit durchschnittlichen 1.800 Euro pro Monat liegt der Wert der Gesamtbevölkerung etwas darüber (vgl. Statistisches Bundesamt 2012, S.23). Für die Jahre danach liegen noch keine validen Daten vor. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Bevölkerung zur Verfügung hat. Die Gründe für die vermutlich weiter zunehmende Altersarmut liegen vor allem im Wandel des Arbeitsmarktes der vergangenen zwei Jahrzehnte: Atypische Erwerbsbiographien und prekäre Arbeitsverhältnisse mit befristeten Verträgen, Niedriglöhne, Teilzeitarbeit oder gar Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit lassen die Altersarmutsquote laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung von etwa 16 Prozent (2015 bis 2020) auf 25 Prozent (2030er Jahre) steigen (vgl. Bertelsmann Stiftung 2017, S.7). Auch das Niveau der Rentenleistungen sinkt ab und bestimmten Risikogruppen, die vor allem Personen niedriger Bildung, Alleinerziehende und Personen mit Migrationshintergrund umfassen, droht ein Leben an oder sogar unterhalb der Grundsicherung. Naheliegend also, dass sich jede neunte, bereits berentete Person weiterhin mit 15 Stunden pro Woche am Arbeitsleben beteiligt, um den eigenen Lebensunterhalt zu sichern (vgl. Schelisch 2016, S.31). Denn mit einer fehlenden Grundsicherung gehen nicht nur gesundheitliche Risiken, wie eine höhere Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen und eine geringere Lebenserwartung einher, sondern auch eine höhere Wahrscheinlichkeit für soziale Exklusion (vgl. Wolter 2017, S.65). Wenn im Alter bereits das Geld zur Bestreitung des Lebensunterhaltes fehlt, wie soll dann Hobbys nachgegangen oder eine professionelle pflegerische Unterstützung finanziert werden können? Besonders problematisch ist das für Personen mit hoher Morbidität. Sie sind noch stärker vom Ausschluss aus gesellschaftlichen Aktivitäten bedroht, da diese ihr Leben häufig nicht mehr (in vollem Umfang) selbstständig bewältigen können (vgl. ebd.). Um Inklusion zu realisieren sind sie vollständig auf die Bereitstellung bedarfsgerechter Angebote angewiesen. Es wird deutlich, dass die Teilhabe in einigen Fällen nicht vom Einzelnen, sondern von den gesamtgesellschaftlichen Gegebenheiten abhängig ist (ebd.).

3.8.2 Gesamtgesellschaftliche Probleme

In den Statistiken ist die Altersverschiebung deutlich sichtbar, die Zahl der über 80- Jährigen steigt stark an. Doch damit ergeben sich für die Gesamtbevölkerung nicht nur Chancen, sondern auch eine ganze Reihe von Problemen. Die Ausarbeitung des Robert Koch Instituts (2015) zeigt, dass die sozialen Systeme zu kollabieren drohen: Durch den Mangel an Erwerbstätigen ist dementsprechend auch ein Defizit an Steuereinnahmen zu verzeichnen. Die geburtenstarken Jahrgänge aus den 60ern und 70ern kommen ebenfalls allmählich in das Rentenalter, was zusätzlich einen gesteigerten Bedarf an sozialen Leistungen (z.B. Rente, Pflegeleistung) hervorruft. Dem gegenüber steht eine geringe Geburtenzahl, welche künftig eine enorme Überbelastung der mittleren Generation erahnen lässt (vgl. ebd. S.435ff.). Dies wiederum hat Auswirkungen auf die Wirtschaft , denn bereits jetzt fehlen Fachkräfte in nahezu allen Branchen, besonders im aufsteigenden Sektor „Pflege“. Dadurch ergibt sich bereits heute ein Versorgungsproblem, das vom Staat durch das Motto „ambulant vor stationär“ zu entschärfen versucht wird (vgl. Reindl & Kreuz 2007, S.8). Das bedeutet, dass verstärkt ambulante Pflegedienste eingesetzt werden, um die stationären Einrichtungen und auch die mittlere Generation bei den Pflegeaufgaben zu entlasten. Die sozialen Systeme stehen vor einer ungeahnten Krise: Sowohl den BürgerInnen, als auch dem Staat wird künftig weniger Geld zur Verfügung stehen, da dies in die Aufrechterhaltung der Sozialsysteme fließen wird.

Hinzu kommt, dass die Zahl von Alleinstehenden SeniorInnen und Ein-Personen-Haushalten zunehmen wird – ebenso wie die Anzahl von älteren Menschen mit Migrationshintergrund. Vor allem im Bereich der Pflege wird es daher neue Herausforderungen zu bewältigen geben: Jede/r BewohnerIn der Pflegeeinrichtung bringt seine eigene Lebensart mit. In Zeiten der Flüchtlingskrise heißt das auch, dass ältere und pflegebedürftige Personen mit Migrationshintergrund eigene kulturbedingte Wertvorstellungen miteinbringen und trotz unzureichenden Sprachkenntnissen stationär versorgt werden wollen. Das stellt die Pflegekräfte vor zusätzliche Hindernisse (vgl. Schenk 2005, S.54ff.). Mangelnde Sprachkenntnisse können auch dazu führen, dass potenzielle Unterstützungsleistungen gar nicht erst wahrgenommen oder nicht verstanden werden (vgl. Wolter 2017, S.65). Der Bereich Wohnen wird sich ebenfalls einem Wandel unterziehen (müssen), um das vorrangige Ziel der Alterspolitik, die Schaffung von Voraussetzungen, damit ältere Menschen möglichst lange selbstbestimmt im eigenen Zuhause wohnen bleiben können, erfüllt werden kann.

4 Wohnen – Begriffsdefinition

Ein sicherer und gemütlicher Platz, an dem wir uns wohl und zuhause fühlen, das ist was wir brauchen, um eine gute Lebensqualität zu erreichen. Auch ein Teil der persönlichen Identität wird durch unsere Wohnsituation geschaffen. Im Alter verbringen wir mehr Zeit in den eigenen vier Wänden und das Wohnen wird immer wichtiger. Doch die Ansprüche an das eigene Zuhause ändern sich mit der Zeit (vgl. Kruse 2013, S.26). Wohnen – Ein simples Wort, welches ohne großes Nachzudenken mehrmals am Tag benutzt wird. Doch was macht „das Wohnen“ aus? Wie umfassend der Begriff Wohnen definiert ist und welche Funktionen eine Wohnung innehat, wird in diesem Kapitel näher erläutert.

4.1 Räumliche Definition

Gemäß dem Bewertungsgesetz § 181 Art. 9 BewG wird unter einer Wohnung (althochdeutsch wonên: „zufrieden sein“, „bleiben“) eine räumlich abgetrennte und abschließbare Mehrheit von Räumen verstanden, die so beschaffen sein muss, dass die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglicht wird. Des Weiteren muss, um von einer Wohnung sprechen zu können, eine Wohnfläche von mindestens 23 Quadratmeter vorhanden sein, in der eine Küche und ein Bad samt Toilette sowie Dusche vorhanden sind (§ 181 BewG).

Auch nach Eva Schmids Auslegung wird das Wohnen in erster Linie räumlich gesehen. Darüber hinaus geht sie bereits auf die individuellen Bedürfnisse des Einzelnen ein: „Eine Höhle, ein Zelt, eine Hütte, ein Haus, eine Burg, ein Schloss – eine Etage oder auch ein Wohnwagen: alles das kann Wohnung sein. (…) Die Wohnung, das ist ein Behältnis, ein Zueinander aus Wänden, die in sich einen winzigen Teil des unendlichen Raumes einhegen, bergen, eine Art architektonisches Gewandes, dessen Maße und Zuschnitt den jeweiligen Bedürfnissen entsprechen müssen, wenn die Wohnung wirklich >passen< soll“ (Schmid 1960, S.9ff.). Schmid zeigt auf, dass „wohnen“ weit mehr bedeutet, als nur ein Dach über dem Kopf zu haben. Denn das Wohnen selbst sowie die persönliche Sicherheit innerhalb der eigenen Wohnung zählen zu den menschlichen Grundbedürfnissen und stellen ein wesentliches Element zur physischen Existenzsicherung dar.

4.2 Wohnen als Existenzsicherung

Im vorherigen Kapitel unter 2.8 wurde bereits die Bedürfnispyramide von Maslow dargestellt. Anhand dieser wurde gezeigt, dass Sicherheit, soziale Kontakte und Selbstverwirklichung zentrale Werte für den Menschen darstellen. Diese Bedürfnisse werden im Wohnen vereint und sind besonders im Alter von wesentlicher Bedeutung in Bezug auf Lebenszufriedenheit und Lebensqualität.

Im Wohnen kann der Mensch sich selbst verwirklichen. „Zeig mir, wie du baust/wohnst und ich sag dir, wer du bist“– mit dieser bekannten Aussage hatte Morgenstern (1922) nicht Unrecht, denn die Wohnung ist durchaus der Spiegel unserer Persönlichkeit (vgl. Moll 2009, S.21f.).

In Bezug auf die Existenzsicherung erscheint die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Wohnen als „die Verbindung von Wohnunterkunft, Zuhause, unmittelbarem Wohnumfeld und Nachbarschaft“ umschreibt, äußerst passend (WHO 2004). Durch diese Definition wird der zuvor genannte Aspekt verdeutlicht, dass eine Wohnung Menschen in erster Linie als Lebensmittelpunkt, Kraftquelle und Zufluchtsstätte dient. Unser Zuhause ist damit Rückzugsort, Wohlfühloase und ein geschütztes Umfeld zugleich, in welchem wir Grenzen und Fähigkeiten austesten können.

Die WHO geht in ihrer Begriffserklärung über den eigenen Wohnraum hinaus, denn sie thematisiert auch das Umfeld der Wohnung. Zu dieser sozialräumlichen Wohnumwelt zählen, neben der Lage auch landschaftliche und städtebaulichen Qualitäten, sowie die Anbindung an die Infrastruktur (vgl. WHO 2004). Zudem lässt sich aus der Definition der WHO ableiten, dass das Wohnen soziale Teilhabe und Interaktionsmöglichkeiten miteinschließt. Da die Partizipation im Bereich des Wohnens einen zentralen Stellenwert dieser Arbeit einnimmt, wird darauf im Folgenden genauer eingegangen.

4.3 Wohnen als Teilhabe

Betrachtet man die gesellschaftliche Bedeutung des Wohnens stellt man fest, dass diese weit über individuelle Aspekte hinausgeht. Die obige Definition der WHO zeigt dahingehend, dass Wohnen auch als eine Form sozialer Interaktion bewertet werden kann (vgl. WHO 2004). Für das Wohnen lassen sich zahlreiche unterschiedliche Funktionen ausmachen. Das Wohnen ist Schnittstelle zwischen den Bereichen Gesundheit, Partizipation, Fürsorge und Lebenszufriedenheit. Partizipation bedeutet Beteiligung an „der Gestaltung von sozialen Zusammenhängen und an der Erledigung gemeinschaftlicher Aufgaben“ (Wurtzbacher 2011, S.634).

Die soziodemographischen Gegebenheiten des Wohnumfeldes bestimmen die Lebenszufriedenheit älterer Menschen maßgeblich mit. Der Wohnungsstandort stellt aufgrund des abnehmenden Aktionsradius einen entscheidenden Faktor für die Einbindung in soziale Beziehungen dar und müssen dementsprechende Chancen zu Teilhabe bieten (vgl. Kofner 2004). Ist beispielsweise keine Anbindung an den Nahverkehr vorhanden, wird den SeniorInnen möglicherweise die Option genommen, zum nächstgelegenen Sport- oder Kulturverein zu gelangen.

Das Wohnen ist ein elementarer Baustein für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben (Inklusion) und wird vor allem wegen den aufkommenden Altersproblematiken zum Ausgangspunkt für jegliche Formen der Teilhabe. Ein sicheres und bequemes Wohnumfeld wird nicht nur zum unerlässlichen Lebensmittelpunkt, sondern dient als Grundlage für den Austausch mit anderen (z.B. Nachbarschaft). Allen Menschen muss ermöglicht werden am Alltagsleben des eigenen Hauses, der eigenen Siedlung, des Quartiers und auch des gesamten Wohnorts teilzunehmen. Menschen mit den unterschiedlichsten Bedürfnissen und Lebenssituationen sollen durch entsprechende Architektur (u.a. Barrierefreiheit), fürsorgliche Nachbarschaft sowie Unterstützungsmöglichkeiten die Chance auf ein Wohnen mit ausreichend Fläche für Kommunikation, Sicherheit, Wohlfühlcharakter und Gleichberechtigung erhalten. Gesellschaftliches Ziel muss die umfassende Inklusion, sprich der vollständige Einschluss in zentrale Orte, Netze und Systeme der Gesellschaft sein.

Durch körperliche und psychische Veränderungen, die das Alter mit sich bringt, verbringen ältere Personen rund 90 Prozent des Tages in ihren Wohnungen (vgl. Lerch 2011, S.10). Die Freizeitaktivitäten orientieren sich daher vermehrt innerhäuslich (Kruse 2013, S.26). Um die für sich beste Wohnform im Alter zu wählen, ist es wichtig seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen und seine gesundheitlichen Grenzen zu akzeptieren (vgl. Reindl & Kreuz 2007, S.11). Neben der gesundheitlichen Situation spielen zudem Einkommen, Bildung sowie die Verfügbarkeit von Fortbewegungsmitteln (durch die abnehmende Mobilität allen voran die eines PKWs) eine Rolle, um zu weiter entfernten „sozialen Bezugsräumen“ zu gelangen (vgl. Voges & Zinke 2010, S.305).

Im Alter nimmt das Netz an vertrauten sozialen Kontakten aufgrund der körperlichen Defizite und gesunkenen Mobilität häufig ab (vgl. Wolter 2017, S.64). Doch Inklusion erfordert nicht zwangsläufig ein großes Netz an Kontakten. Unabdingbar ist jedoch ein intaktes soziales Netz mit verlässlichen Vertrauenspersonen. Darunter fallen vorrangig HelferInnen aus der eigenen Familie sowie teilweise auch nachbarschaftliche und freundschaftliche Unterstützung.

Darüber hinaus kann die Übernahme gesellschaftlicher Funktionen, wie beispielsweise einer ehrenamtlichen Tätigkeit, zum Erhalt der vorhandenen Fähigkeiten beitragen (vgl. Walter et al. 2006, S.34). Generell lässt sich festhalten, dass, sobald Inklusion als sozialpolitisches (Wohn-)konzept erfolgreich umgesetzt wird, separierende Einrichtungen (z.B. Seniorendörfer) nicht mehr notwendig sind. Grundvoraussetzung für eine gelingende Inklusion ist jedoch, dass jedem Einzelnen von vornherein und ohne Einschränkungen ermöglicht wird überall teilhaben zu dürfen („drinnen zu sein“). Inwieweit diese Voraussetzungen in den verschiedenen Wohnformen vorherrschen wird im Folgenden thematisiert.

5 Wohnformen für das Wohnen im Alter

Der Großteil der Menschen hat den Wunsch ihren Lebensabend so lange wie möglich zu Hause zu verbringen (vgl. Haefker & Tielking 2017, S, 92f.). Grund dafür ist in erster Linie, dass die gewohnte Umgebung mit den vertrauten Strukturen ein gewisses Maß an Selbstbestimmung, Sicherheit und Schutz verleiht. Allerdings planen die meisten Menschen beim Bau des Eigenheims nicht weit genug voraus. Mit steigendem Alter gehen auch körperliche Einschränkungen einher, die das Alltagsleben nach und nach beschwerlicher werden lassen. In der Generali Altersstudie wird aufgezeigt, dass die Wohnverhältnisse vieler älterer Personen den altersbedingten Einschränkungen nicht gerecht werden (vgl. Generali 2017, S.204). Deshalb werden an dieser Stelle verschiedene Möglichkeiten vorgestellt, wie das Wohnen in den eigenen vier Wänden, auch mit zunehmenden Einschränkungen, gelingen kann.

5.1 Universal Design – Universelles Design

Der demografische Wandel hat nicht nur eine Verschiebung der Altersstruktur zur Folge, sondern auch die Verfügbarkeit und die Nutzung von Wohnraum wandelt sich. Da die meisten Wohnungen für die Bedürfnisse junger Menschen ausgerichtet sind, tun sich vor allem ältere Personen schwer, ein neues, seniorengerechtes Altersdomizil zu finden.

Um Wohnraum per se für jedermann nutzbar zu machen und um Chancengleichheit sowie gesellschaftliche Teilhabe zu unterstützen, hat sich aus Bürgerrechtsbewegungen heraus das Konzept des „universal design“ entwickelt (vgl. Tauke 2011, S.9f.).

Das Konzept steht im Einklang mit den „Grundsätzen für ältere Menschen“ der UNO. Es bietet nicht nur Sicherheit und Schutz, sondern eröffnet zugleich Chancen für eine verbesserte Gesundheitspflege, da auch die Inneneinrichtung mit Informationssystemen und Produkten ausgestattet ist, die unabhängig von Alter und körperlichen Einschränkungen vorhanden sind (vgl. ebd., S.10). Dadurch, dass nicht nur die physischen Aspekte der zukünftigen BewohnerIn, sondern auch die sensorischen und kognitiven Fähigkeiten berücksichtigt werden, handelt es sich um „integrative Lösungen, die sich, statt zu stigmatisieren, in die gebaute Alltagswelt aller einfügen“ (ebd.).

Praktische Beispiele sind flexibele, (höhen-)verstellbare Anrichten, stufenfreie Eingänge, automatische Lichtsteuerung sowie akustische und optische Warnhinweise an Haushaltsgeräten und Rufsystemen. Auch ebenerdige Duschen, die ohnehin bereits als Designelement betrachtet werden, zählen zum Universellen Design. Durch dieses Konzept wird allen Altersgruppen das Wohnen erleichtert. Insbesondere den älteren EinwohnerInnen wird dadurch ein längeres selbstständiges Wohnen im eigenen Zuhause ermöglicht.

Aus inklusiver Sicht bietet das Universelle Design einer Vielzahl von potenziellen BewohnerInnen Zugang zu Wohnen und Partizipation. Dadurch, dass von vornherein einige zentrale Aspekte in der Architektur und Einrichtung berücksichtigt wurden, bleibt bei älteren Personen die Selbstständigkeit länger erhalten Das führt dazu, dass sie länger in ihrer eigenen Wohnung verbleiben können. Auch die Steigerung der Lebensqualität sowie die Erleichterung des Alltags werden dadurch erzielt. Die Ansätze des Universellen Entwerfens sind derzeit jedoch noch eher Einzellösungen anstatt offener Standard.

5.2 Anpassungsmöglichkeiten für das eigene Zuhause

Eine bedeutende Rolle in der Alternswissenschaft (Gerontologie) spielt die Sturzneigung älterer Personen. In diesem Unterpunkt werden deshalb Möglichkeiten dargestellt, die nicht nur das Sturzrisiko verringern, sondern parallel dazu helfen die Wohn- und Lebensqualität zu steigern. Neben Wohnungsanpassungsmaßnahmen, wie Änderungen an der Einrichtung oder der Einbau technischer Hilfsmittel, werden auch alltagserleichternde Unterstützungsmaßnahmen vorgestellt.

5.2.1 Barrierefreiheit

Mit dem Alter entwickeln sich körperliche Defizite. Diese körperlichen Einschränkungen sind zwar von Behinderungen zu unterscheiden, verlangen allerdings eine ähnliche Gestaltungsaufgabe: Die Schaffung eines Lebensumfeldes, das für alle Menschen gleichermaßen „in der allgemein üblichen Weise“, d.h. ohne Spezialgeräte wie Treppenlifte, zugänglich ist und niemanden ausschließt (vgl. Schelisch 2016, S.36f.). Die sogenannte „ Barrierefreiheit “ ermöglicht, durch die Reduktion möglicher Gefahrenstellen, eine langfristigere selbstbestimmte Haushaltsführung ohne fremde Hilfe (vgl. Morsch 2007, S.24).

Folglich ist Barrierefreiheit die Grundvoraussetzung für Sicherheit und macht das Leben für ältere oder hilfsbedürftige Menschen bequemer und leichter (vgl. Blonski 2009, S.15). Barrierefreiheit ist durch das Deutsche Institut für Normung e.V. in den DIN 18040 und DIN 18025 geregelt. Demzufolge muss bereits bei der Planung und Errichtung von Neubauten sowie der Instandhaltung eines älteren Baubestandes auf die Einhaltung der Aspekte für Barrierefreiheit geachtet werden. Eine vollständig barrierefreie Wohnung mitsamt barrierefreiem Wohnumfeld zu errichten ist jedoch schwer umsetzbar, da dies in erster Linie von den individuellen Bedürfnissen der künftigen BewohnerInnen abhängt (vgl. Reindl & Kreuz 2007, S.19f.). Um zu verdeutlichen, was für eine vollständige Barrierefreiheit beachtet werden muss, werden einige Aspekte genannt: Beispielsweise soll der Hauseingang eben und ohne Hindernisse gestaltet sein, möglichst auch mit einem Fahrstuhl im Eingangsbereich des Flurs. In den einzelnen Wohnungen sollten die Türen mindestens so breit sein, dass ein Pflegebett oder ein breiterer Rollstuhl hindurchgeschoben werden kann. Stolperfallen wie Türschwellen oder unebene Böden sind ebenfalls bereits bei der Innenplanung des Hauses zu umgehen. Bei der Einrichtung sollten keine Wege durch Kabel oder Teppiche versperrt werden. Auch individuelle Anpassungen und die Anbringung von Hilfsmitteln, wie Treppenliften, Haltemöglichkeiten oder eine bodengleiche Dusche, können eine große Erleichterung bei Mobilitätseinschränkungen sein. Des Weiteren sollte an rutschfeste Fliesen in Küche und Bad, ausreichende Beleuchtungsmöglichkeiten und Bewegungsflächen für RollstuhlfahrerInnen gedacht werden (vgl. Heinze 2017, S.217).

Die genauen Regelungen für altersgerechtes und barrierefreie Wohnungen sind in den DIN 18025 festgelegt, die in zwei Abschnitte unterteilt sind. Der erste Teil regelt die Anforderungen an rollstuhlgerechte Wohnungen, wohingegen der zweite die Regelungen für alters- und behindertengerechte Wohnungen beinhaltet (vgl. Morsch 2007, S.24). Ebenfalls muss das Wohnumfeld so gestaltet sein, dass alle Einrichtungen des alltäglichen Lebens, d.h. Versorgungszentren, therapeutische Einrichtungen und auch Arztpraxen, ohne Hürden erreicht werden können.

An dieser Stelle stellt sich die Frage aus welchem Grund nicht einfach bereits von vornherein alle Wohnungen barrierefrei gebaut und mit Hilfsmitteln ausgestattet werden. Ein Beispiel aus Hamburg soll zeigen, weshalb sich dies noch nicht als Standard durchgesetzt hat: In einem Hamburger Wohnkomplex wurden alle Wohnungen altersgerecht gebaut und zusätzlich mit den gängigen Hilfsmitteln eingerichtet. Die potenziellen, zum Großteil uneingeschränkten MieterInnen, lehnten die Wohnung überwiegend mit der Begründung ab, nicht tagtäglich vor Augen geführt bekommen zu wollen, auf welche Hilfsmittel sie in ein paar Jahren eventuell angewiesen sein könnten (vgl. Junker 2013, S.142). Dies hatte zur Folge, dass der Träger nahezu alle Wohnungen wieder rückbauen ließ.

Eine barrierefreie Umsetzung ist bei Neubauten meist unproblematischer als bei Bestandswohnungen, da hier Barrierefreiheit - falls überhaupt - nur mit einem deutlichen Mehraufwand umsetzbar ist.

Erweiternd muss ein Blick auf das Umfeld geworfen werden. Damit ist gemeint, dass auch alle öffentlichen Zugänge, sei es zum nächsten Bankautomat, zu Apotheken oder Kirchen, barrierefrei gestaltet sein sollten (vgl. Blonski 2009, S.16). Laut einigen AutorInnen könnte ein großer Teil der Umzüge in stationäre Pflegeeinrichtungen durch eine barrierefreie oder zumindest barrierereduzierte Wohnung verhindert werden (vgl. Berner, Mahne, Wolff & Tesch-Römer 2017, S.388).

Fällt die Entscheidung auf den altersgerechten Umbau, kann eine staatliche Förderung von 6.250 Euro pro Wohneinheit beantragt werden, sofern insgesamt mindestens 2.000 Euro selbst investiert werden (vgl. Kreditanstalt für Wiederaufbau).

5.2.2 Angepasste Wohnungen

Die Sicherheit ist einer der zentralsten Aspekte für die ältere Generation. Insbesondere für Personen die allein leben, sind Anpassungsmaßnahmen äußerst sinnvoll. Zu unterscheiden von den barrierefrei gebauten Wohnungen sind die „angepassten“ Wohnungen: Zu einer angepassten Wohnung kann prinzipiell jede Wohnung werden, die nicht bereits beim Bau barrierefrei geplant wurde. Beinahe alle bestehenden, „normalen“ Wohnungen können an die Bedürfnisse von hochbetagten und behinderten Menschen angepasst werden. Das umfasst beispielsweise den Umbau von hohen Badewanneneinstiegen zu einer ebenerdigen Duschgelegenheit, die Beseitigung von Stolperfallen wie Türschwellen oder auch den Umbau ganzer Küchen auf Rollstuhlhöhe (vgl. Schenk 2005, S.136f.). Auch der Einbau von Rampen oder Liften an Treppenstufen ist bei den geeigneten baulichen Voraussetzungen möglich (vgl. Reindl & Kreuz 2007, S.30f.).

Viele Stürze von älteren Personen geschehen beim Reagieren auf das Klingeln von Haustür oder Telefon. Um diese Gefahr zu umgehen, kann eine Türöffnungsanlage, die via Fernbedienung gesteuert wird und über eine integrierte Sprechanlage verfügt, eingebaut werden (vgl. ebd. S.34). Vor allem Badezimmer bergen Gefahrenpotenzial, z.B. rutschige Fliesen, hohe Einstiege und niedrige Toiletten. Durch das Anbringen von Haltegriffen, dem Streichen der Fliesen mit einer speziellen Haftfarbe und der Nutzung von Badewannen-Liftern kann hier, ohne größere Umbauten, Abhilfe geschaffen werden (vgl. ebd. S.40ff.). Welche individuellen Maßnahmen möglich sind und wie die finanziellen sowie baulichen Voraussetzungen dafür sind, kann durch eine Wohnberatung ermittelt werden. Hierfür gibt es mittlerweile zahlreiche Beratungsstellen in ganz Deutschland (vgl. ebd. S.56). Jedoch ist ein Umbau für viele ältere Menschen, selbst mit einer staatlichen Bezuschussung zu teuer und geschieht, wenn überhaupt, meist nur reaktiv statt präventiv.

5.3 Technische Unterstützung

Immer häufiger werden auch technische Hilfsmittel zur Erleichterung des Wohnens im Alter verwendet. Das Spektrum solcher Assistenzsysteme, den Ambient Assisted Living Systemen (AAL), ist mittlerweile breit gefächert:

Als Homecare beispielsweise bezeichnet man eine Versorgungsform, die in den eigenen vier Wänden verwendet wird. Das Besonderes daran ist, dass Diagnostik, Beratung und Interventionsmaßnahmen, die früher ausschließlich in mindestens teilstationärer medizinischer Behandlung stattfinden konnten, mittlerweile auch „telemedizinisch“ praktiziert werden können (vgl. Kruse 2013, S.33). Laut Kruse ist sogar ein Konzept denkbar, das vitale Körperfunktionen überwacht und die Blutdruckwerte oder das Gewicht automatisch über das Internet an medizinische Zentren übermittelt, um dann individuelles Feedback und Handlungsempfehlungen zurückzusenden (vgl. ebd. S.34). Bereits heute gibt es sogenannte „Online-Toiletten“, die Urin- und Fettwerte erfassen und via Mail an den Hausarzt weiterleiten (vgl. Feddersen & Lüdtke 2011, S.14). Vor allem bei chronischen Erkrankungen erscheint ein solches Monitoring im häuslichen Umfeld hilfreich, um den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit möglichst lange zu ermöglichen (vgl. Heinze 2017, S.226). Die Grenzen werden dabei weniger von Seiten der Technik, als von dem Umgang mit den Daten gesetzt. Generell steht vor allem die ältere Generation technischen Neuerungen und der damit einhergehenden Gefahr des Datenmissbrauchs misstrauisch gegenüber. Die Konsequenz daraus ist, dass die Akzeptanz solcher AAL Systeme, trotz der offensichtlichen Vorteile, dennoch meist eher gering ausfällt (vgl. ebd.).

Als geduldeter Alltagshelfer für ältere Personen hat hingegen bereits der Hausnotruf in vielen deutschen Haushalten Einzug erhalten. Dies ist ein kleiner Sender, der in Form eines Armbands oder einer Halskette am Körper getragen wird und durch den 24 Stunden am Tag Hilfe schnell verfügbar ist. Wird der Auslöser gedrückt, so wird ein Notruf abgesetzt, der sich je nach Vereinbarung entweder mit den Angehörigen oder sofort mit einer Notfallzentrale des Anbieters verbindet (Basis-Version). Durch das zentrale Hinterlegen des Wohnungsschlüssels kann der Anbieter im Notfall sofort Hilfe schicken (vgl. Reindl& Kreuz 2007, S,49f.). Zusätzlich kann ein fest installierter Hausnotruf mit Rauch- und Bewegungssensoren angebracht werden, der im Falle eines Brandes, beziehungsweise eines Einbruchs, die Zentrale informiert. Erweiternd besteht mittlerweile die Option auch Serviceleistungen, wie „ Essen auf Rädern “ oder Fahrdienste über den Hausnotruf zu organisieren (vgl. Heinze 2017, S.223f.). Die Kosten belaufen sich für die Erstinstallation auf ca. 100 Euro und monatlich ist ein Beitrag von ca. 20 Euro für die Basis-Version (Basisstation und Funksender) zu leisten. Besteht eine Pflegeeinstufung, so übernimmt, je nach Pflegegrad, die Pflegeversicherung diese Kosten ganz oder zumindest anteilig.

Der Trend zentrale Versorgungs- und Einkaufszentren an Stadtränder zu bauen, ist für die älteren MitbürgerInnen eher ungünstig. Daher ist das „ Essen auf Rädern “ eine nutzbringende Option für Personen, deren Mobilität eingeschränkt ist. Vor allem SeniorInnen, die auf dem Land wohnen, können bei zunehmenden gesundheitlichen Einschränkungen kaum noch selbst für ihre Einkäufe sorgen. Bis sich das Konzept von Online-Lieferdiensten für Lebensmittel auch in den ländlicheren Regionen verbreitet, wird weiterhin das „ Essen auf Rädern “ eine gern genutzte Alternative sein. NutzerInnen dieses Konzepts müssen weder Großeinkäufe machen, noch selbst kochen. Sowohl bei kommerziellen, als auch bei gemeinnützigen Dienstleistern, können sich gehbehinderte, pflegebedürftige oder stark geschwächte Personen mittlerweile vollständige Menüs nach Hause liefern lassen (vgl. Reindl & Kreuz 2007, S. 66f.). Die Kosten pro Mahlzeit betragen je nach Umfang und Anbieter zwischen fünf und neun Euro. Im nachfolgenden Abschnitte werden weitere Möglichkeiten von Unterstützungsleistungen vorgestellt.

5.4 Personelle Unterstützung

Personelle Hilfe anzunehmen ist für viele ältere Personen eher eine widerwillige Entscheidung. Sie möchten niemanden zur Last fallen und versuchen deshalb ihre gewohnte Selbstständigkeit zuhause bestmöglich aufrechtzuerhalten. Da vor allem berufstätige Angehörige die zeitlich aufwendige Pflege nicht komplett selbst übernehmen können (siehe Kapitel 2.8.1), wurden in vielen Städten und Gemeinden bereits verschiedene Organisationen ins Leben gerufen, in denen sich die Mitglieder ehrenamtlich um ältere oder pflegebedürftige Menschen in ihrer Umgebung kümmern. Diese, meist von Freiwilligenagenturen oder Seniorenbeiräten initiierten Unterstützungssysteme, übernehmen jedoch keine pflegerischen Aufgaben, sondern unterstützen vor allem im Haushalt oder bei der Alltagsbewältigung (z.B. beim Rasenmähen oder Einkaufen).

[...]


[1] https://www.demografie-portal.de/SharedDocs/Informieren/DE/ZahlenFakten/
Bevoelkerung_Altersstruktur_Ereignisse.html [Stand 09.10.2017]

[2] Nuber, Ursula 1995: Die Wiederentdeckung der Geborgenheit, In Psychologie Heute, 22. Jg. H. 12/1995, S. 22

[3] https://www.pflege.de/pflegekasse-pflegerecht/pflegegrade/ [Stand 09.10.2017]

Excerpt out of 119 pages

Details

Title
Neue Wohnformen im Alter. Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten von Seniorinnen und Senioren
Year
2018
Pages
119
Catalog Number
V438687
ISBN (eBook)
9783960953944
ISBN (Book)
9783960953951
Language
German
Keywords
Wohnen im Alter, Senioren, Wohnen, Heim, Pflege, Pflegeheim, Wohnformen, Seniorinnen
Quote paper
Anonymous, 2018, Neue Wohnformen im Alter. Wünsche, Bedürfnisse und Möglichkeiten von Seniorinnen und Senioren, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438687

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